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Bahnstrom

Definition: elektrische Energie für den Betrieb von Bahnen

Allgemeiner Begriff: elektrische Energie

Englisch: traction power

Kategorien: elektrische Energie, Fahrzeuge, Kraftmaschinen und Kraftwerke

Autor:

Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen

Ursprüngliche Erstellung: 30.11.2012; letzte Änderung: 20.08.2023

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Die meisten Eisenbahnen sind heute elektrifiziert. Gegenüber dem Einsatz von Wärmekraftmaschinen in den Lokomotiven, beispielsweise Dieselmotoren oder Dampfmaschinen, hat dies wesentliche Vorteile:

Ein wichtiger Nachteil ist jedoch, dass die elektrische Energie während der Fahrt zugeführt werden muss – in der Regel mit Oberleitungen, teilweise auch mit bodennahen Stromschienen. Die Elektrifizierung einer Bahnstrecke ist teuer, weswegen auf sie bei wenig genutzten Strecken z. T. verzichtet wird.

Auch Untergrund-, Stadt- und Straßenbahnen sind weitestgehend elektrifiziert. Im Unterschied zu den Eisenbahnen für den Fernverkehr, auf den sich dieser Artikel konzentriert, arbeiten sie meist mit Gleichstrom auf einem niedrigeren Spannungsniveau.

Das Bahnstromnetz

Die elektrische Energie, die die Bahnen zum Betrieb benötigen, wird in manchen Ländern (auch in Deutschland) durch ein separates Bahnstromnetz verteilt, also ein vom öffentlichen Stromnetz separates Stromnetz. Es verfügt teils über eigene Kraftwerke, bezieht teilweise aber auch Energie aus dem öffentlichen Stromnetz. Die Verteilung der Energie erfolgt über 110-kV-Hochspannungsleitungen (die teilweise auf den Masten anderer Hochspannungsleitungen verlegt sind) bis zu den Unterwerken, die die Spannung mit einem Transformator anpassen, um in die Oberleitungen einspeisen zu können.

Das Bahnstromnetz unterscheidet sich in manchen Punkten vom öffentlichen Stromnetz:

  • Da die Zufuhr von Drehstrom über Oberleitungen wenig praktikabel ist (nämlich zwei oder drei Oberleitungen benötigen würde), arbeitet man fast überall mit Einphasen-Wechselstrom, z. B. mit 15 kV Effektivwert (was im Bereich der Mittelspannung liegt). Der Strom fließt von den Oberleitungen über den Stromabnehmer und wird über die Schienen abgeleitet. Die Schienen befinden sich nahezu auf Erdpotenzial, so dass ihre Berührung im Normalfall völlig harmlos ist.
  • In Deutschland, Österreich, der Schweiz und in Schweden wird das Bahnstromnetz mit einer Netzfrequenz von 16,7 Hz betrieben – nicht mit 50 Hz, wie es in vielen anderen Ländern üblich ist. Dies liegt daran, dass es in der früheren Zeit der Elektrifizierung schwierig war, leistungsfähige Motoren für 50 Hz zu bauen. (Bei einphasigen Motoren ist die Funkenbildung am Stromwender dann recht stark.) Heute ist dies längst nicht mehr der Fall: Moderne Umrichter in Lokomotiven erzeugen Drehstrom, mit dem dann ein robuster Drehstrommotor ohne Schleifkontakte betrieben werden kann. Von daher würde man heute ein neu zu errichtendes Bahnstromnetz wohl eher für 50 Hz (oder gar für Gleichstrom) auslegen. Es wäre aber ein enormer (und definitiv nicht lohnender) Aufwand, das gesamte vorhandene Bahnstromnetz nachträglich entsprechend umzubauen – insbesondere solange noch viele alte Elektrolokomotiven im Einsatz sind, die schwer umzurüsten wären. In anderen Regionen der Welt gibt es Bahnstromnetze mit 50 Hz, auch mit anderen Wechselstromfrequenzen (z. B. 25 Hz), oder mit Gleichstrom.

In Ländern, in denen kein separates Bahnstromnetz verwendet wird, werden die Oberleitungen über die Unterwerke versorgt. Diese können einfach Transformatoren enthalten oder auch Umformer, wenn die Frequenz geändert werden muss.

Bahnstromkraftwerke

In Deutschland und vielen anderen Ländern erzeugen die Bahnen die elektrische Energie zumindest teilweise selbst in Bahnstromkraftwerken. Ihre Generatoren arbeiten mit der benötigten Netzfrequenz und beliefern über Hochspannungsleitungen (in Deutschland mit 110 kV) die Unterwerke. In Österreich werden ausschließlich Wasserkraftwerke verwendet, während in Deutschland 13 Wasserkraftwerke, 7 fossil befeuerte Kraftwerke und ein Kernkraftwerk (mit teilweiser Bahnstromerzeugung) genutzt werden (Stand 2012).

Es gibt häufig Kraftwerke, die Strom sowohl für das öffentliche Netz als auch für die Bahnen liefern. Bei abweichenden Netzfrequenzen können separate Generatoren verwendet werden oder auch Umrichter.

Elektroantrieb der Lokomotiven

In frühen Jahren der Elektrifizierung stand kaum leistungsfähige Elektronik zur Verfügung. Die Elektromotoren mussten also direkt – allenfalls über einen Transformator für die Herabsetzung der elektrischen Spannung betrieben werden. Stelltransformatoren dienten der Steuerung der Leistung.

Moderne Elektrolokomotiven arbeiten intern mit Drehstrom variabler Frequenz, der über einen Umrichter erzeugt wird. Dies erlaubt einerseits den Einsatz robuster und kompakter Drehstrommotoren und ergibt andererseits eine höhere Flexibilität für den Einsatz im grenzüberschreitenden Verkehr. Da in der Lokomotive zunächst eine Gleichrichtung vorgenommen wird, kommt es auf die Netzfrequenz kaum an. Auch ein variables Spannungsniveau ist für die heutigen Umrichter kein Problem. Der technische Aufwand für solche Mehrsystemlokomotiven ist gering im Vergleich zu dem, der durch unterschiedliche Signalsysteme entsteht.

Siehe auch: elektrische Energie, Stromnetz, Mittelspannung, Netzfrequenz

Fragen und Kommentare von Lesern

03.02.2020

Lässt sich Bahnstrom mit Windenergie herstellen, oder reicht das nicht aus?

Antwort vom Autor:

Windenergie allein ist wegen der zeitlichen Schwankungen des Angebots nicht geeignet zur Deckung des Strombedarfs der Bahnen, genauso wie in vielen anderen Verbrauchssektoren – außer wenn sie mit großen Speichern für elektrische Energie kombiniert würde, was jedoch beispielsweise in Deutschland kaum praktikabel wäre. Sie kann aber einen erheblichen Teil der benötigten Energiemengen liefern, also ein wesentlicher Teil eines ausgewogenen Strommixes darstellen.

10.03.2020

Die Bahn verwendet 110-kV-Hochspannungsleitungen. Hierbei werden normalerweise vier Kabel verwendet. Ich gehe davon aus, dass jeweils zwei Kabel 180° phasenverschoben sind. Die angegebene Spannung ist dann Phase/Phase oder Phase zu Erdpotential?

Die Isolatoren von der Bahntrasse sind etwa so lang wie die der 110-kV-Leitung 3 Phasen. Für mich macht das keinen Sinn, es sei denn die 16 2/3 Hz verhalten sich an der Luft anders. Haben Sie darüber entsprechende Informationen?

Antwort vom Autor:

Man verwendet zwei gegenphasige Leitungen mit je 55 kV Effektivspannung gegen Erde, zwischen denen die 110 kV anliegen.

Eigentlich würde man wegen der viel niedrigeren Spannung an der Oberleitung deutlich kürzere Isolatoren erwarten. Ich bin nicht sicher, warum genau das nicht so ist. Es könnten die Schwingungen der Leitungen eine Rolle spielen, die deswegen weiter von allen anderen Metallteilen entfernt gehalten werden müssen. Vielleicht ist es auch, weil Isolatoren, die so nahe an den Zügen liegen, stärker verschmutzt werden. An der Frequenz liegt es sicherlich nicht: Bei niedriger Frequenz ist die Durchschlagsfestigkeit eher höher.

20.12.2020

Beim Fahren mit Regionalzügen der DB in Baden fällt in der Beschleunigungsphase mehrmals ein kurzer Ruck auf. Werden bei diesen Zügen Schaltgetriebe verwendet?

Antwort vom Autor:

Nein – der Ruck kommt von einem Umschalten im (bei alten Zügen ziemlich primitiven) elektrischen System, was bei gewissen Geschwindigkeiten notwendig ist. Mit moderner Leistungselektronik, die zudem auch viel effizienter ist, passiert so etwas nicht.

06.06.2021

Bei der Elektrifizierung der Bahn gab es ein riesiges Problem, in England, dann in den USA wurde eine pragmatische Lösung gefunden: die jetzt übrigen Heizer durften zwanzig Jahre lang auf den E-Loks unbeschäftigt mitfahren.

Leider ging das in Deutschland irgendwie nicht: Die Elektrifizierung wurde zehn, zwölf Jahre lang verhindert, mit halbseidenen Argumenten, dann, als es nichts mehr zu Verhindern gab wurde "das Bahnnetz" erfunden: eine reine Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahme. Diese komische Frequenz wurde nur gewählt, um es der Politik möglichst teuer zu machen, dieses Bahnnetz wieder abzuschaffen. Eine technische Ursache gibt es nicht, gab es nie.

Gesetzt den Fall, Gedankenspiel, morgen um 12:00 Uhr wird das Bahnnetz abgeschaltet und die komplette Last auf das öffentliche Stromnetz umgeschaltet, Bahnnetz 2019 10 TWh, öffentliches Netz 2019 559 TWh: technisch kein Problem, aber bei der Bahn sind dann 42.000 Stellen überflüssig, dazu auch 25.000 Strommaste, die in unserem öffentlichen Netz dringend benötigt würden.

Wenn der Wind an der Küste weht, was an immer mehr Tagen im Jahr vorkommt, sich die Windräder drehen, und Energie ins Netz gepresst wird, sodass an der Strombörse in Leipzig der Strompreis ins Negative abrutscht, und ein riesiger Energiestrom im Netz von Nord nach Süd fließt, und während die ersten Windräder abgeschaltet werden müssen, weil das Netz keine Energie mehr aufnehmen kann, fließt in der parallel dazu laufenden Bahnstromtrasse Bahnstrom von Neckarwestheim nach Norden. Ein energietechnischer Oberschwachsinn, und eine Energieverschwendung gigantischen Ausmaßes.

Energie wird heute über Höchstspannungsleitungen übertragen, dagegen Bahnstrom mit mickrigen 110 kV, mit erheblichen, quadratisch steigenden Leitungsverlusten, eine Energieverschwendung gigantischen Ausmaßes.

Das jetzige Bahnstromnetz hat keinerlei Mix verschiedener Verbraucher, verschiedenes Verbrauchsverhalten gleicht sich nicht gegenseitig aus, es müssen deshalb Reserven vorgehalten werden. Auch das eine Verschwendung gigantischen Ausmaßes.

Antwort vom Autor:

Das sind jedenfalls sehr interessante Gedanken. Ich habe schon Zweifel an der These, es habe nie einen echten technischen Grund für die extra-niedrige Frequenz des Bahnstroms gegeben, und das sei nur zur Bedienung von Partikularinteressen so entschieden worden. Ich halte es aber für durchaus möglich, dass die Entscheidung dafür schon damals nicht so gut durchdacht war. Ziemlich sicher ist jedenfalls, dass erstens die niedrige Frequenz heute kein Vorteil ist und zweitens das separate Bahnstromnetz wesentlich mehr Nachteile als Vorteile bringt.

Nur wäre aber eine Umstellung dummerweise extrem aufwendig. Ich fürchte, das wird man nicht ernsthaft erwägen, weil der Aufwand unverhältnismäßig hoch wäre. Ein schönes Beispiel dafür, dass man sich mit einer falschen Entscheidung für eine bestimmte Art von Infrastruktur praktisch für ewige Zeiten daran binden und enorm viel Schaden verursachen kann.

06.12.2021

Zum Thema Ruckelei: Die alten mechanischen Schaltwerke waren eigentlich recht gut abgestuft, ich bin lange mit alten Vorkriegs- Vorortzügen bei Stuttgart herumgefahren, das knallte zwar lustig im Schaltkasten, der im Fahrgastraum stand, aber Ruckeln war da nicht zu merken.

Dagegen war bei den neuen S-Bahnen in Hamburg in der Anfangszeit die Schlupfregelung etwas bockig, man hat ja auf vier angetriebene Achsen verzichtet gegenüber den Vorgängertriebwagen, weil man ja mit Schlupfregelung die Reibungsgrenze besser ausnutzen kann. Leider rächte sich das im ersten Nieselwetter im Herbst, das die Schienen rutschig machte. Die Schlupfregelung knallte sofort rein und stoppte den Antrieb offenbar achs- oder zumindest wagenweise, wodurch der restliche Zug in die Kupplung stieß und das ganze heftig ins Ruckeln kam. Es hat etwas gedauert, aber mittlerweile hat man das wohl etwas gedämpfter eingestellt. Jedenfalls kann man heute immer noch das Aufheulen hören, wenn eine Achse durchgeht, aber sie wird langsamer ausgesteuert als am Anfang.

Antwort vom Autor:

Ich danke für den interessanten Kommentar eines alten Hasens!

28.07.2022

Ist der Bahnstrom also nicht synchron mit dem 50-Hz-Netz? Was ich meine, ist die Zeit zwischen dem Nulldurchgang des Bahnstroms und jedem dritten Nulldurchgang des 50-Hz-Netzes. Ich dachte, der Bahnstrom ist von den 50 Hz abgeleitet (weil es früher ja 16 2/3 Hz waren), dann wäre diese Zeit konstant. Aber bei 16,7 Hz kann das ja gar nicht der Fall sein, korrekt?

Antwort vom Autor:

In der Tat ist die genaue Synchronisierung so nicht möglich, und die 16,7 Hz wurden sogar genau deswegen so festgelegt, weil ein genau synchroner Lauf der beiden Netze aus bestimmten technischen Gründen ungünstig wäre. Das hat mit den als Umformern genutzten Asynchronmaschinen zu tun.

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