Erdöl
Definition: eine hauptsächlich aus Kohlenwasserstoffen bestehende Flüssigkeit aus fossilen Quellen
Alternativer Begriff: Mineralöl
Allgemeiner Begriff: fossiler Energieträger
Englisch: mineral oil
Kategorien: Energieträger, Haustechnik
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Ursprüngliche Erstellung: 06.04.2010; letzte Änderung: 09.02.2025
Erdöl (etwa gleichbedeutend mit Mineralöl) ist eine brennbare Flüssigkeit, die hauptsächlich aus verschiedensten Kohlenwasserstoffen besteht. Dieser fossile Energieträger wird meist zunächst als Rohöl aus mehr oder weniger tief im Erdinneren gelegenen Lagerstätten gepumpt, kann aber auch z. B. aus Ölsanden oder Ölschiefer extrahiert werden. In Erdölraffinerien wird das Rohöl zu diversen Erdölprodukten verarbeitet. Hierzu gehören nicht nur Brennstoffe und Kraftstoffe, sondern auch diverse Grundstoffe für die chemische Industrie und für andere stoffliche Anwendungen. Was die Energieversorgung betrifft, zeichnet Erdöl als Energieträger eine besondere Kombination günstiger Eigenschaften aus: eine hohe Energiedichte, die gute Transportierbarkeit und die zumindest für "konventionelle" Vorkommen niedrigen Förderkosten.
Erdöl ist zwar nicht nach der Menge, aber nach dem ökonomischen Wert der wichtigste aller weltweit gehandelten Rohstoffe. Bei einem täglichen Verbrauch von fast 95 Mio. Barrel (Stand 2019) ergibt ein Ölpreis von z. B. 60 Dollar pro Barrel den enormen Wert von 5,7 Milliarden Dollar pro Tag oder 2081 Milliarden Dollar pro Jahr. (Ein Barrel (Fass) entspricht ca. 159 Litern.) So wird verständlich, dass bei Erdöl auch ein sehr großes Konfliktpotenzial besteht, zumal praktisch die gesamte Weltwirtschaft von der Verfügbarkeit halbwegs billigen Öls stark abhängig ist. Dies betrifft nicht nur die Energiewirtschaft als solche, sondern auch andere Sektoren wie z. B. die Landwirtschaft. Die Ernährung der Weltbevölkerung stützt sich heute stark auf eine erdölbetriebene mechanisierte Landwirtschaft.
Entstehung von Erdöl
Nach vorherrschender wissenschaftlicher Meinung entstand Erdöl innerhalb von Hunderttausenden bis Millionen von Jahren der Erdgeschichte aus abgestorbenen Meeresorganismen, die unter weitgehender Abwesenheit von Sauerstoff begraben unter Sedimentgesteinen hohen Drucken und Temperaturen ausgesetzt wurden. Es handelt sich also um einen fossilen Energieträger.
Die Entstehung von Erdöllagerstätten setzt eine Reihe von Umständen voraus:
- Zunächst müssen abgestorbene Meeresorganismen wie Algen in dicken Schichten abgelagert werden, und zwar unter Ausschluss von Sauerstoff, so dass ein Abbau durch Oxidation nicht erfolgen kann und stattdessen ein Faulschlamm entsteht.
- Die zunächst entstehenden Kerogene müssen für sehr lange Zeit (hunderttausende von Jahren) ausreichend hohen Temperaturen (mindestens 60 °C) ausgesetzt sein. Solche Temperaturen entstehen durch die Erdwärme nur, wenn der Faulschlamm über Millionen von Jahren mit weiteren dicken Schichten überdeckt wird. Dann können die längerkettigen Kohlenwasserstoffe zu leichteren Molekülen abgebaut werden, die das Erdöl bilden. Die Versenkungstiefe darf aber auch nicht zu hoch sein (nicht mehr als ca. 4 km), weil sonst nur noch Erdgas gebildet werden kann.
- Das gebildete Öl muss dann in geeignete poröse Speichergesteine (z. B. Sandstein oder Schiefer) wandern können (Migration). Diese müssen durch undurchlässige Gesteinsschichten bedeckt sein, die das Entweichen des Öls verhindern. Häufig findet sich Erdöl unterhalb von Falten von undurchlässigen Schichten, von denen das Öl dauerhaft nach oben und nach den Seiten abgeschlossen wird. Über dem Öl findet sich häufig eine Kappe aus Erdgas (eine Gaskappe).
Da die oben genannten Voraussetzungen für die Bildung von Erdöl an den meisten Stellen auf der Erde nicht oder nicht vollständig gegeben sind, findet man Erdöl nur in bestimmten Regionen.
Für den biologischen Ursprung des Erdöls sprechen viele Indizien, insbesondere geologische Merkmale von Erdöllagerstätten sowie mikroskopische Spuren, die z. B. eindeutig Pflanzenreste anzeigen. Es gibt aber auch Theorien, die zumindest für einen Teil des Erdöls abiotische (nicht fossile) Ursprünge behaupten. Danach soll Erdöl in tieferen Erdkruste und im Erdmantel ohne jede Mitwirkung von Lebewesen entstehen. Diese Theorien werden jedoch in der Wissenschaft mehrheitlich abgelehnt, nachdem sie insbesondere in Russland jahrelang ohne überzeugende Resultate verfolgt wurden.
Qualitäten von Rohöl
Je nach Lagerstätte können verschiedene Qualitäten des Rohöls (crude oil) auftreten. Ein Aspekt hierbei ist die Dichte, die über den API-Grad charakterisiert wird: Ein höherer API-Grad bedeutet eine geringere Dichte und tendenziell auch geringe Viskosität (bessere Fließfähigkeit). Aufgrund des API-Grads wird Rohöl in die Sorten leicht, mittel, schwer und extra schwer eingeteilt. Tendenziell sind leichtere Sorten wertvoller und entsprechend teurer, weil sie leichter zu transportieren und in Erdölraffinerien zu verarbeiten sind.
Wichtiger als die Dichte ist der Schwefelgehalt des Rohöls, und Rohöle verschiedener Herkunft unterscheiden sich diesbezüglich sehr stark. Schwefelarme ("süße") Sorten – tendenziell sind dies eher diejenigen mit geringer Dichte – erlauben die Herstellung von Benzin, Dieselkraftstoff, Kerosin und Heizöl mit geringerem Aufwand in der Raffinerie als "saure" Sorten mit hohem Schwefelgehalt. Die Bezeichnung "sauer" stammt daher, dass das Abgas der Verbrennung von Öl Säuren enthält, die aus Schwefelverbindungen entstehen.
Im Ölhandel wird Rohöl in bestimmte Referenzklassen eingeteilt, deren Namen (z. B. Brent = West Texas Intermediate oder Arab Light) von bestimmten Vorkommen stammen. Das leichte und schwefelarme Brent gehört zu den teureren Sorten. Oft werden Rohöle verschiedener Lagerstätten so gemischt, dass ein bestimmter Standard erreicht wird.
Konventionelle Ölförderung
Zur konventionellen Förderung (auch Produktion genannt) von Erdöl wird in den meisten Fällen ein unterirdisches Erdöllager angebohrt. Solche Lager stehen anfangs oft unter erheblichem Druck, so dass das Rohöl quasi von selbst den verlegten Leitungen entströmt. Später kann durch Pumpen die geförderte Menge noch stark vergrößert werden.
Der Druck der Lagerstätte kann im Rahmen der sekundären Förderung auch wieder erhöht werden, indem z. B. Erdgas oder Wasser injiziert wird. Zunehmend werden auch Verfahren der tertiären Förderung (Enhanced Oil Recovery, EOR) eingesetzt, bei denen z. B. heißer Wasserdampf, Kohlendioxid oder Chemikalien verwendet werden. Selbst dann verbleibt ein wesentlicher Teil des Erdölgehalts (meist über 40 %) in der Lagerstätte, da das Erdöl in kleinen, schwer zugänglichen Taschen gefangen sein kann und auch stark an das Muttergestein gebunden sein kann. Ein stärkerer Entölungsgrad gehört aber zu den wichtigsten Vorteilen moderner Fördertechnologien.
Unter dem Meeresboden liegende Lagerstätten sind tendenziell schwieriger auszubeuten, vor allem bei großen Wassertiefen. Da aber z. B. die verbleibenden nordamerikanischen Ölreserven zum größten Teil unter sehr tiefem Wasser liegen (oft weit mehr als 1 km), werden entsprechende Fördertechniken mit Hochdruck entwickelt. Leider ist bei solchen Vorhaben die Gefahr katastrophaler Öllecks relativ hoch.
Die Erdölförderung kann je nach Lager und Fördertechnik eher geringe oder auch sehr starke Umweltbelastungen zur Folge haben:
- Verheerende Auswirkungen entstehen sowohl an Land wie auch im Meer durch Leckagen, die auch zu Bränden oder Explosionen führen können.
- Auch ohne Unfälle fallen große Mengen stark giftiger und teils auch radioaktiver Rückstände an, die mancherorts einfach in der Landschaft abgelagert werden und die Umgebung verseuchen.
- Oft wird aus einem Erdölfeld strömendes Erdgas (Begleitgas, siehe unten), welches nicht wirtschaftlich genutzt werden kann, einfach am Ort abgefackelt (ohne Nutzung verbrannt). Hierdurch werden enorme Energiemengen verschwendet, und die Klimabelastung durch CO2 pro Liter Erdöl wird dadurch erhöht. Noch klimaschädlicher ist es, wenn Erdgas unverbrannt entweicht.
- Besonders massive Umweltbelastungen durch Giftstoffe, Chemikalien und klimaschädliche Kohlendioxid-Emissionen treten bei der Förderung "nicht-konventionellen" Erdöls z. B. aus Ölsanden und Ölschiefer auf.
Unkonventionelle Ölförderung
Da die konventionell nutzbaren Lagerstätten mehr und mehr erschöpft werden und die darauf basierenden Förderkapazitäten seit ca. 2007 bereits zurückgehen, werden zunehmend auch unkonventionelle Fördermethoden genutzt. Das dabei geförderte Öl wird dann auch als unkonventionelles Erdöl bezeichnet. Hierzu gehören ganz unterschiedliche Vorkommen und Methoden:
Ölsande
Es gibt Vorkommen extrem schweren Öls, das mit herkömmlichen Methoden nicht aus dem Boden gepumpt werden kann, weil es bei Umgebungstemperatur extrem zähflüssig (hoch viskos) und auch stark mit anderen Stoffen wie Sand und Wasser durchsetzt ist. Der Anteil von Kohlenwasserstoffen kann unter 20 % liegen. Oberflächennahe Ölsande werden im Tagebau gewonnen, tiefer gelegene eher mit bergmännischen Methoden unter Tage. Es gibt auch in-situ-Verfahren, bei denen das Öl bzw. der Bitumen unterirdisch aus dem Ölsand gelöst wird (z. B. durch Einpressen heißen Wasserdampfs), um dann abgepumpt zu werden. Teilweise werden große Mengen von Erdgas verbraucht, um Wasserdampf zu erzeugen und schwere Maschinen anzutreiben. Die Weiterverarbeitung des Rohöls in Erdölraffinerien erfordert angepasste und aufwendigere Verfahren, weil das Öl besonders schwer und reich an unerwünschten Stoffen ist.
Die Umweltauswirkungen der Gewinnung von Öl aus Ölsanden sind enorm: Beispielsweise werden in Kanada riesige Landgebiete nicht nur verwüstet, sondern auch mit zahllosen Becken voller giftiger Abwässer durchsetzt, die auch Flüsse vergiften. Zudem gibt es sehr hohe CO2-Emissionen. Diese haben Kanada dazu veranlasst, aus dem Kyoto-Protokoll auszusteigen, d. h. seine Klimaschutzverpflichtungen nicht mehr zu erfüllen.
Ölschiefer
Ölschiefer sind Sedimentgesteine, die gewisse Mengen von Kerogen, einer Vorstufe des Erdöls, enthalten. Durch starkes Erhitzen (Pyrolyse) kann daraus Schieferöl, eine Art von Rohöl, gewonnen werden. Auch in-situ-Verfahren für die Extraktion von Schieferöl sind in der Entwicklung. Mit erheblichen Umweltbelastungen ist zu rechnen, wenn auch mit deutlicher Abhängigkeit von den jeweiligen Verfahren. Die Ausbeute ist recht gering, da Ölschiefer typischerweise eine fünf- bis zehnmal geringere Energiedichte aufweist als Rohöl und auch diese Energie nicht vollständig gewonnen werden kann.
In Deutschland wurde während des Zweiten Weltkriegs versucht, die Erdölknappheit durch die Nutzung von Ölschiefern zu lindern, aber nur mit sehr begrenztem Erfolg. Die größten heute bekannten Vorkommen liegen in den USA, aber wirtschaftliche Fördermethoden wurden bisher nicht gefunden. Ohnehin sind die Vorkommen sehr klein z. B. im Vergleich zu denen von Ölsanden.
Schwer zu förderndes Erdöl
Es gibt auch Erdölvorkommen, die von ihrer Zusammensetzung her zwar nicht anders als gewöhnliches Rohöl sind, die aber sehr schwer zu fördern sind. Hierzu gehört Tiefseeöl und Öl in schwer zugänglichen Gebieten, z. B. in der Arktis oder in der Tiefsee. Die Gefahr schwerer Unfälle, die Umweltkatastrophen hervorrufen können, ist naturgemäß bei der Förderung solchen Erdöls wesentlich größer als bei einfach zugänglichen und einfach zu fördernden Vorkommen.
Öl aus anderen Stoffen
Öl kann auch durch Kohleverflüssigung oder Erdgasverflüssigung gewonnen werden. So gewonnene Öle werden oft auch zum unkonventionellen Erdöl gezählt. Manchmal wird auch Gaskondensat dazu gerechnet, ein Produkt der Erdgasförderung.
Zukünftig könnten Erdöl-Ersatzstoffe auch mit Verfahren aus der Kategorie Power to Liquid mithilfe von erneuerbarer Energie hergestellt werden.
Begleitgas
Da viele Erdöllager eine Gaskappe aufweisen (siehe oben), wird häufig Erdgas als Begleitgas mit gefördert. Bisweilen findet man auf der Suche nach Erdöl auch Lagerstätten, die nur Erdgas enthalten.
Begleitgas kann natürlich einen willkommenen zusätzlichen Ertrag erzeugen. Jedoch ist die Nutzung dieses Gases nicht immer wirtschaftlich möglich, etwa weil es an sehr abgelegenen Förderstandorten anfällt oder wenn sie nicht allzu großen Mengen entsprechende Installationen zu teuer machen. Deswegen kommt es häufig vor, das Begleitgas abgefackelt wird. Dies ist nicht nur eine Verschwendung von Ressourcen, sondern führt auch zu erheblichen zusätzlichen CO2-Emissionen. Es kommt auch vor, dass das sehr klimaschädliche Methan (Erdgas) bei Ölbohrungen unkontrolliert (und unverbrannt) in großen Mengen austritt – in manchen Fällen sogar über viele Jahre.
Transport, Verarbeitung und Verteilung
Erdöl wirst meistens in Form von Rohöl über weite Strecken transportiert, entweder mit Tankschiffen (Öltankern) oder mit Pipelines (Rohrleitungen). Raffinerien für die Herstellung von Erdölprodukten wie Benzin, Dieselkraftstoff und Heizöl liegen häufig an den Küsten der Verbraucherländer oder werden über große Pipelines versorgt. Von den Raffinerien aus erfolgt die Verteilung wiederum über (meist kleinere) Schiffe, mit der Bahn oder mit Pipelines.
Unglücke mit Öltankern führen immer wieder zu massiven Umweltproblemen, da das Rohöl viele giftige Stoffe enthält und allein schon aufgrund seiner klebrigen Konsistenz große Schäden anrichten kann. Das bisher schwerste Tankerunglück war das der Exxon Valdez, aus der in 1989 vor Alaska etwa 40 000 Tonnen Rohöl ausliefen und die Küste Alaskas auf mehr als 2000 km Länge verseuchten. Ölförderplattformen im Meer und in Binnengewässern können ebenfalls große Schäden anrichten. Beispielsweise entstand beim Untergang der "Deepwater Horizon" im Golf von Mexiko im April 2010 eine massive Ölpest. Es erwies sich als extrem schwierig, das Öl daran zu hindern, aus dem Bohrloch auszutreten.
Da Erdöl meist über viele Tausende von Kilometern transportiert werden muss, entsteht hierdurch ein Energieaufwand, der einigen Prozenten des Energiegehalts des Öls entspricht. Dies ist jedoch wenig im Vergleich zum Energieaufwand, der häufig für die Gewinnung von "nicht-konventionellem" Öl akzeptiert wird.
Anwendungen und weltweiter Verbrauch
Mengenmäßig dominierend ist die Anwendung von Erdölprodukten in Form von Brennstoffen und Kraftstoffen:
- Heizöl in verschiedenen Varianten dient als flüssiger Brennstoff für Heizkessel und andere Feuerungen. Rund 20 % des Rohöls wird dazu verarbeitet.
- Benzin (Ottokraftstoff) ist ein Kraftstoff für Ottomotoren; knapp 20 % des Rohöls werden zu Benzin.
- Dieselkraftstoff dient dem Betrieb von Dieselmotoren und macht rund 30 % der Ölprodukte aus.
- Kerosin dient meist als Kraftstoff für Gasturbinen, insbesondere in Flugzeugtriebwerken.
- Flüssiggas kann als Brennstoff oder Kraftstoff verwendet werden, meist in kleineren Anlagen.
Darüber hinaus finden Erdölprodukte auch viele andere Anwendungen:
- Schmierstoffe wie z. B. Motorenöle werden in vielerlei Maschinen eingesetzt.
- Die meisten Kunststoffe bestehen aus Polymeren, die aus Erdöl-basierten Monomeren hergestellt werden.
- Bitumen ist wichtig für das Bauwesen.
- Die Petrochemie stellt aus Erdöl eine enorme Palette von weiteren Produkten her, beispielsweise Farbstoffe, Medikamente, Waschmittel und Pestizide.
Der weltweite Verbrauch an Erdöl ist enorm hoch und immer noch deutlich steigend. Beispielsweise waren es über 95 Millionen Barrel pro Tag in 2019. Früher oder später werden entweder Engpässe bei der Förderung (→ Peak Oil) oder die Notwendigkeit des Klimaschutzes einen Rückgang des Verbrauchs erzwingen.
Reserven und Ressourcen
Als Reserven z. B. eines Ölförderlandes bezeichnet man solche Ölmengen, die zur Zeit wirtschaftlich gefördert werden könnten. Die Größe der Reserven hängt entscheidend davon ab, welche Fördertechnologien zur Verfügung stehen und wie hoch der Ölpreis auf dem Weltmarkt ist: Steigende Ölpreise machen z. B. die Gewinnung "unkonventionellen Erdöls" mit aufwendigen Methoden wirtschaftlich, so dass die Ölreserven in erheblichem Umfang zunehmen.
Angaben über die Reserven diverser Förderländer existieren, stammen aber oft aus Quellen, die für Außenstehende auf keine Weise überprüfbar sind. Die veröffentlichten Daten sind in vielen Fällen aus rein politischen oder wirtschaftlichen Gründen massiv angestiegen, ohne dass dies durch neue Funde von Lagerstätten nachvollziehbar gewesen wäre. Anreize für völlig überhöhte Angaben liegen insbesondere bei OPEC-Staaten vor, da sich deren Anteile an den vereinbarten Fördermengen nach den ausgewiesenen Reserven richten. Streitigkeiten innerhalb der OPEC um die Fördermengen haben zu massiven Ausweitungen der angeblichen Reserven geführt, was die Zahlen völlig unglaubhaft macht. Trotzdem werden solche Zahlen immer wieder unkritisch wie glaubhafte Fakten behandelt. Allein schon der oft verwendete Begriff "bewiesene Reserven" (proven reserves) ist irreführend: Er suggeriert, dass solche Daten durch Unabhängige überprüfbar wären bzw. überprüft worden seien. In Wirklichkeit ist die Höhe der Ölreserven der wichtigsten Förderländer aber unbekannt.
Die Ölindustrie hat freilich kein Interesse, dass solche unseriösen Praktiken diskutiert werden, da dies Anstrengungen zur Substitution (z. B. durch Kohle oder erneuerbare Energien) oder zum Energiesparen verstärken und damit ihre Geschäftsinteressen schädigen könnte.
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe definiert Reserven als "Teil des Gesamtpotenzials, der mit großer Genauigkeit erfasst wurde und mit den derzeitigen technischen Möglichkeiten wirtschaftlich gewonnen werden kann." Die Betonung von "großer Genauigkeit" ist aber nicht so zu verstehen, dass alle Angaben über Reserven tatsächlich so zustande kommen; es gibt trotzdem wahre und unwahre Angaben, und in der Praxis lässt sich der Wahrheitsgehalt oft nicht überprüfen.
Unter Ressourcen versteht man solche Ölmengen, die zwar nicht zu den Reserven gehören, weil sie z. B. nicht völlig sicher oder auch derzeit nicht wirtschaftlich förderbar sind, aber dennoch vermutlich vorhanden sind. Aus unterschiedlichen Gründen können erhebliche Ölmengen von den Ressourcen zu den Reserven wechseln:
- Die Erkundung von Lagerstätten oder auch technischer Fortschritt (bessere Fördertechnologien) kann dazu führen, dass die förderbaren Ölmengen höher (unter Umständen aber auch geringer) eingeschätzt werden.
- Steigende Ölpreise auf dem Weltmarkt machen die Förderung vieler Vorkommen wirtschaftlich.
- Aus politischen Gründen (siehe oben) können sich Förderländer veranlasst sehen, ihre Angaben über die Reserven zu erhöhen.
Wenn also (wie oft geschehen) die ausgewiesenen Reserven trotz ständiger Ausbeutung steigen, kann es dabei durchaus mit rechten Dingen zugehen oder auch nicht.
Funde neuer Lagerstätten können je nach Fall die Ressourcen oder auch die Reserven erhöhen.
Reichweite der Ölvorkommen; Peak Oil
Statische Reichweite
Die sogenannte statische Reichweite der weltweiten Ölvorkommen kann berechnet werden, indem man die gesamten Reserven durch den momentanen jährlichen Verbrauch dividiert. Hiermit kommt man zur Zeit auf einige Jahrzehnte. Der Berechnung liegen folgende Annahmen zugrunde:
- Die Reserven (siehe oben) sind bekannt und werden sich nicht ändern.
- Der jährliche Ölverbrauch wird konstant bleiben, also nicht weiter steigen.
- Die Förderkapazitäten werden bis zur völligen Erschöpfung der Vorkommen ausreichen, um jedes Jahr die gewünschte Menge Öl zu fördern.
Diese Annahmen sind freilich allesamt falsch:
- Die heutigen Reserven sind nicht bekannt, da die Angaben der wichtigsten Ölförderländer nicht überprüfbar und aus politischen Gründen vermutlich oft weit überhöht sind (siehe oben). Andererseits sollten neue Funde die Reserven vergrößern. Da die Erde bereits ziemlich gründlich nach Erdöl durchsucht wurde, dürfte hier allerdings nur ein recht begrenztes Potenzial bestehen.
- Der weltweite Ölverbrauch ist immer noch stark am Steigen, was entsprechend eine wesentlich verkürzte Reichweite ergäbe, falls dies noch länger so bliebe.
- Eine ausreichende Jahresförderung setzt keineswegs lediglich voraus, dass entsprechende Ölmengen noch vorhanden sind. Die Förderung in zunehmend erschöpften Ölfeldern wird nämlich genauso wie die Ausbeutung später entdeckter Felder technisch immer aufwendiger und damit auch technisch, finanziell und ökologisch immer riskanter. Die Internationale Energieagentur (IEA) warnt seit Jahren davor, dass die Investitionen in die Förderkapazitäten viel zu gering seien. Zu geringe Investitionen können selbst bei hohem Ölpreis daraus resultieren, dass sowohl bei der Technik als auch beim Ölpreis erhebliche Unsicherheiten über die zukünftige Entwicklung bestehen.
Es ist also davon auszugehen, dass die statische Reichweite, selbst wenn sie korrekt ermittelt wird, keineswegs so verstanden werden darf, dass innerhalb des angegebenen Zeitraums keine wesentlichen Schwierigkeiten zu erwarten sind.
Peak Oil
Als Peak Oil wird das Maximum der weltweiten Ölförderung bezeichnet. Von diesem Zeitpunkt an wir die Ölförderung also nicht mehr steigen, sondern mehr oder weniger stetig sinken. Falls die Nachfrage trotzdem weiter steigt, also nicht mehr befriedigt werden kann, wird das explodierende Ölpreise verursachen und massive Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben. Auch kriegerische Auseinandersetzungen um Erdöl dürften dann erheblich zunehmen.
Allerdings ist eine starke Reduktion des Erdölverbrauchs ohnehin dringend notwendig, um eine Klimakatastrophe abzuwenden (siehe unten). Das noch verbleibende CO2-Budget zur Abwendung einer Klimakatastrophe erlaubt es nicht, die vorhandenen Erdölreserven annähernd vollständig zu verbrennen. Von daher droht die wirtschaftliche Katastrophe durch den globalen Peak Oil nur, wenn die Klimakatastrophe nicht abgewandt wird. Angesichts dieser beiden sehr guten Gründe sollte man an sich erwarten, dass die Menschheit ihre Abhängigkeit vom Erdöl rechtzeitig wieder beendet. Leider ist dies nicht einfach, da kurzfristige Interessen häufig den unbedingten Vorrang haben und der Klimaschutz eine starke globale Kooperation erfordert, die bislang nicht etabliert werden konnte.
Viele Ölförderländer haben längst das Maximum ihrer Förderung überschritten, welches typischerweise ungefähr nach Förderung der halben Gesamtmenge auftritt. Auch die globale konventionelle Ölförderung hat inzwischen das Fördermaximum erreicht. Dies wirkt sich noch nicht besonders aus, da ein zunehmender Anteil "nicht-konventioneller" Förderung, die häufig wesentlich kostspieliger und umweltbelastender ist, die Nachfrage noch abdeckt. Es gibt jedoch ernst zu nehmende Befürchtungen, dass dies schon in wenigen Jahren nicht mehr der Fall sein wird. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Förderrate gerade bei vielen Methoden der nicht-konventionellen Förderung sehr rasch zurückgeht, also immer noch schneller neue Ölquellen erschlossen werden müssen.
Gründe für unterschiedliche Angaben und Interpretationen
Über die Menge des noch förderbaren Erdöls und die Gefahr begrenzter Verfügbarkeit und möglicherweise explodierender Ölpreise kursieren sehr unterschiedliche Angaben. Solche Unterschiede haben verschiedenste Ursachen:
- Manche Angaben beziehen sich auf gesicherte Vorkommen in bereits entdeckten Ölfeldern, andere auf Schätzungen über noch zu entdeckende Vorkommen. Letztere sind naturgemäß sehr unsicher, und solche Schätzungen können sich extrem voneinander unterscheiden. Gelegentlich wird auch der Unterschied zwischen Reserven und Ressourcen (siehe oben) übersehen.
- Manche Quellen machen Angaben nur über "konventionelle Lagerstätten", d. h. solche, die mit konventionellen Methoden der Ölförderung ausgebeutet werden können, während andere auch "unkonventionelles Erdöl" einschließen, welches mit aufwendigen (teils erst noch zu entwickelnden) Verfahren z. B. aus Ölsanden gewonnen werden muss. Mit unkonventionellen Methoden ergeben sich wesentlich größere Mengen, aber auch größere Unsicherheiten.
- Manche Quellen zählen auch Gaskondensate zu den Erdölmengen. Diese sind zwar flüssig und den leichtesten Erdölfraktionen vergleichbar, fallen aber bei der Erdgasförderung an.
- Vielfach werden auch sehr unterschiedlich hohe Förderkosten angesetzt. Naturgemäß sind Schätzungen für den Einsatz neuer oder gar noch zu entwickelnder Techniken schwierig. Optimistische Angaben führen aufgrund niedriger Förderkosten zu höheren Reserven.
- Viele Literaturangaben stammen aus Quellen, die nicht als neutral betrachtet werden können. Diverse wirtschaftliche und politische Aspekte können Förderländer dazu motivieren, die Reserven völlig falsch anzugeben (siehe oben). Auch die Erdölindustrie kann kein Interesse daran haben, dass die zukünftige Erdölversorgung als allzu unsicher angesehen wird.
- Viele Fehler entstehen auch durch falsche Interpretationen. Beispielsweise wird aus der statischen Reichweite des Öls von einigen Jahrzehnten oft gefolgert, in den nächsten Jahrzehnten seien keine größeren Schwierigkeiten zu erwarten. Von interessierten Kreisen wird entsprechendes oft suggeriert, wenn auch nicht explizit behauptet, so dass weniger gut informierte Kreise (auch die Presse) zu Falschmeldungen veranlasst werden.
Ökologische Aspekte
Bei der Verbrennung von Erdölprodukten – nicht nur von Kraftstoffen und Brennstoffen, z. B. auch von Kunststoffen – entsteht das klimaschädliche Kohlendioxid (CO2). Die spezifischen CO2-Emissionen der Wärmeerzeugung durch Verbrennung liegen z. B. für Heizöl extraleicht bei ca. 240 g/kWh, also niedriger als für Kohle (320 g/kWh), aber höher als für Erdgas (215 g/kWh).
Oben wurde bereits erwähnt, dass die Ölförderung starke Umweltbelastungen zur Folge haben kann. Unter anderem entstehen hier zusätzliche CO2-Emissionen. Während diese bei der konventionellen Ölförderung immerhin wesentlich geringer sind als die bei der Verbrennung, entstehen massive Emissionen bei unkonventioneller Förderung, z. B. von Ölsanden in Kanada. Effektiv können die Klimagefahren rund doppelt so groß sein wie bei konventionellem Öl.
Die Reduktion des Ölverbrauchs z. B. durch erhöhte Energieeffizienz oder durch Umstieg auf CO2-arme Energiequellen (z. B. erneuerbare Energie aus Biogas) kann die CO2-Emissionen wesentlich senken, während der Ersatz von konventionellem Öl durch nicht-konventionelles Öl oder durch Kohle (z. B. über Kohleverflüssigung) die Emissionen stark erhöht. Insofern ist noch völlig offen, ob die erzwungene Reduktion des Erdölverbrauchs nach dem Erreichen von Peak Oil die Klimagefahren reduziert oder gar noch erhöht.
Soziale Aspekte
Die breite Einführung von Erdöl als Energieträger hat in den Verbraucherländern enorme gesellschaftliche Änderungen hervorgerufen. Billiges Erdöl war ein erheblicher Treiber des starken Wirtschaftswachstums der Nachkriegszeit. Es wurde unter anderem zur Grundlage gemacht für eine extreme Ausweitung des Individualverkehrs und Flugverkehrs und auch der ständig über Zentralheizungen beheizbaren Wohnfläche. Hierdurch sind sehr hohe Ansprüche entstanden, beispielsweise an Geschwindigkeit, Reichweite und Komfort von Autos, die mit anderen Technologien (z. B. Elektroautos) kaum zu vernünftigen Kosten befriedigt werden können. Ebenfalls entstand eine enorme Abhängigkeit der Industrieländer von Erdöl in praktisch allen Sektoren, einschließlich Industrie, Dienstleistung, privaten Haushalten und der Landwirtschaft. Diese Entwicklung wurde durch induzierte soziale Effekte noch verstärkt, insbesondere durch veränderte Siedlungsstrukturen, die lange Arbeitswege nötig machen.
In den Erdölförderländern sind durch den Export sehr hohe Einnahmen entstanden, die allerdings häufig nicht dem Großteil der Bevölkerung zugute kommen, sondern im Gegenteil Korruption und mancherorts auch Konflikte bis hin zu Kriegen begünstigt haben. Viele Erdölförderländer sind sogar wirtschaftlich, politisch und sozial besonders wenig entwickelt, was häufig direkt auf Änderungen von gesellschaftlichen Strukturen und politischen Machtverhältnissen in Folge der Erdöleinnahmen zurückgeführt werden kann (Problematik der Rentierstaaten).
Private Konzerne und staatliche Akteure
In 1960er und 1970er Jahren wurde der globale Ölmarkt von sieben großen Erdölförderkonzernen beherrscht, nämlich von Exxon, Mobil Oil, Chevron, Royal Dutch Shell, Gulf, Texaco und British Petroleum (BP). Diese wurden als die "sieben Schwestern" bezeichnet. Inzwischen wird der Ölmarkt allerdings viel mehr von staatlichen Unternehmen beherrscht, beispielsweise von Saudia Aramco, Lukoil und Petroloes de Venezuela. Solche Unternehmen kontrollieren den größten Teil der verbleibenden Ölreserven.
Besteuerung
Erdölprodukte werden in den meisten Ländern mit der Mineralölsteuer belegt. Die angewandten Steuersätze unterscheiden sich sehr nach der Art des Produkts und sind in der Regel für Kraftstoffe (Benzin, Diesel) wesentlich höher als für Brennstoffe (z. B. Heizöl). Bei Kraftstoffen kann die Mineralölsteuer mehr als die Hälfte des Verkaufspreises ausmachen. Mit den Mineralölsteuereinnahmen wird z. B. der Straßenbau und -unterhalt finanziert. Zusätzlich kann eine Ökosteuer erhoben werden, um weitere Anreize zur Eindämmung des Ölverbrauchs zu schaffen.
Möglichkeiten für die Reduktion der Abhängigkeit von Erdöl
Es gibt vielfältige Möglichkeiten, die Abhängigkeit von Erdöl zu reduzieren. Diese lassen sich wie folgt unterteilen:
Öl aus anderen Quellen
Erdöl-ähnliche Stoffe können aus anderen Stoffen gewonnen werden. Insbesondere lassen sich flüssige Kraftstoffe auch aus Erdgas herstellen (Gas-to-Liquid), welches jedoch ebenfalls nur begrenzt verfügbar ist. Eine andere Methode ist die Kohleverflüssigung, wobei jedoch noch wesentlich stärkere Umweltbelastungen auftreten als bei der Verwendung von Erdöl. Ebenfalls gibt es Agrokraftstoffe (oft beschönigend als Biokraftstoffe bezeichnet), die entweder Erdölprodukten ähneln (Beispiel: Biodiesel) oder wie Bioethanol anstelle von Benzin eingesetzt werden können (trotz chemisch völlig anderer Zusammensetzung). Bei der Nutzung von Biomasse besteht allgemein das Problem einer sehr niedrigen Flächeneffizienz, weswegen das Potenzial für die Erzeugung solcher Kraftstoffe recht begrenzt ist.
Ersatz durch andere Energieträger
Erdöl kann durch völlig andere Energieträger ersetzt (substituiert) werden, zum Beispiel
- in Kraftwerken durch Erdgas
- in Heizkesseln durch Erdgas oder mit Wärmepumpen durch elektrische Energie, ebenso durch Solarheizungen
- bei der Warmwasserbereitung durch solare Wärme
- im Transportsektor durch elektrische Energie oder zukünftig vielleicht durch Wasserstoff
Verbrauchsreduktion
Der Verbrauch an Endenergie kann durch Erhöhung der Energieeffizienz (etwa durch gute Wärmedämmung von Gebäuden) und durch maßvolle Anwendung (Suffizienz) reduziert werden, was sich mehr oder weniger auf den Erdölverbrauch auswirken kann. Beispielsweise benötigt der öffentliche Verkehr (Bahnen, Busse, Trams) sehr viel weniger Energie als der Individualverkehr, und lässt sich meist leichter mit erneuerbarer Energie betreiben.
Literatur
- Energy Bulletin
- ASPO Deutschland mit Informationen zu "Peak Oil"
- Marcel Hänggi, "Ausgepowert. Das Ende des Erdölzeitalters als Chance", Rotpunktverlag (2011)
- Daniele Ganser, "Europa im Erdölrausch. Die Folgen einer gefährlichen Abhängigkeit", Orell Füssli Verlag (2012)
- Blog-Artikel: Unser Öl droht noch viel dreckiger zu werden
- Blog-Artikel: Welcher Ölpreis wäre optimal für die Umwelt?
Siehe auch: Brennstoff, Kraftstoff, Erdölraffinerie, Kohlenwasserstoffe, Benzin, Dieselkraftstoff, Heizöl, Kerosin, Flüssiggas, Erdgas, Energieträger, fossile Energieträger, Versorgungssicherheit, Ölsand, Abfackelung, Kohleverflüssigung, Power to Liquid, Mineralölsteuer, Öläquivalent, Öleinheit, RP-Energie-Blog 2014-12-09, RP-Energie-Blog 2014-10-13
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