Einschaltstrom
Definition: der elektrische Strom, der direkt nach dem Einschalten eines Verbrauchers kurzzeitig fließt
Alternativer Begriff: Einschaltstromstärke
Englisch: starting current
Kategorie: elektrische Energie
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Ursprüngliche Erstellung: 11.01.2022; letzte Änderung: 20.08.2023
Viele elektrische Verbraucher haben die Eigenschaft, dass die von ihnen bezogene elektrische Stromstärke direkt nach dem Einschalten (also der Verbindung mit einer Spannungsquelle) deutlich anders als die im Dauerbetrieb bezogene Stromstärke ist. In vielen Fällen ist dieser Einschaltstrom wesentlich stärker als der Dauerstrom – unter Umständen mehr als zehnmal höher. Genauer spricht man in der Elektrotechnik von einer hohen Einschaltstromstärke. Außer dieser Stromstärke ist oft von Interesse, wie lange der Einschaltstrom anhält – teils nur für Millisekunden, teils auch für mehrere Sekunden.
Bei Angaben für den Nennstrom bzw. die Nennleistung und Anschlussleistung eines Geräts wird der Einschaltstrom häufig nicht berücksichtigt.
Ursachen für starke Einschaltströme
Starke Einschaltströme können je nach Art des Verbrauchers ganz unterschiedliche Gründe haben:
Elektromotoren
Bei Elektromotoren gibt es oft einen hohen Einschaltstromstoß aufgrund der Tatsache, dass der Motor im ersten Moment noch nicht oder nur ganz langsam rotiert. Dadurch ist die induzierte Gegenspannung, die den Stromfluss im Normalbetrieb stark reduziert, noch sehr klein. Zusätzlich kann es in den ersten Millisekunden auch induktive Effekte geben (siehe unten). (Wie dies im Detail aussieht, hängt stark von der Bauweise des Motors ab.)
Wenn ein Motor eine große träge Masse antreiben muss, verschärft sich das Problem natürlich: Der Einschaltstrom kann dann für etliche Sekunden oder gar noch länger auftreten.
Bei Motoren wird der Einschaltstrom häufig auch als Anlaufstrom bezeichnet.
Kapazitive Lasten
Bei Entstörkondensatoren, bei Kondensatoren für die Blindstromkompensation, bei Glättungskondensatoren in Netzteilen und ähnlich bei anderen kapazitiven Bauelementen kommt ein starker Einschaltstromstoß einfach dadurch zustande, dass ein Kondensator schnell (innerhalb von Millisekunden) auf die plötzlich angelegte Spannung aufgeladen wird. Bei Betrieb mit Wechselspannung kommt es dabei entscheidend auf den genauen Einschaltzeitpunkt an: Der Stromstoß ist am stärksten, wenn im Spannungsmaximum eingeschaltet wird.
Induktive Lasten
Bei Transformatoren, Drosseln und anderen induktiven Bauteilen tritt ein hoher Einschaltstrom auf, wenn im Nulldurchgang der Spannung eingeschaltet wird (was überraschen mag). In diesem Fall schwingt die Stromstärke anfänglich nicht zwischen dem normalen Spitzenwert mit unterschiedlichen Vorzeichen, sondern zwischen null und dem doppelten normalen Spitzenwert. Dies unter der Voraussetzung, dass keine magnetische Sättigung eintritt; sonst kann der Spitzenwert sogar noch erheblich höher ausfallen. Erst nach einigen Schwingungszyklen wird dann der stationäre Zustand erreicht.
Wenn dagegen im Spannungsmaximum eingeschaltet wird, ist der Einschaltstrom oft nicht besonders hoch. (Allerdings kommt es auch auf die Art der Last im Sekundärkreis an.) Bei Verwendung elektronischer Schalter kann dies ausgenutzt werden.
Temperatureffekte
Auch bei Glühlampen gibt es starke Einschaltströme aufgrund der Tatsache, dass der elektrische Widerstand des Glühfadens bei niedrigen Temperaturen viel geringer ist als bei der normalen Arbeitstemperatur von z. B. 2500 °C. (Metallische Glühfäden sind Kaltleiter.) Der Effekt ist besonders stark bei Halogenlampen, da diese eine besonders hohe Arbeitstemperatur des Glühfadens von z. B. 3000 °C aufweisen. Dagegen sind solche Effekte bei elektrischen Heizelementen mit niedrigerer Arbeitstemperatur – z. B. bei Tauchsiedern viel schwächer.
Probleme und Gegenmaßnahmen
Hohe Einschaltströme können zumindest das lokale Stromnetz stark belasten, dabei unter Umständen zu Defekten führen oder auch durch den verursachten Einbruch der Netzspannung die Funktion anderer Geräte stören. Deshalb ist es vor allem bei stärkeren Geräten nötig, den Einschaltstrom zu begrenzen. Oft sind hohe Einschaltströme auch für die verursachenden Geräte selbst problematisch, sowie für die betroffenen Schalter.
Für die Reduktion von Einschaltströmen gibt es je nach Ursache diverse Möglichkeiten; einige Beispiele:
- Induktive Lasten können mit elektronischen Schaltern gezielt im Spannungsmaximum eingeschaltet werden. So wird der stationäre Zustand meist sehr schnell erreicht, ohne einen wesentlich erhöhten Einschaltstrom.
- Für manche Lasten gibt es Einschaltstrombegrenzer, die z. B. die Last anfangs nur mit einem Vorwiderstand (z. B. auch einer Drosselspule) betreiben, der dann wenig später mit einem Relais überbrückt wird.
- Kapazitive Lasten sollten dagegen im Nulldurchgang der Spannung eingeschaltet werden.
- Bei Elektromotoren kann der Einschaltstrom durch eine geeignete elektronische Regelung für einen Sanftanlauf stark reduziert werden. Selbst nur die Auswahl eines geeigneten Motorentyps kann bereits helfen.
- Starke Glühlampen können mit einem Dimmer (z. B. mit Phasenanschnittsteuerung) ebenfalls sanft hochgefahren werden; dies schont auch die Lampen.
- Man kann versuchen, das gleichzeitige Einschalten mehrerer Verbraucher mit hohem Einschaltstrom zu vermeiden.
Außerdem kann die Toleranz von Anlagen auf hohe Einschaltströme erhöht werden:
- Sicherungen und Leitungsschutzschalter wie auch Stromleitungen werden mit einer gewissen Reserve gegenüber dem nötigen Nennstrom ausgelegt. Außerdem kann man träge (langsam reagierende) Sicherungen verwenden, um ein Auslösen durch kurzzeitige (z. B. für das System noch nicht schädliche) Stromstöße zu vermeiden.
- Die Toleranz diverser Verbraucher auf kurzzeitige Spannungseinbrüche kann durch geeignete Konstruktion optimiert werden, beispielsweise durch Verwendung ausreichend großer Glättungskondensatoren.
Für den Energieverbrauch spielt der Einschaltstrom meistens keine wesentliche Rolle, da er ja nur kurzzeitig auftritt. Die gelegentlich eingetroffene Behauptung, das kurzzeitige Ausschalten von Geräten lohne sich deswegen nicht, trifft nicht zu. Jedoch kann es der Verlust an Lebensdauer u. U. trotzdem rechtfertigen, gewisse Verbraucher (z. B. Leuchtstofflampen ohne elektronisches Vorschaltgerät) nicht allzu häufig zu schalten.
Siehe auch: elektrische Stromstärke, Anschlussleistung
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