Flüssigerdgas
Akronyme: LNG = liquefied natural gas, GNL = gaz naturel liquéfié
Definition: Erdgas, welches durch Tiefkühlen verflüssigt wurde, um in dieser kompakteren Form gespeichert oder transportiert zu werden
Allgemeiner Begriff: Erdgas
Englisch: liquefied natural gas
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
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Ursprüngliche Erstellung: 28.12.2010; letzte Änderung: 14.03.2024
Flüssigerdgas ist Erdgas, welches durch Tiefkühlen verflüssigt wurde, um in dieser kompakteren Form gespeichert oder transportiert zu werden. Es hat seit der Energiekrise, die durch Russlands Krieg gegen die Ukraine ausgelöst wurde, eine steigende Bedeutung bekommen – einerseits als ein wirksames Mittel gegen Lieferengpässe, also zur Verbesserung der Versorgungssicherheit, andererseits aber auch als eine Bedrohung für den Klimaschutz.
Eigenschaften von Flüssigerdgas
Erdgas in gasförmiger Form ist ein Energieträger mit einer geringen volumetrischen Energiedichte. Für die Lagerung und den Transport vor allem in Tankern ist es vorteilhaft, die Dichte massiv zu erhöhen, indem man das Erdgas durch Abkühlen auf ca. −162 °C verflüssigt, also in Flüssigerdgas (LNG = liquefied natural gas) umwandelt. In dieser Form ist die Dichte rund 600 mal höher als in gasförmiger Form bei Raumtemperatur und Normaldruck. Ein erhöhter Behälterdruck ist für die Verflüssigung nicht nötig. Jedoch müssen Flüssigerdgas-Behälter gut wärmegedämmt (isoliert) werden, da jede Zufuhr von Wärme zur Verdampfung führt, also zur Abgabe gasförmigen Erdgases (boil-off) und (wenn der Behälter verschlossen wäre) zu einem Anstieg des Drucks. Ein LNG-Tank gibt trotz Wärmedämmung stetig eine gewisse Menge Erdgas ab, die entweder direkt verbraucht werden kann (z. B. zum Antrieb eines LNG-Tankers) oder durch Rückverflüssigung wieder dem Tank zugeführt werden muss.
Im Wesentlichen entspricht die chemische Zusammensetzung des Flüssiggases dem des Erdgases, d. h. es liegt hauptsächlich Methan vor. Jedoch werden oft andere Kohlenwasserstoffe wie Ethan (C2H6), Propan (C3H8) und Butan (C4H10), die im Pipelinegas in der Regel kaum vorkommen, dem Flüssigerdgas zugemischt, wenn sie bei der Aufbereitung anfallen und anders schlecht nutzbar sind. Dies trifft z. B. bei der Gewinnung von Schiefergas oft zu.
Die Dichte von Flüssigerdgas liegt bei ca. 450 kg/m3 (etwas mehr als bei reinem Methan wegen Anteilen von Propan und Butan). Zusammen mit dem Heizwert von 50 MJ/kg ergibt sich eine volumetrische Energiedichte von ca. 22 MJ/l (= 6,1 kWh/l) – deutlich geringer als z. B. ca. 36 MJ/l bei leichtem Heizöl, das eine wesentlich höhere Dichte aufweist. Die gravimetrische Energiedichte von Flüssigerdgas liegt mit 50 MJ/kg allerdings deutlich über dem Wert von 42,6 MJ/kg bei Heizöl. Für den Transport z. B. in einem Tankschiff ist aber die volumetrische Energiedichte relevant, und hier bedeutet der geringere Wert von Flüssigerdgas, dass die transportierbare Energiemenge wesentlich geringer ausfällt als bei Heizöl oder Rohöl.
Flüssigerdgas darf nicht verwechselt werden mit Flüssiggas, welches hauptsächlich aus dem schwereren Propan und Butan (und nicht aus Methan) besteht und allein durch einen moderaten Druck (d. h. ohne Tiefkühlung) verflüssigt werden kann. Leider wird aber oft der Begriff Flüssiggas verwendet, wenn eigentlich Flüssigerdgas gemeint ist.
Vergleich mit komprimiertem Erdgas
Als Alternative zur Verflüssigung kann die Dichte von Erdgas auch erhöht werden, indem man das Gas bei Zimmertemperatur stark komprimiert – beispielsweise auf einen Druck von 20 bis 25 MPa (= 200 bis 250 bar). Man erhält damit sogenanntes CNG = compressed natural gas. In diesem Fall benötigt man einen Behälter, der dem großen Druck standhalten kann; andererseits braucht man dann keine Wärmedämmung des Gastanks, um das Eindringen von Wärme zu reduzieren. Die durch Kompression erreichte Dichte ist wesentlich geringer als die Dichte, die durch Verflüssigung möglich ist. Ein Vorteil ist, dass der Energieaufwand für die Kompression deutlich geringer ist als der für die Verflüssigung.
Energieaufwand für die Verflüssigung
Die Verflüssigung des Gases z. B. in einem LNG-Terminal (siehe unten) verbraucht erhebliche Mengen von Energie – rund 10 bis 25 % des Erdgases, wenn die Energie daraus gewonnen wird. Dies liegt daran, dass das Gas für die Verflüssigung sehr tief abgekühlt werden muss und dass ihm die Kondensationswärme entzogen werden muss. Die dafür nötigen Kältemaschinen können mit einem Teil des Gases betrieben werden oder auch mit elektrischer Energie aus dem Stromnetz.
Es gibt verschiedene Verfahren der Verflüssigung. Im klassischen Kaskaden-Zyklus wird das Erdgas in drei aufeinanderfolgenden Kühlzyklen abgekühlt, die mit Propan, Ethan und schließlich mit Methan arbeiten. Ein etwas vereinfachtes Verfahren, dass nur eine Vorkühlstufe und einen weiteren Zyklus benötigt, ist etwas energieaufwendiger. Die Abwärme der Kältemaschinen wird in der Regel nutzlos an Meerwasser abgegeben.
Es sollte möglich sein, zukünftig verbesserte Verfahren zu entwickeln, die etwas weniger als 10 % der Energie des Gases für die Verflüssigung benötigen. Außerdem kann erneuerbare Energie (etwa aus Photovoltaik) für die Verflüssigung verwendet werden; man spricht dann von solar-liquified natural gas. Damit kann immerhin ein gewisser Teil der gesamten klimaschädlichen Emissionen eingespart werden, und dies auf relativ kostengünstige Weise. Das wäre beispielsweise für Förderländer im Nahen Osten eine realistische Option.
Transport von Flüssigerdgas
Der genannte hohe Energieaufwand wird immer häufiger in Kauf genommen, da sich LNG insbesondere mit großen Spezialtankern gut über lange Strecken transportieren lässt, so dass der Transport nicht mehr an Pipelines gebunden ist. Die nötige Infrastruktur ist aufwendig, kann aber schneller als lange Pipelines realisiert werden und erlaubt eine flexiblere Reaktion auf Lieferengpässe z. B. durch politische Krisen. Auf diese Weise wird eine höhere Versorgungssicherheit erreicht.
Der typische Transportweg beginnt mit einer Pipeline, die Erdgas unter hohem Druck in gasförmiger Form zu einer speziellen Hafenanlage (einem LNG-Terminal) bringt. Dort erfolgt die Verflüssigung und die Beladung der Flüssiggastanker (LNG-Tanker). Diese fahren zu ihren Zielorten und entladen das Flüssigerdgas an anderen LNG-Terminals, wo das Erdgas meist wieder in gasförmiger Form in ein Pipeline-Netz eingespeist wird.
Eine Alternative zu diesem Ansatz ist es, die Verflüssigung des Gases direkt an der Förderanlage vorzunehmen, beispielsweise auf einem Spezialschiff nahe einer Gasförderplattform. Dies ist insbesondere für die Gasförderung in abgelegenen Regionen interessant, wo der Abtransport mit einer Pipeline schwer realisierbar ist.
Im Folgenden werden einige Details der Transportkette näher beschrieben.
Verflüssigung
Die Verflüssigung des Gases benötigt man große Kältemaschinen, die oft mit Gasturbinen betrieben werden, die einen Teil des Gases verbrennen. Der Energieaufwand ist erheblich (siehe oben).
Transport in Tankern
Meist wird das Flüssigerdgas dann mit sehr großen Tankern über große Strecken (oft tausende von Kilometern) transportiert, die oft einen Teil des Gases für den eigenen Antrieb nutzen. Die Kapazitäten solcher Tanker liegen oft über 100 000 m3, teils sogar über 250 000 m3 (also über 100 000 Tonnen, entsprechend ca. 150 Millionen Normkubikmetern) und einem Heizwert von über 1300 GWh. Es gibt allerdings auch viel kleinere LNG-Tanker mit Kapazitäten von z. B. einigen hundert Tonnen für die Binnenschifffahrt und für Küstenfahrten, etwa von großen Häfen zu kleineren Häfen.
Bei Vergleichen der Transportkapazität z. B. mit der Kapazität von Erdgas-Pipelines muss immer beachtet werden, dass bei Tankern das Volumen des verflüssigten Gases relevant ist, während bei Pipelines in der Regel die gelieferten Norm-Kubikmeter genannt werden, die sich auf das Erdgas bei Normaldruck (ca. 1 bar) beziehen. Ein Kubikmeter im Tanker entspricht rund 600 Normkubikmetern Gas.
Unterschiedliche LNG-Tanks kommen in Tankern zum Einsatz. Vor allem kleinere Schiffe enthalten meist mehrere kugelförmige Tanks mit einer mehrere Zentimeter dicken Wandung aus Aluminium, die hintereinander im Schiff eingebaut sind. Sie sind schon von außen leicht zu erkennen. Größere moderne Tanker enthalten dagegen vermehrt riesige Membrantanks, die das verfügbare Volumen besser ausnutzen, weil kaum Lücken zwischen einzelnen Tanks verbleiben, und auch viel weniger schwer sind. In beiden Fällen müssen die Tanks mit einer effektiven Wärmedämmung (Kälteisolierung) versehen werden, damit nicht zu viel Wärme von außen eindringt, was nämlich zur Verdampfung von Gas beiträgt. Eine doppelte Schiffshülle bietet Platz für Ballasttanks, die für Fahrten des entladenen Schiffs mit Ballastwasser gefüllt werden müssen. Lecks, die sicherheitstechnisch sehr problematisch wären, werden mit aufwändigen Sicherheitsmaßnahmen verhindert.
Fahrten auf hoher See dürfen nicht mit teilweise gefüllten Tanks durchgeführt werden, da das darin herumschwappende Flüssigerdgas eine Gefahr für die Stabilität wäre. Es ist aber zumindest bei Kugeltanks möglich, einige Tanks ganz zu füllen, andere dagegen völlig zu leeren.
Da nicht verhindert werden kann, dass eine gewisse Menge Wärme von außen in die sehr kalten Tanks eindringt, verdampft stetig ein Teil des Gases. Dieses "Boil-off-Gas" muss dem Tank entnommen werden, da der Druck sonst ansteigen würde, bis die Tankwandung versagt. Während der Fahrt ist dies kein Problem, da ohnehin Gas für den Betrieb der Antriebsmotoren des Schiffs und evtl. für die Stromversorgung benötigt wird. Solange ein Schiff im Hafen liegt und kaum Gas benötigt, beispielsweise während der Entladung, kann das Gas über eine Leitung der Hafenanlage abgegeben werden, um anderswo verwendet zu werden. Eine andere Möglichkeit ist die Rückverflüssigung mithilfe einer Kältemaschine. Soweit all dies nicht möglich ist, kann eine Abfackelung oder die Verbrennung in einer Brennkammer notwendig werden. (Das Abblasen von unverbranntem Gas wäre nicht nur sehr klimaschädlich, sondern ist auch wegen der Explosionsgefahr nicht akzeptabel.) Bei kleineren Schiffen (beispielsweise in der Binnenschifffahrt) kann das Boil-off-Gas pro Tag mehr als 0,1 % der Tankkapazität betragen, bei großen Schiffen dagegen deutlich weniger, da diese ein günstigeres Verhältnis von Oberfläche und Volumen aufweisen.
Der Energieverbrauch des Tankers beim Transport liegt bei moderner Antriebstechnologie in der Größenordnung von 1 bis 2 % pro 1000 km (unter Berücksichtigung der leeren Rückfahrten). Er ist ähnlich wie der Energieverbrauch für den Betrieb einer Pipeline. Die kilometerabhängigen Transportkosten dagegen liegen weitaus tiefer als bei der Pipeline, deren Bau sehr teuer ist. Daraus wird klar, dass sich der Transport als LNG am ehesten bei großen Entfernungen von mehreren Tausend Kilometern lohnt.
Regasifizierung
Wenn Flüssigerdgas in einem Hafen an einem sogenannten LNG-Terminal angelandet wird, muss es meist in einer Verdampfungsanlage wieder in die gasförmige Form bei geeignetem Druck gebracht werden, um über Pipelines weitertransportiert werden zu können. Dieser Schritt wird als Regasifizierung bezeichnet. In manchen Fällen wird jedoch das LNG nur umgeladen, beispielsweise in Binnenschiffe oder auf spezielle Tankwagen für den Transport in der näheren Umgebung.
Bei der Regasifizierung muss dem Gas die nötige Verdampfungswärme zugeführt werden. Hierfür ist allerdings keine besonders hohe Temperatur nötig, da der Siedepunkt des Gases ja sehr tief liegt. Man verwendet oft mit Meerwasser gespeiste Wärmeübertrager, nutzt also kostenlose Umweltwärme. Bei der Regasifizierung auf dem Tanker selbst wird manchmal stattdessen eine Tauchflammenverdampfung verwendet – eine vergleichsweise energieaufwendige Methode.
Der Betrieb einer stationären Verdampfungs- und Kompressionsanlage für die Einspeisung in eine Erdgaspipeline kostet relativ wenig Energie (in der Größenordnung von 1 bis 2 % des Energiegehalts des Erdgases). Allerdings wäre es wünschenswert, hier sogar erheblich Energie zurückzugewinnen, wofür es unterschiedliche Möglichkeiten gäbe:
- Es wäre sinnvoll, die Kälte technisch zu nutzen, etwa für die Kühlung von Lagerhallen oder für industrielle Prozesse wie die Luftverflüssigung. Allerdings dürfte es oft schwierig sein, einen entsprechend großen Kältebedarf in unmittelbarer Nähe des LNG-Terminals zu finden.
- Die Kälte könnte im Prinzip auch zur Stromerzeugung genutzt werden, etwa mit einem Organic Rankine Cycle auf der Basis von Methan. Eine andere Möglichkeit wäre der Einsatz von speziellen Gasturbinen, die die große Zunahme des Volumens bei der Verdampfung nutzen würden.
Effizienz der gesamte Kette
Für ein Beispiel betrachten wir die Effizienz des Transports als LNG:
- 10 % Energieaufwand für die Verflüssigung
- 10 % für den Schiffstransport über 6000 km (inkl. Rückfahrt)
- 1 % für die Regasifizierung
Daraus ergibt sich, dass am Ende der folgende Anteil der Energie des eingesetzten Erdgases für die Nutzung verfügbar ist: 0,9 · 0,9 · 0,99 ≈ 0,8 = 80 %. Man verliert also ca. 20 % der Energie.
Einsatz in Deutschland und anderswo
Deutschland bezieht Erdgas bisher zum größten Teil über Pipelines z. B. aus Norwegen, Holland und Russland. Bisher sind in den Häfen keine ausreichenden Kapazitäten von Flüssigerdgas-Terminals vorhanden, um einen wesentlichen Teil des Erdgases alternativ als Flüssigerdgas beziehen zu können. Da dieses ohnehin in der Regel teurer ist, bestand bisher kein Anlass, eine solche recht teure Infrastruktur in größerem Umfang aufzubauen. Allerdings wird seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine (seit Februar 2022) intensiver daran gearbeitet, von Erdgaslieferungen aus Russland unabhängig zu werden. In begrenztem Maße ist es auch möglich, Erdgas zu beziehen, welches als Flüssigerdgas in holländischen und belgischen Nordsee-Häfen (v. a. Rotterdam und Zeebrügge) entladen und von dort aus über herkömmliche Pipelines nach Deutschland geliefert wird. Beispielsweise verkaufen die USA gerne mit Fracking gewonnenes Flüssigerdgas an europäische Länder, wodurch die europäische Erdgasversorgung allerdings wesentlich klimaschädlicher wird als bisher – vor allem wegen der Methanverluste beim Fracking und wegen des hohen Energieaufwands für die Verflüssigung und den Transport des Gases.
Länder, die von den Gasproduzenten sehr weit entfernt sind (beispielsweise Japan), haben kaum die Möglichkeit, Erdgas über Pipelines zu beziehen. Sie importieren deswegen viel Erdgas in Form von Flüssigerdgas.
Ebenso können etliche Produzentenländer Erdgas praktisch nur in Form von Flüssigerdgas exportieren. Ein Beispiel hierfür ist Nigeria. Die größten Kapazitäten für die Verflüssigung von Erdgas befinden sich jedoch im Nahen Osten; der weltweit größte LNG-Produzent ist Katar. Vor allem der Export nach Asien geschieht praktisch nur in Form von LNG.
Einsatz als Kraftstoff
Flüssigerdgas wird schon heute für den Antrieb von LNG-Tankern von einigen Handelsschiffen und Kreuzfahrtschiffen eingesetzt. Zukünftig könnte es auch vermehrt dem Antrieb anderer Schiffe dienen anstelle des sehr umweltbelastenden Schweröls. Damit könnte die Klimaschädlichkeit und vor allem der Ausstoß von giftigen Schadstoffen durch Schiffe massiv reduziert werden.
Für diese Umstellung müssen viele Häfen mit entsprechenden Flüssigerdgas-Bunkern ausgestattet werden. Diese könnten direkt mit LNG-Tankern beliefert werden. In norddeutschen Häfen wird diese Infrastruktur bereits aufgebaut.
Zukünftig ist es auch denkbar, LNG für den Antrieb von großen Flugzeugen zu nutzen. Ein wesentlicher Vorteil von Jet-LNG wäre die höhere gravimetrische Energiedichte des LNG im Vergleich zu Kerosin; die Tanks könnten also leichter sein, was wiederum Kraftstoff spart oder die Transportkapazität erhöht. Hinzu kämen deutliche Vorteile bei der Abgasqualität.
Während die Abgase bei Verwendung von Flüssigerdgas sehr viel sauberer werden als mit Schweröl, besteht die Gefahr einer starken Klimaschädlichkeit im Falle, dass nennenswerte Mengen von Gas unverbrannt in die Atmosphäre entweichen. Hierbei ist einerseits an Lecks zu denken, die beispielsweise beim Umfüllen des Gases auf Schiffe auftreten könnten, und andererseits an den Methanschlupf von Motoren. Diese Problematik muss also sorgfältig überwacht werden, um tatsächlich einen Klimavorteil durch Flüssiggas erzielen zu können.
Verwendung zur Speicherung
LNG ist im Prinzip auch eine Option, um Erdgas in kompakter Form speichern zu können. Ein Druckspeicher ist hierfür nicht nötig, jedoch eine effektive Wärmedämmung. Wegen des hohen Energieaufwands für die Verflüssigung und des insgesamt hohen technischen Aufwands dürfte die Speicherung von Erdgas mit konventionellen Verfahren – etwa in unterirdischen Kavernen oder Poren speichern – meist vorteilhafter sein. Die Reduktion des Volumens durch die Verflüssigung ist dort wesentlich weniger wichtig als z. B. bei Tankern.
"Grünes" LNG
Bisher ist LNG in aller Regel sehr klimaschädlich – eben Erdgas aus konventionellen Quellen oder sogar mit Fracking gewonnen, im letzteren Fall oft mit stark erhöhten Methanemissionen. Zukünftig dürften aber auch neue Quellen für "grünes LNG" entwickelt werden, beispielsweise auf der Basis von Power to Gas. Zu befürchten, dass diese auf absehbare Zeit nur einen winzigen Teil des benötigten LNG werden abdecken können, und dies zu wesentlich höheren Preisen. Insofern besteht sogar die Gefahr, dass vereinzelte Angebote von grünem LNG dem Klimaschutz sogar schaden können, indem sie als Feigenblatt für die weitere LNG-Nutzung dienen – ähnlich wie beispielsweise die Ausweitung des Luftverkehrs oft durch den Hinweis auf synthetisches Kerosin gerechtfertigt werden soll, obwohl dieses kaum zur Verfügung steht. Allerdings gäbe es sehr wohl die Möglichkeit, dass beispielsweise bestimmte Schiffe mit grünem LNG betrieben werden, wobei die Betreiber explizit solches einkaufen.
Unfallgefahren
Wo große Mengen von Flüssigerdgas gespeichert und gehandhabt werden, besteht die Gefahr von Unfällen mit potenziell katastrophalem Verlauf. Im Vergleich zu gasförmigem Erdgas gibt es wesentliche Unterschiede – Vorteile durch den wesentlich geringeren Druck, aber auch Nachteile etwa wegen der großen Energiemenge in einem relativ geringen Volumen. Bei der Planung z. B. von LNG-Terminals in Häfen müssen vorstellbare Ursachen (auch etwa im Zusammenhang mit militärischen oder terroristischen Aktionen) und Schadensverläufe sicherlich detailliert behandelt werden. Welche Risiken für die Umgebung trotzdem noch bleiben, dürfte schwer mit Sicherheit zu beurteilen sein. Ähnliches gilt freilich auch für diverse andere Arten von Anlagen zur Energieversorgung.
Klimaschädlichkeit von Flüssigerdgas
Aus zwei Gründen ist Flüssigerdgas erheblich klimaschädlicher als Pipeline-Erdgas:
- Der Energieaufwand für Verflüssigung und Transport ist erheblich höher, und dieser Energieaufwand wird in der Regel mit einem Teil des Erdgases gedeckt. Der effektive Erdgasverbrauch und die damit einhergehenden Emissionen steigen also entsprechend an.
- Die Deckung der erhöhten Verbrauchs von Flüssigerdgas erfolgt unter verstärkter Nutzung besonders klimaschädlicher Fördermethoden, insbesondere basierend auf Fracking. Hier gelangt ein besonders großer Teil des Methans unverbrannt in die Atmosphäre. Selbst wenn nur z. B. 1 % der geförderten Menge entweicht (etwa durch Undichtigkeiten der Bohranlagen oder bei Transport und Umfüllung), erhöht dies wegen der starken Treibhauswirkung von Methan die gesamte Klimaschädlichkeit ganz erheblich.
Deswegen ist die Klimaschädlichkeit einer Gasheizung keineswegs mehr geringer als die einer Ölheizung (obwohl auch Erdöl zunehmend durch Fracking gewonnen wird), und ein Gaskraftwerk ist selbst bei hohem Wirkungsgrad nicht unbedingt "klimafreundlicher" als ein Kohlekraftwerk. Die Vorstellung von Erdgas als halbwegs klimafreundlicher "Brückentechnologie" mit wenigstens teilweiser Dekarbonisierung ist damit endgültig irreal geworden.
Ausweitung der LNG-Nutzung als Folge von Russlands Krieg gegen die Ukraine
Seit Beginn von Russlands Krieg gegen die Ukraine gibt es massive Bemühungen diverser Staaten, die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu verringern. Dazu gehört insbesondere eine Ausweitung der Nutzung von Flüssigerdgas, welches von diversen Lieferanten verfügbar ist, beispielsweise aus den USA oder im Nahen Osten. Da Deutschland früher LNG kaum direkt importieren konnte, sondern nur via Pipeline über ausländische LNG-Terminals beispielsweise in Rotterdam, wobei solche aber nur begrenzte verfügbare Kapazitäten haben, wurde rasch mit der Errichtung neuer LNG-Terminals an deutschen Hilfen begonnen.
Deutschland hat in 2020 ca. 56,3 Milliarden Normkubikmeter Erdgas aus Russland importiert (was übrigens grob der Kapazität der Pipeline Nordstream 2 entspricht). Dies entspricht knapp 100 Millionen Kubikmetern LNG, dem Inhalt von etlichen hundert großen LNG-Tankern. Machbar ist dieser Ersatz durchaus mit ein paar zusätzlichen LNG-Terminals.
Irritierend ist der Umstand, dass Europa inzwischen zwar weitestgehend auf Pipeline-Lieferungen von Erdgas aus Russland verzichtet, aber immer noch einige Prozent seines Erdgasbedarfs durch von Russland geliefertem Flüssigerdgas deckt und auf diese Weise den Krieg mitfinanziert. Sobald der Erdgasverbrauch nochmals um einige Prozente gesenkt wird (etwa durch Ersatz von Gasheizungen durch Wärmepumpenheizungen), wird dies leicht vermeidbar sein.
Eine sehr bedauerliche Folge der intensiven Nutzung von Flüssigerdgas ist, dass die Erdgasnutzung so nicht nur wesentlich teurer, sondern (wie oben erklärt) auch nochmals wesentlich klimaschädlicher geworden ist. Deswegen ist es wichtig, dass eine solche LNG-Nutzung wirklich nur als kurzfristige Übergangslösung genutzt wird und nicht etwa als eine "Brückentechnologie" für Jahrzehnte. Insbesondere sollten die Bemühungen um eine Reduktion des Erdgasverbrauchs nicht nachlassen aufgrund der Möglichkeit, diesen Verbrauch per LNG weiterhin zu decken. Dies ist aber zu befürchten, weil die Erschließung zusätzlicher Importmöglichkeiten natürlich den Preisanstieg dämpft, was ja auch das explizite Ziel ist.
Literatur
[1] | Blog-Artikel: "Erdgas: deutlich klimaschädlicher als gedacht" |
[2] | Kurzstudie im Auftrag des des Umweltbundesamts: "Wie klimafreundlich ist LNG?", https://www.isi.fraunhofer.de/content/dam/isi/dokumente/ccx/2019/2019-05-15_cc21-2019_roadmap-gas_lng.pdf |
[3] | Daten zu Erdgas von Agenda 21, http://www.agenda21-treffpunkt.de/daten/erdgas.htm |
[4] | T. Traber und H.-J. Fell, "Erdgas leistet keinen Beitrag zum Klimaschutz", Studie der Energy Watch Group (2019), http://energywatchgroup.org/wp-content/uploads/EWG_Erdgasstudie2019.pdf |
[5] | Webseite der Deutschen Umwelthilfe zu LNG-Terminals https://www.duh.de/lng/ |
[6] | Video von Michael Bockhorst über LNG-Terminals, Tanker und Regasifizierung, https://www.youtube.com/watch?v=Y7b6jMgBlhM&list=PLXlTjI0QYJLwnVuFCvmUtFQZCghjfsdY6&t=58s |
Siehe auch: Erdgas, Flüssiggas, Energieträger, Gaskondensat, Schweröl, Kohlenwasserstoffe
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