Fahrwiderstand
Definition: die Summe der Kräfte, die für die Bewegung eines Landfahrzeugs durch die Antriebskraft überwunden werden müssen
Spezifischere Begriffe: Rollwiderstand, Luftwiderstand, Steigungswiderstand, Beschleunigungswiderstand
Englisch: driving resistance
Kategorien: Fahrzeuge, Grundbegriffe
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Ursprüngliche Erstellung: 19.05.2016; letzte Änderung: 20.08.2023
Der Fahrwiderstand eines Fahrzeugs ist die Summe aller die Bewegung hemmenden Kräfte, die durch die Antriebskraft des Motors ausgeglichen werden müssen. Er hat somit die Einheit einer Kraft; die zugehörige SI-Einheit ist das Newton (N).
Die benötigte Antriebsleistung entspricht dem Produkt von Fahrwiderstand und Geschwindigkeit. Beispielsweise beträgt diese Leistung bei einem Auto, welches bei einer Geschwindigkeit von 72 km/h = 20 m/s eine Antriebskraft von 300 N benötigt, 300 N · 20 m/s = 6000 Watt = 6 kW. Ebenfalls beeinflusst der Fahrwiderstand natürlich den Kraftstoffverbrauch sowie die Abgaswerte, ist also auch für entsprechende Messverfahren relevant.
Beiträge zum Fahrwiderstand
Der Fahrwiderstand ergibt sich durch Addition verschiedener Widerstände, deren Ursachen Reibung, eine Steigung der Fahrbahn oder eine benötigte Beschleunigung (Erhöhung der Geschwindigkeit) sind:
- Der Rollwiderstand entsteht im Wesentlichen durch die Reibung zwischen Reifen (oder Rädern) und dem Untergrund (z. B. dem Straßenbelag). Er hängt kaum von der Fahrgeschwindigkeit ab.
- Zusätzliche Reibung entsteht in Form des Luftwiderstands. Diese Widerstandskraft steigt etwa proportional zum Quadrat der Relativgeschwindigkeit von Fahrzeug und der Umgebungsluft.
- Wenn das Fahrzeug bergauf bewegt wird, gibt es zusätzlich den Steigungswiderstand, der sich als Produkt von Fahrzeugmasse (inklusive Zuladung), Fallbeschleunigung <$g$> (auf der Erde ca. 9,81 m/s2) und dem Sinus des Steigungswinkels ergibt. Bei abfallender Fahrbahn wird der Fahrwiderstand entsprechend reduziert.
- Wenn das Fahrzeug beschleunigt wird, d. h. die Fahrgeschwindigkeit erhöht wird, gibt es zusätzlich den Beschleunigungswiderstand, der sich als Produkt von Fahrzeugmasse (inklusive Zuladung) und Beschleunigung ergibt. Bei Verzögerung des Fahrzeugs reduziert sich der Fahrwiderstand entsprechend.
Für ein Zahlenbeispiel betrachte man ein typisches Auto (VW Golf VII, 1500 kg inkl. Zuladung) unter bestimmten Umständen:
- Mit einem Rollwiderstandskoeffizienten der Reifen von 0,01 ergibt sich eine Rollreibungskraft von ca. 150 N.
- Bei einer Fahrgeschwindigkeit von 100 km/h ergibt sich mit der Stirnfläche von 2,19 m2 und dem cW-Wert von 0,27 eine Luftwiderstandskraft von 274 N.
- Bei einer Steigung der Fahrbahn von 1 % kommt ein Steigungswiderstand von ca. 150 N dazu.
- Wird zusätzlich pro Sekunde um 0,72 km/h = 0,2 m/s beschleunigt (d. h. die Beschleunigung ist 0,2 m/s2), ist der Beschleunigungswiderstand 300 N.
Der gesamte Fahrwiderstand ist also 150 N + 274 N + 150 N + 300 N = 874 N, und die vom Motor zu liefernde Antriebsleistung ist ca. 24,3 kW. Man sieht außerdem, dass der Rollwiderstand etwa einer Fahrbahnsteigung von 1 % entspricht; das Fahrzeug könnte also bei geringer Geschwindigkeit (d. h. mit wenig Luftwiderstand) auf einer um 1 % abfallenden Fahrbahn antriebslos etwa mit konstanter Geschwindigkeit rollen.
Falls der gesamte Fahrwiderstand negativ wird (beispielsweise bei stark abfallender Fahrbahn oder starker Verzögerung des Fahrzeugs), wird eine bremsende Wirkung des Antriebs (Motorbremse) oder einer Bremse benötigt. Energetisch am günstigsten ist der Einsatz von Rekuperation, d. h. die Rückgewinnung von Energie beim Bremsen.
Experimentelle Bestimmung des Fahrwiderstands
Der Rollwiderstand und auch der Luftwiderstand eines Fahrzeugs kann beispielsweise mithilfe eines sogenannten Ausrollversuchs bestimmt werden. (Steigungs- und Beschleunigungswiderstand können dagegen problemlos auch berechnet werden.) Hierbei wird gemessen, wie beim antriebslosen Ausrollen des Fahrzeugs auf ebener Fahrbahn die Geschwindigkeit als Folge der Reibung abnimmt. Gäbe es nur den Rollwiderstand, der kaum von der Fahrgeschwindigkeit abhängt, würde eine konstante Verzögerung auftreten, d. h. die Fahrgeschwindigkeit würde mit der Zeit linear abnehmen, bis das Fahrzeug zum Stillstand kommt. Wenn (bei höheren Geschwindigkeiten) auch der Luftwiderstand eine Rolle spielt, ist die Verzögerung anfangs größer. Aus den gemessenen Daten (Geschwindigkeit in Abhängigkeit der Zeit) können Rollwiderstand und Luftwiderstand ermittelt werden.
Für eine gute Messgenauigkeit ist es wichtig, dass diverse mögliche Fehler minimiert werden. Beispielsweise sollte die Fahrbahn eben sein; dies kann durch eine zusätzliche Messung in Gegenrichtung kontrolliert werden. Ebenfalls darf kein Wind auftreten. Die Messung sollte im Leerlauf erfolgen (was bei manchen Fahrzeugen mit automatischem Getriebe nicht ohne Weiteres möglich ist). Die Fahrzeugmasse muss durch vorheriges Wägen bestimmt werden. Im Übrigen sollte sich das Fahrzeug in einem realitätsnahen Zustand befinden, also beispielsweise mit den üblichen Reifen (mit normalem Reifendruck) und Felgen ausgestattet und von der äußeren Form her nicht verändert sein. Auch die Fahrbahn sollte realitätsnah sein, d. h. einen gewöhnlichen Belag aufweisen, und Umgebungsbedingungen wie Temperatur und Luftdruck sollten normalen Bedingungen ähneln.
Fahrwiderstand bei Messungen auf dem Rollenprüfstand
Wenn das Verhalten eines Fahrzeugs auf einem Rollenprüfstand untersucht wird – beispielsweise im Rahmen der Messung von Kraftstoffverbrauch oder Abgaswerten, wird der in der Realität auftretende Fahrwiderstand von der Anlage simuliert. Hierfür müssen gewisse Daten eingegeben werden, insbesondere die Fahrzeugmasse, der Rollwiderstandskoeffizient sowie das Produkt von Luftwiderstandskoeffizient (cW-Wert) und Stirnfläche. Es ist wiederholt vorgekommen, dass solche Fahrwiderstands-Daten von Herstellern gefälscht wurden, um die Resultate solcher Messungen zu manipulieren; dies ist einer der Gründe dafür, dass offizielle Angaben für Verbrauchs- und Abgaswerte häufig wesentlich günstiger sind als in der Praxis. Leider gibt es gerade in Europa auch erhebliche Gesetzeslücken, die offenbar von den meisten Herstellern gezielt ausgenutzt werden, um unrealistisch günstige Testresultate zu erzielen; viele Manipulationen sind dadurch legal.
Siehe auch: Rollwiderstand, Luftwiderstand, Reibung, Kraft, Leistung
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