Abfackelung
Definition: das Verbrennen von Gas ohne Nutzeffekt
Englisch: burn-off, gas flaring
Kategorien: Grundbegriffe, Ökologie und Umwelttechnik
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Ursprüngliche Erstellung: 18.11.2012; letzte Änderung: 20.08.2023
Bei der Gewinnung von Erdöl fällt häufig Erdgas als Begleitgas an, welches nicht wirtschaftlich genutzt werden kann. Beispielsweise kommt dies vor, wenn Erdöl in abgelegenen Gegenden gefördert wird und eine Pipeline zum Abführen des Gases nicht rentabel wäre. Problematisch kann auch die variable Qualität des Erdölbegleitgases sein, die vor der Einspeisung in ein Erdgasnetz eine mehr oder weniger aufwendige Aufbereitung erfordern würde. (Ähnliche Probleme können zeitweise bei der Gewinnung von Schiefergas auftreten.) Deswegen ist es für die Betreiber oft wirtschaftlich vorteilhafter, das anfallende Gas einfach abzufackeln, das heißt in einer großen offenen Flamme zu verbrennen, ohne dass die entstehende Wärme genutzt wird. Die Verbrennung erfolgt meist an der Spitze von hohen Fackeltürmen, manchmal aber auch nahe an der Erdoberfläche.
Auch die konventionelle Erdgasförderung geht teilweise mit Abfackelung einher. Hier geht es aber um geringere Mengen, die beispielsweise bei der Gasreinigung anfallen. Deponiegas, Klärgas und Grubengas wird oft in relativ geringen Mengen und/oder mit ungenügendem Methananteil produziert (Schwachgas) und wird dann ebenfalls oft abgefackelt. Mit verbesserten Motoren oder auch ganz anderen technischen Ansätzen – beispielsweise mit Dampfturbinen – könnte solches Gas jedoch genutzt werden. In Biogasanlagen kann es zeitweise notwendig sein, überschüssiges Gas abzufackeln, wenn beispielsweise die Produktion bei hohen Außentemperaturen zu stark ansteigt.
Auch bei einigen Industrieanlagen (beispielsweise Erdölraffinerien) werden brennbare Gase abgefackelt, oft aber nur als Sicherheitsmaßnahme bei Störfällen und nicht etwa im regulären Betrieb. Hier geht es also um geringe Mengen.
Die Wirtschaftlichkeit der Gasnutzung als Alternative zum Abfackeln wird selbst bei größeren Gasmengen oft auch dadurch oft untermininiert, dass die reguläre Förderung von Erdgas noch billiger ist. Zwar wäre es für die Produzenten in der Zukunft vorteilhaft, ihre Gasvorräte durch effiziente Nutzung länger zu behalten. Jedoch bestimmen kurzfristige ökonomische Interessen häufig das Handeln.
Die größten Gasmengen werden derzeit in Russland abgefackelt (Stand 2011), obwohl eine vollständige Beendigung dieser Praxis bis 2011 in 2007 versprochen wurde. Ähnliches geschieht in großem Umfang in Nigeria, obwohl diese Praxis dort inzwischen verboten ist. Auch in Iran, Irak und den USA werden große Gasmengen nutzlos verbrannt.
Die großen Gasfackeln sind von Satelliten aus gut erkennbar. Somit ist die Einhaltung von Verboten des Abfackelns gut überwachbar, auch wenn die jeweils verbrannten Mengen so nicht genau zu ermitteln sind.
Gesundheits- und Umweltauswirkungen des Abfackelns
Aus dem Methan im abgefackelten Gas entsteht bei der Verbrennung das klimaschädliche Kohlendioxid (CO2). Aufgrund der großen Mengen (z. Zt. über 1 % der weltweiten CO2-Emissionen) entsteht hier eine erhebliche Klimabelastung. Hierzu trägt auch unverbrannt entweichendes Methan bei, da dessen Klimaschädlichkeit noch viel höher ist. Insofern ist das Abfackeln immerhin weniger schädlich, als das Gas unverbrannt in die Atmosphäre gelangen zu lassen.
Da das Begleitgas auch diverse andere Stoffe als Methan enthält, beispielsweise Schwefelverbindungen und Quecksilber, und da die Verbrennung oft ziemlich unkontrolliert und deswegen unvollständig ist, entsteht zusätzlich eine Vielzahl giftiger und teils auch krebserregender Schadstoffe. Dies scheint beispielsweise bei der Erdölförderung in Nigeria zu einer erheblichen Verminderung der Lebenserwartung der Anwohner zu führen.
Verschwendung von Rohstoffen
Die weltweit abgefackelten Gasmengen betrugen in 2011 rund 140 Milliarden Kubikmeter [2] – zu vergleichen beispielsweise mit dem Erdgasverbrauch in Deutschland von ca. 100 Milliarden Kubikmetern pro Jahr. Es ist klar, dass damit riesige Mengen von Rohstoffen verschwendet werden, nur weil ihre Nutzung momentan (z. B. bei niedrigem Erdgaspreis) betriebswirtschaftlich nicht rentabel wäre. Beispielsweise leiden viele Menschen in Nigeria unter starkem Energiemangel; trotzdem wird in ihrer nächsten Nähe anfallendes Begleitgas nutzlos und umweltschädlich abgefackelt, weil ihre Kaufkraft zu gering wäre, um dieses Gas zu bezahlen.
Alternativen zum Abfackeln
Idealerweise sollte das anfallende Gas in das Erdgasnetz eingespeist werden. Dies setzt freilich eine Pipeline voraus, die das Gas dorthin transportieren kann. Denkbar wäre auch eine Anlage zur Gasverflüssigung, um in Schiffen transportierbares Flüssigerdgas zu erzeugen. Solche Investitionen scheitern freilich oft an mangelnder Wirtschaftlichkeit.
In vielen Fällen kann das ungewünscht geförderte Gas wieder in die Erdöl-Lagerstätte gepumpt werden. Dies hat den willkommenen Nebeneffekt, dass der höhere Druck die Erdöl-Ausbeute erhöhen kann. Hierfür ist allerdings eine zusätzliche Bohrung an geeigneter Stelle erforderlich.
Eine andere Lösung ist die Verstromung am Ort, wenn ein leistungsfähiger Anschluss an das Stromnetz möglich ist. Beispielsweise könnten Länder wie Iran und Irak so erhebliche Mengen an elektrischer Energie gewinnen – vermutlich mit geringeren Kosten als durch den Bau von Kernkraftwerken.
Bemühungen zur Reduktion des Abfackelns
Wegen der enormen Rohstoffverschwendung und Umweltbelastung des Abfackelns sind diverse Bemühungen im Gange, um diese Praxis schnellstmöglichst zurückzudrängen. In 2002 startete die Weltbank eine Initiative namens "Global Gas Flaring Reduction Initiative" (GGFR) [1], eine "public–private partnership", die geschätzte Zahlen zu den verbrannten Gasmengen in diversen Ländern publiziert [2] und damit einen gewissen Druck auf die Verursacher ausübt. Sie organisiert ebenfalls Konferenzen und verbreitet Informationen über technische Lösungen.
Erste Erfolge sind bereits zu verzeichnen; so sind die weltweit abgefackelten Gasmengen bereits allmählich am Sinken, beispielsweise von 154 Milliarden Kubikmetern in 2007 auf 140 Milliarden Kubikmeter in 2011.
Die Einführung eines weltweiten CO2-Handels würde die Bemühungen um eine Reduktion des Abfackelns stark beschleunigen, da betriebswirtschaftlich die CO2-Vermeidung dann wesentlich günstiger würde, so dass die Wirtschaftlichkeit in vielen Fällen damit erreicht würde. Die entstehenden volkswirtschaftlichen CO2-Vermeidungskosten dürften in vielen Fällen besonders gering sein, so dass die Vermeidung des Abfackelns zu den kostengünstigsten Klimaschutzmaßnahmen gehören sollte.
Literatur
[1] | Global Gas Flaring Reduction Initiative, https://www.worldbank.org/en/programs/gasflaringreduction |
[2] | Von der GGFR geschätzte abgefackelte Gasmengen in verschiedenen Ländern auf der Website der Weltbank, https://www.worldbank.org/en/programs/gasflaringreduction/global-flaring-data (englisch) |
Siehe auch: Erdgas, Schiefergas, Methan, Schwachgas, Erdöl
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