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Jetzt die Energie-Effizienz verbessern!

Erschienen am 23.07.2022 im RP-Energie-Blog (als E-Mail-Newsletter erhältlich!)

Permanente Adresse: https://www.energie-lexikon.info/rp-energie-blog_2022_07_23.html

Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics AG

Inhalt: Dieser Gastartikel von Prof. Dr. Wolfgang Feist, Bauphysiker und Gründer des Passivhaus Instituts in Darmstadt, zeigt auf, wie man vernünftig auf die Gaskrise reagieren könnte und müsste. Eine markante Verbesserung der Energieeffizienz empfiehlt er als erstrangigen Lösungsansatz.

Prof. Dr. Wolfgang Feist
Prof. Dr. Wolfgang Feist, Autor dieses Artikels und Gründer des Passivhaus Instituts in Darmstadt.

Erdgas ist weder "klimafreundlich" noch eine "Brückentechnologie", wie es in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt von sehr vielen geglaubt wurde. Erdgas ist eine fossile Energiequelle – und bei Förderung, Verteilung und Verbrennung gibt es Emissionen sowohl an CO2 als auch an Methan, dem noch viel wirksameren Treibhausgas. Wird das Erdgas zum Transport verflüssigt und/oder wird es durch sogenanntes Fracking gewonnen, ist das Treibhauspotential noch deutlich höher. Im RP-Energie-Blog vom April wurde das bereits dargestellt.

Auch Erdgas wird daher innerhalb der kommenden 2 bis 3 Jahrzehnte nahezu vollständig durch nicht-treibhauswirksame Energieträger ersetzt werden müssen. Den Verbrauch an leitungsgebundenem Erdgas in großem Ausmaß zu steigern, birgt die Gefahr, nicht zur „Übergangslösung“ sondern zur Zementierung einer neuen Abhängigkeit zu führen. Ein vollständiger Ersatz der (gigantischen!) Erdgas-Mengen, die z. B. für die Raumheizung eingesetzt werden, durch erneuerbar erzeugtes Gas – das wird es so schnell nicht geben. Und wenn es je eine so hohe Synthesegas-Produktion (ob Wasserstoff oder Biomethan oder Windgas) geben wird, dann wird so erzeugtes Gas immer (sehr viel) teurer sein, als wir es bisher vom Erdgas gewohnt waren.

Fossiles Gas

  • ist nichtklimaneutral und daher schon deshalb nicht nachhaltig
  • und es ist auch keine "Brückentechnologie",
  • sondern kann allenfalls über eine begrenzte Zeit zur Notüberbrückung dienen.

Der letzte Punkt bedeutet nach meiner Einschätzung, dass selbstverständlich für diese möglichst kurze Übergangszeit fossiles Gas nicht generell verbannt werden kann -– denn auf Grund der Fehler der Vergangenheit sind viele Menschen jetzt von einer funktionierenden Gasversorgung abhängig. Diese Toleranz für eine insgesamt inakzeptable Infrastruktur kann aber nicht auch noch auf eine besondere Förderung ihres weiteren Ausbaus ausgeweitet werden.

Nachhaltige Lösungen

Die nachhaltig verfügbaren Lösungen sind

  • zügig und konsequent verbesserte Energieeffizienz
  • zügiger Ausbau der erneuerbaren Energiegewinnung und der zugehörigen Infrastruktur und, wo das für aktuelle Versorgungsprobleme nicht ausreicht, tolerierbare und
  • maßvoll eingesetzte Suffizienz-Maßnahmen.

Letztere eben gerade so, dass diese nicht wirklich wehtun. Ein richtiges Problem entsteht dann, wenn durch diese drei Komponenten die Versorgung mit den essentiellen Dienstleistungen nicht mehr ausreichend gewährleistet sein sollte. Dann geht es "ans Eingemachte", und das würde sich in vielen Fällen schmerzhaft auswirken. Zu bedenken ist dabei, dass der weitere Ausbau der nicht-nachhaltigen und eben auch nicht versorgungssicheren Energiequellen (wie dem Erdgas) dieses Problem nicht reduziert, sondern durch Vergrößerung der Abhängigkeit sogar verstärkt wird.

Ein Beispiel (knappes Erdgas?)

Sollten, wie Mitte 2022 diskutiert, im Winter nur 85 % der eigentlich eingeplanten Erdgasmengen verfügbar werden, so können wir bis dahin sowohl die Erzeugung von Windkraft etwas ausbauen und so Gas bei der Stromerzeugung sparen als auch

  • die bestehenden Heizungsanlagen richtig einstellen (sicher um 4 % Potential), gut regelnde Thermostatventile einbauen (um 3 %), kurzfristig schnell ausführbare Sofortmaßnahmen durchführen (Rohrleitungen und Heizkörpernischen, Geschossdecken und Dachschrägen u.v.a.m. dämmen, um 4 %) und alle nur jetzt noch ausführbaren umfassenderen Wärmschutzmaßnahmen einleiten (Außenwände von außen oder innen wärmedämmen, alte Fenster auswechseln, Lüftung mit Wärmerückgewinnung einbauen; Wärmepumpenheizungen einbauen. Dies bringt, überall ausgeführt, um 75 % Einsparung. Nun kann aber nicht alles im ersten Jahr gemacht werden, so ergeben sich realistisch weitere etwa 5 % für den kommenden Winter.). Sowie
  • die weniger schmerzhaften, zeitlich gestreckten Suffizienz-Maßnahmen rechtzeitig ergreifen, eben weniger lang Duschen (um 2 %), etwas niedrigere Raumtemperaturen akzeptieren (ca. 8 % sind relativ leicht „drin“) und nicht genutzte Räume weniger beheizen (weitere 5 %).

Wie wir an den praktikablen Maßnahmen sehen, wären heute sowohl jetzt noch schnell verbesserte Energieeffizienz als auch maßvolle benutzerseitige Einsparungen jeweils für sich allein, wenn von den meisten verantwortungsbewusst ausgeführt, in der Lage, einer solchen Knappheit vorzubeugen. Insbesondere, wenn damit rechtzeitig begonnen wird. Dadurch würde es dann gar nicht vorkommen, dass radikale Maßnahmen, wie das Abstellen der Gasversorgung für bestimmte Nutzer, überhaupt erforderlich werden.

Gelingt es uns dagegen nicht, die Maßnahmen der Vernunft rechtzeitig – also sofort – anzugehen, dann würde es ab einem gewissen Zeitpunkt möglicherweise zu wenig Gas geben – und das führt dann zwangsläufig zu einer Einstellung der Versorgung zumindest zeitweise und in einigen Regionen. Das wird dann schmerzhaft, und zwar für alle: Auch beim reichsten Villenbesitzer wird es dann kalt. Niemand sollte ernsthaft glauben, dass es in dem Moment überflüssigen Strom für die Heizung geben wird; und selbst eine Familie in einem Passivhaus würde bei einem Totalausfall reduzierte Temperaturen zu spüren bekommen (dort immerhin aushaltbar, aber auch mit Pullovern nicht mehr wirklich behaglich). Selbst Betreiber von Holzöfen werden sich dann um sehr teures und knappes Brennholz zanken.

Fazit

Diese Krise kann gemeistert werden. Das setzt allerdings ein einigermaßen vernünftiges und vorausdenkendes Handeln des überwiegenden Teils der Menschen voraus. Am besten ist es, wenn jetzt so schnell und so gut wie möglich Effizienzmaßnahmen durchgeführt werden: Denn die bringen viel und sie wirken auch auf Dauer, also auch für den übernächsten Winter und sogar für die CO2-Einsparung in den kommenden Jahrzehnten. Zudem sichern sie auch bei teuren Brennstoffen einen akzeptablen Komfort. Noch wichtiger: Sie erlauben selbst im allerschlimmsten Fall immer noch ein Durchkommen, nämlich, dass der Familie bei einem Totalausfall zumindest nicht das Wasser in den Blumenvasen einfriert.

Wir werden Zug um Zug kompetente Informationen verfügbar machen, wie die hier jeweils nur angedeuteten Maßnahmen tatsächlich sachgerecht ausgeführt werden können. Gar nicht wenig dazu findet sich jetzt schon auf der Seiten der Passipedia. Siehe auch die Seite "Energieeffizienz – das große Ganze".

Fragen und Kommentare von Lesern

23.07.2022

Fenster sind bei mir (Berliner Mietshaus) die größten Wärmelecks. Ich bin am Überlegen, ob ich die nächtliche Einsetzung einer zweiten Schicht außen vor dem Fenster angehe, z.B. mit einem Rollo oder einer Art Fensterladen oder dem dichten Anbringen einer Decke auf der innenseite der Fensterbrüstung. Im Winterhalbjahr würde das wegen der längeren Dunkelheit einen größeren Teil des Tages angebracht sein. Der Wärmeverlust durch die Fenster könnte möglicherweise ungefähr halbiert werden. Eine Diskussion kosteneffizienter Lösungen würde ich begrüßen.

Antwort vom Autor:

Ja, da haben Sie recht. Es findet sich z. B. in der Passipedia schon mal eine konkrete Anleitung. Da geht aber noch mehr. Insbesondere in den USA gibt es eine Reihe von Anleitungen für komplette sog. "storm-windows" (z. B. http://www.greenfret.com/Storms/storms.html). Noch erheblich besser wäre es, wenn wir Folien mit einer low-e-Schicht dafür bekommen könnten – meine bisherigen Bemühungen, einen Hersteller dazu zu gewinnen, waren aber noch nicht erfolgreich.

Wenn Sie etwas erfolgreich umgesetzt haben, schicken Sie uns doch bitte einen Erfahrungsbericht und ein paar Fotos.

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