Erdgasfahrzeug
Definition: ein mit dem Kraftstoff Erdgas betriebenes Fahrzeug
Spezifischerer Begriff: Erdgasauto
Englisch: natural gas vehicle
Kategorien: Fahrzeuge, Grundbegriffe
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Ursprüngliche Erstellung: 17.01.2013; letzte Änderung: 20.08.2023
Fahrzeuge, die mit Erdgas als Kraftstoff betrieben werden, werden als Erdgasfahrzeuge bezeichnet, wodurch sie z. B. von Benzin- und Dieselfahrzeugen unterschieden werden. In aller Regel basiert der Antrieb auf einem Ottomotor, der gegenüber einem Benzinmotor nur leicht modifiziert ist. (Im Prinzip wäre auch die Verwendung einer Brennstoffzelle möglich, jedoch ist die Technologie noch nicht weit genug entwickelt.) Auch ein nachträglicher Umbau von Benzin- auf Erdgasbetrieb ist oft möglich, wobei der Einbau eines Erdgastanks (siehe unten) den größten Teil des Aufwands ausmacht. Auf diese Weise kann eine Substitution von Erdöl durch Erdgas erfolgen.
Erdgasfahrzeuge gibt es nicht nur in Form von Personenkraftwagen, z. B. auch als Busse im öffentlichen Verkehr.
Erdgas sollte nicht mit Flüssiggas (= Autogas) verwechselt werden, welches deutlich andere Eigenschaften aufweist und nicht in Erdgasfahrzeugen verwendet werden kann.
Erdgastank
Die Speicherung von Erdgas ist wesentlich aufwendiger als die von Benzin. Bei Normaldruck ist die Energiedichte weitaus zu gering; Erdgas muss also in stark komprimierter Form bei hohem Druck transportiert werden. Hierfür kommen Druckgasflaschen zum Einsatz, die beim Tanken meist mit 200 bar befüllt werden. Der stabile Druckbehälter hat ein erhebliches Gewicht (weit höher als das eines Benzintanks) trotz eines moderaten Fassungsvermögens von z. B. 20 oder 30 kg. Auch der Platzbedarf ist wesentlich höher als für einen Benzintank.
Um ein Gefühl für die Dichte des komprimierten Gases zu bekommen: Reines Methan hat bei 200 bar und 0 °C eine Dichte von nur ca. 141 kg/m3; man braucht also ca. 7 Liter Tankvolumen für 1 kg oder 140 l für 20 kg.
Bei Serienfahrzeugen werden die Erdgastanks unter dem Fahrzeugboden (unterflurig) eingebaut, um Einschränkung des Ladevolumens möglichst zu vermeiden. Bei nachträglichem Einbau ist jedoch mit einem spürbaren Verlust an Laderaum zu rechnen.
Da ein Erdgastank mit Rücksicht auf das Ladevolumen nicht allzu groß gemacht werden kann, ist die damit mögliche Reichweite des Fahrzeugs deutlich geringer als mit Benzin – häufig zwischen 300 km und 500 km.
Höhere Reichweiten wären im Prinzip durch verschiedene Maßnahmen möglich:
- durch einen Tank mit höherem Volumen (und entsprechend mehr Platzbedarf)
- durch einen Tank mit höherem Druck (was stabilere Wände und eine angepasste Betankungsanlage erfordert)
- durch eine Erhöhung der Energieeffizienz des Antriebs (z. B. durch Verwendung eines Motors mit hoher Kompression, der dann allerdings nicht mehr für Benzin geeignet wäre)
- durch andere Verbesserungen am Fahrzeug, insbesondere Leichtbau
- durch eine kraftstoffsparende Fahrweise (für die dieselben Regeln gelten wie mit Benzinmotoren)
Betankung von Erdgasfahrzeugen an Erdgastankstellen
An einer Erdgastankstelle kann Erdgas auf ähnliche Weise wie Benzin getankt werden. Am Fahrzeug wird eine Verschlusskappe abgenommen und dann der Gasschlauch über eine Füllkupplung angeschlossen. Über einen Füllhebel an der Zapfsäule wird die Betankung gestartet und später wieder beendet. Dann löst man die Füllkupplung wieder und hängt sie in an der Zapfsäule ein. Schließlich befestigt man wieder die Verschlusskappe auf dem Füllstutzen des Tanks. Der gesamte Vorgang dauert wie bei Benzin ein paar Minuten.
Erdgastankstellen werden oft als CNG-Tankstellen bezeichnet und sind auch an dem Schriftzug "CNG" (compressed natural gas = komprimiertes Erdgas) erkennbar.
Der Gasdruck, der zum Betrieb der Tankstelle erforderlich ist, liegt weit höher als der Druck in den Gasleitungen des Verteilungsnetzes (z. B. 4 bar). Deswegen wird ein Kompressor benötigt. An Gastankstellen befüllt dieser einen oder mehrere Zwischenspeicher, aus denen das Gas dann in kurzer Zeit entnommen werden kann. (Man spricht von einem Schnellbetankungssystem.) Kleine nicht öffentliche Tankanlagen z. B. für Fuhrparks verzichten oft auf einen Zwischenspeicher und betanken die Fahrzeuge direkt mit einem Kompressor. Da dieser relativ schwach ausgelegt wird, kann die Befüllung mehrere Stunden dauern (und z. B. über Nacht erfolgen).
Der Gastank des Fahrzeugs wird gemäß den gesetzlichen Bestimmungen derzeit immer auf 200 bar bei 15 °C Außentemperatur gebracht – bei abweichenden Temperaturen so, dass sich beim Abkühlen bzw. Aufheizen auf 15 °C wieder ein Druck von 200 bar einstellen würde. (Der Tankinhalt in Kilogramm ist also nach der Betankung immer gleich.) Bei einem in der Sonne stehenden Fahrzeug wird der Druck dann noch etwas höher, aber die Tanks sind auch für wesentlich höhere Drucke ausgelegt. Es ist denkbar, dass in der Zukunft auch ein höherer Fülldruck verwendet wird, um höhere Reichweiten zu erreichen, aber dies müsste dann technisch auf die dafür geeigneten Fahrzeuge eingeschränkt werden.
Eine Gastankstelle muss auch einen Gastrockner enthalten, um dem Erdgas Wasserdampf zu entziehen und damit einen Taupunkt von höchstens −20 °C bei 200 bar zu gewährleisten. Sonst könnten Teile der Fahrzeuganlage oder der Tankanlage vereisen, was zu Funktionsstörungen führen könnte.
Ein Vorteil für die Benutzer ist, dass anders als beim Tanken von Benzin keinerlei gesundheitsschädlichen Stoffe (wie z. B. das krebserregende Benzen) eingeatmet werden können. Auch Unfälle durch Brände dürften unwahrscheinlicher sein als bei Benzin.
Bisher gibt es weitaus weniger Erdgastankstellen als Benzin- und Dieseltankstellen; sie sind zwar über fast ganz Europa verteilt, aber nicht in jeder Kleinstadt verfügbar. Fahrten abseits vom Wohnort erfordern deswegen u. U. eine Planung der Betankung, zumal die Reichweite geringer ist als bei Benzin. Smartphone-Apps können helfen, die nächstgelegene CNG-Tankstelle zu finden.
Leider ist nicht zu erwarten, dass die Zahl der Erdgastankstellen zukünftig stark ansteigen wird, solange nicht entsprechende Anreize dafür vom Staat geschaffen werden. Angesichts des beträchtlichen technischen Aufwands und der durch den geringen Anteil der Erdgasfahrzeuge begrenzten Umsatzes ist der Betrieb von Erdgastankstellen nämlich wirtschaftlich nicht sehr attraktiv.
Motoren für Erdgas; monovalente und bivalente Fahrzeuge
Erdgas kann in Ottomotoren verwendet werden, die denen für Benzin sehr ähnlich sind; es sind nur gewisse Anpassungen nötig, und zwar bei der Kraftstoffzufuhr und der Zündanlage. Viele Erdgasautos sind sogar bivalent ausgeführt (Bifuel-Ausführung), d. h. sie können mit Erdgas oder mit Benzin gefahren werden. Die Umschaltung erfolgt manuell (über einen Schalter) oder automatisch. Diese Fahrzeuge werden in der Regel mit Erdgas betrieben, nutzen aber einen Benzintank für eine größere Reichweite, wenn eine Erdgastankstelle nicht rechtzeitig aufgesucht wurde.
Die höhere Klopffestigkeit von Erdgas (gegenüber Benzin) ermöglicht eine höhere Verdichtung des Motors, der dadurch eine höhere Energieeffizienz (einen höheren Wirkungsgrad) erreicht. (Mehr darüber enthält der Artikel über das Klopfen beim Ottomotor.) Eine bivalente Ausführung erzwingt allerdings eine für Benzin geeignete niedrigere Verdichtung, so dass dieser Vorteil entfällt. Bivalente Fahrzeuge können das Erdgas deswegen leider oft weniger effizient nutzen als monovalente. Allerdings gibt es technische Methoden, um dieses Problem zu vermeiden, insbesondere durch Verwendung eines Turboladers oder eines Kompressors.
Für Nutzfahrzeuge werden meist nicht Ottomotoren, sondern umgerüstete Dieselmotoren verwendet. Wie der Artikel über Dieselmotoren erklärt, wird Erdgas hier oft gleichzeitig mit Dieselkraftstoff verwendet, weil der reine Dieselbetrieb mit Erdgas schwer realisierbar ist. Im Dieselmotor kann Erdgas aber effizienter als im Ottomotor genutzt werden.
Gasqualitäten; Mengenvergleich von Erdgas und Benzin
Erdgastankstellen bieten Erdgas in meist einer von zwei Sorten an:
- H-Gas hat einen besonders hohen Anteil von Methan (87 bis 99 %) und deswegen eine höhere Energiedichte als die anderen Sorten. Der Heizwert beträgt ca. 13 kWh/kg.
- L-Gas enthält deutlich weniger Methan, dafür mehr inerte Gase wie Kohlendioxid. Der Heizwert beträgt ca. 11,3 kWh/kg.
Es gibt in Deutschland vereinzelt auch LL-Gas, das einen noch niedrigeren Heizwert haben kann.
Die an der Tankstelle bezogenen Erdgasmengen werden stets nach ihrer Masse (in Kilogramm) abgerechnet, während Benzin nach dem Volumen (in Litern) gekauft wird.
Für Vergleiche kann zunächst das Benzinvolumen in die Masse umgerechnet werden: Die Dichte von Superbenzin beträgt ca. 0,74 kg/l, d. h. ein Liter Benzin entspricht ca. 0,74 kg. Der massenbezogene Heizwert (Energiegehalt) von Benzin liegt bei rund 12 kWh/kg, was zwischen den Werten für H-Gas und L-Gas liegt. Also entspricht vom Energiegehalt her ein Liter Superbenzin ca. 0,68 kg H-Gas oder 0,79 kg L-Gas. Umgekehrt entspricht 1 kg H-Gas ca. 1,46 l Superbenzin oder 1 kg L-Gas ca. 1,27 l Superbenzin. Trotzdem liegt in Deutschland der Preis für 1 kg Gas meist deutlich unter dem für einen Liter Benzin. Dies liegt an einem deutlich ermäßigten Steuersatz bei der Mineralölsteuer.
Natürlich entscheiden auch z. B. die Energieeffizienz des jeweiligen Motors und das Fahrzeuggewicht mit darüber, wie viel Gas pro 100 km verbraucht wird. Beispielsweise können rund 3 kg Erdgas für 100 km in einem besonders sparsamen Kleinwagen genügen.
Sicherheitsaspekte
Die Vorstellung, im Auto ein brennbares Gas unter sehr hohem Druck mitzuführen und beim Betanken damit zu hantieren, mag den Eindruck einer erheblichen Gefährdung schaffen. Jedoch sind gegenüber Benzin- und Dieselfahrzeugen keine höheren Gefährdungen zu befürchten:
- Erdgastanks sind sehr stabil ausgelegt. Sie können auch massiv überhöhte Drucke und einen heftigen Aufprall bei einem Unfall überstehen. (Ein so heftiger Aufprall, dass ein Tank bersten kann, könnte wohl ohnehin kaum überlebt werden.) Auch im Brandfall sind sie sehr resistent.
- Bei Beschädigungen austretendes Erdgas kann sich entzünden, aber wegen der hohen Zündtemperatur weniger leicht als Benzindämpfe.
- Da Erdgas leichter ist als Luft, steigt austretendes Erdgas schnell nach oben. Benzindämpfe dagegen sammeln sich in Bodennähe, was gefährlicher ist.
- Erdgas ist weitgehend ungiftig, außer in relativ hohen Konzentrationen.
- Wie oben ausgeführt, sind Gefährdungen bei der Betankung eher geringer als bei Benzin, da eine dichte Verbindung von Zapfsäule und Fahrzeug hergestellt wird, bevor der Gasfluss gestartet wird. Ebenfalls wird man beim Tanken nicht krebserregenden Benzoldämpfen ausgesetzt.
Diese Einschätzungen der Sicherheit von Erdgasfahrzeugen werden auch z. B. vom TÜV und von Automobilverbänden geteilt, nicht etwa nur von Herstellern.
Problematischer sind Fahrzeuge mit Flüssiggas (Autogas), welches deutlich andere Eigenschaften hat: Es ist schwerer als Luft, sammelt sich bei Undichtigkeiten also wie Benzindämpfe am Boden an. Damit betriebene Fahrzeuge dürfen anders als Erdgasautos Tiefgaragen aus Sicherheitsgründen oft nicht befahren.
Vorteile des Erdgasbetriebs
Umweltaspekte
Verglichen mit Benzin verbrennt Erdgas noch sauberer; insbesondere entstehen weit weniger unverbrannte Kohlenwasserstoffe und Kohlenmonoxid, allerdings doch auch gewisse Mengen von Stickoxiden. Bei modernen Fahrzeugen mit Drei-Wege-Katalysator sind die Schadstoffgehalte des Abgases allerdings so oder so recht gering. (Auch beträchtliche relative Unterschiede sind für das Gesamturteil deswegen wenig relevant.) Der wesentliche Umweltvorteil von Erdgas ergibt sich aus den um gut 20 % geringeren CO2-Emissionen (je nach Effizienz des Motors). Dieser CO2-Vorteil wird nochmals erheblich größer bei Verwendung von Biomethan (Bioerdgas) oder auch EE-Gas; damit lässt sich weitgehend CO2-neutral fahren.
In der Schweiz enthält das Gas an Erdgastankstellen 20 % Biogas, so dass die Umweltbilanz entsprechend verbessert wird.
Finanzielle Vorteile
Für den Betreiber ergibt sich ein finanzieller Vorteil daraus, dass die Kraftstoffkosten niedriger sind. Dies ergibt sich vor allem aus der für Erdgas stark reduzierten Steuerbelastung – z. B. in Deutschland seit 2002 und bis mindestens Ende 2026. Die dadurch reduzierten Betriebskosten ermöglichen meist ohne Weiteres eine Amortisation der erhöhten Anschaffungskosten oder auch Umrüstungskosten, zumindest bei ausreichend hohen Fahrleistungen.
Zusätzliche finanzielle Vorteile können durch andere staatliche Vergünstigungen entstehen, etwa durch Zuschüsse beim Kauf und Ermäßigungen der Kraftfahrzeugsteuer.
Nachteile von Erdgasfahrzeugen
In der Anschaffung sind Erdgasfahrzeuge meist teurer als solche mit Benzinmotor; allerdings lassen sich diese Mehrkosten meist über die Betriebskosten amortisieren und stellen insofern keinen Nachteil dar.
Der benötigte größere Tank und die damit erzielte geringere Reichweite des Fahrzeugs wurden bereits oben erwähnt.
Ein wesentlicher praktischer Nachteil ist, dass Erdgastankstellen (CNG-Tankstellen) viel seltener sind als Benzin- und Dieseltankstellen. In manchen Gegenden wird man sich deswegen schwer tun, ohne erhebliche Umwege immer eine Erdgastankstelle zu finden. (Natürlich bedeuten zum Tanken nötige Umwege auch wieder einen Verlust an Energieeffizienz und beim Klimaschutz-Vorteil.) Ein bivalentes Fahrzeug kann dann zwar noch mit Benzin relativ weit fahren, aber ein häufiger Benzinbetrieb (mit oft nicht besonders hoher Effizienz) vermindert die Vorteile und lässt die Nachteile stärker in den Vordergrund treten.
Die erwähnten Nachteile mögen in manchen Fällen nur von geringfügiger Bedeutung sein, in anderen Fällen jedoch klar gegen ein Erdgasfahrzeug sprechen. Beispielsweise bietet der Erdgasbetrieb von Stadtbussen besonders viele Vorteile, während das Betanken z. B. auf einer städtischen Einrichtung kein Problem darstellt. Dagegen wird ein privater Autonutzer, der weit von einer Erdgastankstelle entfernt wohnt, kaum ein Erdgasauto wählen.
Literatur
[1] | "CO2-Emissionen von Hybrid- und Erdgasfahrzeugen", eine vergleichende Studie der Empa |
Siehe auch: Erdgas, Kraftstoff, Substitution
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