Ausfallarbeit
Definition: der Verlust elektrischer Energie durch Maßnahmen des Einspeisemanagements (Abregelung)
Englisch: loss of electricity production
Kategorie: elektrische Energie
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Ursprüngliche Erstellung: 17.03.2015; letzte Änderung: 20.08.2023
Anlagen zur Erzeugung elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen (Windenergie und Sonnenenergie) genießen nach dem deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) einen Einspeisevorrang. (Ähnliches gilt für gewisse Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung gemäß KWK-Gesetz.) Dies bedeutet im Prinzip, dass ihre Produktion in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden darf, wann immer dies technisch möglich ist. Allerdings kann es vorkommen, dass in den Stromnetzen Engpässe auftreten, die eine Reduktion der eingespeisten Wirkleistung technisch notwendig machen, um die Überlastung von Betriebsmitteln (z. B. Hochspannungsleitungen oder Transformatoren) zu vermeiden und einen stabilen Betrieb der Netze zu gewährleisten. Die genannte Reduktion geschieht an den betroffenen Anlagen durch einen Eingriff der Netzbetreiber mithilfe einer Fernsteuerung (z. B. mit Rundsteuertechnik). Man spricht hier von einer Abregelung der eingespeisten Leistung. Bei Kleinstanlagen ist dies technisch nicht vorgesehen, weil sich der Aufwand nicht lohnen würde.
Durch die Abregelung geht effektiv ein Teil der Energie, die im Prinzip erzeugt werden könnte, verloren, außer wenn der Betreiber eine andere Verwendungsmöglichkeit als die Einspeisung in das Netz hat. Die davon betroffenen Energiemengen werden als Ausfallarbeit bezeichnet. Der Begriff Arbeit ist hier gleichbedeutend mit Energie zu verstehen. (Gelegentlich kommt auch der Begriff Ausfallenergie vor.)
Die Betreiber der betroffenen Anlagen werden gemäß dem EEG (§ 12 Abs. 1) für die Ausfallarbeit finanziell entschädigt. Die dadurch entstehenden Kosten werden über die Netznutzungsentgelte den Stromverbrauchern belastet. Die Netzbetreiber sind durch das EEG dazu verpflichtet, ihre Kapazitäten auszubauen (soweit dies zumutbar ist), wenn eine Abregelung allzu häufig nötig wird. Jedoch wäre es meist nicht angemessen, die Kapazitäten so stark auszulegen, dass jegliche Abregelung vermieden werden kann. Auch Umweltverbände vertreten deswegen häufig die Position, dass Energieverluste selbst in Höhe einiger Prozent der gesamten erneuerbaren Erzeugung (also wesentlich mehr als heute) hinnehmbar seien, um den Netzausbau zu begrenzen.
Die genannten Netzengpässe können sowohl in den Übertragungsnetzen als auch in den Verteilungsnetzen auftreten. Letztere sind nur auf der Seite der Einspeiser relevant; ihre Funktion ist dann eigentlich die von Einsammelnetzen. Etliche dieser Netze sind noch nicht so stark ausgebaut, dass sie die von dezentralen Erzeugungsanlagen gelieferten Leistungen zu allen Zeiten voll aufnehmen können. In vielen Fällen genügt jedoch das Auswechseln einzelner Betriebsmittel, beispielsweise von Transformatoren, um Engpässe wirksam zu beseitigen. Allerdings kann die Versorgungssicherheit leiden, wenn die Netze häufig an ihrer Belastungsgrenze betrieben werden.
Ausfallarbeit kann auch als Folge nötiger Redispatch-Maßnahmen auf der höchsten Netzebene auftreten. Es kann vorkommen, dass man auf diese Weise einen Teil der erneuerbaren Erzeugung verliert und gleichzeitig die Stromerzeugung aus fossil befeuerten Kraftwerken erhöhen muss. Dies erhöht dann die Betriebskosten wie auch die Umweltbelastung der Stromerzeugung. Allerdings sind Redispatch-Maßnahmen die Ursache eines nur kleinen Teils der Ausfallarbeit.
Entwicklung der jährlichen Ausfallarbeit in Deutschland
In den letzten Jahren ist die Ausfallarbeit als Folge des Einspeisemanagements in Deutschland erheblich angestiegen; in 2019 waren es laut dem Monitoringbericht 2021 der Bundesnetzagentur bereits 6,5 TWh (in 2020 etwas weniger). Dies ist 2,9 % der gesamten Erzeugungsmenge von EEG-vergütungsfähigen Anlagen, und die dafür angefallenen Entschädigungen beliefen sich auf 1058 Millionen Euro. Die effektiven volkswirtschaftlichen Kosten der erneuerbaren Stromerzeugung werden durch dieses Phänomen nicht dramatisch erhöht, nachdem die erzeugte Energie immerhin zu ca. 97 % genutzt werden konnte. Auf einzelne Anlagen bezogen können die Verluste allerdings erheblich sein, und sie sind in den letzten Jahren deutlich angestiegen.
Betroffen sind hiervon hauptsächlich Windenergieanlagen in Norddeutschland (am meisten in Schleswig-Holstein und Niedersachsen); deren Kapazitäten wurden in den letzten Jahren im Rahmen der Energiewende wesentlich ausgebaut, ohne dass der Ausbau der Stromnetze (auch der Verbindungen nach Süden) damit Schritt gehalten hätte. Dagegen gibt es bei der Photovoltaik bisher kaum Ausfallarbeit, obwohl deren installierte Leistung inzwischen sogar höher als die der Windkraft ist. Dies liegt daran, dass der Solarstrom hauptsächlich zu Tageszeiten mit relativ hohem Verbrauch auftritt; oft wird dadurch auch der Betrieb von Pumpspeicherkraftwerken unnötig. Außerdem stehen Solaranlagen zum größeren Teil in Süddeutschland, wo die Kraftwerkskapazitäten tendenziell knapper sind als im Norden.
Die weitere Entwicklung der Ausfallarbeit wird davon abhängen, wie gut der Ausbau der Stromnetze vorankommt, und zwar insbesondere der Ausbau gewisser Verteilungsnetze in Norddeutschland und ebenfalls von Verbindungen zwischen Norden und Süden, notwendig ist. (Die Ursachen für die nötige Abregelung liegen bislang meist in den Verteilungsnetzen, durch deren Engpässe auch der größte Teil der Ausfallarbeit entsteht.) Falls die erneuerbaren Einspeisekapazitäten weiter stark steigen würden, ohne dass der Netzausbau dem mithalten könnte, könnte die Ausfallarbeit eine volkswirtschaftlich schmerzhafte Wirkung entwickeln. Einen deutlich dämpfenden Effekt dürfte in den nächsten Jahren allerdings der Atomausstieg und der Kohleausstieg haben.
Siehe auch: Abregelung, Einspeisemanagement, erneuerbare Energie, Arbeit, Einspeisevergütung, Stromnetz, Redispatch
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