Energieversorgungsunternehmen
Akronym: EVU
Definition: ein Unternehmen, welches Energie (z. B. elektrische Energie oder Erdgas) verkauft
Alternativer Begriff: Energieversorger
Englisch: power company
Kategorien: elektrische Energie, Energiepolitik, Grundbegriffe
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Ursprüngliche Erstellung: 18.04.2012; letzte Änderung: 20.08.2023
URL: https://www.energie-lexikon.info/energieversorgungsunternehmen.html
Im Prinzip ist ein Energieversorgungsunternehmen (Energieversorger) einfach ein Unternehmen, welches im Bereich der Energieversorgung tätig ist. Im Bereich elektrischer Energie können Unternehmen allerdings sehr unterschiedliche Funktionen erfüllen:
- Stromerzeuger betreiben Kraftwerke (Großkraftwerke oder auch dezentrale Anlagen), um elektrische Energie zu erzeugen, die dann in die Stromnetze eingespeist wird.
- Netzbetreiber betreiben die Stromnetze, um die Energie zum Kunden zu leiten. Man unterscheidet hier die Höchstspannungs-Übertragungsnetze von den Verteilungsnetzen. Die Verteilungsnetzbetreiber übernehmen auch die Ablesung der Stromzähler.
- Eine weitere Aufgabe ist der Vertrieb, d. h. der Kontakt zu den Endkunden. Hierzu gehört das Erstellen von Stromrechnungen entsprechend den vereinbarten Stromtarifen.
Ähnliches gilt für andere Energieformen wie Erdgas, Fernwärme und Nahwärme: Auch dort gibt es die Aufgaben der Erzeugung bzw. Beschaffung, Transport und Endkundenbetreuung.
Im Sinne des deutschen Energierechts ist ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen eine natürliche oder juristische Person, die elektrische Energie an Letztverbraucher liefert. Sie muss nicht unbedingt an der Erzeugung beteiligt sein. Ein nur im Bereich Stromerzeugung arbeitendes Unternehmen, welches aber nicht Endkunden beliefert, sondern z. B. nur andere Unternehmung für die Vermarktung, gilt danach nicht als Energieversorgungsunternehmen.
Nicht gebräuchlich ist die Bezeichnung von Lieferanten von anderen Energieträgern wie Benzin oder Heizöl als Energieversorgungsunternehmen.
Vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen
Früher dominierten z. B. in Deutschland vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen, die von der Erzeugung über die Netze bis hin zur Kundenbetreuung alle Funktionen erfüllten. Da sie durch ihre Stromnetze in natürliches Monopol besaßen, welches zudem durch die Aufteilung der Versorgungsgebiete noch zementiert wurde, gab es keinerlei Wettbewerb: Die Kunden waren fest an das EVU gebunden, welches das jeweilige Versorgungsgebiet hatte.
Um Missbräuche zu vermeiden, erfolgte eine staatliche Aufsicht, die auch die Stromtarife überwachte (Strompreisüberwachung): Die Tarife durften nicht so teuer werden, dass die Gewinne der Unternehmen gewisse Grenzen überstiegen. Andererseits konnten Kosten z. B. für Investitionen problemlos auf die Kunden übergewälzt werden. Dies hatte diverse Auswirkungen:
- Es war für die EVU problemlos möglich, eine leistungsfähige und sichere Strom-Infrastruktur aufzubauen und zu unterhalten. Dies ermöglichte eine hohe Versorgungssicherheit.
- Investitionen mussten nicht nach kurzfristigen wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgen. Es konnte also auch in Großprojekte investiert werden, die nur eine langfristige Amortisation ermöglichten, beispielsweise in große Wasserkraftwerke oder in Kernkraftwerke. Dies und auch die relativ geringen Vertriebskosten (weil aufwendige Werbung zur Verdrängung von Konkurrenten unnötig war) führte häufig zu nicht besonders niedrigen, aber doch moderaten Kosten der Stromversorgung, obwohl ein disziplinierender Kostendruck entfiel und manche Großprojekte sich als unwirtschaftlich erwiesen.
Als eine weitere Auswirkung der Monopole hatten die Kunden der EVU keine Möglichkeit, z. B. zu einem Ökostromanbieter zu wechseln. Die großen EVU hatten auch kaum Interesse, selbst Ökostrom anzubieten. Einspeisungen aus erneuerbaren Energien von dezentralen Anlagen wehrten sie auf verschiedene Weisen ab, da sie solche Aktivitäten als eine unerwünschte Konkurrenz betrachteten. Eine Energiewende wäre unter solchen Umständen schwer realisierbar gewesen.
Liberalisierung der Strommärkte
In den 1990er Jahren begann eine zunehmende Liberalisierung der Strommärkte, und zwar in der gesamten Europäischen Union. Das Hauptziel war die Schaffung eines Wettbewerbs, so dass Marktmechanismen die Effizienz des Gesamtsystems maximieren können:
- Verschiedene Stromerzeuger sollen im Wettbewerb zueinander stehen, wobei sie möglichst einheitliche Voraussetzungen für die Marktteilnahme haben sollen. Wichtig ist insbesondere der freie Zugang zu den Stromnetzen, den ihnen die Netzbetreiber gewährleisten müssen.
- Auf der Ebene der Netze kann kein Wettbewerb herrschen, da es nicht praktikabel wäre, mehrere Netze parallel zu betreiben. Hier erfolgt eine staatliche Überwachung, damit die natürlichen Monopole nicht unangemessen ausgenützt werden und der Wettbewerb auf den anderen Ebenen stattfinden kann.
- Beim Vertrieb herrscht wieder der Wettbewerb; Stromerzeuger wie auch Stromhändler konkurrieren bei der Gewinnung der Endkunden.
Als Voraussetzung für den Wettbewerb wurde stufenweise eine Entflechtung der Stromkonzerne durchgesetzt: Die Bereiche Erzeugung, Netze und Vertrieb mussten anfangs nur buchhalterisch getrennt werden, später aber von separaten Gesellschaften durchgeführt werden. Die EVU entwickelten sich dann oft zu Holdings, bestehend aus Gesellschaften für die einzelnen Geschäftsbereiche. Teilweise wurden auch die Übertragungsnetzbetreiber verkauft, u. U. sogar an ausländische Firmen, und wurden damit völlig unabhängig von den ursprünglichen Konzernen. Eine völlige eigentumsrechtliche Entflechtung wird von der EU-Kommission angestrebt.
Eine detaillierte staatliche Aufsicht ist auch in liberalisierten Märkten notwendig, nur dass diese ganz andere Aspekte behandelt als bei den früheren Monopolen:
- Die Netzbetreiber (sowohl Übertragungsnetzbetreiber als auch Verteilungsnetzbetreiber) sind dazu verpflichtet, jedermann einen diskriminierungsfreien Netzzugang zu ermöglichen. Dies bedeutet zunächst eine allgemeine Versorgungspflicht: Alle Verbraucher am Ort haben Anspruch auf die Versorgung (außer in Extremfällen, bei denen dies für den Versorger wirtschaftlich nicht zumutbar ist). Außerdem kann jeder Stromerzeuger den Anschluss an das Netz zwecks Einspeisung verlangen, d. h. es gibt eine Anschlusspflicht. Stromanbieter können Kunden an beliebigen Orten im Land gewinnen und haben das Recht, die von ihnen erzeugte oder eingekaufte erzeugte Energie zu ihren Kunden durchzuleiten. (Die Durchleitung bedeutet, dass mengenmäßig und weitgehend zeitgleich Energie an manchen Stellen in das Netz eingespeist und andernorts entnommen wird, wobei die eingespeiste und die entnommene Energie physikalisch nicht direkt einander zugeordnet werden können.)
- Auch die Endkunden haben das Recht zur Wahl ihres Stromanbieters. Ein Stromanbieterwechsel darf nicht durch den bisherigen Stromanbieter oder den Netzbetreiber behindert werden. Deswegen sind die jeweiligen Modalitäten in Gesetzen bzw. Verordnungen relativ detailliert festgelegt, und die Einhaltung dieser Regeln wird überwacht.
- Stromhändler können bei einem oder mehreren Stromerzeugern Energie beziehen und beliebig weiter verkaufen. Auch ihre Aktivitäten dürfen nicht behindert werden.
- In der Preisgestaltung sind die EVU nun frei, da sie ja dem Wettbewerb unterliegen. Eine Strompreisaufsicht findet also nicht mehr statt, allenfalls eine Aufsicht, die bestimmte unfaire Praktiken verhindert. Eine absatzfördernde Tarifgestaltung ist weiterhin in aller Regel erlaubt, auch wenn diese ökologisch und auch volkswirtschaftlich ungünstig ist.
Die Aufsicht erfolgt in Deutschland durch die Bundesnetzagentur.
Der Erdgas-Sektor
Die Verhältnisse im Bereich Erdgas sind in mancher Hinsicht ähnlich wie im Stromsektor. Hier gibt es ebenfalls Übertragungsnetze und Verteilungsnetze, und im zunehmend liberalisierten Markt eine staatlich durchgesetzte Entflechtung, um einen Wettbewerb zu ermöglichen. Energieversorgungsunternehmen müssen sich wiederum auf gewisse Tätigkeiten konzentrieren und können keine Monopole mehr bilden.
Auch bei Erdgas gibt es dezentrale Einspeisungen z. B. von Biomethan aus Biogas, die ähnlich wie Ökostrom behandelt werden: Ein Händler kann eine gewisse Menge Biomethan einkaufen und Kunden an beliebigen Orten verkaufen, wobei eine Durchleitung durch das Gasnetz erfolgt – wiederum nicht mit einer physischen, sondern nur rechnerischen Zuordnung der Gasmengen.
Politische Aspekte
Viele europäischen Energieversorgungsunternehmens sind ganz oder teilweise in öffentlichem Besitz. Kleinere sind z. B. als Stadtwerke und kommunale Werke organisiert. Sie verfolgen oft nicht nur rein wirtschaftliche Zwecke, sondern auch (politisch gesteuert) ökologische und soziale Ziele. Ihre Tarife können durch eine Mischkalkulation beeinflusst sein.
Die großen EVU sind, auch wenn sie sich im Prinzip in der öffentlichen Hand befinden, nicht unbedingt vom Staat gesteuert, sondern beeinflussen umgekehrt sehr stark die energiepolitischen Entscheidungen (etwa im Zusammenhang mit der Energiewende und der Förderung erneuerbarer Energien), indem sie zielgerichtet als Lobbies auftreten.
Literatur
[1] | Extra-Artikel: Wo kommt mein Strom her? – Überlegungen zu Stromherkunft, Ökostrom und dem Klimaschutzeffekt des Energiesparens |
Siehe auch: Energie, elektrische Energie, Stromnetz, Ökostrom, Stromtarif, Stromrechnung, Stromanbieterwechsel, Erdgas, Energiepolitik
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