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Bulb Fiction: ein Propagandafilm gegen die Energiesparlampe

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Der Film "Bulb Fiction" dürfte unter Laien Angst und Schrecken verbreiten und stellt die Einführung von Energiesparlampen als ein Verbrechen sinistrer Lobbies an den Verbrauchern und der Umwelt dar. Die hier geübte Kritik zeigt jedoch, dass die gemachten Behauptungen der Reihe nach auseinander fallen, wenn sie kritisch analysiert werden. Dass Medien reihenweise darauf hereinfielen, zeigt ein eklatantes Versagen des Großteils der journalistischen Zunft.

(Ein wichtiger Aspekt – das ungerechtfertigte Schüren einer Quecksilber-Hysterie – wurde von mir bereits im Artikel "Energiesparlampen: tödliche Gefahr durch Quecksilber?" [1] ausführlich diskutiert. Hier nun aber eine umfassendere Kritik des Films und weiter unten des krassen Versagens diverser Medien. Eine quer-Sendung "Ausgebrannt – vom Ende der Glühlampe" bei 3sat vom 19.04.2012 und ein ZDF-Zoom "Giftiges Licht" vom 08.08.2012 verbreiteten etwa den gleichen Unsinn wie "Bulb Fiction".)

Am 31.05.2012 kommt der Film "Bulb Fiction" in die deutschen Kinos, nachdem er in Österreich schon seit dem September 2011 gezeigt wurde. Bereits ein völlig unkritischer Bericht der Sendung "titel thesen temperamente" vom 29. April 2012 über den Film zeigte, dass dieser Film ein völlig einseitiges, die Sachlage extrem verzerrendes Machwerk ist. Inzwischen konnte ich den Film in voller Länge sehen und eingehend sachlich analysieren. In den folgenden Abschnitten werden alle wesentlichen Behauptungen diskutiert, mit denen die kompromisslose Ablehnung der Energiesparlampen begründet wurde. Es zeigt sich, dass davon bei kritischer Durchsicht kaum etwas bleibt, was Bestand hat und die Grundaussage (effektiv: die Energiesparlampe ist des Teufels und gehört verboten) rechtfertigen könnte.

Da mir im Internet von einigen Leuten ohne jegliche Grundlage vorgeworfen wurde, ich betreibe Verharmlosung im Auftrag irgendwelcher Lobbies, erkläre ich hier noch ausdrücklich: Ich bin in dieser Sache völlig unabhängig von allen Lobbies, erhalte insbesondere keinerlei Gelder von welcher Seite auch immer, die in einem Zusammenhang mit diesen Aktivitäten stehen. Ich vertrete allein das, was nach meinem besten Wissen und Gewissen der Wahrheit entspricht und aus vernünftigen Überlegungen resultiert.

Die Quecksilber-Gefahr: maßlos übersteigert dargestellt

Eine zentrale Stütze für die Verteufelung der Energiesparlampen ist die Behauptung, das in ihnen enthaltene Quecksilber sei extrem gefährlich. Nun ist Quecksilber tatsächlich eine sehr giftige Substanz. Jedoch ist zu beachten, dass die Giftwirkung entscheidend von der Menge abhängt. Der Film präsentiert zwar einen Fall aus Oberbayern, in dem eine einzige im Betrieb zerbrochene Energiesparlampe einen Jungen schwer krank gemacht haben und gar das ganze Haus unbewohnbar gemacht haben soll. Zur Klärung der Frage, ob ein paar Milligramm Quecksilber dies alles auslösen können, trägt er jedoch erstaunlicherweise praktisch nichts bei. Nach den Erkenntnissen der Toxikologie wäre allenfalls eine extreme Überempfindlichkeit (Allergie) gegen Quecksilber denkbar, nicht jedoch eine eigentliche Vergiftung.

Interessant ist, wer als "Spezialist für Quecksilbervergiftungen" herangezogen wurde: Der als Amalgamkritiker bekannte Dr. Joachim Mutter. Dass dieser regelmäßig extrem verängstigende Behauptungen veröffentlicht, die breite Mehrheit seiner Fachkollegen damit jedoch keineswegs überzeugen kann und dies des öfteren mit Hilfe von kruden Verschwörungstheorien erklärt, erfährt man im Film leider nicht. Dr. Mutter ist vielfach im Zusammenhang mit Dingen wie Elektrosmog, fanatischen Impfgegnern, Geistheilern und Erdstrahlen-Schutzmatten in Erscheinung getreten – sehr häufig im Konflikt mit der herrschenden wissenschaftlichen Meinung oder der evidenzbasierten Medizin ("Schulmedizin"). Der Betrachter des Films wäre wohl gerne darüber informiert worden, dass es sich um eine höchst umstrittene Person und keineswegs einen unter Fachleuten anerkannten Experten handelt, erfährt dies aber wohl erst hier.

Immerhin deutete auch Dr. Mutter an, dass bei dem erkrankten Jungen wohl Vorerkrankungen eine Rolle spielen müssen. (Er hebt stark auf die Vermutung ab, dass Quecksilber die Anfälligkeit für andere Gifte stark erhöhen könnte; hierzu würde ich gerne noch anerkannte Toxikologen befragen und prüfen, ob die behaupteten Erkenntnisse in der Fachliteratur dokumentiert oder nur "Wissen" vom Hörensagen sind.) Trotz der enormen Unsicherheiten (z. B. ungeklärte Vorerkrankungen) scheint der Fall in Oberbayern noch der geeignetste zu sein, um die extreme Gefährlichkeit der Energiesparlampen "nachzuweisen"; sonst hätte man wohl über einen anderen Fall berichtet. Und natürlich erweckt der Film den Eindruck, das Quecksilber sei die entscheidende Ursache für die Krankheit, auch wenn nur wenige Milligramm ins Haus gelangt sind und der Junge davon vermutlich nur einen winzigen Bruchteil aufgenommen hat. Es ist wirklich erstaunlich, dass man viele Jahrzehnte nach Einführung der Leuchtstoffröhren, die mehr Quecksilber enthalten als Energiesparlampen und auch gelegentlich zerbrochen werden, offenbar keinen einzigen klareren Fall finden kann, um seine Behauptungen zu untermauern.

Da die Quecksilber-Problematik bereits in Ref. [1] ausführlich diskutiert wurde, ist es nicht nötig, weitere Details hier ausführlich zu wiederholen – etwa zum aufschlussreichen Umstand, dass die EU für eine Energiesparlampe so wenig Quecksilber zulässt, wie in 5 kg Thunfisch (heute sogar 3,5 kg) enthalten sein dürfen. (Verlangt jemand das Verbot jeglichen Fischkonsums, der ja zur Belastung der Bevölkerung mit Quecksilber weit mehr beiträgt?) Stattdessen nur einige Anmerkungen zu weiteren Aussagen über Quecksilber im Film:

Gefährdete Arbeitnehmer

Dass Arbeiter, die unter haarsträubenden Bedingungen (anders als z. B. in Deutschland üblich) Lampen bauen oder verwerten, einer gesundheitlich sehr bedenklichen Quecksilberbelastung ausgesetzt werden können, ist sicher zutreffend. Natürlich kann man dies nicht für gut heißen. Jedoch kann man gesundheitliche Schäden, die hierdurch auftreten, weder auf Konsumenten übertragen, die selbst beim Bruch einer Lampe weitaus weniger belastet werden, noch die Lösung solcher Probleme in einem Verbot der Lampen bei uns sehen. Aus den gezeigten Missständen folgt vernünftigerweise nicht mehr und nicht weniger, als dass der Arbeits- und Gesundheitsschutz vielerorts noch massiv verbessert werden muss.

Peinliche Fehler eines Physikers

Die EU-Entscheidung zu den Effizienzvorschriften für Leuchtmittel ("Glühlampenverbot") basierte wesentlich auf einer Studie des belgischen Instituts VITO. Ein weiterer für den Film herangezogener Experte, ein Physiker von der TU Wien, hat diese Studie als völlig unwissenschaftlich dargestellt, selbst dabei aber reichlich peinliche Fehler gemacht. Zunächst bezeichnete er es als einen "Scherz", dass nur fünf Lampen auf ihren Quecksilbergehalt untersucht worden seien. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die VITO-Autoren irgendwelche unberechtigten Folgerungen daraus gezogen hätten. Ihnen ging es darum, den typischen Quecksilbergehalt mit einigen Stichproben zu untersuchen, und wenig überraschend kamen sie zu dem (selbst im Film nicht bezweifelten) Resultat, dass die Lampen im Durchschnitt etwas weniger Quecksilber enthalten als erlaubt. Wenn sie aus dieser Messreihe geschlossen hätten, es könne niemals einzelne Ausreißer geben, wäre dies wirklich unwissenschaftlich – das haben sie aber gar nicht getan.

Höchst erstaunlich dann die Ansicht, man könne den Quecksilbergehalt durch Aufbrechen einer Lampe gar nicht ermitteln, weil das Quecksilber dann sofort gasförmig entweiche. Ihm scheint unbekannt gewesen zu sein, dass Quecksilber völlig anders als das von ihm zum Vergleich herangezogene Helium keineswegs leicht flüchtig ist und deswegen beim Aufbrechen nur zu einem winzigen Teil als Gas entweicht – für einen Physiker wirklich bemerkenswert. Sein eigenes Unwissen bildete dann aber die Basis dafür, die Autoren der Studie als völlig inkompetent hinzustellen. Auch die Folgerung, die EU verwende eine völlig ungeeignete Messmethode, beruht allein darauf.

Übrigens: Die eigene Messung dieses Physikers an einer Lampe stimmt mit dem Bereich der Resultate von VITO völlig überein. Seltsam: Nach seinem Verständnis der Eigenschaften von Quecksilber hätte VITO ja weitaus weniger finden müssen. Aber solch offensichtliche Diskrepanzen störten wohl weder ihn noch die Macher des Films.

Ein Lichtdesigner als Quecksilber-Experte

Der Lichtdesigner Gad Giladi kommt mehrmals als angeblicher Experte zu Wort. Er behauptete beispielsweise, für die Aufräumarbeiten nach einem Lampenbruch benötige man ein umfangreiches und schwierig zu handhabendes Notfall-Kit für rund 130 €. Es bleibt aber sein Geheimnis, warum so aufwändige Verfahren nötig sein sollen, nachdem bekanntlich schon sehr einfache Maßnahmen (siehe z. B. Ref. [1]) völlig ausreichen. Solche Notfall-Kits wurden für weitaus größere Quecksilbermengen entwickelt und wären hier ein ziemlicher Overkill. Im Film dienen sie freilich als "Beleg" dafür, wie kriminell unverantwortlich man diese Lampen unters Volk bringe, ohne den Menschen die nötigen Sicherheitsvorkehrungen in die Hand zu geben.

Erstaunlich auch Giladis Meinung, mehr oder weniger Stromverbrauch ändere nichts am Umfang der Stromproduktion. Solch offenkundiger Unsinn hat beim Filmautor aber offenbar keine Zweifel an der Kompetenz seines Experten erzeugt.

Das Quecksilber-Paradox aufgelöst?

Das Quecksilber-Paradox besteht darin, dass der Betrieb von Glühlampen eine höhere Umweltbelastung mit Quecksilber verursacht als der von Energiesparlampen, obwohl Glühlampen gar kein Quecksilber enthalten. Dies resultiert aus den Quecksilber-Emissionen von Kohlekraftwerken, die mit Glühlampen vermehrt benötigt werden.

Im Film meinte nun Kevan Shaw von der PLDA (Professional Lighting Designers' Association), das Quecksilber-Paradox sei nur künstlich herbeigerechnet worden, indem man unrealistisch hohe Werte für die verwendete Kohle angesetzt habe. Wiederum zeigt aber eine schnelle Rechnung, dass dies nicht stimmen kann. Das umstrittene neue Kohlekraftwerk in Moorburg bei Hamburg darf pro Stunde 67,5 Gramm Quecksilber im Abgas emittieren, also so viel wie in über 19 000 neuen Energiesparlampen maximal enthalten sein darf. (Zusätzliche Mengen gehen ins Abwasser.) Dies lässt sich leicht auf jede Kilowattstunde umrechnen und dann auf die Strommenge, die 60-Watt-Glühlampen innerhalb von 5000 Betriebsstunden (der eher pessimistisch angenommenen Lebensdauer einer Energiesparlampe) emittieren. Man kommt auf gut 12 mg, also das Dreieinhalbfache von dem, was seit 2012 eine Energiesparlampe enthalten darf. Nun wird zwar die Stromeinsparung teilweise auch Gaskraftwerke betreffen und dort kein Quecksilber reduzieren können; andererseits aber weisen viele ältere Kohlekraftwerke viel höhere Emissionen auf.

Leucht­mittel Glühlampen Energie­spar­lampen
Herstellung und Entsorgung 5 Glühlampen 60 W
4 kWh
kein Quecksilber
1 Energiesparlampe 15 W
7,5 kWh
ca. 3 mg Quecksilber
Betrieb mit Kohlestrom 300 kWh
100 kg Steinkohle
ca. 10 mg Quecksilber in der Umwelt
75 kWh
25 kg Steinkohle
ca. 2,5 mg Quecksilber in der Umwelt

Tabelle 1: Aufwand für Herstellung und Betrieb für 5000 Stunden Licht mit unterschiedlichen Leuchtmitteln. Die Herstellung und Entsorgung einer Energiesparlampe benötigt zwar deutlich mehr Energie als die von fünf Glühlampen. Jedoch ist der Energieaufwand im Betrieb für die Gesamtbilanz viel wichtiger. Selbst wenn nur ein Teil des Stroms aus Kohlekraftwerken stammt, ist die Umweltbelastung mit Glühlampen viel höher. Dies gilt auch für Quecksilber, auch wenn die hier grob geschätzten Quecksilbermengen je nach Kraftwerk stark variieren können. Das von den Kraftwerken emittierte Quecksilber wird in der Umwelt fein verteilt; das in den Lampen könnte (und sollte) durch geeignete Behandlung zurückgehalten werden. Selbst was in den Hausmüll gerät, kommt übrigens nicht im vollen Umfang in die Umwelt.

Glühlampen-Retter rechnen solche Zahlen gerne herunter, indem sie den EU-Strommix ansetzen, der nur knapp 30 % Kohle enthält. Dies ist aber Unsinn, da eine Verbrauchsreduktion keineswegs alle Kraftwerke gleich betrifft: Wasserkraftwerke, Photovoltaik und Windenergie praktisch gar nicht, da man z. B. Solarstrom oder Windstrom sicher nicht ungenutzt lässt. Auch nicht Kernkraftwerke, die in der Regel so weit wie möglich unter Volllast betrieben werden. Die Produktion von Kohlekraftwerken und auch Gaskraftwerken wird dagegen überproportional reduziert, also weit mehr als nach einer Rechnung basierend auf dem Strommix.

Übersehen wird ohnehin immer wieder, dass man bei den Lampen immerhin noch die Chance hat, das Quecksilber durch gutes Recycling daran zu hindern, dass es in die Umwelt gelangt, während die Kraftwerke das Quecksilber unwiderruflich fein in der Umwelt verteilen.

Dass ein Lichtdesigner solche Dinge weniger gut versteht als ein Energieexperte, ist sicher verzeihlich. Warum aber stützt sich der Film dann ausgerechnet auf diesen, zumal wenn er weithin anerkannte Fakten bestreitet?

Flimmern und Elektrosmog

Der Baubiologe Wolfgang Maes kritisiert im Film, dass Energiesparlampen flimmern und Elektrosmog verursachen. Das genannte Flimmern ist so hochfrequent, dass es vom Auge nicht wahrgenommen wird. Dass es trotzdem irgendwelche Wirkungen haben könnte, ist zwar im Prinzip denkbar, jedoch soweit ersichtlich bisher vollkommen unbelegt; Herr Maes sagt selbst wiederholt, man wisse über die biologischen Wirkungen nichts. Das hindert ihn aber trotzdem nicht daran, große Sorgen über die "sehr starke Belastung durch Lichtflimmern" zu verbreiten, als wäre eine "Belastung" bewiesen oder zumindest plausibel. Ihm scheint schon die Höhe einer Frequenz ausreichend für die Annahme eines Schadenspotenzials zu sein, was natürlich völlig unsinnig ist.

Ähnliches gilt für den Elektrosmog: Seit vielen Jahren wird von gewissen Kreisen über angeblich enorme Gesundheitsschäden geklagt (z. B. nach der Installation von Mobilfunkantennen, teils schon vor deren Inbetriebnahme!), und der bereits oben genannte Dr. Mutter behauptet ebenfalls, viele Menschen seien "elektrosensibel". Dass das trotz der angeblich so augenfälligen Effekte niemals für die Fachwelt überzeugend nachgewiesen werden konnte, müsste einen eigentlich zweifeln lassen. Außer natürlich, man greift einmal mehr zu einer Verschwörungstheorie …

Offenkundig hat man hier zu tun mit Glaubenssystemen, die sich von rationalen Abwägungen nicht beeinflussen lassen. Leider gibt es offenbar aber viele Menschen, die jede noch so unbelegte angebliche Gefahr für ihre persönliche Gesundheit tausendmal ernster nehmen als sehr reale Klimagefahren und zusätzliche giftige Abgase von Kohlekraftwerken, wie sie durch die Weiterverwendung von Glühlampen entstehen.

Emissionshandel macht Energieeinsparungen unwirksam?

Ein schon anderswo gehörtes, freilich nicht überzeugendes Argument des Umweltökonomen Andreas Löschel war, dass wegen des Emissionshandels zusätzliche administrative Maßnahmen für Stromeinsparungen der Umwelt gar nicht helfen könnten. Rein formal gesehen erscheint dies logisch: Im Rahmen des Emissionshandels sind die gesamten erlaubten Kohlendioxid-Emissionen limitiert, also scheinbar nicht mehr durch Stromsparen zu beeinflussen – aber eben nur scheinbar, und zwar aus zwei Gründen:

  • Implizit wird für das Argument angenommen, die Emissionsobergrenzen für jedes Jahr fielen quasi vom Himmel. In Wirklichkeit werden diese Grenzen jedoch politisch ausgehandelt, und dies natürlich unter Berücksichtigung des technisch Möglichen und des wirtschaftlich Akzeptablen. Würde die Politik nun beispielsweise auf die Einführung der Energiesparlampen verzichten, so würden die Grenzen des wirtschaftlich Akzeptablen enger, und spätestens in der nächsten Runde würden die Emissionsobergrenzen entsprechend erhöht.
  • Eine zweite implizite, aber ebenfalls nicht zutreffende Voraussetzung ist offenkundig, dass der Emissionshandel überhaupt funktioniert. Dies ist in der EU jedoch bislang nicht der Fall: Bekanntlich wurden so viele (kostenlose) Emissionszertifikate ausgegeben, dass deren Marktpreis enorm fiel und somit ein echter Anreiz, Kohlendioxidemissionen zu reduzieren, auf diesem Wege gar nicht mehr existiert.

Man kann allenfalls darauf hoffen, dass der EU-Emissionshandel zukünftig durch Ausgabe von weniger Zertifikaten funktionsfähig gemacht wird. Hierfür setzt sich Andreas Löschel ein – natürlich zu Recht. Selbst wenn dies einmal erreicht werden sollte, bleibt noch das erstgenannte Problem. Somit ist bis auf weiteres davon auszugehen, dass der Emissionshandel an der CO2-Einsparung durch das "Glühlampenverbot" rein gar nichts ändert.

Übrigens könnte und sollte man den Einfluss derjenigen Lobbies in der EU bekämpfen, die es bislang geschafft haben, den Emissionshandel auf die oben diskutierte Weise unwirksam zu machen. Wenn "Bulb Fiction" stattdessen alle Angriffe auf die Lampenindustrie richtet, wird damit gerade vom eigentlichen Problem abgelenkt.

Keine nennenswerte Energieeinsparung oder CO2-Reduktion durch Sparlampen?

In manchen Kreisen sehr beliebt ist es auch, Maßnahmen dadurch als praktisch wirkungslos erscheinen zu lassen, dass man sie mit Dingen vergleicht, mit denen sie nichts zu tun haben. So werden 15 Millionen Tonnen CO2, die in der EU allein durch Energiesparlampen jedes Jahr vermieden werden können, angeblich bedeutungslos dadurch, dass diese Menge gering ist im Vergleich zu den gesamten Emissionen der EU oder von China. Der einzig sinnvolle Vergleich ist aber der von Kosten (im weitesten Sinne) und Nutzen derselben Maßnahme. Dieser Mühe unterzieht man sich im Film aber nicht.

Übrigens: Wäre es etwa unnütz, sich gegen die Verschwendung von 100 Millionen Euro in einem sinnlosen staatlichen Bauprojekt einzusetzen, nachdem dies noch nur ein winziger Bruchteil des EU-Budgets ist? Oder sollen wir das besser noch mit dem weltweiten Bruttosozialprodukt vergleichen, um einzusehen, dass doch jede Bemühung gegen Verschwendung ohnehin völlig nutzlos ist? Natürlich sind solche Argumentationen reiner Unsinn – basierend auf genau der gleichen "Logik", wie sie im Film auf die Sache mit den Lampen angewandt wird.

Weltweit stammen rund 45 % der Quecksilberemissionen von Kohlekraftwerken, dagegen nur ein winziger Teil aus Lampen. In Deutschland emittieren die Kohlekraftwerke sogar über zwei Drittel allen Quecksilbers. Auch daraus soll man nicht schließen, dass Quecksilberbelastungen durch Lampen irrelevant seien. Wo man sie ohne Schaden reduzieren kann, soll man das tun – aber nicht ohne zu beachten, dass das Zurückdrängen von Kohlekraftwerken viel wichtiger ist, auch wegen anderer Gifte wie Cadmium, Blei, Arsen, Uran, Thorium etc. und nicht zuletzt auch wegen der Klimagefahren. Und genau das erlaubt der Ersatz von Glühlampen durch Energiesparlampen: In der EU können so mehrere große Kohlekraftwerksblöcke vermieden werden.

Dass es andere Maßnahmen gäbe (z. B. Programme für verstärkte energetische Sanierung von Gebäuden), die viel mehr CO2 einsparen könnten als ein "Glühlampenverbot", ist natürlich richtig. Nur folgt daraus keineswegs, dass es sinnlos ist, mit letzterem zu beginnen. Dies allein schon deswegen, weil das "Glühlampenverbot" ökonomisch sehr attraktiv ist. Die dafür zu veranschlagenden CO2-Vermeidungskosten für die Konsumenten sind nicht einfach nur gering, sondern sogar negativ: Sie sparen mit der Stromrechnung mehr ein, als sie beim Lampenkauf an zusätzlichen Kosten haben. Und dies, ohne dass dem Staat hierfür große Kosten entstünden. Das ist z. B. bei Gebäudesanierungsprogrammen leider anders; dort sind die Energiekosteneinsparungen vor allem wegen schwer prognostizierbarer Preisentwicklungen bei Erdöl und Erdgas unsicher. Im Wesentlichen deswegen kommen diese Programme auch mühsamer zustande; zunächst einmal müsste viel Geld dafür aufgebracht werden, auch wenn sich dies am Ende durch vermiedene Klimagefahren (übrigens auch durch verminderte Risiken durch Importabhängigkeiten) vermutlich lohnen wird. Von daher ist es völlig verständlich und vernünftig, dass die EU erst mal das "Glühlampenverbot" umgesetzt hat, bevor man mit anderen Maßnahmen so weit ist. Kurz gesagt: Eine praktikable Klimaschutzmaßnahme, die negative CO2-Vermeidungskosten aufweist, nicht umzusetzen, nur weil es andere, ökonomisch schwerer kalkulierbare Maßnahmen mit höherem Potenzial gibt, wäre irrational.

Greenpeace als Teil einer Verschwörung gegen Konsumenten und Umwelt?

Greenpeace hat trotz einer anfänglich ablehnenden Studie zu Energiesparlampen bald beschlossen, die Einführung der Energiesparlampen als Ersatz für Glühlampen zu unterstützen. Im Film wurde das so dargestellt, als habe man sich von der Industrie seine Position diktieren lassen und sich um die Wahrheit nicht geschert. Wenn dies wahr wäre, wäre es in der Tat ein Skandal. Die Möglichkeit, dass Greenpeace sich von guten Argumenten aus der Industrie hat überzeugen lassen und die Argumente ihres eigenen Mitarbeiter sich als nicht stichhaltig erwiesen haben, scheint aber für die Filmleute auszuscheiden. Dabei kann es ja gerade für die Seriosität einer Organisation sprechen, wenn sie eine anfänglich gefasste Meinung nach der Diskussion mit externen Fachleuten ändert. Nur wer gegen alle noch so ausführlich begründeten Positionspapiere nicht glauben kann, dass gutwillige und offene Personen mit vernünftigen Abwägungen zu einem anderen Schluss kommen als sie, kann ihnen auf diese Weise eine finstere Verschwörung mit der bösen Industrie unterstellen.

EU-Komitologie unter dem Einfluss der Lampenindustrie?

Wiederholt wird im Film beklagt, die Entscheidungen zur Ökodesign-Richtlinie ("Glühlampenverbot") seien in einem völlig undurchsichtigen, undemokratischen und von der Industrie manipulierten Prozess zustande gekommen. Insbesondere wird der Eindruck erweckt, das EU-Parlament sei umgangen worden. Der Abgeordnete Holger Krahmer behauptete zudem (auch wieder erst kürzlich in einer Fernsehsendung), es hätten mit Sicherheit zwei Vertreter der großen Lampenhersteller im entscheidenden Ausschuss (im Rahmen des EU-Komitologieverfahrens) mitgewirkt. Die Zusammensetzung dieses Ausschusses sei zudem streng geheim, so dass die Lobby-Einflüsse nicht erkennbar gewesen wären, wenn er das nicht (mit ungenannten Quellen) aufgedeckt hätte.

Die Wahrheit sieht freilich völlig anders aus:

  • Die EU betrieb hier wie in anderen Fällen ein sehr aufwändiges, Jahre dauerndes Konsultationsverfahren, um alle möglichen "Stakeholders" einzubinden. Dies sind Betroffene im weitesten Sinne, also nicht nur Lampenhersteller, sondern auch z. B. Lichtdesigner sowie Vertreter von Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen. Auch etliche im Film zu Wort kommende Kritiker waren da beteiligt und konnten jegliche Argumente einbringen, die dann ausführlich diskutiert wurden. Die Konsultation wurde auf völlig transparente Weise durchgeführt: Jeder kann im Internet (ohne Passwort) hunderte von Seiten herunterladen [3], auf denen akribisch dokumentiert wurde, welche Organisation welche Vorschläge, Einwände oder Kritik eingebracht hat und wie diese beantwortet wurden. Bei diesem Verfahren wurden die Grundlagen für die weiteren Beschlüsse gelegt.
  • Der Komitologie-Ausschuss dagegen enthielt keinerlei Lampenhersteller oder andere Lobbyisten, sondern nur Vertreter aller Mitgliedstaaten. Diese werden zwar nicht namentlich genannt, aber ihre Identität ist völlig irrelevant, da sie ohnehin nur im Auftrag der jeweiligen Regierungen abstimmen. Im Übrigen brachte der Ausschuss lediglich gewisse Modifikationen ein, und zwar nicht etwa im Sinne eines schnelleren Glühlampenverbots, sondern im Gegenteil wurden Ausnahmeregelungen erweitert.
  • Das EU-Parlament hat bei der ersten Gelegenheit, über die Ökodesign-Richtlinie abzustimmen, hierauf verzichtet, weil die Abgeordneten offenbar keinen Bedarf hierfür sahen. Als später Proteste auch im politischen Bereich auftraten, wurde eine Abstimmung am 17.02.2009 nachgeholt. Diese Abstimmung geschah selbstverständlich unter Berücksichtigung der vielfältigen Kritik, die sich aber eben als substanzlos erwies. Die ablehnende Position des Abgeordneten Holger Krahmer fand einfach keine Mehrheit.

Im Lichte dieser Tatsachen erscheint es reichlich unverfroren, einen von den Lampenherstellern manipulierten undemokratischen Entscheidungsprozess zu behaupten und damit die Bürger aufzuhetzen. Im Gegenteil müssen die Behauptungen des Herrn Holger Krahmer und ihre Verwertung im Film "Bulb Fiction" als eine krasse Täuschung der Öffentlichkeit angesehen werden – offenbar im Bemühen, sich der Wählerschaft als ein beherzter Kämpfer gegen die EU-Bürokratie anzudienen. Das umfangreiche und völlig transparente Konsultationsverfahren wurde mit keinem Wort erwähnt. Der Vorwurf der Intransparenz erweist sich als völlig absurd; welche anderen Behörden arbeiten wohl auf annähernd so transparente Weise? Im Übrigen scheint die angebliche geheime Beteiligung von Lampenvertretern an Beschlüssen, die ohnehin nicht nennenswert von der transparent erarbeiteten Grundlage abwichen, eine Erfindung von Holger Krahmer zu sein. Selbst wenn etwas daran wäre, hätten wir allenfalls mit einzelnen von Lobbies beeinflussten Regierungen zu tun, aber nicht mit einem Problem auf EU-Ebene. Eine Stellungnahme zu diesen meinen Ausführungen war von Herrn Krahmer bisher nicht zu bekommen.

Es ist auch abgesehen vom konkreten Sachverhalt extrem unverantwortlich, den so wichtigen politischen Diskurs durch die Verbreitung völlig falscher Behauptungen und haltloser Unterstellungen massiv zu stören, ja geradezu zu vergiften. Anstatt zu einem sachlichen, konstruktiven Diskurs beizutragen, werden viele Bürgerinnen und Bürger gegen EU-Institutionen aufgehetzt, da man ihnen den Eindruck vermittelt, EU-Bürokraten hätten von Industrie-Lobbyisten gesteuert über die Köpfe der Betroffenen hinweg zum Schaden der Allgemeinheit entschieden. Wohlgemerkt: Für die Allgemeinheit schädliche Industrie-Einflüsse kommen sicher häufig vor, und diese gilt es zu bekämpfen – aber natürlich mit konkreten, belegten Vorwürfen, wo diese nachvollziehbar berechtigt sind. Dem Gemeinwohl ist zu allerletzt gedient, wenn nur Misstrauen auf der Basis haltloser Verdächtigungen gesät wird.

Werbung für Elektroheizung "mit unglaublich gutem Wirkungsgrad"

Die Verfechter des "Heatballs" fanden es originell, gewöhnliche Glühlampe als "Heizgeräte" (mit Lichterzeugung als nützlichem Nebeneffekt) in den Markt zu bringen, um so die Effizienzvorschriften für Lampen zu unterlaufen. "Bulb Fiction" erlaubte diesen Leuten nun gar, diese Heatballs zum Heizen "mit unglaublich gutem Wirkungsgrad" zu empfehlen. Dass längst bekannt ist, wie ineffizient die Elektroheizung ist, hat auch hier offenbar wieder niemanden gestört. Aber die Empörung gegen die bösen EU-Bürokraten, die leider nicht zu dumm waren, um Heatballs als Glühlampen zu erkennen, lässt sich damit ein weiteres Mal genussvoll präsentieren.

Der Erfinder der Ewigkeitsglühlampe als weiteres Opfer einer Verschwörung

Als weiteres Indiz für finsterste Machenschaften der Industrie dient dem Film die Geschichte von Dieter Binninger. Dieter soll eine "Ewigkeitsglühlampe" mit enorm langer Lebensdauer bei gleicher Lichtstärke und Stromaufnahme entwickelt haben. Es wird gar noch suggeriert, der Absturz seines Privatflugzeugs müsse irgendwie mit seinem Affront gegen die Lampenindustrie zusammen hängen – offenbar ein verdeckter Mordanschlag, auch wenn das nicht explizit gesagt wird.

Schon ein Blick in die Wikipedia [4] hätte zumindest massive Zweifel an dieser Geschichte erzeugt, wenn man denn je hätte an der Lampen-Saga zweifeln wollen. Für Physiker ist nicht ersichtlich, wie der seit Jahrzehnten bestens bekannte und aus physikalischen Gesetzmäßigkeiten resultierende Kompromiss zwischen Energieeffizienz und Lebensdauer von Glühlampen ausgehebelt werden könnte. (Die Lebensdauer steigt erheblich durch eine verminderte Glühfadentemperatur, die jedoch gleichzeitig die Energieeffizienz noch weiter vermindert.) Binningers Patent klärt dies jedenfalls nicht in nachvollziehbarer Weise, und die behaupteten 150 000 Stunden Lebensdauer beruhen auf seinen nachweislich fehlerhaften Berechnungen, nicht etwa auf Messungen. Denkbar ist allenfalls, eine solche Lebensdauer in Kombination mit einer miserablen Lichtausbeute zu erreichen. Es gibt sogenannte Signallampen, die für eine lange Lebensdauer von über 10 000 Stunden optimiert sind, aber selbst bei einer relativ hohen Leistung von 100 W eine Lichtausbeute von unter 8 lm/W aufweisen (obwohl sie von einem namhaften Hersteller als besonders effizient angeboten werden); das ist nur gut die Hälfte der Effizienz konventioneller (kurzlebigerer) Lampen. Es ist also durchaus nicht so, dass eine viel längere Lebensdauer ohne wesentliche Reduktion der Effizienz möglich wäre, weil die Gesetze der Physik dies verhindern.

Fazit: kein Dokumentarfilm, sondern reine Propaganda

Es wird klar, dass "Bulb Fiction" keineswegs ein echter Dokumentarfilm ist, sondern reine Propaganda. Oder wie sinnigerweise der Titel schon andeutet, eine reine Fiktion von ideologischen Glühlampen-Rettern, die ihre Meinung offenbar einmal beschlossen haben und seitdem nichts mehr zur Kenntnis nehmen, was diese gefährden könnte. Reihenweise wurden äußerst fragwürdige Experten (z. T. aus dem Esoterik-Bereich) herangezogen, die aber als vertrauenswürdige Fachleute dargestellt wurden und deren oft nachweislich falsche Äußerungen unwidersprochen und unhinterfragt stehen blieben. Auf dieser Basis wurden dann haltlose Unterstellungen und völlig unplausible Verschwörungstheorien konstruiert. Diese Linie wurde freilich mit Konsequenz und beachtlichem Geschick durchgezogen, so dass viele Laien davon absolut getäuscht werden dürften.

Meine persönliche Ansicht ist, dass solche Machwerke auf viele Weisen schädlich sind – in diesem Fall beileibe nicht nur für die Lampenhersteller, die das sicher verkraften werden, sondern auch durch die Verängstigung vieler Menschen (was sicherlich gesundheitsschädliche Folgen hat) und ihre Aufhetzung gegen angeblich finstere EU-Bürokraten und die böse Industrie. Anstatt zu zeigen, wie man im Wettbewerb von begründeten Positionen und ideologisch basierten Meinungen die Spreu vom Weizen trennt und wie man echte Fachleute von Scharlatanen unterscheiden kann, führt der Film die Betrachter gezielt in die Irre, indem er einerseits echte Fachleute durch Falschaussagen und mit Verschwörungstheorien diskreditiert, andererseits aber Leute mit sehr zweifelhaftem Wissen und schräger Logik als scheinbar kompetente Fachleute aussagen lässt. Es geht hier beileibe nicht "nur" um Fairness gegenüber Personen und Institutionen, sondern um die Grundlagen unserer Gesellschaft. Unsere Fähigkeit, in einem sachlich informierten und fairen Dialog zu rationalen Entscheidungen zu gelangen, ist entscheidend für die Bewahrung von Wohlstand, Gesundheit und Demokratie. Was von diesem Film geleistet wurde, fördert das Gegenteil davon: die Verbreitung von Falschinformationen, irrationaler Denkweisen und Bosheiten, die den Dialog vergiften.

Mir kam angesichts dieser extremen Schräglage des Films schon der Gedanke, ob wir es hier nicht mit einer Neuauflage der Sokal-Affäre [5] zu tun haben könnten. Ich stelle mir vor, einige Zeit nach dem deutschen Kinostart erschiene der bereits vorbereitete Film "Bulb Fiction 2". Diese Korrektur würde Punkt für Punkt aufzeigen, wie sich viele Leute (einschließlich auch vieler Journalisten) haben in die Irre führen lassen, obwohl die Story ja für kritisch denkende Menschen sehr schnell extrem einseitig wirkt und bei näherer Prüfung vollkommen auseinander fällt. Allein schon der dann noch offensichtlichere Medienskandal könnte vielerorts eine sehr heilsame Wirkung ausüben und Journalisten wie Konsumenten zu kritischerem Denken bringen. Von solch einem Aufklärungsprojekt wäre ich begeistert. Allerdings war es so durchaus nicht gemeint, und es ist ganz banal eben ein richtig schlechter Film.

Literatur

[1]Extra-Artikel: "Energiesparlampen: tödliche Gefahr durch Quecksilber?"
[2]Extra-Artikel: "Sind Energiesparlampen und Leuchtstofflampen gesundheitsschädlich?"
[3]"Project report Lot 19: Domestic lighting", https://www.eup-network.de/fileadmin/user_upload/4Working_Document_ENTR_Lot_4_CF_16May14_FINAL.pdf
[4]Wikipedia-Artikel über die Ewigkeitsglühlampe, http://de.wikipedia.org/wiki/Ewigkeitsgl%C3%BChlampe
[5]Wikipedia-Artikel über die Sokal-Affäre, http://de.wikipedia.org/wiki/Sokal-Aff%C3%A4re
[6]R. Paschotta, Lexikon-Artikel über Energiesparlampen, Leuchtstofflampen, Glühlampen, Beleuchtung, Kohlekraftwerke, Strommix, CO2-Vermeidungskosten, Emissionshandel und Klimaschutz

Siehe auch: Energiesparlampe, Glühlampe, Glühlampenverbot


Einige Lehren

Aus den oben diskutierten Sachverhalten ergeben sich einige Lehren, die auch außerhalb des Zusammenhangs mit dem Film wichtig sind:

"Beweis" durch Experten

Man sieht ein weiteres Mal, dass man auch für völlig falsche Behauptungen und abstruse Schlüsse immer mehrere Experten finden kann, die einem das so bestätigen. Leider geben ein Doktor- oder auch Professorentitel keine Gewähr, dass nicht Unwahrheiten und Unsinn verbreitet werden. Deutlich weniger gefährdet ist man erst, wenn man sich einen Überblick über verschiedene Meinungen in der Debatte verschafft und diese kritisch prüft. Es führt also kein Weg daran vorbei, sich selbst zu informieren und kritisch zu denken – auch wenn das mühsam und zeitraubend ist.

Implizite falsche Annahmen gehen problemlos durch

Fachleute gehen wohl seltener als Laien von falschen empirischen Behauptungen aus. Aber auch sie ziehen leicht falsche Schlüsse, die auf falschen impliziten Annahmen beruhen. Oft würden solche Fehler rasch erkannt, wenn diese Annahmen explizit gemacht würden, aber in impliziter Form gehen sie oft unüberprüft durch.

Ein gutes Beispiel ist das realitätsferne Verwenden eines Strommixes für die Berechnung der Umwelteffekte von Energiesparmaßnahmen: Die Annahme, dass für die eingesparten Strommengen derselbe Mix gilt wie für die Erzeugung insgesamt, sich die Einsparungen also auf die Kraftwerke aller Arten gleichmäßig verteilen, ist offenkundig unsinnig. Trotzdem wird dies immer wieder implizit angenommen und der Fehler übersehen.

Tendenziös wirkende Äußerungen besonders genau prüfen

Wenn ein Film oder eine andere Äußerung schnell anhand erster Indizien als tendenziös erkennbar ist, lohnt es sich besonders, seine Behauptungen sorgfältig zu prüfen. Ich war selbst erstaunt, wie viele und krasse Unstimmigkeiten bei "Bulb Fiction" dann schnell auftauchten. Eine Vorstellung wie "Das könnten die sich doch gar nicht leisten, das ist ja alles überprüfbar" würde offenkundig völlig in die Irre führen.

Verschwörungstheorien sind attraktiv

Die breite Anwendung von Verschwörungstheorien in einem tendenziösen Film ist natürlich attraktiv, da man sich so Nachweise ersparen kann: Wenn es so aussieht, als wäre es anders, ist das eben besonders perfid konstruiert worden.

Natürlich wird eine Vermutung nicht automatisch unglaubwürdig dadurch, dass sie eine Verschwörung annimmt. Wir wissen ja, dass es z. B. in Politik und Wirtschaft tatsächlich immer wieder Verschwörungen gibt. Jedoch gelten für solche Vermutungen eben dieselben Plausibilitätsanforderungen wie sonst auch. Im Übrigen verbietet es die Fairness, einer Person oder Institution eine böse Verschwörung zu unterstellen, ohne dass es dafür vernünftige Anhaltspunkte gibt.

Das Versagen der Medien

Für die Journalistenzukunft ist die Angelegenheit eine große Schande. Reihenweise haben Presseorgane unkritisch die Behauptungen des Films verbreitet, offenbar ohne irgendetwas zu prüfen. Eine journalistische Pflicht zu einer solchen Prüfung bestand aber offenkundig, gerade weil der Film dermaßen ungewöhnliche Behauptungen aufstellt. (Dass etliche davon in gewissen Zirkeln längst kreisten, enthebt einen selbstverständlich nicht von dieser Sorgfaltspflicht.) Auch wenn man als Journalist von der Sache kaum eine Ahnung hat, sollten die Alarmglocken sofort läuten, wenn böswillige Verschwörungen offenkundig ohne jedes konkrete Indiz konstruiert werden (wie es im Film z. B. gegen Greenpeace geschehen ist). Wenn man selbst die Sache nicht beurteilen kann, ist es für den Journalisten ein Leichtes, wenigstens stichprobenartig einige der zentralen Behauptungen z. B. durch Nachfrage bei Toxikologen oder Energieexperten zu überprüfen. Offenkundig war aber die Freude über eine saftige Geschichte bei vielen Journalisten so groß, dass man an einer Überprüfung kein Interesse mehr hatte.

Stellungnahmen sind zu diesen Dingen praktisch nicht zu erhalten:

  • Ich habe Anfang Mai 2012 eine Stellungnahme des Bayerischen Rundfunks (BR) wegen der Sendung titel thesen temperamente verlangt, die die Aussagen des Films unüberprüft verbreitet und dabei noch voll unterstützt hat. Ich bekam zunächst eine ziemlich arrogante Antwort des Autors Klaus Uhrig per E-Mail; er sehe wegen mangelnden Niveaus meiner Vorwürfe "keine Diskussionsgrundlage". Als ich ihm telefonisch erklärte, dass er seine journalistischen Pflichten grob verletzt hat, wurde er extrem nervös und gab jetzt zu, "vielleicht" Fehler begangen zu haben. Ich verlangte dann eine offizielle Stellungnahme vom BR. Am 21.05.2012 schrieb man mir, behauptete aber nur ein weiteres Mal, der Film "Bulb Fiction" sei seriös recherchiert, ohne im Geringsten auf meine sehr konkret begründete Kritik einzugehen und auch nur den kleinsten Fehler einzugestehen. Ich verlangte umgehend eine substanzielle Antwort, bekam darauf aber nichts mehr. Klaus Uhrig teilte mir später mit, er wolle keinerlei E-Mails mehr von mir erhalten.
  • Am 25.05.2012 wies ich Moritz Gieselmann, einen der Macher von "Bulb Fiction", auf meine Online-Kritik hin, in der ich so viele Fehler in seinem Film aufgedeckt habe. Bereits Anfang Mai hatte ich über das Kontaktformular auf der Film-Website meine Kritik geäußert. Bisher bekam ich auf beides keinerlei Antwort.
  • Am 03.06.2012 schrieb ich an den Sender 3sat, da dieser in seiner Sendung "Ausgebrannt - vom Ende der Glühbirne" am 19.04.2012 ganz ähnliche Behauptungen wie "Bulb Fiction" verbreitet hat. Auch hierauf gab es bisher keinerlei Antwort.
  • Äußerst peinlich ist auch, dass die Österreichische Filmkommission (Austrian Film Commission, AFC) den Film mit dem Prädikat "besonders wertvoll" ausgezeichnet hat. Daraufhin zur Rede gestellt, lehnte die AFC jedoch jede Verantwortung für diese Filmprädikatisierungen ab, ohne freilich auf die Frage zu antworten, warum es dann z. B. beim ORF heißt, die AFC habe dieses Prädikat vergeben. Man verwies nur auf die Film and Music Austria (FAMA), die bei sich aber auch keinerlei Verantwortung sieht; das sei Sache einer Jury, die die Filme zudem "ausschließlich nach künstlerischen Kriterien" bewerte. Ich habe es am 24.05.2012 schließlich geschafft, den Kontakt zu dieser Jury herzustellen. Wiederum ist aber auch von dort bisher keinerlei Antwort eingegangen.

Offenbar fühlt sich von all den Verantwortlichen niemand in der Lage, auch nur einen einzigen Fehler in meiner Kritik an ihrer Arbeit zu widerlegen. Man ist aber auch nicht bereit, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, insbesondere mit einer offiziellen Korrektur wenigstens einen Teil des entstandenen Schadens zu reparieren.

Einsatz des Films im Schulunterricht

Etliche Leute finden, der Film wäre ideal für den Einsatz im Schulunterricht. Dem ist zuzustimmen: Er kann als ein Paradebeispiel für eine Propaganda dienen, die so gut gemacht ist, dass sie viele nicht gründlich vorinformierte Menschen in Angst und Schrecken versetzt, bei genauerer Analyse aber völlig in sich zusammen fällt. Ein Lehrer könnte zuerst den Film zeigen und danach Punkt für Punkt zeigen, wie sehr auch ein auf den ersten Blick völlig überzeugender Film täuschen kann – nicht nur Schüler, sondern auch viele Journalisten, die ihre Aufgabe nicht gewissenhaft erfüllen. Hierzu könnten die folgenden Fragen durchgegangen werden:

  • Was sind die zentralen Aussagen des Films? Welches sind die wichtigsten davon, auf die wir uns konzentrieren wollen? (Vermutlich werden sich die Schüler für die Gefährlichkeit des Quecksilbers besonders interessieren.)
  • Dann für jede Aussage nacheinander: Wirkt sie zunächst vom Gefühl her überzeugend? Werden Beweise geliefert, bzw. welche zur Untermauerung benutzten Informationen können als Beweise gelten, und welche als ebenfalls zu überprüfende Behauptungen? Ist beispielsweise die Aussage eines nicht näher bekannten Experten ein Beweis? Wie gehen wir um mit verschiedenen Quellen, die sich diametral widersprechen?

Dieses Vorgehen könnte in der Tat extrem wichtige Lernschritte auslösen. Eine Gefahr besteht freilich darin, dass sich manche Schüler (wie auch Erwachsene) dermaßen auf die anfangs gefasste Meinung fixieren, dass alle Versuche, diese wieder zu korrigieren, entschieden abgewehrt werden. Dies notfalls mit Verschwörungstheorien: Selbst Leute wie ich, die sich seit Jahrzehnten für Umwelt- und Gesundheitsschutz engagieren und ihren Lebensunterhalt keineswegs durch Lampenverkauf oder Bestechungsgelder verdienen, werden ohne jedes vernünftige Indiz, geschweige denn einen Nachweis als böswillige Lobbyisten angeklagt, nur weil sie die als zweifellos richtig empfundene Meinung angreifen. Selbst völlig klare, leicht überprüfbare Beweise richten hier nichts aus, sondern gelten eher noch als eine besonders perfide Irreführung. (Ich habe dies verschiedentlich erlebt, gerade mit Kommentaren im Internet.)

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Artikel über Kritik von Bulb Fiction: ein Propagandafilm (nicht Dokumentarfilm) gegen die Energiesparlampe. Quecksilber-Hysterie</a>
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