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Guerilla-PV mit steckerfertigen PV-Modulen: eine Chance für die Energiewende von unten oder eine lebensgefährliche Spielerei?

Erschienen am 26.01.2016 im RP-Energie-Blog (als E-Mail-Newsletter erhältlich!)

Permanente Adresse: https://www.energie-lexikon.info/rp-energie-blog_2016_01_26.html

Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics AG

Inhalt: Es gibt Photovoltaik-Module mit integriertem Wechselrichter, die man einfach an eine Steckdose anschließen kann. Einfacher kann die Nutzung von Photovoltaik nicht mehr werden. Allerdings wirft diese Methode eine ganze Reihe von Fragen bezüglich der technischen Sicherheit, rechtlichen Aspekten und den Auswirkungen auf die Energiewende auf. Diese werden im Artikel ausführlich behandelt.

Rüdiger Paschotta

Seit einigen Jahren bieten diverse Hersteller steckerfertige PV-Module mit eingebautem Micro-Inverter (Wechselrichter) an, mit denen sich die Photovoltaik auf denkbar einfache Weise nutzen lässt: das Modul aufstellen, so dass es gut vom Sonnenlicht getroffen wird, den Stecker in die Steckdose stecken und fertig! Die einen sehen in solchen Plug-in-Modulen eine exzellente Möglichkeit für die Energiewende von unten, während andere vor großen Gefahren warnen. Grund genug, hierzu einige Kommentare abzugeben.

Nachtrag vom 06.11.2016: Inzwischen gibt es auch einen Lexikonartikel über Solarmodule für die Steckdose.

Lohnt sich das?

Ein solches steckerfertiges PV-Modul liefert beispielsweise eine maximale Leistung von 200 Watt (bei optimaler Beleuchtung), sodass unter guten Umständen an einem Tag einige Kilowattstunden produziert werden können. Das sollte an einem deutschen Standort pro Jahr rund 200 kWh ergeben, was bei einem Strompreis von 30 ct/Wh 60 € jährlich ergibt. Falls das 15 Jahre lang funktioniert, hätte man immerhin 900 € Ertrag erwirtschaftet – bei weiter steigenden Strompreisen unter Umständen sogar deutlich mehr. Anschaffungskosten von etlichen hundert Euro könnten also durchaus wieder hereingespielt werden.

Freilich kann die Energieausbeute auch wesentlich tiefer ausfallen, wenn eine optimale Aufstellung nicht möglich ist. Beispielsweise ist es zwar relativ einfach, ein solches Modul an einer Balkonverkleidung zu befestigen (anstatt auf einem Schrägdach), aber durch die dann senkrechte Aufstellung erzielt man vor allem im Sommer natürlich nur noch einen Bruchteil der möglichen Energieausbeute. Außer ist die Lebensdauer insbesondere des Wechselrichters fraglich, gerade bei Billigimporten aus Fernost. Die Wirtschaftlichkeit von gegebenenfalls notwendigen Reparaturen ist angesichts der geringen Erträge und der nicht unbedingt auf Wartungsfreundlichkeit optimierten Geräte sehr kritisch zu sehen.

Was passiert, wenn die erzeugte Leistung höher ist als der Eigenverbrauch?

Gedacht sind solche Module dafür, bei guter Sonne einen Teil des Eigenverbrauchs selbst zu erzeugen. Was passiert aber in Situationen, in denen der Eigenverbrauch im Haus geringer ist als die erzeugte Leistung? Ohne besondere Vorkehrungen wird dann die überschüssige Leistung einfach in das öffentliche Stromnetze eingespeist. Viele Haushalte sind immer noch mit einem simplen Stromzähler (Ferraris-Zähler) ausgestattet, der dann einfach rückwärts läuft. Dies bedeutet, dass der finanzielle Ertrag für den Betreiber immer derselbe ist, egal ob der Strom direkt selbst verbraucht oder in das Netz eingespeist wird. Interessanterweise erhält er damit effektiv eine Einspeisevergütung in einer Höhe, die er heute als regulärer EEG-Einspeiser nie bekäme! Das dürfte sich freilich ändern, sobald ein sogenannter "intelligenter Stromzähler" eingebaut wird.

Dies ist an sich nicht fair gegenüber den regulär angemeldeten privaten Stromerzeugung und gegenüber den anderen Stromkunden, da es die Erträge des jeweiligen Netzbetreibers schmälert, ohne dessen Kosten in ähnlicher Höhe zu reduzieren, und deswegen tendenziell zu einer Erhöhung der Strompreise beiträgt, die dann alle Verbraucher zusammen berappen müssen. Andererseits ist zu beachten, dass es hier um ziemlich geringe Beträge geht, die eine aufwendige bürokratische Behandlung nicht angemessen erscheinen ließen. Es entstünde wohl erst dann ein reales Problem, wenn solche Geräte massenhaft eingesetzt würden – womöglich gleich mehrere pro Haushalt.

Rechtlich wird vielerorts vom Verteilungsnetzbetreiber verboten, das ohne spezielle Anmeldung (und die Beachtung diverser technischer und administrativer Vorschriften) Energie in das Netz eingespeist wird. In diesem Falle ist der Betrieb solcher PV-Module ohne entsprechende zusätzliche Vorkehrungen – die freilich einen unverhältnismäßig hohen Aufwand verursachen würden – eigentlich illegal. Welche rechtliche Situation vorliegt, müsste im Einzelfall geklärt werden – etwa durch eine Anfrage beim Verteilungsnetzbetreiber (= lokalen Stromversorger). Vermutlich werden viele Käufer solcher Geräte dies aus Unkenntnis oder der Einfachheit halber unterlassen und damit in einer rechtlichen Grauzone oder sogar im illegalen Bereich arbeiten. Es kursieren übrigens auch sich widersprechende Aussagen zur Geltung von Vorgaben des EEG, die ich freilich rechtlich nicht sicher bewerten kann. In anderen Ländern (etwa der Schweiz oder Holland) gelten anscheinend Regeln, nach denen solch geringfügige Einspeisungen ohne besondere Begleitmaßnahmen erlaubt sind und wirtschaftlich toleriert werden.

Wie oben ausgeführt, kann man durchaus verstehen, dass die Netzbetreiber keine Freude haben an solchen "Photovoltaik-Guerilleros", die ohne Beachtung technischer und administrativer Vorschriften Strom einspeisen und damit die Erträge des Netzbetreibers schmälern. Andererseits rechtfertigen die geringen Mengen, um die es hier geht, keinen wesentlichen Aufwand und keine große Empörung – auch nicht die Verärgerung von Kunden.

Die technische Vermeidung solcher unerwünschten Rückspeisungen in das Netz ist allein mit einem steckerfertigen Gerät nicht möglich. Schließlich kann dessen Elektronik gar nicht "wissen", wie hoch der Stromverbrauch im Haus gerade ist. Hierzu bräuchte es ein spezielles Gerät, welches im Zählerschrank angebracht wird. Dadurch entstünden freilich Kosten, die die ganze Sache vermutlich finanziell völlig uninteressant werden ließen. So etwas lohnt sich erst bei größeren Energiemengen – etwa für eine ausgewachsene Haus-Solaranlage mit einer Spitzenleistung von einigen Kilowatt.

Dasselbe gilt für Überlegungen betreffend die drei Phasen des Wechselstromnetzes: Ein simples PV-Modul speist in nur eine Phase ein, und es kann passieren, dass entsprechende Verbraucher nur auf den anderen beiden Phasen arbeiten. Wiederum wäre aber der Aufwand, um die Energie zwischen den Phasen um zu verteilen, bei so geringen Leistungen unverhältnismäßig hoch. Für den Betreiber macht dieses Detail ohnehin nichts aus, da man normalerweise einen saldierenden Stromzähler hat, der nur die Summe der Leistungsflüsse auf allen Phasen berücksichtigt.

Was passiert bei Stromausfall?

In der Regel sind die genannten PV-Module so ausgeführt, dass sie nicht inselnetzfähig sind. Solange Sie also nicht an einem arbeitenden Stromnetz angeschlossen sind (und ordnungsgemäß funktionieren), speisen sie gar nichts ein. Deswegen sollte auch im Falle eines Stromausfalls nichts Gefährliches passieren.

Gibt es andere Gefahren?

Häufig wird vor einer möglichen Überlastung von Stromleitungen im Haus gewarnt (etwa auch vom VDE). Dies erscheint mir etwas übertrieben, obwohl eine solche Gefahr nicht komplett ausgeschlossen werden kann. Da ein solches Gerät vom Stromnetz ausgesehen "hinter" der Haushaltssicherung einspeist, registriert diese Sicherung keine Leistung, die so eingespeist und im gleichen Leitungszweig verbraucht wird. Somit könnte theoretisch eine Überlastung von Leitungen auftreten, wenn in einem Leitungszweig mehrere solcher PV-Module betrieben würden und gleichzeitig dort sehr starke Verbraucher angeschlossen werden. Dies ist freilich ziemlich unwahrscheinlich, selbst bei Betrieb mehrerer Module, da so starke Verbraucher die Sicherung ja immer dann auslösen würden, wenn gerade kein Solarstrom zur Deckung eines Teil des Verbrauchs anfiele. Falls es doch passiert, würde damit die Brandgefahr etwas ansteigen – auch wenn eine zeitweilige Überlastung keineswegs zwangsläufig einen Brand auslöst, genauso wenig wie die Vermeidung von Überlastungen solche Brände grundsätzlich verhindert.

Bei schlecht gemachten Modulen wäre es möglich, dass man einen Stromschlag bekommt, wenn man den Stecker aus der Steckdose zieht und unmittelbar danach die beiden Kontaktstifte berührt (vor allem, wenn dies mit unterschiedlichen Händen geschieht). Dies dürfte allerdings selten jemand tun, und wenn schon, dann dürfte dies selten wirklich gefährlich werden. Übrigens würde ich auch bei anderen Haushaltsgeräten nicht grundsätzlich davon ausgehen, dass das der Stecker sofort nach dem Abziehen völlig spannungsfrei ist. Gerade bei billigen Geräten aus Fernost werden leider nicht immer alle einschlägigen Vorschriften peinlich genau eingehalten – wobei ich allerdings nie davon gehört habe, dass dadurch eine nennenswerte Anzahl von Unfällen entstünde.

Vermutlich die größte Gefahr liegt darin, dass jemand beim Aufhängen eines Moduls vom Dach oder von einer Leiter fällt und sich dabei verletzt. Es dürfte also in etwa wie bei sonstigen Haushaltsunfällen sein: Es kann mal ein Problem mit Strom geben, aber man leidet oder stirbt viel eher durch ganz banale Stürze.

Eine Unterstützung der Energiewende?

Manche sehen in steckerfertigen Photovoltaikmodulen eine höchst willkommene technische Möglichkeit, um die Photovoltaik zu "demokratisieren". Im Prinzip entsteht hierdurch ein Ausbaupfad, der von Netzbetreibern und von Politikern, die durch Lobbyisten gesteuert sind, kaum zu bremsen ist und damit zu einem höheren Anteil der erneuerbaren Energie an der Stromerzeugung führen könnte. Jedoch sind hier einige Einwände anzubringen:

  • Zunächst einmal geht es um ziemlich geringe Mengen, die für die Energiewende keine wesentliche Bedeutung haben. Schließlich ist kaum vorstellbar, dass in einigen Jahren ein großer Teil der Häuser über ein oder mehrere solche Module verfügen würde.
  • Sollte deren Einsatz wider Erwarten doch sehr stark zunehmen, würden die damit verursachten Probleme bald augenfällig, und es würden sicherlich Mittel gefunden, um dies zu unterbinden. Es finge schon damit an, dass sich nicht jeder darüber freuen würde, überall mehr oder weniger unsachgemäß aufgestellte Module sehen zu müssen; zwar sind auch nicht alle Dachanlagen wirklich schön zu betrachten, aber bei letzteren dürfte das Verhältnis von Stromerzeugung und optischer Beeinträchtigung zumindest deutlich günstiger liegen.
  • Die Grenzen für den Ausbau der Photovoltaik in einem Land wie Deutschland werden am Ende voraussichtlich dadurch gesetzt werden, wie viel elektrische Energie aus dieser Quelle von den Stromnetzen aufgenommen und verwertet werden kann. Hierüber wird hauptsächlich der Ausbau der Stromnetze und/oder von Speichern für elektrische Energie entscheiden. Zwar ist es durchaus möglich, dass die Grenzen politisch eine Zeit lang deutlich tiefer angesetzt werden, als es technisch und wirtschaftlich sinnvoll wäre. (Der heute noch geltende 52-GW-Deckel für die EEG-Förderung ist wohl so zu sehen.) Jedoch ist kaum anzunehmen, dass Grenzen solcher Art mithilfe von "Guerilla-PV" nennenswert nach oben geschoben werden könnten.
  • Es sollte auch beachtet werden, dass es tatsächlich nicht fair ist, effektiv Strom zu dem Preis in das öffentliche Netz einzuspeisen, zu dem man selbst Strom bezieht. Damit beteiligt man sich nicht nur nicht an dem für die Allgemeinheit nötigen Ausbau der Strom-Infrastruktur (mit Stromnetzen, Reservekraftwerken usw.) und deren Wartung, sondern kassiert sogar Ertragsanteile, die die Mittel für solche Maßnahmen verringern. Beispielsweise kassiert man effektiv Netznutzungsentgelte (als Teil des Strompreises, den man als Vergütung erhält), die dann für den notwendigen Ausbau der Stromnetze fehlen. Gerade auch aus der Sicht desjenigen, der den Fortschritt der Energiewende wünscht, also auch den dafür notwendigen Ausbau der Stromnetze, könnte man sich über eine solche Entwicklung (wenn sie im Umfang bedeutend würde) nicht wirklich freuen.

Fazit

Mein Fazit nach all diesen Überlegungen ist, dass die Guerilla-PV weder das Zeug hat, die Energiewende nennenswert voranzubringen, noch das Potenzial, für erhebliche technische Gefahren und Verwerfungen auf dem Strommarkt zu sorgen. Es dürfte nicht groß schaden, wenn ein paar Leute solche Projekte verfolgen, aber es wäre auch nicht angebracht, diese Entwicklung im Sinne der Energiewende zu fördern. Jedenfalls würde es sich nicht lohnen, bis ins Details zu recherchieren, welche behaupteten Gefahren genau wie real sind und welche Befürchtungen eher wegen finanzieller Interessen z. B. von Netzbetreibern und Solateuren geäußert werden. Konzentrieren wir uns also besser wieder auf ergiebigere Themen – beispielsweise darum, wie wir die Einhaltung von Abgasgrenzwerten durchsetzen, Hindernisse auf dem Weg zu reduziertem Heizenergieverbrauch beseitigen oder den Ausbau der Stromnetze voranbringen.

P.S. Einige zusätzliche Detailinformationen zu steckerfertigen PV-Modulen kann man auf einer Webseite von Mario Sedlak finden.

Fragen und Kommentare von Lesern

Hier können Sie Fragen und Kommentare zur Veröffentlichung und Beantwortung vorschlagen. Über die Annahme wird der Autor des RP-Energie-Lexikons nach gewissen Kriterien entscheiden. Im Kern geht es darum, dass die Sache von breitem Interesse ist.

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