Irrtümer und Propaganda
Das Für und Wider um die Kernenergie ist für viele Glaubenssache – für Befürworter wie für Gegner. Das muss nicht sein: Diverse gute Argumente sprechen für oder gegen die Kernenergienutzung, und diverse ganz unfundierte Argumente sollten aus der Diskussion verschwinden.
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Kategorien: quantitative Fehleinschätzungen
Auf den ersten Blick scheint dies zwar plausibel, da Kernkraftwerke kein klimaschädliches Kohlendioxid ausstoßen und auch die indirekt erzeugten CO2-Emissionen recht gering sind. Jedoch erfordert die globale Natur des Klimaproblems eine globale Sichtweise, und diese führt zu völlig anderen Schlüssen. Das globale Potenzial der Kernenergie ist nämlich viel zu gering, um einen großen oder gar unverzichtbaren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Weltweit deckt die Kernenergie zur Zeit (2016) rund 2 % des Endenergiebedarfs ab, oder rund 5 % der Primärenergie. Dies bedeutet, dass selbst eine Verdopplung der weltweiten Stromerzeugung in Kernkraftwerken die globalen CO2-Emissionen nur um wenige Prozentpunkte vermindern könnte. Eine solche Verdopplung würde rein technisch gesehen Jahrzehnte brauchen, also viel zu spät kommen, nicht annähernd auch nur das bisherige Verbrauchswachstum abdecken können, und zudem allein schon aus wirtschaftlichen Gründen scheitern. Hinzu kommen noch die Probleme der Reaktorsicherheit und vor allem auch der durch die Atomenergienutzung begünstigten Verbreitung von Atomwaffen. Die Verhinderung von Atomkriegen muss freilich oberste Priorität haben – nicht nur, weil Atomkriege klimaschädlich sind …
Der Anteil der Kernenergie ist größer, wenn national statt global gedacht, also nur ein Land wie Deutschland betrachtet wird. Die Kernenergie deckte in 2009 ca. 11 % des deutschen Primärenergiebedarfs, gegenüber 6 % weltweit. Das Grundproblem ist hier, dass der CO2-Ausstoß pro Kopf in Ländern wie Deutschland massiv über dem weltweiten Durchschnitt liegt – mit oder ohne Kernenergie – und dass bereits der weltweite Durchschnitt mit Blick auf die Klimagefahren wesentlich zu hoch liegt. Von daher ist klar, dass mit oder ohne Atomausstieg massive Anstrengungen nötig sind, um die CO2-Emissionen in den nächsten Jahrzehnten zu senken (außer man schlägt die Warnungen der übergroßen Mehrheit der Klimawissenschaftler in den Wind). Dies wäre wohl ein wenig einfacher, wenn der Atomausstieg vermieden oder verzögert würde, aber die Größe der Herausforderung hängt nicht entscheidend davon ab. Im Stromsektor wird zudem nicht das größte Problem liegen; die Emissionen aus vielen Heizungsanlagen und Autos sind weitaus schwieriger zu reduzieren. Selbst wenn wir schon Ökostrom (oder auch Atomstrom) im Überfluss hätten, würde der Ersatz fossiler Kraftstoffe im Verkehr durch den Einsatz von Elektroautos auf absehbare Zeit an anderen Dingen scheitern, insbesondere an der Batterieproblematik.
Somit wird klar: Den Kernenergie-Anteil als unverzichtbar zu bezeichnen, ist für Deutschland eine Übertreibung und global gesehen schlicht Unsinn. Es dürfte global gesehen sogar kontraproduktiv sein, den aufstrebenden Schwellenländern die folgende Botschaft zu senden: Wir Deutschen können unseren Wohlstand nur mit Kernenergie halten; wenn ihr Chinesen und Inder aber Kohle braucht, um ähnlich viel elektrische Energie zu erzeugen, weil ihr mit der Kernenergie nicht recht vorankommt, dann lebt bitte zugunsten des Klimaschutzes mit viel weniger Energie als wir. Das kann so nicht funktionieren. Dagegen kann Deutschland einen überproportionalen Beitrag zum Klimaschutz leisten, indem es zeigt, dass sich auch mit viel weniger Energie (und ohne Kernenergie) gut leben lässt.
Nun mag man einwenden, die gleiche Irrelevanz würde dann auch für diverse Arten erneuerbarer Energie gelten, die global noch weniger beitragen als die Kernenergie. Aber erstens widerlegt dies in keiner Weise die oben angeführten Argumente, selbst wo es zutrifft. Und zweitens muss man nicht den momentanen Beitrag, sondern das mittel- bis langfristige Potenzial betrachten, weil alles andere sinnlos ist: Der Beitrag der Erneuerbaren ist massiv steigend. (Es hat ja übrigens auch niemand argumentiert, der Bau des ersten Atomreaktors sei sinnlos, weil er ja nur einen winzigen Teil des Weltenergiebedarfs decken könne.) Die Frage muss also sein, ob beispielsweise die Windenergie anders als die Kernenergie weltweit so umfangreich einsetzbar ist, dass sie in Zukunft einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz bringen kann – wovon man getrost ausgehen darf.
Übrigens kann ein Atomausstieg im Rahmen einer Gesamtstrategie erfolgen, die langfristig die Emissionen sogar stärker senkt als bisherige Strategien mit Atomstromnutzung. Dies ist nicht einfach frommes Wunschdenken eines Grünen, sondern wird z. B. von den "Energieperspektiven" gestützt, die das schweizerische Bundesamt für Energie in 2007 veröffentlicht hat. Hier führt das "grüne" Szenario IV auch in Kombination mit einem früheren Atomausstieg zu niedrigeren CO2-Emissionen als die Szenarien I und II, die von Atomfreunden sicher bevorzugt würden. Dies zeigt, dass es auf eine entschlossene Gesamtstrategie viel mehr ankommt als auf den Beitrag der Kernenergie.
Kategorien: quantitative Fehleinschätzungen
Richtig ist, dass die Nutzung der Kernenergie auch mit gewissen CO2-Emissionen verbunden ist, obwohl die Kernkraftwerke kein solches emittieren. Das liegt am Energieaufwand für den Uranbergbau, die Urananreicherung, den Bau der Kraftwerke usw., der zumindest zum Teil mit fossilen Energieträgern gedeckt wird. Die Schätzungen hierfür liegen sehr weit auseinander: zwischen wenigen Gramm CO2 pro erzeugter Kilowattstunde und über 100 g/kWh. Zum Teil liegen diese Diskrepanzen daran, dass es auch in der Wirklichkeit große Unterschiede gibt, etwa beim Energieverbrauch verschiedener Typen von Urananreicherungsanlagen. Jedenfalls sind aber selbst die höchsten in der Literatur auftauchenden Werte (an denen ich persönlich Zweifel habe) nur ein Bruchteil dessen, was z. B. ein Gaskraftwerk oder gar ein Kohlekraftwerk ausstößt. Man liegt etwa im Bereich der Emissionen bei der Nutzung von erneuerbaren Energien wie z. B. Photovoltaik. Viel besser geht es wirklich kaum mehr.
Fazit: Egal welche Zahlen im Einzelfall nun stimmen, als Argument gegen die Kernenergienutzung taugen diese geringen CO2-Emissionen sicher nicht. Dass die Kernenergie wenig zum Klimaschutz taugt, hat ganz andere Gründe – siehe oben.
Kategorien: zu kurz gedacht
Richtig ist, dass Kernkraftwerke auch im Normalbetrieb gewisse Mengen von radioaktiven Stoffen abgeben, z. B. über Abluftkamine. Dies befördert die Angst vieler Anwohner in ihrem Umfeld, hierdurch z. B. an Krebs zu erkranken, was durch diverse Studien verstärkt wird, die etwas erhöhte Krebsraten in der Gegend solcher Kraftwerke gefunden haben.
Der genannte Zusammenhang ist zumindest nicht auszuschließen. Trotzdem wäre es unsinnig, auf dieser eher fragilen Grundlage Kernkraftwerke abzulehnen und dafür Kohlekraftwerke in Kauf zu nehmen. Diese verursachen nämlich weit höhere radioaktive Emissionen, tragen massiv zu gefährlichen Klimaveränderungen bei und belasten die Gesundheit auf vielfältige Weise. Wer sich also Sorgen zu Kernkraftwerken im Normalbetrieb macht, müsste in erster Linie Kohlekraftwerke bekämpfen.
Es gibt freilich weitaus ernstere Probleme der Kernenergie: nicht nur die Gefahr katastrophaler Unfälle (mit dann tatsächlich massiver Freisetzung radioaktiver Stoffe), sondern auch das ungelöste Problem der Endlagerung radioaktiver Abfälle und die Gefahr der Weiterverbreitung von Atomwaffen.
Kategorien: Fehleinschätzungen
Diese Befürchtung war zu Beginn der deutschen Energiewende weit verbreitet. Die tatsächliche Entwicklung ist jedoch völlig anders verlaufen; Deutschland exportiert inzwischen deutlich mehr Strom, als es importiert. Gerade in den letzten Jahren hat der Exportüberschuss stark zugenommen. Eine Abhängigkeit von Atomstromimporten aus Frankreich existiert nicht, und diese stehen häufig auch gar nicht zur Verfügung, da Frankreich Schwierigkeiten hat, seinen eigenen Bedarf zu decken (insbesondere in ausgedehnten Zeiten mit Ausfall vieler Kernkraftwerke).
Der Hauptgrund für den zunehmenden Exportüberschuss Deutschlands ist, dass es dort erhebliche Überkapazitäten im Kraftwerkspark gibt; der starke Zuwachs bei den erneuerbaren Energien wurde zunächst nicht durch die Stilllegung von Kernkraftwerken und fossil befeuerten Kraftwerken ausgeglichen. Selbst seit der Außerbetriebnahme aller deutschen Kernkraftwerke gibt es noch einen Exportüberschuss.
Wenn man nicht die jährliche Import-/Exportbilanz anschaut, sondern die Verhältnisse zu verschiedenen Zeiten, findet man sowohl Zeiten mit Stromimport aus Frankreich als auch solche mit Exporten dorthin – je nach den momentanen Verhältnissen bzgl. verfügbarer Kapazitäten und Stromnachfrage. Interessanterweise war die Energiekrise 2022/23 im Strombereich wesentlich von den Ausfällen französischer Kraftwerke verursacht, und gerade in dieser Zeit gab es starke Exporte von Deutschland (und anderen Ländern) nach Frankreich. Dies zeigt klar, dass die Versorgungssicherheit nicht vorwiegend durch die deutsche Energiewende gefährdet wird, sondern eher durch die starke Abhängigkeit der französischen Stromversorgung von nicht ausreichend zuverlässigen Kernkraftwerken.
Kategorien: Halbwahrheiten
Im Prinzip könnte die Kernenergie der Menschheit Energie für Jahrtausende liefern. Allerdings müsste hierfür entweder die Kernfusion nutzbar gemacht werden oder ein globaler Einstieg in eine Plutoniumwirtschaft erfolgen. Für die Kernfusion scheitert das auf absehbare Zeit an der fehlenden technischen Machbarkeit, vermutlich sogar auf Dauer an nicht erreichbarer Wirtschaftlichkeit. Eine Plutoniumwirtschaft dagegen wäre zwar technisch realisierbar, wird aber kaum je eine breite Akzeptanz finden. Dies liegt vor allem an den enormen Gefahren, die einerseits der Betrieb vieler Brutreaktoren erzeugen würde und andererseits (vermutlich noch schlimmer) die Weiterverbreitung von Atomwaffen, wenn waffenfähiges Plutonium in vielen Ländern der Welt hergestellt und/oder verwendet würde. Hinzu kommen voraussichtlich ebenfalls zu hohe Kosten. Auch der Weg über das Thorium (zur Verwendung in speziellen Brutreaktoren) hat sich aufgrund technischer Probleme bislang nicht durchsetzen können.
Aus diesen Gründen wird die Kernenergie bisher wie auch in absehbarer Zukunft zum größten Teil auf Leichtwasserreaktoren für Uran basieren. Da diese Technologie aber das Uran sehr ineffizient nutzt (selbst wenn zusätzlich die Wiederaufarbeitung praktiziert wird), reichen die weltweiten Uranvorräte dann nur noch für einige Jahrzehnte, keineswegs für Jahrtausende. (Im Prinzip könnten zwar aus dem Meerwasser noch große Mengen von Uran gewonnen werden, aber wegen der extrem niedrigen Konzentrationen nur mit sehr großem Aufwand. Die großtechnische Machbarkeit ist nicht bewiesen.)
Kategorien: Propaganda
Es ist zwar richtig, dass das Erdöl in den nächsten Jahrzehnten sehr knapp werden wird (Stichwort "Peak Oil"), aber dieser Mangel lässt sich kaum mit Kernenergie bekämpfen. Etwa in Deutschland wird seit Jahrzehnten fast kein Erdöl für die Stromerzeugung eingesetzt, und auch ein Atomausstieg wird daran nichts ändern. Dagegen wird Öl massenhaft als Heizöl und im Verkehr verbrannt. Theoretisch könnte man zwar Ölheizungen durch Elektrowärmepumpen ersetzen und Benzinautos durch Elektroautos. Jedoch wird dies bis auf weiteres nur in kleinem Umfang stattfinden – und zwar keineswegs wegen Problemen der Stromerzeugung, sondern weil der Ersatz von Ölheizungen und Benzinautos sehr teuer wäre. Hieran würde selbst ein großes Angebot billigen Atomstroms (wenn Kernenergie in Wirklichkeit überhaupt billig wäre) praktisch nichts ändern.
Somit wird klar, dass das Problem der Erdölverknappung ganz andere Lösungen braucht: insbesondere mehr Energieeffizienz in der Anwendung, teilweise auch Substitution (etwa durch Biokraftstoffe der zweiten oder dritten Generation) und auch Verzicht (Suffizienz). Flugreisen zum Spottpreis wird es jedenfalls bald nicht mehr geben, mit oder ohne Atomstrom, und mangels Potenzial auch nicht mit Biokraftstoffen.
Kategorien: Halbwahrheiten
Hieran ist nur eines unzweifelhaft richtig: Bestehende Kernkraftwerke weiter zu betreiben, ist fast immer billiger, als die elektrische Energie auf irgendeine andere Weise zu erzeugen. Die hohen Baukosten spielen dann ja keine Rolle mehr – gebaut wurden die Kraftwerke ja ohnehin schon – und der Betrieb ist kostengünstig, selbst wenn die Uranpreise kräftig anziehen.
Beim Neubau von Kernkraftwerken sieht es völlig anders aus. Die Investitionskosten (und damit auch die Kapitalkosten) sind sehr hoch, und trotz jahrzehntelanger Erfahrung mit dem Bau solcher Kraftwerke steigen sie sogar immer weiter an – zum guten Teil, weil man die Anforderungen an die Reaktorsicherheit aus guten Gründen immer weiter erhöht hat. So haben wir nun die Situation, dass z. B. in Europa und den USA fast keine Neubauprojekte mehr zustande kommen, und zwar in erster Linie wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit:
- Beispielsweise beklagt sich die Atomlobby in den USA seit Jahren, es reiche nicht, wenn die Politik Kreditbürgschaften über z. B. 80 % der Baukosten übernimmt. Nur wenn der Steuerzahler nicht den Löwenanteil der Risiken, sondern die gesamten finanziellen Risiken übernimmt, lohnt sich der Bau für die Betreiber. Ein umfangreiches Bauprogramm dürfte aber daran scheitern, dass der Staat diese enormen Lasten gar nicht auf sich nehmen kann.
- In Finnland wird seit 2005 das Kraftwerk Olkiluoto 3 gebaut, und obwohl das Kraftwerk noch längst nicht fertig ist (bei ursprünglich für 2009 vorgesehener Vollendung), gibt es schon Kostenüberschreitungen von mehreren Milliarden Euro, die nun einen juristischen Streit um riesige Summen nach sich zieht. Die Firma Areva, die das Kraftwerk baut, dürfte enorme Probleme bekommen, weitere Projekte an Land zu ziehen, ohne mit diesen durch unrealistisch niedrige Festpreise (wie bei Olkiluoto) weitere Milliarden zu verlieren.
- Für die zwei neuen Kernkraftwerke in Großbritannien musste eine Preisgarantie für den erzeugten Strom in Höhe von ca. 10,9 ct/kWh zugesagt werden – über 35 Jahre und mit Inflationsausgleich, also weitaus großzügiger und langfristiger als z. B. für neue Windenergieanlagen.
Nun mag man die Kosten der Kernenergie mit denen der erneuerbaren Energien vergleichen, die teils noch erhebliche Subventionen benötigen. Hierzu ist allerdings zu sagen:
- Die in Großbritannien vorgesehenen Einspeisevergütungen für neue Kernkraftwerke (siehe oben) werden, wenn die Bauprojekte tatsächlich zustande kommen, die Verbraucher wesentlich teurer kommen als z. B. die Windenergie.
- Bei den erneuerbaren Energien sinken die Kosten rapide, während sie bei der Kernenergie steigen. Manche erneuerbare Energien sind schon jetzt kostengünstiger als Kernenergie, und andere werden es in absehbarer Zeit sein.
- Die Kernenergie wurde in ihrer Anfangszeit ebenfalls mit riesigen Summen subventioniert, und noch heute gibt es enorme versteckte Subventionen – beispielsweise die Übernahme eines großen Teils des Unfallrisikos durch die Allgemeinheit, und zwar ohne die Bezahlung von entsprechenden Versicherungsprämien.
- Wie viel uns die Kernenergie am Ende kosten wird, ist noch immer nicht klar. Hierfür spielt eine Rolle, welche Schäden noch durch zukünftige und bisherige Atomunfälle verursacht werden, was der Abriss der Kernkraftwerke kosten wird und vor allem, wie die Langzeit-Endlagerung realisiert werden kann. Da hierfür noch nicht einmal die zu verwendenden technischen Konzepte klar sind, darf man die Kosten als weitgehend unbekannt ansehen. Vielerorts ist zu befürchten, dass die finanziellen Rücklagen der Betreiber nicht ausreichen werden, so dass die Steuerzahler wieder herangezogen werden, um Finanzlöcher in Milliardenumfang zu stopfen.
Längst ist klar: Den anfangs versprochenen spottbilligen Atomstrom gibt es nicht; im Gegenteil werden wir als Steuerzahler wohl noch manche atomare Milliardenpleite ausbaden dürfen.
Kategorien: zu kurz gedacht
Zunächst einmal muss darauf hingewiesen werden, dass Großbritannien und Frankreich beide Atomwaffen entwickelt haben, und dass sie darüber hinaus aktiv zur Weiterverbreitung in andere Länder beigetragen haben (z. B. nach Israel).
Bei anderen Ländern wie Deutschland und der Schweiz gehen viele davon aus, dass das Atomprogramm von Anfang an nur für friedliche Zwecke vorgesehen war. Dabei ist heute bekannt, dass dies durchaus nicht immer so war.
Viele europäische Länder, durchaus nicht nur Frankreich und Großbritannien, haben die Weiterverbreitung von Atomwaffen gefördert – wobei offen bleiben kann, in wieweit dies bewusst oder ungewollt geschah. Jedenfalls ist klar, dass die bisherige Kernenergienutzung in Europa, das Risiko von Atomkriegen insbesondere auch außerhalb von Europa erheblich vergrößert hat. Dies hat bis heute gefährliche Auswirkungen; beispielsweise ist es extrem schwierig, wenn überhaupt möglich, die Weiterverbreitung im Nahen Osten zu verhindern, nachdem dort etliche Länder nicht einsehen, dass Israel diese Waffen zustehen sollen, ihnen selbst aber nicht.
Selbst wenn heute auch in Europa wohl eher versucht wird, die Kernwaffengefahr wieder einzudämmen, ist die Propagierung der Kernenergie gefährlich. Wenn die zivile Kernenergienutzung nämlich weltweit stärker verbreitet würde, hätten entsprechend mehr Staaten einen Deckmantel für die Entwicklung von Atomwaffen. (Man beachte, dass es bisher noch keinem Staat gelang, an Atomwaffen zu gelangen, ohne vorher ein ziviles Atomprogramm zu starten – allein schon zu Tarnungszwecken ist dies unentbehrlich.) Auch von daher ist es dringend nötig, ganz im Gegensatz zur bisherigen Stoßrichtung zu demonstrieren, dass eine Energieversorgung ohne Kernenergie sehr wohl möglich und vorteilhaft ist.
Kategorien: Fehlschlüsse, ungerechtfertigte Hoffnungen
Richtig ist zwar, dass die Kernfusion im Prinzip so riesige Energiemengen bereitstellen könnte, dass sie als unerschöpflich angesehen werden darf. Der Denkfehler besteht aber darin, die Unerschöpflichkeit als ausreichendes Kriterium für die Möglichkeit der Nutzung anzusehen – vor allem wegen der Kostenproblematik.
Zunächst einmal ist nach Jahrzehnten sehr intensiver und teurer Forschung an der Kernfusion bislang nicht bewiesen, dass eine halbwegs zuverlässige Nutzung der Kernfusion technisch möglich ist. Die Anforderungen sind nämlich extrem hoch: unvergleichlich höher als bei der Kernspaltung.
Aus der extremen technischen Schwierigkeit werden sich dann auch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit exorbitante Kosten ergeben. Dies zeigt sehr klar der Vergleich mit der Kernspaltung. Obwohl die Betriebskosten eines Kernreaktors vergleichsweise gering sind (und dies selbst nach erheblichen Steigerungen des Uranpreises noch so sein wird), sind die Gesamtkosten bei Weitem nicht so niedrig, wie anfangs versprochen wurde; die Kernenergie tut sich sogar international trotz massiver staatlicher Förderung sehr schwer, sich ökonomisch zu behaupten. (Zur Zeit scheitern die meisten neuen Atomprojekte weltweit genau daran.) Dies liegt an den sehr hohen Bau- und Kapitalkosten, nicht etwa an den Betriebskosten. Da nun die Kernfusion technisch noch weitaus schwieriger beherrschbar ist (wenn überhaupt), ist es wohl unvermeidlich, dass die Bau- und Kapitalkosten noch viel höher sein werden als bei der Kernspaltung. Somit ist ein annähernd wirtschaftlicher Betrieb praktisch undenkbar. Ändern würde sich das allenfalls, wenn ein ganz grundlegend anderer technischer Ansatz gefunden würde – wie etwa die in den 1980er Jahren diskutierte kalte Fusion (die aber leider offenkundig nicht funktioniert).
Im Prinzip könnte diese ökonomische Einschätzung durch eine genaue Studie widerlegt werden – und es gibt tatsächlich Studien, die dies zu tun behaupten. Man sollte sich aber fragen, wie glaubwürdig solche Wirtschaftlichkeitsberechnungen für eine zukünftig erhoffte Technologie sein können, von der man noch lange nicht einmal weiß, wie man sie realisieren kann. Man bedenke, dass selbst die Kostenschätzungen für herkömmliche Kernspaltungs-Kraftwerke, deren Design zum Zeitpunkt der Schätzung genau bekannt war, sich häufig als weitaus zu niedrig herausstellten. Wie soll es dann für ein hypothetisches Kernfusionskraftwerk möglich sein, ein halbwegs verlässliche Schätzung zu machen? Es erfordert wohl ein extremes Ausmaß von Gutgläubigkeit bzw. Blauäugigkeit, so etwas zu akzeptieren.
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