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Energiespeicher: essenziell für die Energiewende?

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(Dieser Artikel erschien im Magazin eco2friendly.ch 01/2013.)

So ermutigend der schnelle Anstieg der Energieerzeugung mit Wind und Sonne z. B. in Deutschland ist, gibt es doch auch Sorgen wegen der fluktuierenden Natur dieser Einspeisungen. Woher soll die Energie kommen, wenn der Wind mal nicht weht und die Sonne auch nicht scheint, so fragen sich viele.

Bisher ist dieses Problem nicht akut, weil der Anteil erneuerbarer Energien noch begrenzt ist. Fossil befeuerte Kraftwerke (z. B. Gaskraftwerke) können die jeweils fehlenden Strommengen liefern. Allerdings ist nicht klar, wie lange noch ausreichend Erdgas verfügbar sein wird, und für den Klimaschutz sollte eine annähernd CO2-freie Stromerzeugung europaweit möglichst bald realisiert werden.

Das heutige System der Stromversorgung könnte auch noch mehr Energie aus Windenergieanlagen und Photovoltaik gewinnen. Allerdings dürfte der Ausgleich der Schwankungen ab einem Anteil von rund 40 % zunehmend schwieriger werden, also noch lange bevor eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien erreicht ist.

Zu kleine Energiespeicher

Die naheliegendste Lösung wäre, vermehrt Energiespeicher einzusetzen, die zu Zeiten mit viel Wind und/oder Sonne überschüssige Energie aufnehmen und zu anderen Zeiten wieder gezielt abgeben können. Die Schweiz hat zwar große Speicher-Wasserkraftwerke, aber in Europa gibt es davon insgesamt viel zu wenig, um die oben angedeutete Strategie für eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energiequellen zu realisieren. Ein Ausbau in diesem riesigen Umfang wäre unmöglich.

Neue Energiespeicher?

Sehr willkommen wären neue Technologien für Energiespeicher. Der Laie wird vielleicht zuerst an Batterien denken, aber damit geht es nicht: Die Kosten pro gespeicherter Kilowattstunde liegen weitaus zu hoch, um dies in großem Umfang zu praktizieren.

Eher kämen Druckluftspeicher in Frage. Ihr Energieverlust wird sich wohl auf rund 30 % verringern lassen, und die Kosten sind moderat. Allerdings wird es auch mit dieser Technologie kaum möglich sein, Speicher in riesigem Umfang zu realisieren.

Sehr große Speicherkapazitäten würden verfügbar mit der heute viel diskutierten Strategie "Power to Gas". Hier würde mit überschüssigem Strom durch Elektrolyse Wasserstoff erzeugt und daraus ggf. Methan, welches in das Erdgasnetz eingespeist wird. Bereits das bisherige europäische Gasnetz hat sehr große Speicher – weitaus mehr als die Stromnetze haben. Der große Pferdefuß sind aber die sehr hohen Energieverluste: rund 30 % bei der Elektrolyse, nochmals 10 % bei der Methanisierung, dann wieder 40 % bei der Rückverstromung (in den heute besten Anlagen), so dass man insgesamt nicht einmal 40 % der eingespeicherten Energie zurück erhält. Leider erscheint es unmöglich, diese Verluste durch weitere Verbesserungen der Technik massiv zu senken. Die Folge wären noch mehr Windräder, nur um all die Verluste auszugleichen, und natürlich hohe Kosten.

Stromnetze als Lösung: das europäische Supergrid

Zum Glück gibt es eine Lösung, die den Bedarf an Energiespeichern massiv reduziert: den Bau eines europäischen Supergrids mit Gleichstromübertragung (HGÜ), das den Austausch großer Strommengen innerhalb von ganz Europa und auch Nordafrika kostengünstig und verlustarm möglich machen würde. Die großen Wasser-Speicherkraftwerke in Norwegen, die auch noch wesentlich ausgebaut werden könnten, würden damit für ganz Europa nutzbar. Die relativen Schwankungen der Erzeugung würden stark reduziert, vor allem wenn Windenergie und Solarkraftwerke in Nordafrika mit eingebunden würden: Es gibt kaum je Windstille und trübes Wetter in der gesamten Großregion. Vor allem Windkraftanlagen in Nordafrika würden gleichzeitig die Stromerzeugungskosten stark reduzieren. Die detaillierte Studie von Dr. Gregor Czisch (damals an der Universität Kassel) zeigte, dass eine Vollversorgung mit Strom aus erneuerbaren Quellen mit heute verfügbarer Technik (auch ohne neue Speichertechnologien) möglich wäre, und dies zu niedrigen Kosten.

Diverse Einwände gegen diese Strategie sind wenig überzeugend. Die Versorgungssicherheit wäre hoch, da das Supergrid im Notfall Reserven in allen Himmelsrichtungen verfügbar machen könnte. Auch eine gekappte Leitung wäre für ein stark vermaschtes Netz kein Problem. Der Bau solcher Netze braucht Zeit, aber wohl weniger als die Realisierung neuer Technologien. Jedenfalls ist keine andere Strategie absehbar, die technisch und wirtschaftlich gesehen ähnlich realistisch wäre. Es wäre an der Zeit, die Umsetzung konkret zu planen.

Ausführlicher wird dieser Ansatz diskutiert in diesem Artikel: "Energiespeicher und Stromnetze – was braucht die Energiewende?"

Siehe auch: Energiespeicher, Speicher für elektrische Energie, Supergrid

Fragen und Kommentare von Lesern

27.10.2018

Wir haben hier in Deutschland die Möglichkeit, große Energiespeicher in Form von wasserbetriebenen Pumpspeicheranlagen zu realisieren. Dabei können die Tagebaurestlöcher der stillgelegten Braunkohletagebaue genutzt werden, indem etwa zwei dicht benachbarte Gruben durch unterirdische Tunnel (Autobahntunnelformat) verbunden oder ein langgestreckter Tagebau durch einen Damm in zwei Hälften getrennt werden, ebenfalls durch Tunnel miteinander verbunden. Das kombinierte Pump-Kraftwerk befindet sich etwa auf halber Strecke zwischen den beiden künstlichen Seen, wobei der obere bis zum Rand gefüllt ist, der Wasserspiegel des unteren befindet sich je nach Standort etwa 50 bis 100 Meter tiefer. Bei einer nutzbaren Höhendifferenz von 50 Metern und einem nutzbaren Speichervolumen von einem Kubikkilometer erhalten sie eine Speicherkapazität von hunderten Gigawattstunden hydraulischer Energie. Bei einer Gesamtleistung im einstelligen Gigawattbereich können sie für viele Stunden ein heutiges Braunkohlekraftwerk ersetzen. Wenn sich beim Speichern ein Wirkungsgrad von 70 % und bei der Stromgewinnung von 80 % erreichen lassen, so erhalten sie einen Gesamtwirkungsgrad von über 50 %. Die erforderlichen Wasserkraftturbinen und Generatoren entsprechen dem heutigen Stand der Technik und lassen sich leicht beschaffen. Für die Pumpen und Absperrschieber ist aus meiner Sicht noch etwas Entwicklungsaufwand zu treiben, um die riesigen Volumenströme bei gutem Wirkungsgrad zu realisieren.

Die Kraftwerksbetreiber (das könnten die gleichen sein, die heute die Braunkohle abbauen) können beim Aufladen des Speichers auf sehr preiswerten Strom aus Überkapazitäten im Netz zurückgreifen und bei der Stromproduktion in Zeiten des Energiemangels profitabel arbeiten.

Antwort vom Autor:

Technisch erscheint mir dies durchaus nicht als abwegig. Ob es tatsächlich wirtschaftlich ist, kann ich leider nicht sicher beurteilen. Angesichts des im Prinzip naheliegenden Plans sollte so etwas realisiert werden, wenn es wirtschaftlich machbar ist. Der geringe Höhenunterschied dürfte allerdings diverse Probleme verursachen, etwa betreffend den möglichen Wirkungsgrad, den Sie tatsächlich auch schon eher tief eingeschätzt haben; das beeinträchtigt natürlich auch die Wirtschaftlichkeit des Betriebs.

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