Emissionsgrad
Definition: ein Maß dafür, wie stark ein Material Wärmestrahlung mit seiner Umgebung austauscht
Alternativer Begriff: Emissivität
Englisch: emissivity
Kategorien: Grundbegriffe, physikalische Grundlagen, Wärme und Kälte
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
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Einheit: (dimensionslos)
Formelsymbol: <$\epsilon$>
Ursprüngliche Erstellung: 21.08.2014; letzte Änderung: 20.08.2023
Der Emissionsgrad <$\epsilon$> (auch als Emissivität bezeichnet) ist ein Maß dafür, wie stark ein Material oder ein Körper (z. B. eine Wandfläche) Wärmestrahlung mit seiner Umgebung austauscht.
Der größtmögliche Wert des Emissionsgrads ist 1. Dies entspräche einem sogenannten schwarzen Körper, der (als idealisierte Vorstellung) jegliche elektromagnetische Strahlung (z. B. Wärmestrahlung) absorbiert und damit auch maximal emittiert (siehe unten). Das andere Extrem wäre ein überhaupt nicht emittierender und absorbierender Körper mit einem Emissionsgrad von 0. Ein solcher würde also keinerlei Wärmestrahlung mit seiner Umgebung austauschen, d. h. er würde keine Wärmestrahlung abgeben und umgekehrt von außen kommende Wärmestrahlung zurück reflektieren, diffus zurückstreuen oder evtl. auch wie eine transparente Glasscheibe durchlassen. Reale Materialien haben einen Emissionsgrad irgendwo zwischen 0 und 1. dies bedeutet, dass sie weniger Wärmestrahlung abgeben als ein schwarzer Körper, dafür aber auch Wärmestrahlung reflektieren, streuen oder durchlassen.
Der Emissionsgrad realer Körper oder Materialien ist nicht eine konstante Zahl, sondern hängt von der Wellenlänge der betrachteten elektromagnetischen Strahlung ab. Beispielsweise ist der Emissionsgrad von unbeschichtetem Fensterglas für sichtbares Licht sehr klein, für längerwelliges Infrarotlicht (Wärmestrahlung) dagegen sehr groß (über 80 %). Deswegen ist die Angabe eines Emissionsgrads nur sinnvoll in Kombination mit der Angabe einer Wellenlänge oder eines bestimmten Wellenlängenbereichs. Besonders relevant ist der Emissionsgrad oft in dem Wellenlängenbereich, in dem bei einer gegebenen Temperatur am meisten Wärmestrahlung abgegeben werden könnte. Beispielsweise ist dies bei Zimmertemperatur der Bereich des mittleren bis fernen Infrarots mit Wellenlängen von einigen Mikrometern bis zu einigen Dutzend Mikrometern. Für einen heißen Körper dagegen wären kürzere Wellenlängen relevanter.
Nach dem Kirchhoffschen Strahlungsgesetz muss der Emissionsgrad für jede Wellenlänge dem Absorptionsgrad entsprechen. Wäre dies nicht so, ließe sich ein Perpetuum mobile zweiter Art konstruieren, d. h. eine Vorrichtung, deren Funktion den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik verletzt. Beispielsweise könnte ein stark absorbierender, aber kaum emittierender Körper allein durch den Strahlungsaustausch wärmer werden als seine gleichmäßig warme Umgebung.
Eine Substanz, die Licht einer bestimmten Wellenlänge stark absorbiert, jedoch nicht emittieren kann, ist also physikalisch nicht möglich. Trotzdem ist es möglich, dass eine Substanz z. B. einen großen Teil des einfallenden Sonnenlichts absorbiert und gleichzeitig kaum Strahlung im mittleren Infrarot emittiert. Umgekehrt ist es auch möglich, dass z. B. eine Heizkörperfarbe zwar weiß aussieht, weil sie sichtbares Licht größtenteils zurückstreut, trotzdem aber Wärmestrahlung gut abgeben kann. Der Unterschied zwischen Absorption- und Emissionsvermögen wird also dadurch möglich, dass für Absorption und Emission unterschiedliche Wellenlängenbereiche relevant sind.
Es ist möglich, auch die Richtungsabhängigkeit der Abstrahlung durch einen sogenannten gerichteten Emissionsgrad anzugeben. Häufig genügt jedoch die Angabe des sogenannten hemisphärischen spektralen Emissionsgrads, der die gesamte Abstrahlung in den Halbraum berücksichtigt, ohne die Verteilung auf bestimmte Richtungen anzugeben.
Bedeutung des Emissionsgrads in der Energietechnik
Der Emissionsgrad von Materialien ist häufig relevant im Zusammenhang mit Energie. Im Folgenden wird dies anhand einiger Beispiele erläutert.
Heizkörper
Die Oberfläche ein Heizkörpers soll normalerweise so beschaffen sein, dass möglichst viel Wärmestrahlung abgegeben wird, ohne dass der Heizkörper eine hohe Temperatur haben muss. (Dies gilt zumindest für die dem Raum zugewandte Seite; für die Rückseite des Heizkörpers in einer Heizkörpernische würde man dagegen eine möglichst geringe Wärmestrahlung bevorzugen, um Energieverluste zu vermeiden.) Zwar ist eine Wärmeabgabe auch durch die Konvektion erwärmter Luft möglich, jedoch wird die Funktion als Radiator (Abstrahler) meist bevorzugt und ohnehin eine insgesamt optimale Wärmeabgabe angestrebt. Wie oben ausgeführt, ist ein gutes Abstrahlungsvermögen des Heizkörpers durchaus auch mit einer hellen Farbe der Oberfläche vereinbar. Durch Betrachtung im sichtbaren Licht kann nicht beurteilt werden, wie effektiv eine Heizkörperfarbe Wärmestrahlung abgeben kann.
Fenster
Der Emissionsgrad von unbeschichtetem Fensterglas ist im für Wärmestrahlung relevanten Bereich recht hoch – typischerweise über 80 %. Anders als sichtbares Licht wird nämlich die Wärmestrahlung vom Glas absorbiert. Dies verhindert zwar, dass Wärmestrahlung aus einem Raum direkt nach außen gelangt. Allerdings strahlt die äußere Scheibe dadurch auch viel Wärme nach außen ab, und die innere Scheibe absorbiert Strahlung – eine effektive Reflexion wäre besser. Deswegen weisen moderne Wärmeschutzverglasungen eine dünne metallische Beschichtung auf, die den Emissionsgrad deutlich vermindert. Man spricht z. T. von "low-ε-Gläsern", obwohl der Effekt nur von der Beschichtung herrührt und nicht von der Wahl des Glases.
Fassade eines Gebäudes
Die Oberfläche der Fassade eines Gebäudes weist meist einen hohen Emissionsgrad in der Gegend von 90 % oder höher auf. (Dies gilt jedenfalls für gängige Anstriche verputzter Fassaden und für viele andere Baustoffe wie z. B. Natursteine, Beton oder Keramik.) Dies hat zur Folge, dass die Oberfläche einiges an Wärmestrahlung abgibt, selbst wenn ihre Temperatur nicht allzu hoch ist. Beispielsweise wird bei einer Oberflächentemperatur von 0 °C und einem Emissionsgrad von 90 % eine Leistung von ca. 283 W/m2 (Watt pro Quadratmeter) abgegeben. Andererseits wird, falls die gesamte Umgebung gleich warm ist, die gleiche Strahlungsleistung von der Oberfläche absorbiert, sodass netto kein Energieaustausch durch Strahlung stattfindet. Dieses Gleichgewicht besteht aber nicht, wenn die Umgebungstemperatur niedriger ist, sodass weniger Wärmestrahlung absorbiert wird, als die Oberfläche abgibt. Beispielsweise strahlt die Umgebung bei −5 °C nur 263 W/m2 zurück. Die Fassade verliert dann tatsächlich netto 20 W/m2 in Form von Strahlung und kühlt deswegen nicht nur durch den Kontakt mit kalter Luft ab. Bei einer gut wärmegedämmten Fassade nähert sich die Oberflächentemperatur mehr der (Strahlungs)temperatur der Umgebung an, da z. B. bei einem U-Wert von 0,2 W/(m2 K) nur rund 4 W/m2 durch die Wand nach außen fließen und dies auf Dauer der Summe von Strahlungs- und Konvektionsverlusten der Oberfläche entsprechen muss.
Unter Umständen kann dadurch die Oberflächentemperatur einer Fassade sogar unter die Lufttemperatur abfallen, z. B. wenn in einer klaren Nacht die Strahlungstemperatur des Himmels sehr tief liegt. (Aus demselben Grund kann auch Bodenfrost auftreten, selbst wenn die Lufttemperatur etwas über 0 °C liegt.) Wenn es auf diese Weise häufig zu Taupunktunterschreitungen kommt, können Feuchteprobleme resultieren, beispielsweise Algenbewuchs der Fassade.
Durch spezielle Anstriche (auch als low-ε-Anstriche oder Energiesparfarben bezeichnet) ist es möglich, den Emissionsgrad einer Fassade deutlich zu reduzieren, z. B. auf 0,5 oder gar 0,3. (Metallische Oberflächen können sogar deutlich unter 0,1 liegen.) Dies führt zu einer reduzierten Wärmeabstrahlung und somit zu geringeren Wärmeverlusten der Fassade. Außerdem kommt es seltener zu Oberflächentemperaturen unterhalb der Lufttemperatur, die Taupunktunterschreitungen zur Folge haben könnten. Bei ungedämmten Fassaden ist damit eine gewisse energetische Verbesserung möglich, wenn auch eine deutlich geringere als mit einer effektiven Wärmedämmung. Bei gedämmten Fassaden dagegen steht der genannte Schutz gegen Feuchtigkeitsprobleme im Vordergrund.
Thermografie
Im Rahmen der Thermografie wird die Temperatur von Oberflächen dadurch bestimmt, dass man die Stärke der davon ausgehenden Wärmestrahlung misst. Die Berechnung der Temperatur setzt allerdings voraus, dass der Emissionsgrad der Oberfläche bekannt ist. Außerdem sollte der Emissionsgrad möglichst hoch sein, da andernfalls die von der Oberfläche ausgehende Wärmestrahlung zum großen Teil durch Reflexion oder Streuung zustande kommt; dieser Anteil sagt ja offenkundig nichts über die Temperatur der Oberfläche aus. Bei unvollständiger Emission ist eine rechnerische Korrektur der ermittelten Werte möglich, wenn man die Strahlungstemperatur der Umgebung kennt. Bei manchen Thermografiekameras wird dafür die Temperatur des Geräts selbst angenommen, also vorausgesetzt, dass sich das Gerät etwa auf der Temperatur der umgebenden Luft befindet und diese wiederum der Strahlungstemperatur. Solche Annahmen sind oft nicht wirklich erfüllt, was dann zu ungenauen Resultaten führen kann.
Aus den genannten Gründen ist die Temperaturbestimmung durch Thermografie unzuverlässig z. B. auf metallischen Oberflächen oder auch auf Spezialfarben mit geringer Emissivität. Für die meisten Fassadenoberflächen dagegen ist die Emissivität hoch und diese Fehlerquelle deswegen nicht sehr groß – selbst wenn die Emissivität nicht genau bekannt ist.
Siehe auch: Wärmestrahlung, Heizkörper, Temperatur, Thermografie
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