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Wiederaufarbeitung

Definition: die Trennung verschiedener Substanzen aus abgebranntem Kernbrennstoff mit dem Ziel der Wiederverwendung und/oder Erleichterung der Endlagerung

Alternativer Begriff: Wiederaufbereitung

Englisch: reprocessing of used nuclear fuels

Kategorien: Grundbegriffe, Kernenergie

Autor:

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Ursprüngliche Erstellung: 02.06.2011; letzte Änderung: 20.08.2023

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Wenn ein Kernbrennstoff "abgebrannt" ist, also nicht mehr für die Verwendung in einem Kernreaktor geeignet ist, enthält er ein Gemisch vieler Substanzen. Einige von diesen sind noch nutzbar, wenn sie von den anderen abgetrennt werden können; diese Abtrennung (Partitionierung) kann im Rahmen einer Wiederaufarbeitung (auch Wiederaufbereitung) erfolgen. Insbesondere noch nutzbar sind restliches Uran 235 und für Plutonium 239, die beide gut spaltbar sind und deswegen in Form von Mischoxidbrennelementen wieder der Kernspaltung in einem Kernreaktor zugeführt werden können. Darüber hinaus kann es hilfreich sein, verschiedene Bestandteile der restlichen radioaktiven Abfälle voneinander zu trennen, weil dies die Probleme der Endlagerung etwas entschärfen kann.

Andererseits ist Plutonium 239 auch für den Bau von Atomwaffen nutzbar, auch wenn das sogenannte Reaktorplutonium aus stark abgebrannten Brennelementen von Leichtwasserreaktoren hierfür weniger gut geeignet ist als unter optimierten Umständen (mit geringem Abbrand) erbrütetes Plutonium. Neben der Herstellung von hoch angereichertem Uran 235 durch Urananreicherung ist die Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen somit die wichtigste Methode zur Gewinnung atomwaffentauglichen Materials.

Technische Aspekte und Gefahren der Wiederaufarbeitung

Eine Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) nutzt eine Reihe von chemisch/physikalischen Verfahren für die Partitionierung der unterschiedlichen Substanzen in radioaktiven Abfällen. Zunächst müssen die Brennstäbe (oder andere Formen von Kernbrennstoff) zersägt oder zerschnitten werden. Dann wird der Inhalt üblicherweise in konzentrierter Salpetersäure aufgelöst. Aus der entstehenden Lösung werden mit verschiedenen Verfahren diverse Stoffe abgetrennt – insbesondere Uran, Plutonium und andere Transurane sowie Spaltprodukte. In aller Regel wird der sogenannte PUREX-Prozess (Plutonium-Uranium Recovery by Extraction) genutzt. Es gibt aber auch andere technische Verfahren, insbesondere elektrometallurgische mit eventuell geringerer Proliferationsgefahr, die sich noch in der Entwicklung befinden.

Das extrahierte Uran enthält anders als Natururan nennenswerte Mengen von stärker radioaktiven Uranisotopen und anderen Radionukliden und ist deswegen erheblich schwieriger zu verarbeiten als Natururan. Es bleibt deswegen häufig ungenutzt, anstatt nochmals der Urananreicherung zugeführt zu werden. Das gewonnene Plutonium dagegen enthält viel spaltbares Plutonium 239 und kann für neue Brennelemente zusammen mit Uran verwendet werden; diese werden als Mischoxidbrennelemente bezeichnet, da sie die Oxide von Uran und Plutonium enthalten.

Die Spaltprodukte (Produkte der Kernspaltung) stellen eine Vielzahl von Elementen mit sehr unterschiedlichen chemischen und physikalischen Eigenschaften dar. Einige davon (z. B. Krypton 85) sind gasförmig und werden auch im Normalbetrieb häufig über einen hohen Schornstein in die Atmosphäre entlassen, andere gelangen über Abwässer in die Umwelt (wobei das Ausmaß der Emissionen stark von den jeweiligen technischen Verfahren abhängt). Feste Stoffe können in eine besser lagerfähige Form gebracht werden, etwa durch Verglasung (Einschluss in feste Glasblöcke). Vor allem weil die Spaltprodukte zum großen Teil sehr stark radioaktiv sind und diese Stoffe für längere Zeit in flüssiger Form gehandhabt werden müssen, ist der Prozess der Wiederaufarbeitung sehr gefährlich. Wegen der starken Wärmeentwicklung der Abfälle ist eine ständige starke Kühlung unbedingt nötig; allein schon das Versagen der Kühlung z. B. eines Speichertanks kann einen sehr schweren Unfall auslösen. Unfälle mit starker Freisetzung von Spaltprodukten sind schon mehrfach vorgekommen, beispielsweise in der Anlage von Majak in 1957 und in Windscale (heute Sellafield genannt) in 1973.

Wiederaufarbeitung und Endlagerung

Die Wiederaufarbeitung wird gelegentlich als eine Alternative zur Endlagerung der Abfälle betrachtet, was aber nicht zutreffend ist. Zwar kann zunächst entschieden werden, ob abgebrannter Kernbrennstoff der Wiederaufarbeitung oder direkt der Endlagerung zugeführt werden soll. Jedoch müssen die Spaltprodukte, die den Löwenanteil der Radioaktivität erzeugen, in jedem Fall schließlich endgelagert werden; sie sind nicht mehr verwertbar. Die Endlagerung ist also in jedem Fall notwendig; die Frage ist lediglich, ob eine direkte Endlagerung ohne vorherige Wiederaufarbeitung erfolgen soll oder nicht.

Ein "Brennstoffkreislauf" kann nur in sofern hergestellt werden, dass im Reaktor nicht genutzte Überreste von Uran und Plutonium wieder in neue Brennelemente gebracht werden können, die nach Verwendung evtl. wieder zur Wiederaufarbeitung gelangen. Erst mit der (bis heute nicht absehbaren) breiten Einführung von Brutreaktoren würde ein Brennstoffkreislauf in substanziellem Sinne hergestellt.

Zusammenfassung der Vor- und Nachteile

Das Verfahren der Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen hat gegenüber der direkten Endlagerung eine Reihe von wichtigen Vorteilen und Nachteilen:

  • Das Recycling von Uran und Plutonium vermindert den Bedarf an Natururan und somit die Kosten und Umweltbelastungen, die mit dem Uranbergbau verbunden sind. Es trägt auch zur Dämpfung des Weltmarktpreises für Uran bei, wenn es in großem Umfang durchgeführt wird.
  • Die Wiederaufarbeitung ist aber sehr teuer; die Kosten liegen meist mehrfach höher als die Einsparungen durch verminderten Uranbedarf. Dies würde sich voraussichtlich erst ändern, wenn der Uranpreis auf dem Weltmarkt auf ein Vielfaches anstiege. Bis heute ist nicht einmal die Nutzung des bereits gewonnenen Plutoniums in Mischoxidbrennelementen wirtschaftlich, da dieses Material weitaus gefährlicher und damit schwieriger zu handhaben ist als reines Uran.
  • Die Freisetzung radioaktiver Stoffe bei der Wiederaufarbeitung ist meist wesentlich stärker als z. B. beim Betrieb eines Kernreaktors. Dasselbe gilt für die Gefahr schwerer Unfälle, da anders als im Kernreaktor die hochradioaktiven Stoffe in flüssiger und teils auch gasförmiger Form gehandhabt werden müssen.
  • Andererseits kann die Wiederaufarbeitung gewisse Probleme der Endlagerung womöglich ein Stück weit entschärfen, da die Spaltprodukte in konzentrierter Form anfallen. (Es ist allerdings nicht klar, in wieweit eine Reduktion des Volumens bei gleich bleibender Menge von Radioaktivität hilfreich ist, wenn es sich zumindest für mehrere Jahrzehnte um stark wärmeentwickelnde Abfälle handelt.) In Zukunft wäre es möglicherweise nützlich, die verbleibenden Transurane abzutrennen, wenn diese durch nukleare Transmutation genutzt und dabei in kurzlebigere Produkte umgewandelt werden könnten.
  • Die Menge von gefahrenträchtigen Transporten radioaktiver Stoffe dürfte größer sein, wenn Kernbrennstoffe beispielsweise von Deutschland zur Wiederaufarbeitung nach Frankreich gebracht werden und die verarbeiteten Materialien wieder zurückkommen (jeweils in Castor-Transporten).
  • Da die Wiederaufarbeitung die Gewinnung von Plutonium für Atomwaffen ermöglicht, also einen der beiden Wege zur Realisierung von Atomwaffen, dürfte die Gefahr eines Atomkriegs erheblich zunehmen, wenn weitere Länder die Wiederaufarbeitung aufnehmen. Es dürfte kaum möglich sein, die Wiederaufarbeitung so zu gestalten, dass ein (evtl. auch späterer) Missbrauch zu militärischen Zwecken ausgeschlossen ist. Aus diesem Grund hat der US-Präsident Carter versucht, die Wiederaufarbeitung so stark wie möglich zurückzudrängen, und auch später wurde die zivile Wiederaufarbeitung in den USA kaum mehr praktiziert.

Die Wiederaufarbeitung ist leicht verzichtbar, solange die Kernenergienutzung allein mit Leichtwasserreaktoren und direkter Endlagerung praktiziert wird. Dies ist das bis heute dominierende Verfahren, obwohl das Natururan damit nur sehr ineffizient genutzt wird. Es wäre weltweit noch für einige Jahrzehnte praktizierbar, bis Uran spürbar knapp wird. Dagegen würde die Wiederaufarbeitung ein unverzichtbarer Teil einer Plutoniumwirtschaft unter Verwendung von Brutreaktoren. Erst diese Plutoniumwirtschaft würde die Effizienz der Nutzung des Urans sehr stark erhöhen und damit die Reichweite der Uranvorkommen auf Jahrtausende verlängern. Die alleinige Nutzung der Wiederaufarbeitung zusammen mit herkömmlichen Leichtwasserreaktoren dagegen würde die Reichweite nur moderat erhöhen.

Heute werden Wiederaufarbeitungsanlagen in den USA und Russland betrieben, ebenfalls in Großbritannien, Frankreich, Japan, Indien und Nordkorea. Deutschland und die Schweiz haben für längere Zeit ihre abgebrannten Brennelemente zur Wiederaufarbeitung nach Frankreich (La Hague) geschickt. Eine eigene Wiederaufarbeitungsanlage im bayrischen Wackersdorf wurde wegen starker Proteste nicht fertiggestellt.

Siehe auch: Kernbrennstoff, radioaktiver Abfall, Radioaktivität, Uran, Plutonium, Kernenergie, Brutreaktor, Transmutation

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