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CO2-Budget

Definition: die maximale Menge von Kohlendioxid, die ab einem bestimmten Zeitpunkt insgesamt noch freigesetzt werden darf, um eine bestimmte CO2-Konzentration in der Atmosphäre nicht zu überschreiten.

Alternative Begriffe: Kohlenstoffbudget, Kohlendioxidbudget, CO2-Emissionsbudget, Treibhausgas-Budget

Allgemeiner Begriff: Treibhausgas-Budget

Englisch: CO2 budget, carbon budget

Autor:

Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen

Ursprüngliche Erstellung: 16.02.2020; letzte Änderung: 20.08.2023

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Ein CO2-Budget bedeutet die maximale Menge von Kohlendioxid (CO2), die ab einem bestimmten Zeitpunkt insgesamt noch freigesetzt werden darf, um eine bestimmte CO2-Konzentration in der Atmosphäre nicht zu überschreiten. Eine solche Grenze ergibt sich durch umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen aus einem als gerade noch akzeptabel angenommenen Ausmaß der globalen Klimaveränderungen, also durch die gerade noch akzeptierte Steigerung der globalen Mitteltemperatur und die daraus resultierenden Klimagefahren.

Gleichbedeutende Begriffe sind Kohlendioxidbudget, Kohlenstoffbudget und CO2-Emissionsbudget. Etwas allgemeiner ist der Begriff Treibhausgas-Budget.

Hintergrund

Der Hintergrund des Begriffs ist die Problematik, dass vor allem die Energiewirtschaft in den letzten Jahrzehnten weltweit sehr hohe Emissionen von Kohlendioxid entwickelt hat, die zu einem starken Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre geführt haben. Weitere wichtige Beiträge zum Problem stammen von der Landwirtschaft (Stichwort Landnutzungsänderungen) und der Zerstörung der tropischen Regenwälder. Dies zusammen mit dem Anstieg der Konzentration anderer Treibhausgase ist die wesentliche treibende Kraft für zunehmende Veränderung der klimatischen Verhältnisse. Global gesehen gibt es eine deutliche Erwärmung, wobei die Veränderungen an einzelnen Standorten recht unterschiedlich sind und begleitende Effekte wie die Veränderung von Niederschlagsmustern und die Wahrscheinlichkeit schwerer Unwetter oft im Vordergrund stehen. Der Zusammenhang zwischen Treibhausgaskonzentrationen und den globalen Klimaveränderungen kann kaum mehr bestritten werden. Er ist durch umfangreiche wissenschaftliche Erkenntnisse sehr stark abgesichert, jedenfalls nach Einschätzung des allergrößten Teils der Fachwissenschaftler.

Die Folge dieser Entwicklung sind große Klimagefahren bis hin zu katastrophalen Entwicklungen, falls die CO2-Emissionen nicht sehr bald drastisch reduziert werden. Hierbei ist das Konzept von CO2-Budgets ein nützliches Maß für die Einschätzung des notwendigen Umfangs der Klimaschutzmaßnahmen.

Übersicht

Für eine Übersicht wird zunächst kurz auf diverse wichtige Aspekte hingewiesen, die im Folgenden dann genauer erklärt werden:

  • Ein CO2-Budget ist ein besonders gut geeignetes Mittel, um die Wirkung der nötigen Klimaschutzmaßnahmen quantitativ zu bestimmen.
  • CO2-Budgets müssen den Einfluss anderer Treibhausgase geeignet berücksichtigen.
  • Es verbleiben noch wissenschaftliche Unsicherheiten, deren Korrektur mit der Zeit noch eine gewisse Anpassung der errechneten CO2-Budgets nach oben oder unten erfordern wird.
  • Es geht hier zunächst allein um menschlich verursachte Emissionen, nicht also um natürliche Emissionen, die im Wesentlichen in einem geschlossenen Kreislauf erfolgen, also die CO2-Konzentration der Atmosphäre im Jahresmittel nicht verändern. Jedoch können menschliche Einflüsse auf natürliche Kreisläufe Auswirkungen in der einen oder anderen Richtung haben (z. B. Bindung von CO2 durch Aufforstung, Freisetzung von CO2 zur Zerstörung von Regenwäldern). Außerdem bewirken die Klimaveränderungen selbst wesentliche Auswirkungen auf natürliche Prozesse – etwa durch das Auftauen von Permafrostböden, was zur Freisetzung des klimaschädlichen Methans führt.
  • Es ergeben sich aus der Notwendigkeit des Klimaschutzes zunächst globale Emissionsbudgets, die dann in nationale Budgets aufgeteilt werden müssen.

Globales CO2-Emissionsbudget

Es ist nun von Interesse, welches CO2-Emissionsbudget gewählt werden sollte, um katastrophale Schäden als Folge unzureichenden Klimaschutzes zu vermeiden. Natürlich geht es hier zunächst um ein globales Emissionsbudget: Wegen der ständigen Durchmischung der Atmosphäre sind nur die gesamten Emissionen relevant, nicht die eines bestimmten Landes.

Der Weltklimarat (IPCC) hat basierend auf den weltweit verfügbaren Forschungsresultaten ermittelt [5], dass ab Anfang 2018 noch 420 Gt (Gigatonnen = Milliarden Tonnen) CO2 emittiert werden dürfen, um das 1,5-Grad-Ziel noch mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 % (zwei Drittel) zu erreichen, d. h. den Anstieg der mittleren globalen Temperatur auf 1,5 Grad (Kelvin) gegenüber der vorindustriellen Zeit zu beschränken. Für eine Erwärmung von 1,75 Grad könnte man sich immerhin noch ca. 800 Gt erlauben; dieses Ziel entspräche in etwa dem, was 2015 in Paris beschlossen und von vielen Ländern völkerrechtlich verbindlich akzeptiert wurde. Das entsprechende CO2-Budget für das weniger ambitionierte 2-Grad-Ziel, welches freilich mit bereits erheblich höheren Klimarisiken verbunden wäre, liegt bei ca. 1170 Gigatonnen.

Das wohl wichtigste Risiko bei der Wahl auf ein zu großes Emissionsbudget ist, dass gewisse Kipppunkte des Klimasystems erreicht werden könnten, wonach durch positive Rückkopplungseffekte (z. B. das Entweichen von Methan aus auftauenden Permafrostböden) die Erwärmung unaufhaltsam weiter steigen würde. Ähnlich dürften es gewisse Kipppunkte bezüglich des Abschmelzen von Gletschern in der Antarktis geben: Wenn ein gewisses Ausmaß des Abschmelzens erreicht ist, kann ein Gletscher instabil werden, sodass spätere Klimaschutzbemühungen seinen weitgehenden Zerfall und einen entsprechenden Beitrag zum Anstieg des Meeresspiegels nicht mehr aufhalten können. Man beachte, dass selbst die Zerstörung eines einzigen großen Gletschers in der Antarktis (z. B. des Thwaites) den Meeresspiegel um mehrere Meter ansteigen ließe – wenn auch zum Glück nicht plötzlich, sondern über Jahrzehnte bis Jahrhunderte. Leider ist noch nicht genau bekannt, wo diese Kipppunkte liegen; dies hängt oft von einem ziemlich komplizierten Zusammenspiel verschiedener Kräfte ab, das nicht leicht aufzuklären ist.

globale Erwärmung vs. CO2-Budget
Abbildung 1: Globales CO2-Emissionsbudget (ab Anfang 2018) für 67 % Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung in Abhängigkeit von der maximal akzeptierten globalen Erwärmung. Knapp 1 Grad Erwärmung ist bereits eingetreten (Stand 2020).

Abbildung 1 zeigt basierend auf den Berechnungen des IPCC, wie groß das ab Anfang 2018 noch verfügbare CO2-Emissionsbudget ist in Abhängigkeit von der maximal akzeptierten globalen Erwärmung. Man sieht, dass das 1,5-Grad-Ziel kaum mehr erreichbar ist, während das 2-Grad-Ziel noch erreichbar wäre, wenn man sofort entschieden handeln würde; man vergleiche die dann erlaubten 1170 Gt mit den derzeitigen jährlichen Emissionen von ca. 42 Gt. Man beachte, dass die Gerade nicht einfach nach rechts interpoliert werden kann: Wenn nämlich ein Kipppunkt des Klimasystems erreicht wird, geht die Kurve plötzlich steil nach oben. Wo genau dies passieren würde, ist noch nicht bekannt. Gewisse Rückkoppelungsmechanismen des Klimasystems (z. B. auftauende Permafrostböden und Methanfreisetzungen von Feuchtgebieten) sind in den Berechnungen berücksichtigt, andere weniger gut verstandene noch nicht.

Einfluss natürlicher CO2-Senken

Langfristig gesehen wird ein erheblicher Teil des emittierten CO2 nicht in der Atmosphäre verbleiben, sondern teils im Meer gelöst (was leider zu einer Versauerung der Ozeane führt, mit weiteren ökologischen Schäden) und teils auch an Land gebunden. Beispielsweise könnten manche Ökosysteme unter dem Einfluss höherer Temperaturen und/oder der erhöhten CO2-Konzentration durch verstärktes Pflanzenwachstum mehr CO2 als bisher binden. Umgekehrt kann aber auch mehr CO2 freigesetzt werden, z. B. wenn großflächige Waldbrände zunehmen. Es gibt eine Vielzahl von Effekten, die in der einen oder anderen Richtung wirken, und noch nicht sehr zuverlässig eingeschätzt werden können.

Für den Zeitraum der nächsten Jahrzehnte, der für die Abwendung einer katastrophalen Klimakrise entscheidend ist, spielen solche Prozesse, deren Gesamtwirkung schwer abschätzbar ist, voraussichtlich keine entscheidende Rolle. Sollte aber eine katastrophale Entwicklung des Klimas eintreten, wäre die genannte CO2-Bindung sehr infrage gestellt, beispielsweise weil das Meerwasser bei höheren Temperaturen weniger CO2 lösen kann und weil massenhaft Wälder absterben würden. Allenfalls sehr langfristig – womöglich über die Geschichte der Menschheit hinaus – könnte sich das System wieder allmählich stabilisieren.

Es ist also vernünftig, nicht mit einer wesentlichen Entschärfung des Problems durch natürliche CO2-Bindung zu rechnen – vor allem nicht für dieses Jahrhundert – und gleichzeitig die Bewahrung der natürlichen CO2-Senken sorgfältig zu überwachen. Deswegen hat der IPCC die oben genannten Emissionsbudgets ohne Berücksichtigung von Änderung der natürlichen Prozesse berechnet. Er gibt aber zusätzlich zu bedenken, dass eine weitere deutliche Reduktion der Budgets langfristig gesehen notwendig sein könnte.

Berücksichtigung weiterer Treibhausgase

CO2 ist das wichtigste menschlich verursachte Treibhausgas in dem Sinne, dass es am meisten zu der Klimaerwärmung beiträgt. Es gibt aber eine Reihe anderer Treibhausgase wie Methan und Lachgas, die pro Molekül (oder pro Tonne) sehr viel klimaschädlicher als Kohlendioxid sind, andererseits aber auch in viel geringeren Mengen emittiert werden. Das CO2-Budget, das zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf ein bestimmtes Maß notwendig ist, hängt also auch ein Stück weit von der Entwicklung der Emissionen dieser anderen Treibhausgase ab. Deren Beeinflussung ist tendenziell schwieriger als die der Emissionen der Energiewirtschaft.

Der Weltklimarat (IPCC) machte bestimmte Annahmen über die Entwicklung dieser Emissionen unter Berücksichtigung von Möglichkeiten zu deren Reduktion, um ein CO2-Budget zu berechnen. Man wird das resultierende CO2-Budget also nach unten korrigieren müssen, wenn beispielsweise die Methan-Emissionen nicht genügend begrenzt werden können, oder im gegenteiligen Fall das Budget etwas ausdehnen können. Massive Änderungen von dieser Seite sind jedoch nicht zu erwarten.

Im Prinzip könnte man auch Treibhausgas-Emissionsbudgets berechnen, die alle Treibhausgase zusammen über CO2-Äquivalente erfassen. Auch wenn der IPCC diesen Weg nicht gewählt hat, ließe sich diese Methode für nationale Emissionsbudgets natürlich anwenden. Das ließe den einzelnen Ländern die Freiheit, z. B. etwas geringere Emissionsreduktionen von CO2 durch Maßnahmen zur Reduktion des Methans (v. a. in der Landwirtschaft) zu kompensieren.

Überschießen und spätere negative Emissionen

Wenn das globale Emissionsbudget z. B. für das 2-Grad-Ziel am Ende überschritten wird, könnte dies im Prinzip durch negative Netto-Emissionen zu einem späteren Zeitpunkt wieder kompensiert werden. Beispielsweise gibt es Überlegungen, in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts mit großen Anlagen, die mit erneuerbarer Energie betrieben würden, großtechnisch CO2 wieder der Atmosphäre zu entziehen, beispielsweise indem man es langfristig im Untergrund speichert (→ CO2-Abscheidung und -Speicherung, Sequestrierung). Vielleicht werden sich in den nächsten Jahrzehnten noch bessere Verfahren hierfür entwickeln lassen. Allerdings trifft dieser Ansatz auf die folgenden Bedenken:

  • Nach derzeitigem Wissen wird die spätere Entfernung und Endlagerung von CO2 sehr viel mehr Geld kosten, als die entsprechende Menge von Emissionen vorher zu vermeiden. Beispielsweise ist der Aufwand, zunächst Kohle zu fördern, in Kohlekraftwerken zu verstromen, später dann das CO2 einzufangen, zu verflüssigen und untertage zu lagern, enorm hoch – man hätte sehr viel Geld ausgegeben, womöglich ohne netto mit der Kohle überhaupt nutzbare Energie zu gewinnen.
  • Wenn zwischenzeitlich ein Kipppunkt des Klimasystems überschritten wird, kommen die späteren negativen Emissionen zu spät, um eine katastrophale Entwicklung noch abzuwenden. Ein allzu starkes "Überschießen" wäre also gefährlich.

Es mag also einerseits notwendig sein, später solche negativen Emissionen zu realisieren, jedoch wäre es andererseits fahrlässig und gegenüber den folgenden Generationen verantwortungslos, diese Möglichkeit von vornherein vorzusehen.

Wissenschaftliche Unsicherheiten

Die verbleibenden wissenschaftlichen Unsicherheiten bei der Ermittlung von Emissionsbudgets sind erheblich; es ist eben aufgrund der Komplexität des Klimasystems schwer genau einzuschätzen, welches CO2-Budget man sich erlauben kann, um massive Auswirkungen der Klimaveränderungen noch abzuwenden. Vernünftigerweise würde man auf solche Unsicherheiten, insbesondere bezüglich Kipppunkten des Klimasystems, dadurch reagieren, dass man vorsichtshalber ein kleineres Emissionsbudget vorsieht, da eine nachträgliche Korrektur für die Abwendung katastrophaler Folgen ja zu spät kommen könnte. Auf der anderen Seite erscheint die Sorge, dass der Klimaschutz vorläufig ehrgeiziger als wirklich notwendig betrieben wird, als weltfremd – in den bisherigen Jahrzehnten war offensichtlich immer das Gegenteil zu beobachten.

Nationale CO2-Emissionsbudgets

Für die Entwicklung der klimatischen Verhältnisse in den einzelnen Ländern sind die dort erfolgenden klimaschädlichen Emissionen zunächst irrelevant – es geht um die erreichte Konzentration der Treibhausgase als Folge der globalen Emissionen. Jedoch stellt sich die Frage, wie ein globales CO2-Emissionsbudget eingehalten werden kann, d. h. wie die Emissionen der einzelnen Länder dafür ausreichend reduziert werden können. Es liegt natürlich nahe, das gesamte Emissionsbudget aufzuteilen in Budgets für die einzelnen Länder.

Der einfachste und durchaus auch gerecht wirkende Ansatz wäre, diese Budgets entsprechend den Anteilen an der Weltbevölkerung aufzuteilen – sodass jedes Land letztendlich dasselbe verbleibende Emissionsbudget pro Person erhält. Damit stößt man jedoch auf eine Reihe von Problemen:

  • Zunächst einmal ist dieser Ansatz von daher ungerecht, dass die historischen Emissionen nicht berücksichtigt werden: Die Industrieländer, die einen großen Teil des ursprünglich vorhandenen CO2-Budgets bereits für sich aufgebraucht haben, oder die bereits mehr als diesen Anteil aufgebraucht haben, bekämen vom verbleibenden Rest trotzdem noch einen großen Teil.
  • Andererseits ist es für Länder, die sich mit ihrem Wirtschaftssystem längst von massivem Raubbau an der Natur abhängig gemacht haben, besonders schwer, ihre Emissionen wieder auf ein umweltverträgliches Maß zurückzuführen. Deswegen wird man mit ihnen kaum je einen Konsens finden, der für sie schon in naher Zukunft massive wirtschaftliche Folgen durch Strukturbrüche hätte. Etliche davon (einschließlich Deutschland) hätten ihr historisches Gesamtbudget für das 1,75-Grad-Ziel ohnehin bereits mehr als aufgebraucht.
  • Auch die natürlichen Existenzbedingungen variieren auf der Erde sehr stark. Es müsste wohl berücksichtigt werden, dass man beispielsweise in Grönland sehr viel schwerer mit minimalem CO2-Ausstoß leben kann als in Südfrankreich oder Griechenland.
  • Unterschiedliche Regionen sind sehr unterschiedlich stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Die besonders stark Betroffenen – die häufig sogar besonders wenig zum Problem beigetragen haben – können beanspruchen, entsprechend weniger zur Problemlösung beitragen zu müssen.

Sicherlich ist es sinnvoll, eine ganze Reihe von Aspekten bei der Aufteilung der CO2-Budgets auf nationale Budgets zu berücksichtigen, insbesondere

  • die historischen Emissionen,
  • die benötigten Anstrengungen (wirtschaftlichen Opfer) für einen bestimmten Reduktionspfad, sowie auch
  • die Gesamtkosten für die Zielerreichung.

Es ist also einerseits der Aspekt der Klimagerechtigkeit von großer Bedeutung, aber andererseits braucht man auch pragmatische Überlegungen dazu, wie eine Lösung zu möglichst geringen Kosten erreichbar ist und wie man einen Konsens dazu findet. Man wird vermutlich einen Weg der "Kontraktion und Konvergenz" finden müssen, nachdem zunächst vor allem die Industrieländer, die ja in besonderer Verantwortung stehen, besonders tatkräftig handeln (insbesondere mit der Dekarbonisierung ihrer Energieversorgung), sodass sich die Pro-Kopf-Emissionen allmählich einander annähern (konvergieren). Dabei müsste wohl akzeptiert werden, dass Entwicklungsländer, die einen besonders großen wirtschaftlichen Nachholbedarf haben, zeitweise noch steigende Emissionen, allerdings auf absolut gesehen niedrigem Niveau, haben.

Das Kriterium der Kostenminimierung legt natürlich die Konzentration von Maßnahmen auf die Länder nahe, in denen Klimaschutz besonders kostengünstig realisierbar ist. Allerdings genügt es offenkundig nicht, nur die "am niedrigsten hängenden Früchte" zu ernten, die häufig in der Dritten Welt hängen (Ausnahme: generelles Tempolimit auf Autobahnen); eine starke Reduktion der Emissionen in den Industrieländern ist unabdingbar. Übrigens können die Gesamtkosten ein Stück weit reduziert werden, indem wirtschaftlich schwächere Länder beim Klimaschutz finanziell unterstützt werden durch stärkere Länder, die solche Beiträge dann auf ihre eigenen Bemühungen anrechnen könnten – etwa im Rahmen eines globalen Emissionshandelssystems. Alternativ könnte man Systeme von CO2-Steuern einfügen, die national unterschiedliche Steuersätze haben (entsprechend dem dortigen Kostenniveau und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit), und zusätzlich internationale Ausgleichszahlungen vorsehen. Zahlungen der Industrieländer können auch als einen (teilweisen) Ausgleich für deren historische Emissionen betrachtet werden.

Reduktionspfade

Ein bestimmtes Emissionsbudget legt noch keinen konkreten Reduktionspfad fest, sondern eben nur die Gesamtmenge der über die Jahre erlaubten Emissionen.

Theoretisch ließe sich ein solches Budget also dadurch einhalten, dass man die Emissionen so lange konstant lässt, bis das Budget ausgeschöpft ist, und dann schlagartig auf Null reduziert – was in der Praxis natürlich nicht realisierbar ist. Dies würde nämlich einen völligen Zusammenbruch der Wirtschaft bedeuten. Die wahrscheinliche Folge wäre also nicht eine plötzliche Beendigung der Emissionen, sondern vielmehr das Scheitern des Klimaschutzes – und der spätere Zusammenbruch der Wirtschaft aus diesem Grund, falls nicht andere Länder das Versagen kompensieren.

Eher realistisch ist ein linearer Reduktionspfad, bei dem die jährlichen Emissionen jedes Jahr um den gleichen Betrag reduziert werden, bis sie schließlich bei Null liegen. (Man beachte, dass gewisse CO2-Emissionen auf einem geringen Niveau zwar unvermeidbar sind, aber kompensiert werden können, beispielsweise durch Aufforstungsmaßnahmen.) Der Zeitpunkt der Null-Emission liegt dann vom Startpunkt ausgesehen doppelt so weit in der Zukunft wie beim ursprünglichen Szenario mit konstanten Emissionen.

Eine weitere Variante ist ein exponentieller Reduktionspfad; hier ist die jährliche Reduktion immer ein fester Prozentsatz der derzeitigen (und nicht der anfänglichen) Emissionen.

In der Praxis wird man stets eine kompliziertere Entwicklung haben, auch mit kurzfristigen Schwankungen beispielsweise aufgrund der konjunkturellen Entwicklung.

Reduktionspfade
Abbildung 2: Theoretisch mögliche Reduktionspfade für Deutschland bei einem Emissionsbudget von 12,9 Gigatonnen.

Abbildung 1 zeigt einige theoretisch mögliche Reduktionspfade für Deutschland, wenn ein Emissionsbudget von 8,8 Gt zugrunde gelegt wird, entsprechend dem deutschen Anteil an der Weltbevölkerung (1,1 %) an einem globalen Budget von 800 Gt ab 2018, entsprechend einem Erwärmungsziel von 1,75 Grad im Einklang mit dem von Deutschland unterzeichneten Pariser Klimaabkommen von 2015. (Hierfür wurde also angenommen, dass Deutschland ungeachtet seiner historischen Emissionen das gleiche Pro-Kopf-Emissionsbudget wie z. B. jedes Entwicklungsland beanspruchen kann.) Man erkennt, dass das Budget auf dem derzeitigen Niveau der Emissionen bereits ca. 2029 aufgebraucht wäre. Mit einem linearen Reduktionspfad hätte man immerhin bis ca. 2040 Zeit. Bei anfänglich stärkerer Reduktion, beispielsweise mit einem exponentiell Reduktionspfad, hätte man in späteren Jahren deutlich mehr Zeit, um die besonders schwierige Herausforderung der Null-Emissionen allmählich zu erreichen.

Der bislang von der deutschen Bundesregierung beschlossene Reduktionspfad ist übrigens bei weitem zu schwach, um das oben genannte Emissionsbudget einhalten zu können – und selbst hierfür sind die konkret beschlossenen Maßnahmen noch lange nicht ausreichend. Ähnlich ist der Reduktionspfad, der mit dem EU-Emissionshandelssystem vorgesehen wurde, völlig unzureichend für das Erreichen der Klimaziele etwa von Paris 2015. Man betrachte hierzu auch die Ergebnisse des Sachverständigenrats für Umweltfragen [3].

Die Gesamtkosten für die Einhaltung eines CO2-Budgets sind generell schwer abschätzbar, aber sicherlich stark vom jeweiligen Reduktionspfad abhängig. Beispielsweise wird es mit Sicherheit zu höheren Gesamtkosten führen, wenn man (wie bisher) den Klimaschutz nur ganz halbherzig betreibt, also selbst relativ kostengünstige Maßnahmen auf eine unbestimmte Zukunft verschiebt. Besonders nachteilig ist, wenn in großem Umfang Investitionen getätigt werden, die langfristig keinen Bestand haben können – beispielsweise unter der Annahme eines ständig weiter wachsenden Luftverkehrs oder einer noch über Jahrzehnte praktizierten Kohleverstromung. Dies könnte auch zu erheblichen finanziellen Verwerfungen führen, die man als das Platzen einer Kohlenstoffblase beschreiben kann.

Vergleich von Emissionsbudgets mit Klimaschutzzielen für jährliche Emissionsmengen

Staatliche Klimaschutzziele werden meist so formuliert, dass die klimaschädlichen Emissionen pro Jahr bis zu einem gewissen Zieljahr (z. B. 2030 oder 2050) auf ein bestimmtes Maß gesenkt werden sollen. Dies hat gegenüber der Festlegung eines bestimmten CO2-Budgets den Vorteil, dass konkreter angegeben wird, was kurz- und mittelfristig zu erreichen ist. Bekanntlich besteht bei der Verwendung nur langfristiger Ziele die Gefahr, dass die zur Zielerreichung nötigen Maßnahmen immer wieder aufgeschoben werden, sodass das Ziel am Ende verfehlt wird.

Andererseits sind auf bestimmte Jahre bezogene Klimaschutzziele insofern problematisch, dass sie in einem weniger klaren Zusammenhang mit dem tatsächlich Notwendigen stehen. Für die klimatischen Verhältnisse, die für das Zieljahr zu erwarten sind, sind nämlich nicht die klimaschädlichen Emissionen dieses Zieljahres relevant, sondern die bis dahin erreichte Konzentration klimaschädlicher Gase in der Atmosphäre – also die gesamten Emissionen, die bis dahin erfolgen. Das birgt die Gefahr eines folgenreichen Missverständnisses: Wenn ein Emissionsziel – etwa die Reduktion der jährlichen Emissionen um 50 % gegenüber denen von 1990 – erst einige Jahre später erreicht wird, kann der falsche Eindruck entstehen, man erreiche das Ziel ja trotzdem, nur eben etwas später. In Wirklichkeit wird das eigentliche Klimaschutzziel dann aber verfehlt, weil die CO2-Konzentration in der Atmosphäre einen höheren Gipfelpunkt erreicht.

Ein ähnliches Problem besteht in mangelnder Aufmerksamkeit für kurzfristige Möglichkeiten des Klimaschutzes. Beispielsweise wird leicht übersehen, dass die versäumte Einsparung von Millionen Tonnen von CO2 durch ein fehlendes generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen später anderswo zusätzlich nachgeholt werden muss. Es wird ja nicht genügen, dass Tempolimit dann eben später einzuführen, sondern man muss die bis dann emittierten Millionen Tonnen noch irgendwie kompensieren – wobei es längst absehbar ist, dass dies sehr schwer und teuer werden wird.

Aus diesen Überlegungen sollten sich folgende Schlussfolgerungen ergeben:

  • Das maßgebliche Kriterium für den Umfang nötiger Klimaschutzmaßnahmen muss sich letztlich aus wissenschaftlich begründeten CO2-Budgets ergeben (unter zusätzlicher Berücksichtigung anderer Treibhausgase sowie einer angemessenen Verteilung auf die Länder, siehe unten).
  • Trotzdem bleibt es sinnvoll, auf bestimmte Zieljahre gerichtete Zwischenziele des Klimaschutzes zu formulieren, um das Handeln nicht beliebig in die Zukunft zu verschieben und damit die Kosten der Zielerreichung nicht noch weiter in die Höhe zu treiben. Es muss dabei immer klar sein, dass die Emissionsziele für bestimmte Jahre regelmäßig nachjustiert werden müssen – etwa nach unten, wenn die Zielerreichung verzögert erfolgt.
  • Außerdem ist immer zu beachten, dass allzu "moderate" (wenig ehrgeizige) kurzfristige Ziele umso härtere Maßnahmen in der Zukunft erforderlich machen werden, und dass deswegen ein langfristig möglichst kostengünstiger Klimaschutz sofortige entschiedene Maßnahmen erfordert.

Literatur

[1]R. Paschotta, Blog-Artikel: "Zur Verfassungswidrigkeit des deutschen Klimaschutzgesetzes"
[2]R. Paschotta, Blog-Artikel: "Deutsches Klimapaket: Kapitulation der Klimapolitik, Fortsetzung der Klientelpolitik"
[3]Sachverständigenrat für Umweltfragen, "Pariser Klimaziele erreichen mit dem CO2-Budget", https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/01_Umweltgutachten/20162020/2020_Umweltgutachten_Kapitel2_Pariser_Klimaziele.html
[4]S. Rahmstorf, "Wie viel CO2 kann Deutschland noch ausstoßen?", Spektrum.de SciLogs 28.03.2019, https://scilogs.spektrum.de/klimalounge/wie-viel-co2-kann-deutschland-noch-ausstossen/
[5]Special Report "Global Warming of 1.5 ºC" des IPCC, https://www.ipcc.ch/sr15/

Siehe auch: Klimagefahren, Klimaschutz, Kohlendioxid, Emissionshandel, CO2-Steuer, Dekarbonisierung, Kohleausstieg

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