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tiefe Geothermie

Definition: die Nutzung von Erdwärme aus Schichten in einer Tiefe von typischerweise einigen Kilometern

Allgemeiner Begriff: Geothermie

Englisch: deep geothermal energy

Kategorie: elektrische Energie

Autor:

Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen

Ursprüngliche Erstellung: 31.10.2010; letzte Änderung: 20.08.2023

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Die tiefe Geothermie ist die Nutzung von Erdwärme aus großen Tiefen. Sie ist zu unterscheiden von der oberflächennahen Geothermie. Wenn an speziellen Standorten hohe Temperaturen schon in geringen Tiefen gefunden werden, haben die entsprechenden Anlagen zur Nutzung ähnliche Charakteristika wie sonst die tiefe Geothermie.

Temperaturanstieg mit zunehmender Tiefe

An den meisten Orten der Erdkruste steigt die Temperatur pro Kilometer Tiefe um rund 35 bis 40 Kelvin an, so dass z. B. in 3 km Tiefe bereits Temperaturen um 100 °C erreicht werden. Damit geht ein ständiger Wärmestrom aus dem Erdinneren an die Erdoberfläche einher.

An manchen Stellen ist dieser Wärmestrom wesentlich stärker, so dass die Temperatur mit zunehmender Tiefe entsprechend schneller ansteigt. Dies ist insbesondere nahe Vulkanen der Fall, die vor nicht allzu langer Zeit erloschen sind; man findet dort sogenannte Hochenthalpie-Lagerstätten. Erhöhte Temperaturen gibt es aber auch an anderen Stellen, etwa mit Grabenbrüchen wie z. B. am Oberrheingraben.

Orte mit erhöhten Temperaturen im Untergrund ("hot spots") eignen sich (wenn gewisse zusätzliche Bedingungen erfüllt sind) besonders gut für die tiefe Geothermie, insbesondere auch für die Stromerzeugung. Besonders interessant (aber nicht allzu häufig) sind auch Regionen, in denen große Mengen von heißem Tiefenwasser vorhanden sind. Vorteilhaft ist auch ein gut wasserdurchlässiges Gestein, wie es z. B. in Karstgebieten und in Zonen mit offenen Kluftsystemen durch Grabenbrüche oft angetroffen wird.

Ursprung der Erdwärme

Die Wärme im Erdinneren stammt teilweise noch aus der Zeit der Erdentstehung. Jedoch wird durch radioaktive Zerfallsprozesse von natürlichen Radionukliden wie Uran 235, Uran 238, Thorium 232 und Kalium 40 auch ständig neue Wärme nachgeliefert. Dieser Beitrag der Radioaktivität deckt gut die Hälfte des zur Oberfläche gelangenden Wärmestroms ab.

Erschöpfung von Erdwärmereservoirs durch ihre Nutzung

Da die Wärmestromdichte sehr gering ist – meist unter 0,1 Watt pro Quadratmeter – führt die Erdwärmenutzung in der Regel zu einer langfristigen Auskühlung der genutzten Gesteinsmassen. (Ausnahmen bilden Fälle, in denen z. B. durch Strömungen von Tiefenwasser ständig in großem Umfang Wärme nachströmen kann.) Im strengen Sinne ist die Erdwärme bei der tiefen Geothermie deswegen nicht erneuerbar: Sie wird zwar durch den Wärmestrom aus der Tiefe langfristig (etwa im Laufe einiger Jahrtausende) wieder ersetzt, aber nicht in Zeiträumen, die eine kontinuierliche Nutzung ermöglichen. Deshalb ist es notwendig, etwa nach einigen Jahrzehnten der Nutzung mit neuen Bohrungen andere Gesteinsmassen zu erschließen.

Methoden zur Gewinnung der Erdwärme

Nutzung von Aquiferen

Für die Nutzung von Erdwärme ist es entscheidend, nicht nur ausreichend hohe Temperaturen im Boden vorzufinden, sondern die dortige Wärme auch effektiv nach oben befördern zu können. Relativ einfach ist die Nutzung von hydrothermalen Vorkommen, wo Aquifere große Mengen von heißem Tiefenwasser oder gar von Wasserdampf liefern können. Man kann dann direkt dieses Tiefenwasser bzw. den Dampf durch Rohre nach oben pumpen (bzw. strömen lassen) und nach Entnahme der Wärme über einen Wärmeübertrager an anderer Stelle wieder in den Untergrund leiten. Allenfalls der manchmal hohe Gehalt des Tiefenwassers an Salzen und Schwermetallen kann technische Probleme mit Korrosion oder Verstopfungen verursachen. Bei manchen Projekten wurde auf das Zurückpumpen verzichtet (um eine zweite Bohrung überflüssig zu machen), aber dann können ökologische Probleme mit der Entsorgung des schadstoffbelasteten Tiefenwassers auftreten.

Nutzung trockener Gesteinsmassen

Die Nutzung von trockenen Gesteinsmassen (petrothermale Systeme) ist deutlich schwieriger, erweitert aber das Potenzial der tiefen Geothermie sehr stark. In solchen Fällen muss Wasser von oben in das Reservoir gepumpt und nach der Aufnahme von Wärme an anderer Stelle wieder nach oben befördert werden. Ein erhebliches Problem ist die oft zu geringe natürliche Wasserdurchlässigkeit (Permeabilität) des Gesteins und/oder die für eine effektive Übertragung der Wärme auf das Wasser zu geringe Oberfläche. Dann muss das Gestein zuerst aufgebrochen werden, etwa nach dem Hot-Dry-Rock-Verfahren (HDR-Verfahren) durch Einleiten von Wasser unter sehr hohem Druck (→ Fracking). (Andere Bezeichnungen für dieses "Reservoir-Engineering" sind hydraulische Stimulierung, Hot-Fractured-Rock (HFR) und Enhanced Geothermal System (EGS).) Hierbei entstehen in der Tiefe Klüfte in der Umgebung der Injektionsbohrung, die idealerweise eine gut durchlässige und großflächige Verbindung zwischen einer Schluckbohrung und einer Förderbohrung erzeugen.

Es gibt auch eine Variante namens Hot-Wet-Rock (HWR) für Vorkommen mit natürlichem Wassergehalt. Bei Deep Heat Mining (DHM) wird ein künstlich geschaffenes Aquifer benutzt.

Solche Verfahren funktionieren leider nicht immer, und es kann auch zu lokalen Erdbeben kommen, die beispielsweise bei einem Projekt nahe Basel in 2009 den Abbruch des Vorhabens erzwangen.

In jedem Fall müssen die Bohrungen dort, wo sie Grundwasserschichten durchstoßen, dauerhaft gegen das Grundwasser abgedichtet werden, um Grundwasserverschmutzungen zu vermeiden.

Andere Wärmequellen

Eine besondere Nutzungsform basiert auf tiefen Erdwärmesonden, die (anders als die für oberflächennahe Geothermie üblichen Erdwärmesonden) in besonders große Tiefen von z. B. 2 bis 3 km vordringen. Im Gegensatz zu den zuvor besprochenen Methoden liegt hier ein geschlossenes System vor, d. h. die Wärmeübertragungsflüssigkeit zirkuliert nur innerhalb der Sonde, und die Wärme dringt rein durch Wärmeleitung in die Sonde ein. Die erzielbare Leistung liegt typischerweise bei einigen hundert Kilowatt (begrenzt durch die Oberfläche der Sonde), während mit offenen Systemen Megawatt-Leistungen möglich sind.

Interessante Möglichkeiten ergeben sich auch bei aufgegebenen Bergwerken. Hier muss das Grubenwasser oft ohnehin abgepumpt werden, und seine Wärme ist manchmal direkt nutzbar, manchmal auch nur in Kombination mit Wärmepumpen.

Arten der Wärmenutzung

Direkte Wärmenutzung

Mit Bohrungen von einigen Kilometern Tiefe lassen sich Bereiche mit Temperaturen von 100 °C (oder teils sogar noch deutlich höher) erschließen. Solche Temperaturen erlauben die direkte Wärmenutzung (d. h. ohne Wärmepumpen) in einem weiten Anwendungsbereich, etwa zur Beheizung von Gebäuden und zur Warmwasserbereitung, auch die Einspeisung in Fernwärmenetze. Ebenfalls lässt sich die Wärme für andere Zwecke nutzen, etwa für die Meerwasserentsalzung, für Trocknungsprozesse in der Industrie und Landwirtschaft, für die Beheizung von Schwimmbädern und für die Fischzucht.

An manchen Standorten wird eine Kaskadennutzung der Wärme betrieben. Beispielsweise kann das niedrige Temperaturniveau eines Heizungs-Rücklaufs immer noch für die Beheizung eines Schwimmbads oder einer Fischzucht genügen.

Bei der direkten Wärmenutzung außer tiefer Geothermie wird meist nur in geringem Umfang elektrische Energie insbesondere für die Wasserpumpen benötigt, da ja keine Wärmepumpe betrieben werden muss.

Erzeugung von Kälte

Bei hohen Temperaturen des Reservoirs lassen sich auch Absorptions-Kältemaschinen betreiben. Diese erlauben es, Kälte aus Wärme zu gewinnen. Man kann also beispielsweise Kühlhäuser mit Geothermie betreiben. Die Menge der Abwärme solcher Kältemaschinen ist noch größer als die Menge genutzter Wärme aus dem Erdreich, fällt aber auf wesentlich niedrigerem (oft kaum mehr nutzbarem) Temperaturniveau an.

Stromerzeugung

Bei Temperaturen von ab ca. 85 °C (besser deutlich über 100 °C), wie sie mit größeren Bohrtiefen und besonders an bevorzugten Standorten erzielt werden, ist auch die Nutzung zur Stromerzeugung mit Wärmekraftmaschinen möglich. Der grundlegende Vorteil gegenüber der direkten Wärmenutzung liegt darin, dass die elektrische Energie leichter über große Entfernungen transportiert werden kann, man also keine Verbraucher in unmittelbarer Nähe benötigt.

Allerdings liegen die Temperaturen solcher geothermischer Quellen meist immer noch recht niedrig im Vergleich zu denen, die in konventionellen Kraftwerken z. B. von Kohlefeuerungen oder Kernreaktoren erzeugt werden. Nur gewisse Hochenthalpie-Reservoirs können mit herkömmlichen Dampfturbinen effizient genutzt werden. Deswegen braucht man meistens speziell auf niedrige Temperaturniveaus angepasste Turbinenanlagen, die meist entweder auf dem Organic Rankine Cycle (ORC-Prozess) oder dem Kalina-Kreisprozess basieren. Auch mit diesen optimierten Verfahren sind die erzielbaren Wirkungsgrade der Stromerzeugung recht gering, typischerweise in der Größenordnung von 10 bis 20 %, da bereits der Carnot-Wirkungsgrad als theoretische Obergrenze unter den gegebenen Bedingungen recht niedrig ausfällt. Die Verfügbarkeit von kaltem Kühlwasser ist für solche Anlagen besonders wünschenswert (obwohl im Prinzip ein Kühlturm ebenfalls einsetzbar ist), und die zusätzliche Nutzung der Abwärme ist wegen des sehr niedrigen Temperaturniveaus in der Regel schwierig.

Die typische Leistung von stromerzeugenden Geothermie-Anlagen beträgt einige Megawatt, d. h. die Leistung ist gering im Vergleich zu der von großen konventionellen Kraftwerken. Leistungen von Dutzenden von Megawatt werden häufig durch eine Kombination mehrerer kleinerer Turbinen erzeugt, also mit einem modularen Konzept.

Im Prinzip ist es effizienter, auf die Stromerzeugung mit einem niedrigen Wirkungsgrad zu verzichten und stattdessen fossile Energieträger bei der Erzeugung von Niedertemperaturwärme (z. B. Heizwärme) zu ersetzen. Mit der gleichen Wärmemenge aus Geothermie lässt sich so nämlich eine größere Menge fossiler Energieträger ersetzen, da diese mit höherem Wirkungsgrad verstromt werden können. Es gibt jedoch Standorte, an denen die Wärmenutzung mangels einer ausreichenden Zahl von Verbrauchern schwierig wäre. Wenn dann die Temperatur des Reservoirs einigermaßen hoch ist, kann die Stromerzeugung sinnvoller sein als die direkte Wärmenutzung.

Ökologische Aspekte und staatliche Förderung

Im Allgemeinen darf die Geothermie als eine sehr umweltfreundliche Methode der Energiegewinnung gelten. Sie bietet eine annähernd CO2-neutrale und somit klimafreundliche Wärme- oder Stromerzeugung, die zudem die Abhängigkeit von importierten fossilen Energieträgern reduziert. Die Grundlastfähigkeit (Fähigkeit zum Dauerbetrieb mit konstanter Leistung) ist gerade in Kombination mit anderen erneuerbaren Energien ebenfalls willkommen.

Diverse Umweltbeeinträchtigungen durch Geothermie sind möglich, allerdings bei Verwendung heutiger Technologie nicht sehr häufig. Gefördertes Tiefenwasser kann sehr schadstoffhaltig sein, aber es wird in der Regel wieder in den Untergrund zurückgeführt, und zwar in die gleichen Schichten, aus denen es stammt, lediglich mit einem gewissen horizontalen Abstand. Emissionen giftiger und übelriechender Gase wie Schwefelwasserstoff (H2S) können meist ebenfalls vermieden oder minimiert werden. Entsprechende Vorsichtsmaßnahmen (insbesondere solide Abdichtungen) sind notwendig, wo höher liegende Grundwasserschichten durchstoßen werden. Lärmbelastungen durch Tiefenbohrungen treten immerhin nur zeitlich begrenzt auf. Erhebliche Schäden können im Prinzip ausgelöst werden, wenn das unterirdische Gestein durch hohen Wasserdruck aufgebrochen wird und hierdurch Erdbeben ausgelöst werden. Nennenswerte Schäden treten allerdings recht selten auf.

In Deutschland und in anderen Ländern wird die Stromeinspeisung durch eine gesetzlich garantierte Einspeisevergütung gefördert, außerdem durch das Marktanreizprogramm. Es ist denkbar, dass beispielsweise in Deutschland in einigen Jahrzehnten ein erheblicher Teil der gesamten elektrischen Energie durch Geothermie produziert werden kann, wie es bisher erst in wenigen Ländern der Fall ist, z. B. in Island, Neuseeland und Indonesien. Jedoch müssen angesichts der nicht gleichermaßen vorteilhaften Vorkommen in Deutschland hierfür die verwendeten Techniken noch weiter verbessert werden, insbesondere auch mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit. In diesem Zusammenhang ist es auch hilfreich, wenn weitere Forschung es ermöglicht, die Erfolgsaussichten von Geothermieprojekten besser im Voraus zu beurteilen.

Siehe auch: Geothermie, erneuerbare Energie, Organic Rankine Cycle, Kalina-Kreisprozess

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