RP-Energie-Lexikon
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Kohleverflüssigung

Akronym: CtL = coal to liquids

Definition: die Herstellung flüssiger brennbarer Substanzen aus Kohle

Allgemeiner Begriff: Kohleveredelung

Englisch: coal liquefaction

Kategorien: Energieträger, Grundbegriffe

Autor:

Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen

Ursprüngliche Erstellung: 26.01.2013; letzte Änderung: 20.08.2023

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Verfahren der Kohleverflüssigung können verwendet werden, um aus Kohle flüssige Brennstoffe und Kraftstoffe zu erzeugen, insbesondere Benzin, Dieselkraftstoff, Heizöl, Kerosin und Schweröl. Solche Produkte können von hoher Qualität sein, unter Umständen höher als der von Erdölprodukten, und eigenen sich beispielsweise als Drop-in Fuels. Ebenfalls können Grundstoffe für die chemische Industrie erzeugt werden, beispielsweise Aromaten für Farbstoffe.

Die Kohleverflüssigung ist eine Art der Kohleveredelung. Der Zweck ist meistens die Substitution von Erdöl durch Kohle.

Da chemische Umwandlungen bei der Kohleverflüssigung eine große Rolle spielen, spricht man bei ihren Produkten auch von Synthesekraftstoffen.

Verfahren der Kohleverflüssigung

Direkte Kohlehydrierung

Kohle kann mit Wasserstoff bei hohen Temperaturen und Drucken und mit Unterstützung durch einen Katalysator (z. B. Eisenoxid) reagieren. Sie wird dabei hydriert, d. h. es entstehen diverse Kohlenwasserstoffe. Diese sind zum Teil gasförmig und zum Teil flüssig; zusätzlich entstehen schwere Rückstände wie Asphalt und Reste der Kohle. Aus den flüssigen Kohlenwasserstoffen (dem Kohle-Öl) kann ähnlich wie aus flüssigen Erdölfraktionen z. B. Benzin, Dieselkraftstoff und Heizöl hergestellt werden. Der Aufwand der Raffination ist allerdings relativ hoch, da das entstehende Öl große Mengen von Aromaten sowie Schwefel- und Stickstoffverbindungen enthält.

Der benötigte Wasserstoff kann ebenfalls mit Hilfe von Kohle gewonnen werden, z. B. durch Herstellung von Synthesegas (Wassergas) mit anschließender Wassergas-Shift-Reaktion. Ein Teil der eingesetzten Kohle wird also hierfür verbraucht, und es entsteht dabei Kohlendioxid.

Es gibt unterschiedliche Verfahren für die großtechnische direkte Kohlehydrierung. Besonders bedeutend ist das Bergius-Pier-Verfahren. Es erzeugt vorwiegend flüssige Kohlenwasserstoffe und benötigt Kohle geeigneter Qualität. Braunkohle muss vorher genügend getrocknet werden, da ein hoher Wassergehalt störend wäre. Manche Sorten wie Fettkohle, Magerkohle oder Anthrazit sind nicht geeignet, da sie zu wenig reaktiv sind.

Es gibt auch Verfahren der Kohleextraktion mit Hilfe von hydrierenden Lösungsmitteln. Hier reagiert die Kohle mit einem Lösungsmittel wie z. B. Tetralin, welches Wasserstoff abgeben kann, wobei die Kohle zu Kohlenwasserstoffen umgesetzt wird. Das oxidierte Lösungsmittel kann danach wieder hydriert werden, um erneut zum Einsatz zu gelangen.

Indirekte Verfahren: Fischer-Tropsch-Synthese

Das Fischer-Tropsch-Verfahren ist wohl das wichtigste Verfahren für die Kohleverflüssigung. Es ist ein indirektes Verfahren: Die Kohle wird nicht direkt hydriert, sondern zunächst vergast. Das gewonnene Synthesegas wird zunächst gereinigt (mit Abscheidung von Schadstoffen wie Schwefeldioxid und Stickoxiden) und dann mit Hilfe eines Katalysators zu Kohlenwasserstoffen und Wasserdampf umgesetzt. Je nach Gestaltung des Verfahrens erhält man Kraftstoffe, die eher dem Benzin oder eher Dieselkraftstoff entsprechen.

Dieses Verfahren ist weniger stark von einer bestimmten Kohlequalität abhängig. Es hat aber den Nachteil, dass seine Effizienz noch geringer ist, d. h. dass noch mehr Energie in den Prozessen verloren geht (rund 50 bis 60 %).

Es wird an verbesserten Verfahren gearbeitet, die z. B. das Prinzip des "chemical looping" verwenden. Hier können Anteile von H2 und CO, die nicht zu Kohlenwasserstoffen umgesetzt werden konnten, zur Herstellung reinen Wasserstoffs dienen, der dann wieder dem Prozess zugeführt werden kann. Dies würde die Ausbeute um z. B. 10 % erhöhen und gleichzeitig die Anwendung von CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) erleichtern.

Pyrolyse

Durch Erhitzen von Kohle unter Luftabschluss (Pyrolyse) lassen sich ebenfalls Flüssigkeiten aus Kohle gewinnen, die zum größeren Teil aus Kohlenwasserstoffen bestehen. Allerdings ist die Ausbeute an Flüssigkeiten sowie ihre Qualität gering; das Hauptprodukt ist eine Art von Koks.

Bedeutung der Kohleverflüssigung

Die Kohleverflüssigung erlaubt die Substitution von Erdöl durch Kohle bei der Herstellung vieler wichtiger Substanzen. Zu Zeiten mit gut und billig verfügbarem Erdöl ist sie nicht wirtschaftlich, selbst wenn die Kohle preisgünstig erhältlich ist. Jedoch haben manche Länder die Kohleverflüssigung betrieben, wenn sie z. B. durch Embargos nicht genügend Erdöl erhalten konnten, aber Zugriff auf heimische Kohle hatten. Diese war z. B. in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs der Fall. Der chronische Erdölmangel konnte aber nur teilweise durch die Kohleverflüssigung ausgeglichen werden. In der Bundesrepublik wurde die Kohleverflüssigung dann nicht fortgeführt, weil sie wegen billig verfügbaren Erdöls nicht nötig und unwirtschaftlich war. In Südafrika dagegen wurde die Kohleverflüssigung in den 1950er Jahren aus politischen Gründen aufgenommen und spielt auch heute noch eine gewisse Rolle.

Mit Ölpreisen von mehr als 100 USD pro Barrel wird die Kohleverflüssigung wieder wirtschaftlich interessant, und insbesondere in China wird stark daran geforscht. Jedoch ist das so gewonnene synthetische Erdöl auch nicht so kostengünstig wie früher das Erdöl, und auch bei Kohle sind die Förderkapazitäten begrenzt. Wenn aus einer Tonne Kohle z. B. 1,25 Barrel Rohöl gewonnen werden können, wie von der größten Kohleverflüssigungsanlagen weltweit (Sasol-Anlage in Secunda, Südafrika) berichtet wird, entspricht die weltweite Ölförderung von 95 Mio. Barrel täglich (Stand 2019) einem Jahresverbrauch von über 27 Milliarden Tonnen Kohle – deutlich mehr als das Dreifache der weltweiten Kohleproduktion. Selbst wenn also nur 10 % des Erdöls durch Kohleverflüssigung substituiert werden sollten, müsste die Kohleförderung dafür massiv ausgebaut werden, was aber kaum möglich scheint. Hinzu kommen schwere ökologische Nachteile (siehe unten).

Energieverluste

Bei der Kohleverflüssigung geht ein erheblicher Teil der in der Kohle enthaltenen Energie verloren. Je nach Verfahren und eingesetzter Kohle ergeben sich unterschiedliche Werte. Für das am meisten angewandte Fischer-Tropsch-Verfahren liegen die Energieverluste in der Gegend von 50 bis 60 %, das heißt der energetische Wirkungsgrad liegt nur bei rund 40 bis 50 %. Hinzu kommen Energieverluste bei der vorhergehenden Kohlevergasung. (Die in der Praxis erzielten Gesamtwirkungsgrade hängen von diversen Faktoren ab, insbesondere von der Qualität der Kohle und der verlangten Qualität der Kraftstoffe.) Die direkte Kohlehydrierung kann deutlich effizienter sein, stellt jedoch höhere Anforderungen an die Kohle und an die anschließende Raffination, und die Methode ist weniger weit entwickelt.

Ökologische Aspekte

Wenn synthetisches Öl durch Kohleverflüssigung hergestellt wird, entstehen schon bei dieser Herstellung (und nicht erst bei der Verbrennung der Ölprodukte) erhebliche umweltschädliche Emissionen. Insbesondere entstehen klimaschädliche CO2-Emissionen in ähnlichem Umfang wie später bei der Verbrennung der Produkte, so dass insgesamt das Kohle-Öl ungefähr doppelt so klimaschädlich ist wie Erdöl. Die Emissionen anderer Schadstoffe (Stickoxide, Schwefeldioxid, Feinstaub, etc.) dagegen können durch gute Filteranlagen weitgehend eliminiert werden. Der hohe Wasserverbrauch ist je nach Standort ein größeres oder kleineres Problem. Hinzu kommen diverse Umweltbelastungen durch die Kohleförderung.

Die Klimaschädlichkeit der Kohleverflüssigung könnte im Prinzip durch CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) gemildert werden. Jedoch verbrauchen solche Verfahren einen erheblichen Teil der gewonnenen Energie, so dass der Kohleverbrauch massiv höher wird. Die bei der Herstellung verbleibenden CO2-Emissionen sind keineswegs marginal, und die Emissionen bei der Verbrennung der Ölprodukte sowie bei der Kohleförderung sind ohnehin kaum zu vermeiden.

Aus diesen Gründen wäre der verstärkte Einsatz der Kohleverflüssigung aus der Sicht des Umweltschutzes und insbesondere des Klimaschutzes sehr schädlich. Ohnehin dürfte es schwierig sein, die Peak-Oil-Problematik damit entscheidend zu entschärfen.

Siehe auch: Synthesekraftstoff, Kohle, Kohlenwasserstoffe, Kohlevergasung, Benzin, Kohlendioxid, Klimagefahren, CO2-Abscheidung und -Speicherung

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