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Gedanken zur drohenden Energiekrise: Gas- und Stromkrise kombiniert zum perfekten Sturm

Erschienen am 26.08.2022 im RP-Energie-Blog (als E-Mail-Newsletter erhältlich!)

Permanente Adresse: https://www.energie-lexikon.info/rp-energie-blog_2022_08_26.html

Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics AG

Inhalt: Für den Winter 2022/23 droht Europa eine schwere Energiekrise, nämlich die Kombination einer Gas- und Stromkrise. Das ist die Folge einer jahrzehntelang den Problemen ausweichenden Energiepolitik. Um die Krise zu überstehen, muss sie sorgfältig analysiert und beherzt angegangen werden. Fake News und rücksichtsloser politischer Opportunismus müssen jetzt überwunden werden, und das ewige Verschieben von Lösungen muss ein Ende haben.

Rüdiger Paschotta

Mehr und mehr Leute machen sich derzeit große Sorgen über die Energieversorgung im kommenden Winter – meines Erachtens ganz zu Recht; jedenfalls sollte man sich sorgfältig darauf einstellen, vor allem auf der Ebene der Energiepolitik. In der Diskussion geht freilich einiges ziemlich durcheinander – teils wegen mangelndem Fachwissen, teils wegen der nie endenden Propaganda. Es ist deswegen wichtig, etliche Punkte klar zu durchdenken.

Ganz besonders an der aktuellen Situation ist die Kombination einer Gaskrise mit einer Stromkrise, zwischen denen es wesentliche Zusammenhänge gibt, die aber oft überhaupt nicht richtig verstanden werden: Die einen sieht man gar nicht, andere mit grob überschätzter Wirkung. Hinzu kommt als zunehmend spürbares und langfristig sicherlich schlimmeres Problem die Klimakrise.

Die Gaskrise

Die Gaskrise entstand bekanntlich dadurch, dass der Diktator Vladimir Putin einen brutalen, ungerechtfertigten und zweifellos auch völkerrechtswidrigen Überfall auf die Ukraine befohlen hat, der Westen dies nicht hinnehmen kann und daraus ein massiver Konflikt entstanden ist. In diesem Zusammenhang hat die russische Regierung begonnen, die Erdgaslieferungen als politische Waffe einzusetzen. Sie hat die Lieferungen massiv gedrosselt, um die in den letzten Jahrzehnten aufgebaute starke Abhängigkeit möglichst eindrücklich zu demonstrieren. Dies nach vielen Jahren, in denen Russland als ein durchaus verlässlicher Energielieferant agierte. Durch die bislang unbekannte Knappheit von Erdgas sind die Marktpreise nun derart angestiegen, dass Russland trotz der stark reduzierten Liefermengen mit dem Gas momentan sogar mehr Geld verdient als vorher.

Die Aussichten für Russland

Allerdings wird dies nicht mehr lange so gehen; der Westen wird sich so rasch wie möglich von diesem Gas unabhängig machen, ebenso von russischem Erdöl und Kohle, sodass Russland mittelfristig so gut wie gar nichts mehr mit uns verdienen wird und seine Rohstoffe zu vermutlich wesentlich tieferen Preisen anderswo wird verkaufen müssen. Das ist fatal, weil Russland vom Verkauf fossiler Energieträger finanziell vollkommen abhängig ist. Und die jetzt schon heftigen Wirtschaftssanktionen wird man nochmals massiv verschärfen können, sobald die Abhängigkeit von den russischen Energieträgern überwunden ist. Mittel- und langfristig verursacht dies alles einen extremen Schaden für die russische Wirtschaft – schon ohne Berücksichtigung der starken politischen Isolation, des für Russland sehr schädlichen Braindrains und der in Diktaturen grenzenlos ausufernden Korruption. Früher oder später ist zu erwarten, dass diese oder eine neue russische Regierung von diesem auch für das eigenen Land katastrophalen Kurs wird ablassen müssen.

Akute Probleme in Europa

Vorerst wird es aber erst einmal sehr ungemütlich für uns, da in den meisten westlichen Ländern jahrzehntelang weder die gefährliche politische Abhängigkeit noch die dringende Notwendigkeit des Klimaschutzes genügend ernst genommen wurde, um wirklich aktiv zu werden. Stattdessen wurde die Problematik nur halbwegs zur Kenntnis genommen, aber wirksame Maßnahmen wurden größtenteils auf die lange Bank geschoben (was auch das Bundesverfassungsgericht moniert hat). Den Preis dafür zahlen wir jetzt: akut mit massiven Kostensteigerungen, vielleicht bald auch mit schmerzhaften Mangelsituationen, und bezüglich Klima mit zunehmend gefährlich werdenden Wirkungen – man denke etwa an die immer schwerer unter Kontrolle zu bekommenden Waldbrände und an die Flutkatastrophe von 2021. Wobei die Klimaprobleme natürlich nur der Anfang sind: Die Erwärmung wird noch wesentlich weitergehen, selbst wenn wir bald mal wirklich in die Gänge kommen, oder andernfalls absehbar in eine Klimakatastrophe münden.

In der Schweiz ist die Lage übrigens nicht grundlegend anders als in Deutschland, teils sogar schlechter:

  • Auch hier werden sehr viele Häuser immer noch mit Öl oder Erdgas beheizt – in unserer Stadt (Frauenfeld) beispielsweise weit über 90 %. (Siehe auch einen früheren Artikel über das Heizen in der Schweiz.)
  • Zwar wird bislang anders als in Deutschland kaum Gas für die Stromversorgung eingesetzt, aber das sind ja in Deutschland auch nur ca. 12 % des Gases bzw. ein ähnlicher Anteil des erzeugten Stroms. Also hätte diesbezüglich die Schweiz auch nur einen marginalen Vorteil, und selbst der verschwindet angesichts des notwendigen Imports von Strom aus Erdgas.
  • Über eigene Gasspeicher mit einer wesentlichen Kapazität verfügt die Schweiz bislang gar nicht. Man versucht nur über Verträge die Nutzung von Gasspeichern im Ausland zu sichern; es bleibt zu sehen, ob diese Verträge im Fall einer Großkrise respektiert würden. Das könnte am Ende auch davon abhängen, wie kooperativ sich die Schweiz zeigt, und da gibt es noch viel Luft nach oben: Die Umsetzung der Sanktionen war sehr zögerlich und anscheinend auch unvollständig, die Verhandlung über das Rahmenabkommen wurden elend in die Länge gezogen und schließlich abgebrochen, und das Energiesparen beginnt man ebenfall sehr zögerlich.
  • Die Schweiz betreibt weniger energieintensive Industrie als beispielsweise Deutschland. Die damit produzierten Güter verbraucht sie aber auch, muss sie also importieren. Vor Preissteigerungen und Lieferausfällen bleibt sie also ggf. auch nicht verschont.

Die Stromkrise

Gas für die Stromversorgung fehlt

Äußerst ungelegen kommt für uns in Europa nun, dass gleichzeitig eine Krise der Stromversorgung droht. Dies ist ein Stück weit eine Folge der Gaskrise, da in Europa einiges an elektrischer Energie in Gaskraftwerken erzeugt wird. Hier geht es einerseits um die Deckung von Spitzenlast mit Gasturbinenkraftwerken, die ziemlich schnell regelbar und relativ kostengünstig sind, allerdings auch nicht allzu energieeffizient. Andererseits wird auch viel Mittellast (weniger Grundlast) erzeugt – dies eher mit Gas-und-Dampf-Kombikraftwerken, die einen wesentlich höheren Wirkungsgrad erreichen. Dazu wird bei der Mittellast auch oft Kraft-Wärme-Kopplung praktiziert, meist um Heizwärme zu gewinnen.

Unzuverlässige Kernkraftwerke

Nicht übersehen darf man nun, dass die Hauptursache der drohenden Stromkrise die großen Probleme in den französischen Kernkraftwerken sind. Ein großer Teil von diesen ist derzeit nicht einsatzfähig – zum guten Teil, weil ernste Sicherheitsprobleme bestehen (z. B. kürzlich entdeckte Korrosion an sicherheitsrelevanten Teilen), die langwierige Untersuchungen und Reparaturen notwendig machen, und im Sommer teils auch, weil die durch die Klimaveränderung verursachte Hitze und Dürre die Aufnahmefähigkeit der Flüsse für die enorme Mengen von Abwärme der Kraftwerke stark reduziert hat. (Wegen der relativ niedrigen Wirkungsgrade sind die Abwärmemengen dieser Kraftwerke besonders hoch.) In der Not werden nun allerdings die Flüsse doch deutlich stärker aufgeheizt, als man es normalerweise dürfte, mit tödlichen Folgen für Ökosysteme.

Frankreich kann sich nun selbst im Sommer nur noch mit Stromimporten an der Grenze des technisch Möglichen über Wasser halten, und im kommenden Winter wird es noch weitaus enger, da dann der Strombedarf für die vielen Elektroheizungen (teils auch einfache Luft/Luft-Wärmepumpenheizungen) grob geschätzt doppelt so hoch ausfallen wird. Man kann nur hoffen, dass wenigstens ein Teil der ausgefallenen Kraftwerke bis zum Winter wieder einsatzfähig sein wird, ohne ein erhöhtes Risiko eines schweren nuklearen Unfalls in Kauf nehmen zu müssen.

Übrigens ist das Problem in Frankreich durchaus nicht neu, auch wenn es außerhalb Frankreichs von vielen nicht wahrgenommen wurde – insbesondere nicht von den Fans der Kernenergie, die teils immer noch neidisch nach Frankreich schauen oder zumindest so tun. Schon in den letzten Wintern hätte es in Frankreich viele Stromausfälle gegeben, wenn nicht große Mengen von Strom hätten importiert werden könnten – etwa von deutschen Kohlekraftwerken und Gaskraftwerken. Und finanziell ist die Atomgeschichte für Frankreich ein totales Fiasko. Das hat kürzlich übrigens auch dazu geführt, dass die Électricité de France (EDF) sogar noch ganz verstaatlicht wird; privaten Investoren sind die dauernden Verluste nicht mehr zuzumuten, sondern nur noch den Steuerzahlern.

Interessant ist die Frage, inwieweit die sehr angespannte Situation in Frankreich zu Kompromissen mit der Sicherheit führen könnte. Leider kann ich diese Frage nicht beantworten; entsprechende Informationen sind natürlich kaum verfügbar. Immerhin ist es denkbar, dass man hier und da ein Auge zudrücken wird, um Kraftwerke schneller wieder in Betrieb nehmen zu können. Allerdings dürften sich die Verantwortlichen auch bewusst sein, dass ein Atomunfall – selbst einer mit durchaus noch beherrschbaren Folgen – für die französische Energiepolitik eine mittlere Katastrophe wäre. Die bislang hohe Akzeptanz atomarer Risiken in der Bevölkerung würde mit einem Schlag vernichtet, während aber ein baldiger Atomausstieg überhaupt nicht machbar wäre. Es bleibt gerade auch deswegen zu hoffen, dass hier mit aller erdenklichen Sorgfalt gearbeitet wird, auch in einer Situation mit extremem Druck. Wenn man aber sieht, wie auch in Deutschland einige Politiker und Bürger alle Sicherheitsbedenken beiseite schieben – etwa periodische eingehende Sicherheitsüberprüfungen als verzichtbar (oder ganz nebenbei ohne Störung durchführbar) betrachten –, kommen einem doch ernste Bedenken.

Mangel an Winterstrom in der Schweiz

In der Schweiz haben viele das Gefühl, Krisen seien eher etwas für andere Länder. Übersehen wird dabei oft, dass die Schweiz schon seit Jahren einen allmählich zunehmenden Mangel an Winterstrom hat, der ebenfalls durch Importe gedeckt werden muss. Da nun der französische Atomstrom schon für Frankreich lange nicht mehr ausreicht, geht es wiederum mehr um Strom aus Kohle und Gas. Zum Stolz über die weitgehend CO2-freie schweizerische Stromerzeugung passt es freilich nicht so gut, dass zunehmend CO2-behafteter Strom importiert werden muss. Und dies führt nun auch hier nicht "nur" zu enorm steigenden Marktpreisen, sondern sogar zur ernsthaften Sorge, ob es im Winter nicht sogar einen ernsten Strommangel geben könnte. Hier rächt sich nun, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien jahrelang sträflich vernachlässigt wurde. Insbesondere erntet man noch kaum Windenergie, da deren Ausbau unzureichend gefördert und auch durch extrem langwierige Genehmigungsverfahren behindert wird. Auch die Photovoltaik konnte sich kaum entwickeln, da die Randbedingungen hierfür denkbar ungünstig gestaltet wurden.

Die Freunde der Kernenergie sagen nun natürlich, sie hätten ja schon immer neue Kernkraftwerke gewollt. Sie ignorieren dabei geflissentlich, dass auch die Stromwirtschaft überhaupt keine Lust hat, in ein Milliardendebakel wie z. B. bei Olkiluoto III, Flamanville oder Hinkley Point verwickelt zu werden. Sie sagen auch nicht, wer diese Milliarden zahlen soll – die Steuerzahler? Und wie toll die Atom-Strategie z. B. in Frankreich funktioniert – etwa bzgl. Versorgungssicherheit –, nehmen sie ebenfalls nicht wahr. Mein Verdacht: Manche wissen genau, dass sie einen unrealistischen Traum propagieren, tun dies aber weiterhin, weil sie nicht zugeben können, dass ihr Ansatz gescheitert ist.

Die Zusammenhänge zwischen Gas- und Stromkrise

Es ist wichtig, die Zusammenhänge zwischen der drohenden Gas- und Stromkrise richtig einschätzen zu können:

  • Während die Gaskrise praktisch vollständig aus dem Konflikt mit Russland resultiert, ist die Stromkrise vorwiegend die Folge davon, dass man sich viel zu lange auf eine Kombination fossiler Energieträger mit Kernenergie verlassen hat; beide stehen nun unzureichend zur Verfügung. Ein Zusammenhang der Krisen besteht aber ein Stück weit darin, dass nun die bestehenden Lücken schwer mit Gaskraftwerken ausgefüllt werden können, wenn es zu wenig Gas gibt. Fazit: Gasmangel ist nicht die wesentliche Ursache der Stromkrise, nimmt uns aber eine einfache Option zu deren Linderung (mehr Strom aus Gas).
  • Das allermeiste Gas wird für die Produktion von Wärme (Heizwärme und Prozesswärme) verwendet und nur ein kleinerer Teil für die Stromerzeugung. Wenn man also genügend Gas im Wärmebereich einsparen könnte, müsste man den Gaseinsatz für die Stromerzeugung nicht unbedingt reduzieren.
  • Das Gassparen im Strombereich wäre ohnehin schwierig. Zunächst einmal geht es oft um Kraft-Wärme-Kopplung; die Abschaltung solcher Kraftwerke hätte also zur Folge, dass auch die Heizwärme für die angeschlossenen Verbraucher fehlt. Außerdem sind schnell regelbare Gaskraftwerke für die Stabilisierung der Stromnetze technisch wichtig, wo nicht z. B. die Wasserkraft diese Aufgabe übernehmen kann (etwa in der Schweiz). Aus diesen Gründen ist die Idee, man könne mit zusätzlichem Strom (etwa aus Kernenergie) viel Gas sparen, ziemlich irrig. Einzig kann man damit vermeiden, zusätzlichen Gas-Strom zu brauchen zur Stopfung anderer Lücken.
  • Die Heizwärmeversorgung im Wesentlichen aufrechtzuerhalten, ist sehr wichtig, und zwar nicht nur wegen der Bequemlichkeit. Sollten nämlich einmal viele Gasheizungen abgestellt werden müssen, würden sehr viele elektrische Heizlüfter und Infrarotstrahler aktiviert, was vorhersehbar ein Riesenproblem für die Stromnetze wäre. Es gäbe dann gerade ja kein Gas, um den zusätzlichen Stromverbrauch abzudecken. Und regelmäßige Stromausfälle wären für unsere Gesellschaften ziemlich katastrophal. Deswegen wird man wohl eher etliche Industriebetriebe, die viel Gas brauchen, vorübergehend abstellen müssen, als die Menschen ernsthaft frieren zu lassen. Schließlich wäre es auch für die gesamte Wirtschaft fatal, wenn die Stromversorgung deswegen nicht mehr zuverlässig wäre.
  • Umgekehrt könnte man zwar theoretisch Gas sparen, indem man vermehrt Elektroheizungen einsetzt, aber das macht auch keinen Sinn: Wenn dann womöglich Gaskraftwerke das Netz stützen müssen, würde man sogar wesentlich mehr Gas verbrauchen, als wenn man es direkt in den Heizungen verbrennt.

Was kann man tun?

Vorweg gesagt: Was unsere Energiepolitik in ganz Europa jahrzehntelang verschlafen hat, lässt sich nicht auf die Schnelle wiedergutmachen. Wir werden also voraussichtlich nicht ungeschoren durch diese Krise kommen, falls sich diese nicht auf wundersame Weise noch rechtzeitig auflöst. Immerhin kann man die Folgen einigermaßen abmildern mit einer Kombination von Maßnahmen – wobei aber oft nicht richtig verstanden wird, was wie und vor allem wie viel hilft. Eine kurze Übersicht:

Aufgabe der Ukraine?

Einige meinen, man sollte Putin doch großzügig die Ukraine überlassen, um diesen damit milde zu stimmen und weiterhin billige Energie zu bekommen. Soweit es sich nicht einfach um russisch gelenkte Propaganda handelt, ist dies an Dummheit und Fahrlässigkeit wohl kaum zu überbieten. Solche Appeasement-Politik wurde schon längst erprobt: Man erinnere sich daran, wie man in 1938 die Tschechoslowakei Hitler überlassen hat – mit der Folge, dass der Diktator sich bestätigt fühlte und seine Pläne zügig weiter vorantrieb. Warum auch sollte ein brutaler Diktator (der uns schon explizit mit atomarer Vernichtung droht) seinen Kurs aufgeben, wenn er für die Erpressung mit Erfolgen belohnt wird? Selbst wenn das diesmal funktionieren würde – was ich für äußerst unwahrscheinlich halte –, wäre es eine fürchterliche Rücksichtslosigkeit gegenüber denen, die um ihr blankes Überleben kämpfen.

Eine solche Strategie liegt wohl vorwiegend denjenigen, die konsequenterweise auch noch die Notwendigkeit des Klimaschutzes bestreiten, um ein "weiter so wie bisher" als gangbaren bequemen Weg anpreisen zu können. (Es ist kein Zufall, dass Klimaleugner und Rechtsextreme oft ziemlich viel miteinander zu tun haben, und dass die russische Regierung an beiden Freude hat.) Wohin aber eine Politik führt, die Tatsachen leugnet, kurzfristige Bequemlichkeit für einen selbst in den Vordergrund stellt und ansonsten blanke Rücksichtslosigkeit walten lässt, sollte wohl klar sein: in einen Abgrund.

Substitution von Gas mit Öl

Erdgas kann in vielen größeren Feuerungsanlagen unmittelbar durch Heizöl ersetzt werden: Sogenannte Zweistofffeuerungen können direkt umgeschaltet werden, wenn die Öltanks genügend gefüllt sind. Und Heizöl ist auf dem globalen Markt eher zu beschaffen als Gas, da es dafür große Transportkapazitäten und kaum eine Bindung an feste Wege der Verteilung (Pipelines) gibt. Teuer wird das allerdings schon.

Übrigens bedeutet die Umstellung auf Heizöl keine größere Klimabelastung: Wir wissen längst, dass Erdgas bei Förderung und Transport oft sogar wesentlich schlimmer als Öl ist. Für Fracking-Gas und/oder den Transport als Flüssigerdgas gilt dies erst recht. Wenn also auf dem Papier eine zusätzliche Klimabelastung entsteht, liegt das nur daran, dass die Klimabelastung durch Erdgas vielfach immer noch nicht richtig verrechnet wird. (Siehe auch den Artikel "Erdgasstudie der Energy Watch Group: Erdgas ist deutlich klimaschädlicher als gedacht".)

Im Prinzip sind auch Biogas als auch EE-Gas ein möglicher direkter Ersatz, aber die Produktion dieser Gase ist noch viel zu gering, um hier eine erhebliche Wirkung haben zu können. Und eine Ausweitung der Biogaserzeugung mit Energiepflanzen scheitert schon am hohen Flächenbedarf wegen der miserablen Flächeneffizienz.

Energiesparen

Tatkräftiges Energiesparen sowohl im Strom- als auch im Gasbereich ist gerade in dieser Krise ganz unverzichtbar. Es kann ganz wesentlich helfen:

  • Jede eingesparte Kilowattstunde kann zur Reduktion der Importe aus Russland verwendet werden.
  • Viele Sparmaßnahmen sind ziemlich schnell umsetzbar – oft gerade diejenigen, die auf Verzicht basieren. Dagegen brauchen viele andere Maßnahmen (etwa die Erschließung neuer Energiequellen) viel mehr Zeit.
  • Anders als bei anderen Maßnahmen entfällt hier die Gefahr diverser übler Nebenwirkungen – etwa Preissteigerungen bei Ersatz-Energieträgern, andere Abhängigkeiten, erhöhte Umweltbelastungen etc.

Einige Beispiele für mögliche Maßnahmen:

  • Die geforderte Raumtemperatur in Gebäuden kann etwas abgesenkt werden, wobei jedes Grad den Brennstoffverbrauch um ca. 5 bis 6 % senken kann. Wenn man den Anspruch aufgibt, auch im kältesten Winter noch bequem mit T-Shirt im Wohnzimmer sitzen zu können und diesen Komfort auch in der gesamten Wohnung zu haben, lässt sich da viel erreichen. Leider tun sich viele noch schwer mit der Aufgabe von Ansprüchen, die im Erdölzeitalter gewachsen sind. Es ist aber definitiv möglich, so zu leben: Das haben bislang fast alle Generationen der gesamten Menschheit geschafft.
  • Besondere Auswüchse der Verschwendung wie z. B. beheizte Schwimmbäder unter freiem Himmel, Dachrinnenheizungen und Freiflächenheizungen (z. B. vor Garagen) müssen abgestellt werden. Es geht nicht an, dass Energie für die genannten Dinge verschwendet wird, während sie z. B. für wichtige Industrien fehlt.
  • Große Mengen von Kraftstoffen könnten ganz einfach mit einem generellen Tempolimit auf Autobahnen und ergänzen mit einem Tempolimit auf 80 km/h (wie es z. B. in der Schweiz schon lange gilt) eingespart werden. Nun mag man einwenden, dass das doch kaum Gas spare, weil es ja kaum Erdgasfahrzeuge gibt. Wenn aber Dieselkraftstoff eingespart wird (der dem Heizöl sehr ähnelt), erhält man mehr Spielraum für die Substitution von Erdgas durch Heizöl an anderen Stellen. Ähnlich sollte man auf das Fliegen verzichten wo immer möglich, nicht "nur" wegen des Klimaschutzes.
  • Gewisse Industriebetriebe, die keine unmittelbar essenziellen Güter herstellen, aber viel Erdgas oder Strom verbrauchen, können und müssen vorübergehend abgestellt werden. Notfalls müssen beispielsweise gebrannte Ziegel und Düngemittel von anderswo importiert werden, soweit es nicht ausreichende Kapazitäten auf Lager gibt.
  • Auch die Endverbraucher sollten darauf achten, möglichst wenige Güter und Dienstleistungen zu beziehen, die mit viel grauer Energie verbunden sind. Beispielsweise sollte man wo immer möglich Mehrwegflaschen statt Einwegflaschen verwenden: Das Einschmelzen des Altglases für das Recycling braucht sehr viel Gas. Auch der Fleischkonsum ist energieaufwändig und klimaschädlich – selbst mit Bio-Fleisch.
  • Weitere Maßnahmen im Gebäudebereich finden Sie im Artikel vom 23.07.2022.

Es ist wichtig zu realisieren, dass Sparbemühungen nicht erst dann hilfreich sind, wenn die Knappheit schon ganz akut ist. Beim Gas ist dies besonders deutlich: Je mehr wir ab sofort sparen, desto eher können die Gasspeicher vor dem Winter genügend gefüllt werden, und desto leichter kommen wir über den Winter. Beim Strom ist es ähnlich: Es ist wichtig, die großen Stauseen vor dem Winter möglichst gut gefüllt zu haben und die Kohlelager zu schonen.

Die bekannten Stufenpläne haben hier eine große Schwäche. Sie werden erst dann aktiviert, wenn die Krise schon ganz akut ist. Damit wird aber ein großer Teil des Sparpotenzials nicht genutzt, mit der Folge eines unnötig großen Schadens. Man müsste also zumindest die Stufe eins (mit deutlichen, aber noch nicht wirklich einschneidenden Maßnahmen) sogleich aktivieren, nachdem eine schwere Krise zwar noch nicht sicher ist, aber auch keineswegs unwahrscheinlich. Es ist schon allein ein sehr kontraproduktives Signal, wenn das sofortige Sparen als nicht notwendig dargestellt wird.

Weiterbetrieb von deutschen Kernkraftwerken

Soweit es technisch möglich und von der Sicherheit her verantwortbar ist, würde der Weiterbetrieb von Kernkraftwerken, deren baldige Abschaltung eigentlich vorgesehen war, ein Stück weit helfen. Zwar lässt sich damit fast kein Gas sparen, da wie oben erklärt die meisten Gaskraftwerke ohnehin kaum kurzfristig abgestellt werden können. Jedoch würde immerhin die Lage bei der Stromversorgung etwas entspannt, und die ist ja ähnlich wichtig.

Allerdings ist das Potenzial nicht sehr hoch, da eine Betriebsverlängerung von mehr als ein paar Monaten aus verschiedenen Gründen kaum machbar ist, etwa wegen der langwierigen Beschaffung von Brennelementen. Allenfalls ein sogenannter Streckbetrieb mit noch vorhandenen Brennelementen wäre wohl relativ leicht zu realisieren. Sicherheitstechnisch wird ein Weiterbetrieb allerdings zunehmend bedenklich, unter anderem weil die eigentlich vorgeschriebenen Sicherheitsüberprüfungen bei den demnächst abzuschaltenden Kraftwerken schon weit überfällig sind. Übrigens haben auch die Betreiber anscheinend kein Interesse am Weiterbetrieb und würden selbst keine Verantwortung dafür übernehmen; das Risiko bliebe also vollkommen bei der Allgemeinheit.

Diese Sache ist insgesamt ziemlich komplex und erfordert offenkundig schwierige Abwägungen nach einer sorgfältigen Analyse vieler Sachverhalte. Das interessiert aber gewisse Politiker offenbar gar nicht: Sie behaupten und fordern einfach munter dies und das, ohne die Lage auch nur annähernd zu überschauen. Dies ist natürlich ein äußerst unehrliches und unverantwortliches Verhalten – übrigens besonders häufig zu beobachten bei denen, die eine besonders hohe Verantwortung für die drohende Energiekrise tragen und offenbar durch laute Wortmeldungen davon ablenken wollen.

Die Zukunft im Auge behalten

In einer schweren Krise kann es notwendig sein, sich zunächst auf die kurzfristigen Notwendigkeiten zu konzentrieren. So müssen nun beispielsweise Kohlekraftwerke betrieben werden trotz der verheerenden Schäden, die sie anrichten, und bedenkliche Importe von Fracking-Gas sind momentan schwer vermeidbar. Jedoch müssen wir sobald irgend möglich wieder voll auf dauerhaft tragfähige Lösungen setzen:

  • Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss endlich tatkräftig angepackt werden. Einwände beispielsweise von der Seite des Landschaftsschutzes müssen geprüft und entschieden werden, aber nicht für jahrelange Verzögerungen sorgen.
  • Die Energieeffizienz muss auf vielen Gebieten konsequent weiter verbessert werden. Beispielsweise ist ein großer unsanierter Altbaubestand auf Dauer einfach nicht tragbar; den daraus resultierenden enormen Heizwärmebedarf können wir auf keine Weise vernünftig decken.
  • Die Verkehrspolitik muss endlich aufhören, längst als nicht gangbar erkannte Wege zu verlassen – etwa die aufwändige Pflege des Individualverkehrs und dessen Verteidigung gegen jegliche Zumutung (etwa ein allgemeines Tempolimit) oder den bis auf weiteres unrealistischen Traum, einfach Benzin durch Wasserstoff zu ersetzen. Zukunftsfähige Konzepte müssen entwickelt und umgesetzt werden, etwa der Aufbau integrierter Verkehrsdienstleistungen mit einer praktischen und verlässlichen Kombination verschiedener Verkehrsträger.
  • Eine Landwirtschaft, die sehr viel Energie verbraucht, die Biodiversität zerstört, den Landwirten keine Zukunft ermöglicht und für all das noch milliardenschwere Subventionen benötigt, kann in dieser Form keine Zukunft haben. Wenn eine nachhaltige Landwirtschaft mit ausreichender Produktion zu vernünftigen Kosten nur mit einer deutlichen Reduktion des Fleischkonsums möglich ist, muss es eben so gehen.

Kooperatives und solidarisches Verhalten

In der Krise kann man noch manches Problem entschärfen, indem man wenigstens effektiv zusammenarbeitet. Mit Russland ist diese Option derzeit nicht mehr verfügbar, aber innerhalb von Europa gibt es immerhin etliche Möglichkeiten:

  • Es ist essenziell, dass Vereinbarungen über Energielieferungen eingehalten werden, auch wenn sie der liefernden Seite in der neuen Situation nicht mehr opportun sind. Man wird hier aber oft auch abwägen müssen, auf welchem Wege die Gesamtheit der Schäden minimiert werden kann. So könnte es sinnvoll sein, beispielsweise manche vereinbarten Lieferungen einvernehmlich aufzugeben mit Zahlung einer ausgehandelten Entschädigung. Der Grundgedanke ist, dass der Mangel gezielt dort akut werden soll, wo er am wenigsten Schaden anrichtet.
  • Beherzte Energiesparmaßnahmen in ganz Europa sind dringend nötig. Wer meint, er könnte auf das Energiesparen verzichten, solange ihm noch geliefert wird zu bezahlbaren Preisen, handelt verantwortungslos.
  • Die Kostensteigerungen könnten wesentlich gemildert werden, wenn der Einkauf von Energieträgern europäisch koordiniert würde. Wenn jedes Land nur auf sich schaut, konkurrieren wir alle zusammen auf den Energiemärkten und treiben die Preise weiter hoch. Leider gab es aber bislang nur begrenzte Erfolge bei der Koordination einer europäischen Energiepolitik.
  • Bezüglich der Sanktionen gegen Russland ist jegliches Trittbrettfahren eine Unterhöhlung des absolut notwendigen Zusammenhalts. Damit schürt man die Hoffnung des Aggressors, uns spalten und dann einzeln erledigen zu können. Eine Rückkehr zur Kooperation ist sicherlich nicht zu erwarten, bevor die Hoffnung auf den Erfolg einer weiter sehr aggressiven Strategie (bis hin zur Drohung mit Atomwaffen!) zerschlagen ist.

Eine der spannenden Fragen für den Winter 2022/2023 ist, inwieweit die europäische Kooperation (in der EU und darüber hinaus) in der Krise bewahrt und weiterentwickelt werden kann, oder ob sie gar zusammenbricht. Im letzteren Fall wären die Folgen mit Sicherheit noch weitaus schmerzhafter.

Aber auch innerhalb der europäischen Staaten könnten die gesellschaftliche Stabilität bedroht sein, und wenn sie wirklich verloren ginge, wären die Folgen unabsehbar. Leider gibt es schon gewisse Entwicklungen in dieser Richtung:

  • Einzelne Akteure haben bereits mit einer unerträglichen Hetze gegen Politiker begonnen, der an sachlichen Grundlagen und Fairness wirklich alles fehlt. Einige hoffen auf einen "heißen Herbst", um ihre rücksichtslose Agenda zu befördern. Sollten solche Kräfte an die Macht kommen, wären wir als freie Gesellschaft am Ende. Es wäre schon schlimm genug, wenn die Handlungsfähigkeit der europäischen Regierungen durch innenpolitische Probleme stark beschnitten würde: Nicht nur könnten wir die Schäden durch die Krise schlechter abfedern, sondern die Krise könnte gerade dann auch länger dauern. Wie gesagt: Je mehr Putin den Eindruck bekommt, uns spalten zu können, desto weniger wird er zur Kooperation bereit sein.
  • Auch gewisse Äußerungen von Politikern gemäßigter Parteien sind nicht nur ärgerlich, sondern gefährlich, insbesondere weil sie geeignet sind, die Radikalisierung von Teilen der Bevölkerung noch zu verstärken. Manche schüren z. B. die völlig unbegründete Vorstellung, man könne doch einfach einen Ausgleich mit Putin suchen – klar gesagt: dem Diktator nachgeben und völkerrechtswidrige Zugeständnisse machen –, und da sei die Krise schon halb gemeistert. Andere werfen der deutschen Bundesregierung dumme Versäumnisse vor basierend auf der grundfalschen Annahme, es gebe doch auch sonst ganz einfache Lösungen – etwa bei gewissen Kernkraftwerken lediglich nicht den Aus-Schalter zu drücken, und man bekäme problemlos viel weiteren Strom von ihnen.
  • Es ist übrigens eine bodenlose Frechheit, wenn auf der politischen Bühne ausgerechnet diejenigen, die für lange Zeit konsequent die Abkehr von den fossilen Energieträgern (bzw. die dafür notwendigen Entwicklungen) behindert haben, sich nun gar noch als die kompetenteren Problemlöser darstellen. Allerdings verstehen mehr und mehr Bürger, was diese Leute uns mit ihrem Widerstand gegen das Ende des Öl- und Gaszeitalters eingebrockt haben. Es darf gehofft werden, dass echte Problemlösungen zukünftig besser politisch durchsetzbar werden.

Geistige Blockaden überwinden

Offenkundig kommt es darauf an, dass wir als Gesellschaft(en) die drohende Krise genügend klar erkennen und möglichst wirksam so agieren, dass wir wenigstens die schwersten Auswirkungen vermeiden. Immerhin haben wir als freie demokratisch regierte Gesellschaften einen handfesten Vorteil gegenüber Diktaturen: Wir haben einen intensiven geistigen Austausch zwischen den Menschen, dessen Produktivität nicht durch ideologische Schranken und diktatorische Macht unserer Regierung unterbunden werden kann. Wohlgemerkt dürfte dieser Vorteil auch der wesentliche Grund dafür sein, dass unser Wohlstand viel weiter entwickelt ist als der in praktisch allen Diktaturen.

Allerdings sind wir geistig lange nicht so gut aufgestellt, wie man es sich wünschen sollte. Beispielsweise waren in der Pandemie-Krise gewisse geistige Blockaden bald schon sehr deutlich zu erkennen. Auch unsere demokratischen Gesellschaften nutzen das geistige Potenzial ihrer Menschen leider ziemlich unzureichend und werden oft blockiert durch den übergroßen Einfluss gewisser Partikularinteressen und oft gezielt in die Welt gesetzte Fake News.

Bekanntlich ist es unter großem Stress schwieriger, einen kühlen Kopf zu bewahren und vernünftige Entscheidungen zu fällen. In einer schweren Krise, wie sie womöglich schon der kommende Winter bringen wird, besteht sogar die Gefahr, dass die gesellschaftliche Stabilität allgemein verloren geht – was unabsehbare Folgen hätte. Wenn die Bereitschaft, noch vernünftig und kooperativ zu agieren, bei zu vielen zusammenbricht, funktioniert in einer Gesellschaft bald überhaupt nichts mehr. Im so entstehenden Chaos würde das Frieren in der Wohnung wohl bald zu den kleineren Problemen zählen. Das kann wirklich niemand wollen – abgesehen von einem Diktator, der dadurch an Handlungsfreiheit gewönne.

Im Bewusstsein dieser grauenhaften Möglichkeit sind meines Erachtens die folgenden Bemühungen enorm wichtig:

  • Der Primat der Vernunft muss unbedingt verteidigt werden gegen alle Auswüchse von Irrationalität. Beispielsweise müssen wir noch entschiedener und kreativer gegen die verwirrende und verblödende Wirkung von Fake News ankämpfen.
  • Wir müssen uns und anderen immer wieder die überlebenswichtige Bedeutung von Kooperation unter vernünftigen und wohlmeinenden Menschen bewusst machen. Wer beispielsweise meint, seinem persönlichen Frust durch Protestwählen Ausdruck verleihen zu müssen, könnte zum Wegbereiter einer kommenden Diktatur werden, handelt also komplett verantwortungslos. Die Bewahrung einer freien und einigermaßen vernunftgeleiteten Gesellschaft ist jede Anstrengung wert.
  • Drohende schwere Krisen wie die jetzige müssen mit aller Sorgfalt analysiert und zielstrebig angegangen werden. Wer die Möglichkeit hat, die Sachlage und mögliche Reaktionen darauf zu analysieren, soll auf diese Weise zum gesellschaftlichen Dialog beitragen – egal ob er damit Geld verdient oder nicht. (Und die eigenen Grenzen dabei im Auge zu behalten, ist ebenfalls wichtig – Besserwisserei ohne echte sachliche Grundlage kann sehr schädlich sein.) Aber auch die allgemeine Bevölkerung und die Politik sollten einsehen, dass das ewige tatenlose Aussitzen von Krisen fatal ausgehen kann – was wir jetzt ja schon deutlich spüren in Form drohender Engpässe, schmerzhafter Kostensteigerungen, übler Abhängigkeiten und schlimmer werdender Folgen der Klimakrise. Wer Wohlstand bewahren möchte, kann nicht bequem auf angeblich natürlichen Freiheitsrechten beharren (z. B. auf unbegrenzte Flugreisen, große Wohnungen ohne effektive Wärmedämmung, billiges Heizöl und Benzin, grenzenlosen Fleischkonsum etc.), sondern muss die richtigen Prioritäten setzen und dann beherzt zupacken.
  • Die verbreitete Naivität gegenüber den Bedrohungen von Freiheit, Wohlstand und allgemein unseren Lebensgrundlagen muss endlich überwunden werden. Wenn beispielsweise Ölkonzerne systematisch Fake News zwecks Bekämpfung des Klimaschutzes verbreiten und russische Propaganda unsere Gesellschaften zu destabilisieren versucht, ist das nicht nur unschön. Das sind brutale Angriffe auf unsere elementaren Interessen, die entsprechend hart und konsequent bekämpft werden müssen.

Fragen und Kommentare von Lesern

28.08.2022

Wow: ein gewaltig ausholender Rundumschlag, der eine große Aufmerksamkeitsspanne fordert…

Und gibt es hier tatsächlich ein für die Schweiz spezifisches Problem, über den Winter zu kommen? Ich fürchte, wir sitzen alle im selben Boot und das Wasser steht uns bis zum Hals.

Antwort vom Autor:

Ich wage keine Prognose, wie schlimm es wirklich wird – das hängt ja von der weiteren Entwicklung des Konflikts mit Russland ab, von diversen politischen Reaktionen sowie auch von den Fortschritten bei der Instandsetzung französischer Atomkraftwerke, etc. Ich sehe aber definitiv die Gefahr, dass es diesen Winter wirklich unangenehm werden könnte – auch in der Schweiz. Viele hoffen einfach, dass es schon nicht so kommen wird, und tun leider erst mal ungefähr gar nichts. Vielleicht lesen sie dann später hier nach, was man früher hätte beachten sollen.

Die europäischen Länder sitzen zumindest in stark miteinander verbundenen Booten. Spannend ist insbesondere die Frage, ob einzelne die Strategie verfolgen werden, andere untergehen zu lassen, um selbst besser wegzukommen.

29.08.2022

Danke für den interessanten Artikel. Ich fand ihn wieder sehr erhellend, und das hilft mir meine Sichtweise zu erweitern. Gerade der Zusammenhang zur französischen Kernkraft in der Krise ist mir nicht bewusst gewesen. Haben Sie dazu auch Zahlen? Wie groß ist die Abhängigkeit Deutschlands von der französischen Kernkraft? Rein qualitativ ist dieser Zusammenhang natürlich schwer zu bewerten.

Danke und weiter so!

Antwort vom Autor:

Man könnte viele Zahlen bringen, beispielsweise dass rund die Hälfte der französischen Atomkraftwerke derzeit außer Betrieb ist. Allerdings ist z. B. die Abhängigkeit Deutschlands von der französischen Kernkraft unmöglich mit Zahlen allein zu beurteilen. Zunächst mal der Hinweis, dass derzeit Frankreich derzeit weitaus stärker von deutschen Stromexporten abhängig ist als umgekehrt. Die starke Nachfrage aus Frankreich trägt aber auch massiv zum Anstieg der Strom-Börsenpreise bei uns bei und verschärft somit unser Energiekostenproblem erheblich. Das akute Problem würde ich nicht als eines einer gegenseitigen Abhängigkeit interpretieren. Vielmehr arbeiten die beiden Länder tatsächlich effektiv zusammen, was insgesamt gesehen die Probleme erheblich lindert – auch wenn die Nebenwirkungen auf die deutschen Verbraucher momentan sehr bedauerlich sind.

24.03.2023

Dass speziell Deutschland die Abhängigkeit von russischem Erdgas forciert hat, kommt als Argument zu kurz. Speziell, dass es aus wirtschaftspolitischer Sicht absolut falsch war. Putin hat doch sein Gas zu geringsten Preisen weitergegeben. Die in Russland erzeugten ökologischen Probleme wurden nicht so genau hinterfragt.

Dass die USA uns unbedingt große Mengen von gefracktem LNG liefern wollten, erscheint doch nach der aktuellen Situation ein Märchen gewesen zu sein. Der Weltmarkt an LNG ist leer gefegt, da braucht kein Erzeuger neue Kunden. Niederlande und Norwegen machen ihre aus ökologischen Gründen gedrosselten Förderstätten wieder auf, damit Deutschland Gas bekommt.

Die Gaskostensteigerungen waren doch sehr stark ein Spekulationsproblem. Dieses Problem wurde doch auch von der Politik durch Panikmache herbei geredet. Wir haben ein absehbares Problem in der Umstellung der Energieerzeugung, daher erscheint es durchaus sinnvoll, vorhandene Kernkraftwerke noch für die konzipierte Lebensdauer zu nutzen.

Energieerzeugung ist immer auch mit politischer Weichenstellung verbunden. Es gab Zeiten, da haben Wissenschaft und Politik Energieerzeuger gedrängt, Kernkraftwerke zu bauen. Das Problem der ökologischen Energielieferanten ist doch, dass sie uns erzählen, dass die muntere Energieverschwendung ungehemmt weiter gehen kann und am Ende das ganze billiger wird. Hier muss man doch auch den entsprechenden Interessenvertretern in der Wirtschaft und Politik vorhalten, dass sie maximal die halbe Wahrheit sagen. Sie sprechen selbst wichtige Punkte wie Energiessparen, große Wohnungen, Fleischkonsum an.

Antwort vom Autor:

Dass Putins Gas billig war, bedeutet gerade nicht, dass es wirtschaftspolitisch sinnvoll war, darauf zu setzen. Das erzeugte eine Abhängigkeit, die uns nun teuer zu stehen kommt.

Die Engpässe auf dem Gasmarkt entstanden dadurch, dass plötzlich große Menge russischen Gases irgendwie ersetzt oder eingespart werden mussten. (Das war vor dem Krieg natürlich eine ganz andere Situation.) Natürlich war diese Problematik nicht "herbeigeredet", sondern die Folge davon, dass wir durch eine falsche Energiepolitik in eine üble Falle getappt waren.

Amerikanische Geschäftsinteressen waren sicherlich schon frühzeitig im Spiel, ebenfalls aber die berechtigte Befürchtung, dass sich westliche Partner zu sehr von Russland abhängig machen.

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