RP-Energie-Lexikon
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CO2-Abscheidung und -Speicherung

Akronym: CCS

Definition: die Abscheidung von Kohlendioxid z. B. aus Kraftwerksabgasen und die langfristige unterirdische Speicherung zwecks Klimaschutz

Alternativer Begriff: CO2-Sequestrierung

Englisch: carbon capture and storage, carbon capture and sequestration

Kategorien: Grundbegriffe, Ökologie und Umwelttechnik

Autor:

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Ursprüngliche Erstellung: 03.05.2012; letzte Änderung: 20.08.2023

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Bei der Verbrennung kohlenstoffhaltiger Brennstoffe wie Kohle oder Erdgas entsteht Kohlendioxid, welches normalerweise über das Abgas der Anlage (z. B. eines Kohlekraftwerks) in die Atmosphäre gelangt. Kohlendioxid (CO2) ist zwar ungiftig (in nicht zu hohen Konzentrationen), aber es trägt zum Treibhauseffekt bei. Deswegen erzeugen die massenhaften Kohlendioxid-Emissionen der heutigen Energietechnologien schwerwiegende Klimagefahren. Neben der Reduktion der CO2-Erzeugung z. B. durch Umstieg auf andere Primärenergieträger (etwa erneuerbare Energie oder Kernenergie) oder durch Verminderung des Energieverbrauchs gibt es die Möglichkeit, das CO2 weitgehend aus dem Abgas einer Anlage abzuscheiden und dann unterirdisch so zu lagern (sequestrieren), dass es möglichst dauerhaft nicht in die Atmosphäre gelangen kann. Diese Technologie bezeichnet man als CCS = carbon capture and storage oder carbon capture and sequestration.

CCS wird hauptsächlich für die Anwendung auf große CO2-Quellen wie z. B. Großkraftwerke, Einrichtungen zur Erdöl- und Erdgasförderung und gewisse Industriebetriebe (z. B. Zementwerke) diskutiert. Bisher wird sie nur in sehr kleinem Umfang genutzt, aber immerhin in zunehmendem Maßstab erprobt; sie könnte sich als ein wichtiger Weg zur Erreichung von Klimaschutzzielen erweisen.

Eine ihre Funktion erfüllende CCS-Technologie setzt voraus, dass eine CO2-Abscheidung ohne gravierende Nachteile gelingt, dass das CO2 zu seinen Endlagerstätten transportiert werden kann und dass solche Endlagerstätten in genügendem Umfang und mit ausreichender Langzeit-Betriebssicherheit zur Verfügung stehen. Diese Aspekte werden im Folgenden diskutiert.

Im Prinzip könnte die großtechnische CO2-Sequestrierung auch als eine Variante des Climate Engineering angesehen werden. Jedoch wird dieser Begriff gewöhnlich nur verwendet, wenn bereits in der Atmosphäre befindliches CO2 entfernt wird.

Abscheidung von Kohlendioxid

Die Abgase von bisherigen Kohlekraftwerken enthalten zwar viel Kohlendioxid (CO2), jedoch noch wesentlich mehr Stickstoff (im Wesentlichen aus der der Kohlefeuerung zugeführten Verbrennungsluft) und in kleineren Mengen diverse andere Gase. Für den Transport oder mehr noch für die Endlagerung ist es aber erforderlich, das Kohlendioxid in annähernd reiner Form zu gewinnen. Hierfür gibt es mehrere technische Möglichkeiten, die im Folgenden einzeln beschrieben werden. Alle werden zur Zeit in Pilotanlagen getestet und weiter entwickelt. Vor allem weil alle Verfahren einen erheblichen Energieaufwand verursachen, der effektiv den Kohleverbrauch der Kraftwerke stark ansteigen lässt, wird weiter nach besseren Lösungen gesucht. Ein anderes Problem ist, dass die CO2-Abscheidung nicht vollständig ist, also die Emissionen nur mehr oder weniger reduziert, nicht aber ganz vermieden werden.

Post-Combustion-Capture durch CO2-Wäsche oder andere Verfahren

Es gibt diverse technische Verfahren, um CO2 aus dem Abgas einer Kohlefeuerung abzutrennen. Zunächst ist in der Regel eine Entschwefelung nötig, die heute ohnehin Standard ist. (Schwefeldioxid als wesentliche Ursache des sauren Regens, der Waldschäden verursacht, darf nur noch in stark limitiertem Ausmaß emittiert werden.) Dann wird das CO2 z. B. mit einem Waschverfahren abgetrennt, indem das Abgas mit einer Flüssigkeit in Berührung gebracht wird, die das CO2 zunächst bindet und danach in einem Abscheider unter Wärmezufuhr als reines CO2 wieder abgeben kann. In Frage kommen eine Hydrogencarbonat-Lösung (Carbonatwäsche), eine Aminlösung (Aminwäsche), Methanol und diverse andere Substanzen.

Ein anderes Verfahren (Carbonat-Looping-Verfahren) verwendet die Bindung von CO2 an Calciumoxid (CaO) und die spätere Aufspaltung des entstehenden Calciumcarbonats (CaCO3) in CaO und CO2 bei höherer Temperatur (durch Zugabe von Kohle und reinem Sauerstoff). Auch andere Verfahren des Chemical Looping befinden sich in der Entwicklung, die z. B. mit anderen Metalloxiden arbeiten. Solche Verfahren könnten in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, erfordern aber wesentlich stärkere Änderungen der eingesetzten Technik, sind also auch kaum mit Nachrüstungen alter Anlagen realisierbar.

Typisch sind effektive Wirkungsgradverluste des Kraftwerks von rund 10 Prozentpunkten – beispielsweise bei Steinkohle von 45 % auf 35 %. Dies würde bedeuten, dass der Kohleverbrauch für die gleiche Menge elektrischer Energie nicht etwa um 10 %, sondern um rund 30 % steigen würde. Bei Braunkohle wäre der Mehrverbrauch sogar noch erheblich höher. Das Carbonat-Looping-Verfahren verspricht etwas bessere Werte, führt aber immer noch zu einem erheblichen Kohlemehrverbrauch.

Oxyfuel-Verfahren

Um den störenden Stickstoffgehalt des Abgases zu vermeiden, kann die Kohle mit reinem Sauerstoff verbrannt werden. Diesem kann dosiert CO2 aus dem Rauchgas zugesetzt werden, um die Verbrennungstemperatur nicht zu hoch werden zu lassen. Das Rauchgas besteht dann hauptsächlich aus CO2 und Wasserdampf. Letzterer kann mit wenig Aufwand durch Kondensation bei Abkühlung entfernt werden, und das verbleibende einigermaßen reine CO2 kann so dem Lager zugeführt werden.

Der große Nachteil dieses Oxyfuel-Verfahrens ist, dass in großen Mengen reiner Sauerstoff aus der Luft gewonnen werden muss. Es müssen also im Wesentlichen Sauerstoff (knapp 20 % Anteil der Luft) und Stickstoff (rund 80 %) in einer Luftzerlegungsanlage voneinander getrennt werden. Diese verbraucht sehr viel Energie, so dass der Gesamtwirkungsgrad des Kohlekraftwerks um rund 10 Prozentpunkte abnimmt – ähnlich wie bei den typischen Post-Combustion-Verfahren (siehe oben).

Integrierte Kohlevergasung

Eine andere Methode ist es, zuerst eine Kohlevergasung durchzuführen. Hier reagiert die Kohle zunächst mit Wasserdampf (H2O) zu Wasserstoff (H2) und Kohlenmonoxid (CO). Das Kohlenmonoxid reagiert dann mit Hilfe eines Katalysators mit weiterem Wasserdampf zu Kohlendioxid (CO2) und Wasserstoff. Der hohe CO2-Anteil dieses Gases ermöglicht eine vergleichsweise effiziente CO2-Abtrennung durch physikalische Absorption. Auch Schwefelwasserstoff (H2S), der vom Schwefelgehalt der Kohle resultiert, kann auf ähnliche Weise abgetrennt werden. Der verbleibende Wasserstoff dient dann als Brennstoff für ein Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk (GuD-Kraftwerk). (Entsprechende Wasserstoff-Gasturbinen müssen noch entwickelt werden.) Da die CO2-Abtrennung vor der Verbrennung erfolgt, spricht man von einem Pre-Combustion-Verfahren.

Dieses Verfahren verspricht Wirkungsgradverluste etwas unter 10 %. Jedoch sind hierfür noch diverse technische Probleme zu lösen.

CO2-Abtrennung bei der Erdgasförderung

Roherdgas, wie es aus Bohrlöchern gewonnen wird, enthält oft erheblichen Mengen von CO2. Diese müssen vor der Einspeisung in das Erdgasnetz abgetrennt werden. Bisher war es üblich, dieses CO2 direkt in die Atmosphäre zu entlassen. Das ohnehin abgetrennte CO2 kann freilich auch im Sinne von CCS in ein Tiefenlager verbracht werden – beispielsweise in ein ausgedientes Gas- oder Ölfeld.

CO2-Abtrennung aus der Luft

Im Prinzip ist es auch möglich, CO2 technisch aus der atmosphärischen Luft abzutrennen. Das hätte den Vorteil, dass die Abtrennung nahe den verfügbaren CO2-Lagern erfolgen könnte, sodass ein Transport des Gases (siehe unten) über weite Strecken entfällt. Der große Nachteil ist jedoch der sehr viel größere technischen Aufwand für die Abtrennung, da die Konzentration des CO2 in der Atmosphäre weitaus niedriger ist (rund 0,04 %) als z. B. in Kraftwerksabgasen (oft über 30 %). Somit steigt der Anlagen- und Energieaufwand beträchtlich.

Siehe auch den Abschnitt ganz unten, wo auch die Möglichkeit der Abtrennung über die Gewinnung von Biomasse diskutiert wird.

Transport des CO2

Wenn das abgetrennte CO2 nicht direkt am Ort der Abtrennung gelagert werden kann, muss es zum Lager transportiert werden. Hierfür kommen bei Entfernungen bis zu einigen hundert Kilometern vor allem Pipelines (Rohrleitungen) in Frage, die den Leitungen für Erdgas ähnlich sind, aber genügend korrosionssicher sein müssen (abhängig von der Reinheit des Gases). Größere Leckagen insbesondere in bewohnten Gebieten müssen unbedingt verhindert werden, da sie zu schweren Unfällen führen könnten. (Dies gilt allerdings auch z. B. für die längst verbreiteten Erdgas-Pipelines, wenn auch in diesem Falle mehr wegen der Explosionsgefahr.)

Es ist auch möglich, CO2 in verflüssigter Form (unter Druck) z. B. mit Schiffen oder Lastwagen zu transportieren. Dies könnte insbesondere bei Verwendung spezieller großer Tanker praktikabel sein.

Sequestrierung von CO2

Die umfangreichsten Potenziale für die langfristige Speicherung (Sequestrierung) bieten nach heutigem Wissen sogenannte salinare Aquifere, das heißt poröse Sedimentschichten, die Salzwasser enthalten und unter einer undurchlässigen Deckschicht liegen. Aufgrund des hohen Drucks, der in Tiefen von z. B. über 1 km auftritt, ist die Dichte des CO2 weitaus höher als bei Normaldruck und ist ähnlich der des Salzwassers, das vom CO2 verdrängt wird. Eine Sorge ist, dass das verdrängte Salzwasser bei Störungszonen auch in größeren Entfernungen vom CO2-Lager aufsteigen und ins Grundwasser gelangen kann. Ebenfalls können durch die Druckerhöhung im Untergrund Erdbeben auftreten, die womöglich Schäden anrichten können.

Unproblematisch wäre die Speicherung von CO2 in chemisch gebundener Form, etwa in Carbonaten. Diese können im Prinzip sogar durch die Reaktion des CO2 mit diversen Gesteinen entstehen. Allerdings sind die Reaktionsgeschwindigkeiten unter normalen Umständen extrem gering. Immerhin denkbar ist, dass eines solche Carbonatbildung in besonders tiefen Schichten, die natürlicherweise wärmer sind, gelingen könnte.

Besonders interessant ist die Nutzung ausgedienter Erdöl- und Erdgaslagerstätten. Solche sind zwar z. B. in Deutschland in wesentlich geringerem Umfang als Aquifere verfügbar, aber sehr große Kapazitäten bestehen unter der Nordsee (zugänglich v. a. von Norwegen und Großbritannien aus). Teilweise erlaubt die Injektion von Kohlendioxid auch eine Erhöhung der Ausbeute an Öl oder Gas. Zudem fällt bei der Gasreinigung oft viel CO2 an, und dann bietet es sich an, das abgetrennte CO2 direkt wieder in die Lagerstätte zu schicken (in einem gewissen Abstand von der Förderbohrung). So lässt sich auch der Druckabfall in der Lagerstätte ausgleichen, so dass eine höhere Förderung erzielt wird. Solche Praktiken werden mancherorts schon seit vielen Jahren angewandt.

Solange der Lagerstättendruck durch die CO2-Injektion nicht deutlich höher wird als der Druck vor der Förderung, dürften auch diverse Risiken relativ gering sein. Allerdings sind auch hier z. B. geochemische Veränderungen denkbar, die es durch entsprechende Forschungsvorhaben auszuschließen gilt.

Eine weitere Möglichkeit ist die Ausbeutung von Methanhydrat-Lagerstätten, wobei das geförderte Methan durch CO2 ersetzt wird. Wenn hierdurch womöglich verhindert wird, dass Methan sonst ungenutzt in die Atmosphäre gerät (etwa als Folge der ansteigenden Meerestemperatur), erhält man sogar einen zusätzlichen Klimaschutzeffekt, da Methan besonders klimaschädlich ist (weit mehr als das bei der Verbrennung entstehende CO2). Jedoch muss andererseits sichergestellt werden, dass nicht gerade durch die Arbeiten an Methanhydrat-Lagerstätten Methan unkontrolliert freigesetzt wird.

Wohl kaum praktikabel wäre die CO2-Einspeisung in das offene Meer. Hier wäre eine CO2-Bindung über lange Zeiträume unmöglich. Entsprechende Bestrebungen werden auch durch das Seerecht verhindert.

Bei Lagerstätten unter dem Meeresboden kann erwartet werden, dass eine CO2-Lagerung relativ ungefährlich ist. Dagegen gibt es vielfältige Bedenken gegen die CO2-Lagerung unter Festland:

  • Eine katastrophale Auswirkung könnte ein plötzlicher starker Ausbruch von CO2 durch Versagen der Abdichtung sein. Auslöser könnte auch ein Erdbeben sein. Austretendes CO2 würde sich, weil es schwerer als Luft ist, nahe dem Boden sammeln. Bei ausreichender Konzentration würde es Menschen und Tiere ersticken und womöglich in großer Zahl töten. Entsprechende Befürchtungen haben insbesondere in Deutschland zu starken Widerständen gegen diese Technik geführt.
  • Leckagen mit geringen Leckraten könnten immerhin den erhofften Klimaschutzeffekt nachträglich zunichte machen. Solche Leckagen könnten beispielsweise durch geochemische Prozesse im Deckgestein entstehen, die durch das CO2 selbst oder durch Verunreinigungen wie SO2 ausgelöst werden.
  • Wie bereits oben erwähnt, kann die Druckerhöhung im Untergrund Erdbeben auslösen, und möglich ist auch eine Grundwassergefährdung.

Auf jeden Fall müsste das Verhalten von unterirdischen CO2-Lagern über lange Zeiträume überwacht werden. Die technischen Verfahren für dieses Monitoring sind noch kaum entwickelt und vermutlich recht anspruchsvoll, da es unter anderem darum geht, auch minimale Leckageraten (weit unter 1 % pro Jahr) zu entdecken und ggf. zu kurieren.

Solche technischen und ökologischen Risiken sind bislang wenig erforscht. Sie hängen sicherlich sehr stark von den geologischen Bedingungen am jeweiligen Standort und der verwendeten Technik ab. Es ist durchaus zu erwarten, dass an manchen Standorten eine ausreichend sichere CO2-Lagerung möglich ist. Jedoch ist das Vertrauen der Bevölkerung aufgrund von früheren Erfahrungen mit anderen Technologien (z. B. Kernenergie) vielerorts nachhaltig erschüttert, so dass eine Akzeptanz solcher Projekte in der Bevölkerung sehr schwer erreichbar sein kann, zumindest für die Sequestrierung unter Festland. Ein wichtiger Aspekt ist auch der der Haftung für langfristige Risiken: Ähnlich wie bei der Kernenergie erzeugen CCS-Projekte langfristige, bislang schwer kalkulierbare Risiken mit womöglich enormem Kostenpotenzial, die nach relativ kurzer Nutzungsdauer auf den Staat und somit auf die Allgemeinheit übergehen würden.

Ein weiteres Problem sind mancherorts mögliche Nutzungskonkurrenzen. Diverse Gesteinsformationen, die für CO2-Lager in Frage kommen, sind z. B. auch für die Stromerzeugung oder Wärmegewinnung durch tiefe Geothermie interessant, ebenfalls für Wärme- und Kältespeicher, Druckluftspeicher, Erdgasspeicher oder für die Rohstoffgewinnung. Da die CO2-Einlagerung all diese anderen Nutzungen in Gebieten nennenswerter Größe für sehr lange Zeit ausschließt, die genauen Nutzungsmöglichkeiten und deren zukünftige Dringlichkeit jedoch schwer im Voraus abschätzbar sind, besteht die Gefahr der suboptimalen Nutzung dieser Lagerressourcen.

Die Potenziale für praktisch realisierbare CO2-Lager sind ihrer Größe sehr schwer abzuschätzen, da sie nicht nur von geologischen Strukturen abhängen, sondern auch von der Nähe und Ergiebigkeit von CO2-Quellen, von Kostenschätzungen, Einschätzungen der ökologischen Risiken sowie von erwarteten Nutzungskonkurrenzen. Entsprechend variieren vorliegende Schätzungen für die CCS-Potenziale enorm; beispielsweise liegen Schätzwerte bestimmter Quellen für einzelne Länder höher als die anderer Quellen für die gesamte Erde. Nach heutigem Kenntnisstand ist dies sehr schwer zu bewerten. Jedoch kann vermutet werden, dass z. B. die CCS-Potenziale in Deutschland für den umfangreichen Betrieb von CCS-Kohlekraftwerken (in ähnlichem Ausmaß wie die bisherige Kohlenutzung) über einige Jahrzehnte ausreichen würden, vorausgesetzt dass diverse Probleme gelöst werden können. Bei Verwendung von Lagerstätten unterhalb der Nordsee könnten jedoch theoretisch die gesamten europäischen CO2-Emissionen für weit mehr als 100 Jahre aufgenommen werden. Letzteres würde natürlich einen sehr wesentlichen Lösungsbeitrag liefern.

Chancen für einen großtechnischen CCS-Einsatz

Ein nennenswerter Klimaschutzeffekt der CCS-Technologie ist bei entsprechend umfangreicher Nutzung durchaus denkbar. Dies würde selbst die weitere Nutzung der sonst besonders klimaschädlichen Kohle mit zumindest stark reduzierten Klimagefahren ermöglichen; man spricht von Clean-Coal-Technologien. Diese werden von manchen Protagonisten als eine Brückentechnologie angesehen für die Zeit, die bis zum weltweiten Umstieg auf erneuerbare Energien benötigt wird.

Allerdings stehen der breiten Nutzung von CCS enorme Probleme entgegen:

  • Die CO2-Abscheidung in Kohlekraftwerken ist bislang nur mit Verfahren möglich, die nicht nur teuer sind (also hohe CO2-Vermeidungskosten aufweisen), sondern vor allem auch den Gesamtwirkungsgrad massiv absenken und damit den Kohleverbrauch massiv erhöhen. Nachdem z. B. China bereits heute eine Knappheit der Kohleförderung erlebt, wird es allein dadurch schon kaum realistisch sein, dort die CCS-Technologie zu etablieren. Außerdem würden alle Probleme der Kohleförderung (viele tote Arbeiter, Landschaftszerstörungen durch Tagebau, Bergschäden durch Bergbau, giftige Abwässer, etc.) noch wesentlich verstärkt, ebenfalls Probleme mit Schadstoffen aus der Kohle (z. B. Schwermetalle und radioaktive Substanzen). Diese Probleme entfallen allerdings bei bestimmten anderen CO2-Quellen wie z. B. der Erdöl- und Erdgasförderung.
  • Wenn der Ort der CO2-Abscheidung weit von einem Lager entfernt ist, kann der Transport problematisch sein. Teils entstehen Widerstände gegen CO2-Pipelines wegen befürchteter Gefahren durch Leckagen (obwohl andererseits viel größere Mengen von Erdgas-Pipelines betrieben werden, die wohl nicht weniger gefährlich sind).
  • Wie oben ausgeführt, gibt es vielfältige Bedenken gegen diverse Arten von CO2-Lagern wegen ökologischer Risiken und Nutzungskonkurrenzen. Ob unter diesen Umständen unter dem Festland ausreichend hohe CO2-Lagerkapazitäten für eine länger andauernde CCS-Nutzung gefunden werden können, ist unklar. Für Europa stehen allerdings unter der Nordsee für lange Zeit ausreichende Kapazitäten zur Verfügung.

Die Kosten der Kohlenutzung würden auf jeden Fall massiv ansteigen, selbst wenn CO2-Kosten dadurch gleichzeitig vermieden werden. Somit steht auch die Konkurrenzfähigkeit der Kohle mit anderen Primärenergiequellen in Frage; aus Sicht des Klimaschutzes sind die CO2-Vermeidungskosten (im Rahmen des Emissionshandels) zu vergleichen. Wenn andere CO2-Minderungsstrategien, insbesondere erneuerbare Energien und verstärkte Energieeffizienz, kostengünstigere CO2-Reduktion bieten, dürfte z. B. eine Clean-Coal-Technologie schwer zu etablieren sein.

Man beachte, dass bereits gebaute (oder zur Zeit in Bau befindliche) Kohlekraftwerke höchstens noch eingeschränkte Möglichkeiten zur CO2-Abscheidung bieten. Die nachträgliche Verwendung des Oxyfuel-Verfahrens ist unmöglich, und dasselbe gilt für den Ansatz mit Kohlevergasung. Es bleiben also im Wesentlichen nur Verfahren wie die CO2-Wäsche für eine spätere Nachrüstung. Auch ob dies praktikabel sein wird, ist selbst für heute in Planung befindliche Kraftwerke unsicher, auch soweit diese als "CCS-ready" bezeichnet werden. (Zumindest wären die Kosten noch höher.) Deswegen kann CCS kaum ein Argument für neue Kohlekraftwerke sein, bevor die CCS-Technologie sich tatsächlich als rundherum praktikabel erwiesen hat.

Ungeachtet der erläuterten Probleme könnte CCS durchaus sinnvolle Anwendungen finden, wenn die richtigen Quellen mit gut geeigneten Lagern kombiniert werden können. Hierbei ist zu beachten, dass gewisse industrielle Anlagen wie z. B. Zementfabriken und Müllverbrennungsanlagen wohl langfristig schwer verzichtbar sein werden und deren CO2-Emissionen unvermeidbar und schwer zu reduzieren sind. Insbesondere große Fabriken könnten gezielt entweder in der Nähe von CO2-Lagerstätten betrieben werden (etwa an der norwegischen Küste) oder in der Nähe von Pipelines für den Abtransport des abgeschiedenen CO2. Für die Lagerung kämen wie oben ausgeführt ausgediente Öl- und Gaslagerstätten in Frage.

Möglich ist auch die Anwendung von CCS auf Anlagen zur Nutzung von Biomasse, womit sogar Energiequellen mit netto negativen CO2-Emissionen möglich sind: Selbst wenn das CO2 nicht perfekt vollständig abgetrennt werden kann, können die Emissionen geringer sein als die Aufnahme von CO2 beim Wachstum der Energiepflanzen. Dies dürfte im 21. Jahrhundert möglich und auch notwendig sein, um die Folgen des Klimawandels noch einigermaßen einzudämmen.

Gesetzliche Regelungen

In der EU gibt es bereits seit 2009 eine Richtlinie zur geologischen Speicherung von CO2. Die Überführung dieser Richtlinie in das Recht der Mitgliedstaaten kommt jedoch nur sehr schleppend voran. Beispielsweise in Deutschland scheiterte in 2009 der Versuch der damaligen Bundesregierung, ein CCS-Gesetz zu erlassen, an starken Widerständen in mehreren Bundesländern. Der Entwurf stieß auch auf starke Kritik vom Sachverständigenrat für Umweltfragen, da weitreichende Regelungen für die Unterstützung von CCS-Projekten geplant waren, ohne dass viele essenzielle Punkte (z. B. Potenziale, Kosten, Risiken und Haftungsfragen, Nutzungskonkurrenzen, Alternativen) geklärt oder auch nur breit diskutiert worden wären. In 2011 wurde auch ein modifizierter Gesetzesentwurf vom Bundesrat abgelehnt. Vorerst dürften nur Forschungs- und Demonstrationsprojekte realisiert werden, die dann Erkenntnisse für spätere Entscheidungen über eine großtechnische Anwendung von CCS liefern. Energiepolitische Auseinandersetzungen dürften auch durch geplante milliardenschwere Subventionen verschiedenster Art für CCS-Projekte entstehen. Von den CCS-Proponenten geplant sind nämlich nicht nur umfangreiche direkte Subventionen aus öffentlichen Geldern geplant (in Konkurrenz z. B. mit der Förderung erneuerbarer Energien), sondern auch diverse indirekten Subventionierungen z. B. durch die kostenlose Nutzung von Lagerstätten, die dann nicht mehr anderweitig nutzbar sind, und durch die staatliche Übernahme vieler Risiken (v. a. der Langzeitrisiken).

CCS mit Punktquellen oder mit CO2-Entzug direkt aus der Atmosphäre; Biomasse-CCS

Die oben diskutierten Varianten von CCS-Technologie beziehen sich alle auf Punktquellen, das heißt lokalisierte Emittenten, bei denen CO2 in hohen Mengen und Konzentrationen anfällt. Im Prinzip ist es aber auch möglich, der Atmosphäre an beliebigen Orten CO2 zu entziehen, und zwar mit biologischen wie mit technischen Maßnahmen. Dieses CO2 könnte dann wiederum sequestriert werden.

Der biologische Ansatz wäre z. B. realisierbar durch großflächige Aufforstungen. Dies bindet allerdings nur so lange Kohlenstoff, wie die Holzmenge und/oder die Menge des im Boden gespeicherten Kohlenstoffs zunimmt. Für eine dauerhafte starke CO2-Entfernung auch nach dem Aufwuchs des Walds müsste ständig Holz entnommen werden, ohne den enthaltenen Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre zu entlassen. Man müsste beispielsweise das Holz in Heizkraftwerken mit CCS-Technologie (hier also wieder mit CO2 aus Punktquellen) nutzen, oder auch Bio-Holzkohle dauerhaft unterirdisch lagern (was in etwa das Gegenteil der heutigen Kohlenutzung wäre und keine nutzbare Energie freisetzen würde). Solange noch Kohle abgebaut wird, erschiene es freilich als wesentlich sinnvoller, diesen Abbau einzustellen, anstatt gleichzeitig mit aufwendigen Verfahren Kohle wieder abzuscheiden.

Ähnliches gilt für neue technische Methoden der CO2-Abscheidung direkt aus der Atmosphäre. Diesen müssen sich zusätzlich mit den schon weiter entwickelten Methoden für Punktquellen vergleichen. Die viel höheren CO2-Konzentrationen dieser Punktquellen machen den technischen Aufwand und wohl auch den Energieaufwand wesentlicher geringer, so dass dieser Ansatz sinnvoller erscheint.

Siehe auch: Kohlendioxid, Kraftwerk, Kohlekraftwerk, Klimagefahren, Klimaschutz, CO2-Vermeidungskosten, CO2-neutral, fossile Energieträger, Kohlevergasung, Climate Engineering

Fragen und Kommentare von Lesern

01.07.2019

Mit der sogenannten CCS-Methode, der CO2-Verpressung in tiefer liegenden Gesteinsschichten, treibt man quasi den Teufel mit dem Beelzebub aus und ist damit auf dem Holzweg. Nach einer Studie der Standford University in den USA ist diese Methode untauglich, das Problem der CO2-Emission in die Atmosphäre zu lösen. Denn bei der CO2-Verpressung können bereits minimale seismische Aktivitäten auftreten, die das CO2 dann aus den Gesteinsspeichern austreten lassen. Bei einer Konzentrationsanreicherung von ca. 10 Prozent von CO2 in der Luft wird das Gasgemisch bereits stark toxisch. Das geruchlose CO2 kann sich zudem in Talsenken ansammeln und wird dann kreuzgefährlich! Auch wenn nur 0,01 Prozent pro Jahr des CO2 wieder in die Atmosphäre mündet, wird das Klimaziel weit verfehlt. Und an größere seismische Aktivitäten möchte man in diesem Zusammenhang gar nicht denken – es könnte in die Katastrophe ungeahnten Ausmaßes münden! Auch wenn das Pilotprojekt (Projektlaufzeit 2008 bis 2013) bei Ketzin (Havelland) erfolgreich verlief, bedeutet dies noch lange nicht, dass diese Methode der CO2-Verpressung in tiefere Gesteinsschichten auf längere Zeit sich bewährt! Zudem werden pro einer Tonne CO2 25 Tonnen Wasser für die Realisierung dieses Verfahrens notwendig. Man hat hier also absolut nicht den „Stein der Weisen“ gefunden!

Antwort vom Autor:

Das klingt für mich nach zu starker Verallgemeinerung. Selbstredend muss sichergestellt werden, dass massive Ausbrüche von CO2, ggf. auch durch Erdbeben, nach menschlichem Ermessen unmöglich sind. Dies lässt sich aber nicht mit einer einzigen Studie, die sich wahrscheinlich auf ein einziges Projekt konzentriert hat, pauschal für alle Projekte prüfen.

Ich kann auch nicht nachvollziehen, dass CCS sinnlos wäre, wenn 0,01 % des CO2 pro Jahr wieder in die Atmosphäre gelangen. Immerhin hätten wir damit das Problem weit in die Zukunft geschoben und somit mehr Zeit für die Anpassung.

Ich gehe davon aus, dass es durchaus Möglichkeiten für sinnvolle CCS-Projekte gäbe; offen ist für mich die Frage, wie groß deren Potenzial insgesamt wäre. Auf keinen Fall würde ich dazu raten, andere Klimaschutzmaßnahmen mit Verweis auf CCS als weniger dringlich einzuschätzen.

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