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Werbung für Infrarotheizungen: Irreführung mit Methode

Erschienen am 08.09.2015 im RP-Energie-Blog (als E-Mail-Newsletter erhältlich!)

Permanente Adresse: https://www.energie-lexikon.info/rp-energie-blog_2015_09_08.html

Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics AG

Inhalt: Dieser Artikel zeigt exemplarisch, mit welch unverschämten Methoden manche Anbieter für Elektroheizungen werben. Die Irreführung von Verbrauchern wird konsequent betrieben.

Rüdiger Paschotta

Anfang August 2015 bin ich von einer schweizerischen Behörde darauf aufmerksam geworden, dass die schweizerische Firma InfraPlus ein längeres Zitat von der Website des RP-Energie-Lexikon in irreführender Weise in einem Flugblatt eingesetzt hat. In diesem Flugblatt wurde behauptet, elektrische Infrarotheizungen ermöglichten das Heizen mit einem niedrigen Stromverbrauch – gleich niedrig wie mit einer Wärmepumpenheizung; eine Behauptung, die auch auf der Website dieser Firma eingesetzt wird. Gleichzeitig wurde gegenüber der Behörde Widerstand angekündigt für den Fall, dass ein "willkürliches Verbot" von Elektroheizungen erlassen würde.

Anhand dieses Falles möchte ich beispielhaft aufzeigen, mit welch skrupellosen Methoden gewisse Anbieter für angeblich energiesparende Heizungssysteme werben.

Missbrauch eines Zitats zwecks Irreführung

Das eingesetzte Zitat von meiner Website war mit einer Internetadresse (URL) als Quellenangabe versehen, die freilich unvollständig war (womöglich um die Überprüfung des Zusammenhangs zu behindern). Inhaltlich ging es im zitierten Text in keiner Weise um Infrarotheizungen oder sonstige Heizungstechnik, sondern nur um die Feststellung, dass eine unheimliche Menge von falschen oder zumindest fragwürdigen Meinung über Energiefragen in der Öffentlichkeit herumgeistert, zum Teil auch gezielt in die Welt gesetzt wird, und dass mit meinem Lexikon versucht werden soll, solche Dinge zu korrigieren. Durch die Einbettung meines Textes vor und nach Werbeaussagen für "modernste Infrarot-Wärmetechnik" wurde der Eindruck erweckt, mein Energielexikon würde gerade solche Missverständnisse bekämpfen, die die Wunderwirkungen der Infrarotheizungstechnik nicht angemessen sichtbar werden würden. (In Wirklichkeit liegt mir gerade daran, solche Behauptungen als Irreführung von Verbrauchern zu entlarven; man lese z. B. meine Artikel über Elektroheizung und Infrarotheizung.) Dieser falsche Eindruck wurde übrigens auch dadurch verstärkt, dass das Zitat vom davor stehenden Text nicht durch Anführungszeichen abgegrenzt wurde.

Sicherlich wurde auf diese Weise ganz bewusst versucht, den völlig falschen Eindruck zu erwecken, eine seriöse Quelle würde die Aussagen dieses Werbe-Pamphlets bestätigen. Ich protestierte dagegen sofort in Form eines E-Mails an die Firma und forderte darin eine ausdrückliche Erklärung, dass zukünftig keinerlei Zitate von mir mehr für solche Werbung missbraucht werden. Ich erhielt dann zwar eine Entschuldigung für die Verwendung meines Textes, aber keine Zusicherung, dass dies nicht mehr geschehen wird – auch nicht nach nochmaliger ausdrücklicher Aufforderung.

Missbrauch einer wissenschaftlichen Studie

Die gemachten Erfahrungen waren für mich ein Anlass, mir die Website der Firma InfraPlus einmal genauer anzusehen. Dies zeigte, dass auch in einem noch um einiges krasseren Fall die Aussagen solcher Leute missbraucht wurden und weiterhin werden, deren Resultate zentrale Aussagen der verbreiteten Werbebotschaften sogar eindeutig und detailliert widerlegen. Es geht um eine Studie der Hochschule Luzern – Technik & Architektur mit dem Titel "Vergleich Energieeffizienz: Infrarot-Heizung versus Wärmepumpen-Heizung", die von der Energiefachstellenkonferenz Ostschweiz in Auftrag gegeben worden war. Hierzu gibt es einen Schlussbericht vom 07.06.2010 (wobei InfraPlus seltsamerweise das Jahr 2011 angibt, aber definitiv diese Studie meint).

Die genannte Studie kommt zu Resultaten, die für die Hersteller von Elektro-Infrarotheizungen und insbesondere für InfraPlus vernichtend sind. Beispielsweise wird gezeigt, dass solche Heizungen weitaus mehr Strom benötigen als Wärmepumpenheizungen und nicht etwa gleich viel, wie von InfraPlus behauptet. Außerdem hat die Studie ergeben, dass Strahlungsheizungen nur unwesentlich effizienter sind als konventionelle Systeme – womit wohlgemerkt Elektroheizungen gemeint sind. Der leider weit verbreitete Glaube, ein Gebäude könne mit weitaus weniger Heizwärme warm gehalten werden, wenn diese Heizwärme in Form von Wärmestrahlung eingebracht wird, wird von der Studie wirkungsvoll widerlegt. (Alles andere wäre auch physikalisch kaum plausibel.) Im Magazin der Hochschule wurde über die Studie mit dem Titel "Infrarotheizungen als Stromfresser entlarvt" berichtet.

Die eigentlich zu erwartende Reaktion einer Firma wie InfraPlus wäre eigentlich, dass man auf eine solche absolut nicht ins Konzept passende Studie lieber gar nicht eingeht, weil ja jeder, der das liest, die Werbeaussagen damit sofort widerlegt bekommt. Man hat sich aber zum gegenteiligen Schritt entschieden: Resultate der Studie werden mit erheblichem Detailgrad auf etlichen Seiten der Website von InfraPlus dargestellt – freilich in verschiedenen Punkten nicht sachlich korrekt und vor allem ohne darauf einzugehen, dass diese die eigene Position völlig unterminieren. Offenbar hofft man, dass sich der Großteil der Leser nicht die Mühe machen wird, die Fülle dieser Texte wirklich zu lesen, und dann den Eindruck erhält, eine wissenschaftliche Studie habe die Behauptungen der Firma belegt. Es kann gut sein, dass diese Rechnung sogar aufgeht, weil es etwas mühsam ist, am Bildschirm all die Details zu lesen. Freilich kann man diese Strategie nicht anders als eine bodenlose Frechheit gegenüber den Autoren der Studie und den irregeführten Verbrauchern bezeichnen.

(Nachtrag vom 09.09.2015: Die genannten Materialien sind auf der Website von InfraPlus nicht mehr abrufbar – vermutlich wegen Drohungen der Hochschule Luzern mit rechtlichen Schritten gegen den Missbrauch ihrer Materialien.)

Man muss hoffen, dass einem solchen Treiben von staatlichen Stellen mit konsequenten Effizienzvorschriften begegnet wird, z. B. mit einem Verbot von Elektroheizungen als Mittel zur Grundbeheizung (was für neue Anlagen vielerorts längst schon gilt). Ergänzend könnten juristische Klagen wegen unlauterem Wettbewerb z. B. gegenüber den Anbietern von Wärmepumpenheizungen eingesetzt werden. Im Übrigen kann in Publikationen wie dieser möglichst vielen Verbrauchern vor Augen geführt werden, dass man sich gründlich informieren muss (z. B. hier), um nicht durch die Tricks gewisser Anbieter geschädigt zu werden.

Ein verbreitetes Problem

Leider ist die Firma InfraPlus keineswegs ein Sonderfall; es gibt etliche Anbieter von Elektroheizungen, die mit physikalisch völlig unplausiblen und nirgends nachvollziehbar empirisch belegten Behauptungen werben. Immer wieder wird versucht, den falschen Eindruck zu erwecken, für modernste Elektroheizungen (etwa Infrarotheizungen) gelte die Einsicht nicht mehr, dass Elektroheizungen energetisch sehr ineffizient sind. Teils wird auch behauptet, diese Einsicht sei schon immer falsch gewesen – natürlich unter Missachtung einer riesigen Fülle von Erfahrungswerten und nicht nur von physikalischen Grundlagen.

Vorsicht vor falschen Verallgemeinerungen

Zum Schluss muss ich noch betonen, dass sich meine ganze Kritik an Elektroheizungen ausdrücklich nur auf deren Einsatz zur Grundbeheizung von Gebäuden bezieht. Es kann nämlich durchaus energetisch sinnvoll sein, Elektro-Infrarotheizer räumlich und zeitlich gezielt für eine zusätzliche Beheizung einzusetzen. Beispielsweise kann man sich im Badezimmer für zehn Minuten pro Tag von einem solchen Gerät anstrahlen lassen, anstatt das Bad rund um die Uhr stärker zu beheizen, und so durchaus Energie sparen. Ein fataler Irrglaube ist es aber zu meinen, solche Technik eigne sich zur Grundbeheizung. Nur wenn man die Möglichkeit des räumlich und zeitlich sehr gezielten Einsatzes von Infrarotstrahlung nutzt, kann sich ein energetischer und damit auch ökologischer Vorteil ergeben.

Siehe auch den neueren Artikel über Infrarotheizungen vom 29.02.2016.

Fragen und Kommentare von Lesern

14.12.2019

Man sollte nicht unerwähnt lassen, dass erstens die Studie aus Luzern nur auf Simulationsrechnungen beruht, und dass es zweitens eine Studie der TU Kaiserslautern gibt, die auf tatsächlichen monatelangen Messungen in einem bewohnten Haus beruht und direkt Infrarotheizung mit Gasheizung vergleicht, wobei die IR-Heizung energetisch besser abschneidet, sogar weniger CO2 ausstößt, beim damaligen Strommix (2008/2009).

Im Ergebnis sagt selbst die Studie aus Luzern, dass die IR-Elektroheizung weniger Wärmeenergie umsetzen muss, als die Wärmepumpen-Elektroheizung. Dass letztere dazu viel weniger Elektroenergie aufnimmt, ist eigentlich eine Binsenweisheit, die vorher schon klar war.

Antwort vom Autor:

Die Studie der TU Kaiserslautern kenne ich genau. Sie ist höchst fragwürdig, und kritische Rückfragen an den Autor konnte mir dieser nicht annähernd überzeugend beantworten. Seine Messungen bezogen sich auf gerade mal eine einzige Wohnung, und Zahlen zu den ursprünglichen Verbräuchen (d. h. vor der Umstellung auf Infrarotheizung) liegen nicht vor. Schon ein einziger Messfehler könnte so ein Resultat stark verfälschen; für keine Art der Heizung kann die Messung an einem einzigen Objekt als Nachweis für eine überlegene Energieeffizienz dienen. Eine physikalisch plausible Erklärung für den massiv reduzierten Heizwärmebedarf durch die Infrarotheizung liegt meines Erachtens auch nicht vor. Dagegen ist der Bericht der Studie aus Luzern, den ich ebenfalls vor Jahren genau studiert habe, völlig plausibel. Sie berichtet von einem nur geringfügig reduzierten Wärmebedarf und einem massiv höheren Strombedarf der Infrarotheizung. Letzteres ist natürlich, was am Ende zählt. Dies ist zwar in der Tat überhaupt nicht überraschend, aber eben sehr wichtig als Grundlage für eine Gesamtbeurteilung der Angelegenheit.

Übrigens gehe ich davon aus, dass wir längst flächendeckend Elektro-Infrarotheizungen hätten, wenn die Verbrauchswerte wirklich so toll wären. Das wäre der Fachwelt nämlich sicherlich nicht über viele Jahre verborgen geblieben. Aber vielleicht findet sich ja noch eine Verschwörungstheorie, um das zu erklären.

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