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Energiesparfarbe

Definition: ein Anstrich einer Fassade oder Innenwand, der Wärmeverluste reduzieren soll

Englisch: energy saving paint

Kategorien: Energieeffizienz, Haustechnik, Wärme und Kälte

Autor:

Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen

Ursprüngliche Erstellung: 21.08.2014; letzte Änderung: 20.08.2023

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Diverse Hersteller bieten sogenannte Energiesparfarben an, die versprechen, die Wärmeverluste eines Gebäudes und damit die Heizkosten zu vermindern. Auch andere positive Wirkungen werden teilweise versprochen, beispielsweise eine verbesserte Austrocknung der Mauern, der Schutz vor Schimmel und ein besseres Raumklima. (Es ist auch teils von Klimabeschichtungen die Rede.) Solche Versprechungen sind teilweise physikalisch nachvollziehbar und messtechnisch belegbar, in anderen Teilen aber nicht. Häufig wird sogar mit eindeutig pseudowissenschaftlichen Ausführungen gearbeitet, die von Laien freilich schwer von echten wissenschaftlichen Arbeiten unterscheidbar sind. Im Folgenden werden diverse physikalisch/technische Aspekte analysiert, um die Unterscheidung echter Effekte von unrealistischen Behauptungen zu erleichtern.

Reduzierter Emissionsgrad

Die wohl wichtigste Wirkung energiesparender Anstriche hat mit der Reduktion des Emissionsgrads der Oberfläche zu tun, die durch Verwendung bestimmter Zusätze in der Rezeptur möglich ist. (Eine erhöhte Infrarot-Reflexion geht ebenfalls damit einher.) Wenn nämlich eine Außenwand über keine effektive Wärmedämmung verfügt, kann sich an kalten Tagen eine äußere Oberflächentemperatur einstellen, die deutlich über der Umgebungstemperatur liegt. Dies führt dazu, dass die Oberfläche wesentlich mehr Wärmestrahlung abgibt, als sie aus der kälteren Umgebung empfängt; dieser Effekt wirkt zusätzlich zur Wärmeabgabe an die vorbei streichende kalte Luft. (Vor allem ist dies der Fall in kalten klaren Winternächten, wo die Strahlungstemperatur des Himmels deutlich tiefer liegen kann als die Lufttemperatur.) Wenn der Wärmeaustausch mit der Umgebung durch einen reduzierten Emissionsgrad entsprechend vermindert ist, werden dadurch die Wärmeverluste vermindert. Allerdings ist dieser Effekt viel schwächer als der einer effektiven Wärmedämmung. Werbeversprechen von angeblichen Energieeinsparungen bis zu 30 % oder gar noch mehr sind deswegen unrealistisch. (Sie basieren vermutlich auf fragwürdigen Abschätzungen für Idealbedingungen und nicht auf messtechnisch belegbaren Resultaten.) Im Prinzip ist es aber physikalisch möglich, die Wärmeverluste auch ohne nennenswerte Verminderung des sogenannten U-Werts etwas zu reduzieren.

In Kombination mit einer Wärmedämmung kann eine im Infraroten reflektierende (bzw. streuende) Farbe die Wärmeverluste nur marginal weiter verringern. Trotzdem kann sie einen nützlichen Effekt haben: Sie verhindert, dass in kalten Nächten die Oberflächentemperatur deutlich unter die Lufttemperatur absinkt und dadurch häufige Taupunktunterschreitungen auftreten. Auf diese Weise kann die Fassade im Mittel trockener gehalten werden, wodurch die Neigung zur Veralgung abnimmt.

Die beschriebene Wirksamkeit eines energiesparenden (oder gegen Algen schützenden) Anstrichs kann natürlich nur beurteilt werden, wenn der Emissionsgrad <$\epsilon$> angegeben wird. Er müsste erheblich niedriger sein als typische Werte gängiger Fassadenputze, die meist zwischen 0,8 und 0,95 liegen. Für eine echte "low-ε-Beschichtung" wären Werte deutlich unter 0,5 zu erwarten.

Auch für die Innenseite einer Wand kann ein reduzierter Emissionsgrad im Prinzip nützlich sein. Er führt nämlich zu einem geringeren Wärmeaustausch mit dem Raum, sodass im Falle einer Außenwand die Wärmeverluste reduziert werden. Insbesondere in Heizkörpernischen ist hier eine gewisse Einsparung denkbar. Allerdings ist es zweifelhaft, dass mit solchen Anstrichen erhebliche Energieeinsparungen möglich sind, die massiv höhere Materialkosten rechtfertigen. Auch ein spürbarer "Kachelofeneffekt" ist wohl kaum zu erwarten.

Häufig werden angebliche Belege für die Wirksamkeit von Energiesparfarben in Form von Thermografie-Aufnahmen präsentiert. Die erhaltenen Wärmebilder sind allerdings oft irreführend oder gar falsch. Für eine korrekte Temperaturmessung muss nämlich an der Thermografiekamera der Emissionsgrad eingestellt werden. Wenn aber in einem Bild sowohl gestrichene als auch ungestrichene Stellen gezeigt werden, die dann entsprechend unterschiedliche Emissionsgrade aufweisen müssten, kann die Temperaturmessung nicht für beide gleichzeitig korrekt sein. Angeblich gefundene Temperaturunterschiede sind dann womöglich nicht real existierend, sondern reine Messfehler.

Solche Fehler können auch erklären, warum auf der Innenseite von Außenwänden bei Verwendung von Energiesparfarben sogar höhere Oberflächentemperaturen gefunden wurden, die ja eigentlich erhöhte Wärmeverluste zur Folge haben sollten. In Wirklichkeit wird an solchen Stellen Wärmestrahlung aus dem wärmeren Inneren des Raums reflektiert bzw. gestreut, was eine höhere Temperatur vortäuscht. Die wirkliche Temperatur sollte sogar niedriger liegen, da die Wand ja weniger Wärmestrahlung absorbiert, jedoch genauso leicht Wärme nach außen ableitet wie unbestrichene Flächen. Zwar wären im Prinzip reduzierte Wärmeverluste selbst bei erhöhter Oberflächentemperatur denkbar, wenn die daraus resultierende Austrocknung des Mauerwerks dessen U-Wert vermindert. Jedoch käme der Prozess, der die Oberflächentemperatur erhöht, ja gar nicht erst in Gang durch einen Anstrich, der die Infrarotabsorption reduziert.

Verminderte Staubaufwirbelung

Dem genannten reduzierten Wärmeaustausch wird von manchen Herstellern auch eine Reduktion der Luftkonvektion im Raum zugeschrieben und damit eine verminderte Aufwirbelung von Staub. Dies ist im Prinzip denkbar, wenn aufgrund reduzierter Wärmeverluste die Heizkörper, die die Konvektion im Wesentlichen antreiben, weniger heiß werden müssen. Allerdings ist kaum glaubhaft, dass auf diese Weise spürbar weniger Staub aufgewirbelt wird, zumal solche Aufwirbelungen im Normalfall ohnehin schwach sind.

Trocknungseffekte

Bei der Werbung für manche Energiesparfarben ist nicht von Strahlungseffekten die Rede, sondern von einer verbesserten Austrocknung des Mauerwerks. Sofern eine solche tatsächlich auftritt, ist eine gewisse Verminderung des U-Werts des Mauerwerks möglich, da die Wärmeleitfähigkeit von Baumaterialien mit zunehmender Feuchtigkeit im Allgemeinen zunimmt. Ob solche Effekte tatsächlich eintreten, hängt allerdings von diversen Faktoren ab und keineswegs nur von der Beschaffenheit eines Anstrichs.

Die erste Frage ist, ob das Mauerwerk mit einem gewöhnlichen Anstrich tatsächlich so feucht ist, dass seine Wärmeleitfähigkeit nennenswert erhöht ist. Dies hängt unter anderem davon ab, ob nennenswerte Mengen von Feuchtigkeit aus den Innenräumen durch das Mauerwerk diffundieren.

Weiter müsste geprüft werden, ob (bzw. unter welchen genauen Umständen) der angebotene Anstrich tatsächlich die Eigenschaft hat, aus der Mauer kommende Feuchtigkeit effektiver als andere Anstriche an die Außenluft abzugeben. Für manche Materialien werden in diesem Zusammenhang wenig glaubhafte Behauptungen aufgestellt, beispielsweise dass ein Feuchtigkeitstransport nur von innen nach außen möglich sei und nicht umgekehrt.

Schutz vor Schimmel

Im Außenbereich ist eine gewisse Trocknungswirkung denkbar (siehe oben), was unter Umständen die Neigung zum Befall durch Algen und Pilze reduzieren kann.

Bei Wänden von Innenräumen, wo Schimmel ein viel schwerwiegenderes Problem ist, ist eine Wirkung dagegen kaum vorstellbar. Im Gegenteil könnte die reduzierte Oberflächentemperatur (als Folge verminderter Wärmeaufnahme der Wand) die Gefahr der Tauwasserbildung vergrößern. Deswegen wird vor solchen Anstrichen an nicht wärmegedämmten Wänden teils sogar gewarnt.

Regulation der Luftfeuchtigkeit in Räumen

Für manche Innenraumfarben wird behauptet, dass sie die Luftfeuchtigkeit effektiv regulieren könnten. Dies wäre im Prinzip durchaus wünschenswert – nicht vorwiegend aus energetischen Gründen –, ist jedoch physikalisch nur begrenzt möglich. Poröse Baustoffe können eine Zeit lang Feuchtigkeit aufnehmen und später, wenn die Luftfeuchtigkeit wieder sinkt, wieder abgeben. Ein dauerhaftes Entfeuchten ist aber unmöglich, weil die Feuchtigkeit ja nirgends verschwinden kann.

Sommerliche Kühlung

Manche Hersteller von Energiesparfarben schreiben ihren Produkten auch die Fähigkeit zu, gegen eine sommerliche Überhitzung der Räume zu wirken. Hierfür werden teils physikalisch nicht nachvollziehbare Begründungen gegeben. Beispielsweise wird vorgebracht, die Verdunstung von Feuchtigkeit an solchen Wänden würde eine Verdunstungskälte erzeugen. Dies wäre aber nur möglich, wenn der Wand ständig Wasser in flüssiger Form zugeführt würde (was natürlich auch die Luftfeuchtigkeit entsprechend unangenehm erhöhen würde). Die Zufuhr von Feuchtigkeit über die Luft führt nämlich zu Kondensationswärme, die die spätere Verdunstungskälte genau ausgleicht.

Im Prinzip denkbar ist eine verminderte Aufheizung der Wände durch die Sonneneinstrahlung, wenn ein verminderter Emissionsgrad (siehe oben) auch für die hierfür relevanten kürzeren Wellenlängen (im nahen Infrarot) gilt. Insofern ist ein gewisser kühlender Effekt möglich, wenn keine Wärmedämmung vorliegt. Jedoch erfolgt der Großteil des Wärmeeintrags in das Gebäude in der Regel nicht durch die Sonneneinstrahlung auf die Wände. Das eigentliche Problem liegt eher in der Einstrahlung durch die Fenster, und hier ist ein angemessener äußerer Sonnenschutz eine wirksame Lösung. Ein weiterer Faktor ist die Belüftung z. B. in Form von Fensterlüftung, die an heißen Tag zwangsläufig die Raumtemperatur erhöht, soweit sie nichts nachts erfolgt.

Gesamtbewertung

Vor allem die Reduktion des Emissionsgrads einer Fassade oder einer inneren Wandoberfläche kann im Prinzip Wärmeverluste verringern, auch ohne dass der U-Wert der Wand deutlich vermindert wird. Insofern sind wirksame Energiesparanstriche physikalisch durchaus möglich und nicht etwa grundsätzlich als Humbug anzusehen. Allerdings sind so hohe Einsparungen, wie sie von etlichen Herstellern versprochen werden, völlig unplausibel, und diverse andere wundersame Wirkungen sind noch weniger zu erwarten. Keineswegs kann eine Energiesparfarbe als eine Alternative zur Wärmedämmung dienen – eher als eine Ergänzung zwecks Verhinderung von Algenbefall, wobei diese immerhin plausible Wirkung anscheinend noch nicht wissenschaftlich bestätigt ist. Es ist im Übrigen unangemessen, das einfache Bestreichen einer ungedämmten Fassade mit einer Energiesparfarbe als "energetische Sanierung" zu bezeichnen, da eine vergleichbare Wirkung damit wohl nicht erreichbar ist.

Siehe auch: Wärmestrahlung, Emissionsgrad, Wärmedämmung, Sonnenschutz

Fragen und Kommentare von Lesern

24.02.2019

Es wäre gut, das Thema noch mit tatsächlichen oder zumindest behaupteten Zahlenwerten (kritisch kommentiert) zu ergänzen:

  • Was wäre theoretisch ideal möglich, z.B. mit einen Alu-verspiegelten Fassade?
  • Vergleich zu gewöhnlicher weißer Fassaden-Farbe, deren hoher Reflexionsgrad auch bereits einen niedrigen Emissionsgrad verspricht?
  • Gesamt-Effekt statt gewöhnlicher weißer Fassaden-Farbe auf ungedämmtem Mauerwerk: Wie viel cm Styropor-Dämmstärke soll die die Energiespar-Farbe im "griffigen" Vergleich entsprechen?
  • Minderung des Effekts durch Alterung: Auflagerung von Staub, Algen u.a. Umwelt-Einflüssen?

Vermutlich kann Energiespar-Farbe tatsächlich keinen nennenswerten Beitrag zu einer effektiven Wärme-Dämmung leisten. Wenn sie dabei noch wesentlich mehr als gewöhnliche Fassaden-Farbe vergleichbarer Qualität kosten soll, ist letztlich reiner Nepp und Geld-Schneiderei zu unterstellen!

Antwort vom Autor:

Das sind gute Fragen, die leider schwer quantitativ zu beantworten sind. Jedoch würde ich erwarten, dass nur geringfügige Verbesserungen bei ungedämmten Wänden möglich sind, und bei bereits gut wärmegedämmten Wänden keine signifikante Veränderung. Von daher wäre ich sehr skeptisch gegenüber der Idee, Geld für so etwas auszugeben.

Übrigens kann man vom weißen Aussehen einer Farbe keineswegs auf das Verhalten im infraroten Bereich schließen.

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