RP-Energie-Lexikon
fachlich fundiert, unabhängig von Lobby-Interessen
www.energie-lexikon.info

Deutschland in der Pandemie-Krise: Wie überwinden wir die geistigen Blockaden?

Autor:

Rüdiger Paschotta

Es kann verwundern, dass Deutschland trotz seiner beträchtlichen Ressourcen eher schlecht als recht durch die Pandemie-Krise kommt. Offenkundig liegt dies an einer Vielzahl von Fehlern – einerseits einer Serie von Fehlentscheidungen und Nicht-Entscheidungen in der Politik und andererseits an mehr oder weniger unvernünftigem Verhalten in weiten Teilen der Bevölkerung. Um als Gesellschaft die Herausforderungen besser meistern zu können, gilt es die Fehler, deren Ursachen und mögliche Lösungen sorgfältig analysieren. Hierzu soll dieser Essay einen Beitrag leisten.

Dieser Artikel erschien am 30./31.12.2021 in zwei Teilen im Online-Magazin Telepolis, siehe Teil 1 und Teil 2.

Fremdeln mit der Wissenschaft

Trotz der ausgeprägten Stärken im Bereich von Wissenschaft und Technik, auf denen auch ein Großteil des erreichten Wohlstands beruht, gelingt eine konsequente geistige Orientierung am besten verfügbaren Wissen weiten Teilen der Bevölkerung nicht. Selbst bei etlichen insgesamt gesehen durchaus nicht ungebildeten Menschen fehlt es offenkundig an Verständnis dafür, dass diverse wichtige Fakten und komplexen Zusammenhänge nur durch eine systematische und sorgfältige Arbeit von dafür speziell geschulten Fachpersonen einigermaßen sicher beurteilt werden können. Wo völlige Sicherheit nicht erreichbar ist, müssen gerade angesichts notwendiger folgenreicher Entscheidungen solche Einschätzungen gefunden werden, die auf der Basis des momentan besten vorhandenen Wissens am vernünftigsten sind. Dazu gehört beispielsweise, dass sie besser als andere Einschätzungen zu den bekannten Fakten passen und dass sie verbleibende Risiken betreffend möglicher Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit möglichst realistisch beschreiben und abwägend bewerten.

Diese Arbeit ist in einer komplexen Situation wie einer Pandemie weitaus schwieriger, als sich viele vorstellen. Jede einzelne, noch so wissende und intelligente Person wäre damit völlig überfordert. Jedoch arbeitet eine große Zahl von Wissenschaftlern Hand in Hand an der Untersuchung der Sachlage und an der Ausarbeitung möglichst zuverlässiger Beschreibungsmodelle und praktischer Schlussfolgerungen. Die Wissenschaft funktioniert zwar in der Praxis keineswegs perfekt, und es kommen auch durchaus nicht alle Wissenschaftler dabei zu den gleichen Einschätzungen. Trotzdem kann und muss davon ausgegangen werden, dass Einschätzungen, von denen am Ende der größte Teil der Fachwelt überzeugt ist, dem mit Wissen und Vernunft bestmöglichen Resultat ziemlich nahekommen – jedenfalls erheblich näher als jede andere Methode.

Personen ohne besondere Fachkenntnis sollten sich immerhin eine gewisse Vorstellung davon machen können, wie schwierig die Gewinnung und Auswertung solchen Wissens ist und dass deswegen die Qualität (Aussagekraft, Präzision, Verlässlichkeit etc.) der Resultate der Wissenschaft niemals mit alternativen Methoden erreichbar ist, etwa mit der Auswertung von Einzelfällen und einiger mit Google gefundener Texte durch einen Laien. Man kann die Resultate umfangreicher wissenschaftlicher Studien nicht vom Tisch wischen mit dem bloßen Hinweis auf sein Bauchgefühl und Pseudo-Widerlegungen auf der Basis weniger Einzelfälle (etwa nach der Art, das Rauchen könne gar nicht schädlich sein, denn schließlich kenne man jemanden, der damit gesund alt geworden sei). Ebenso sollte klar sein, dass es auch in der Wissenschaft immer abweichende Einzelmeinungen geben wird, denen aber kein übergroßes Gewicht zugeschrieben werden sollte, wenn der Großteil der Fachwelt davon nicht überzeugt werden kann: Das wird wohl Gründe haben. Man kann etwa die Erde nicht mehr als eine Scheibe ansehen, selbst wenn es immer noch ein paar Promovierte gibt, die daran festhalten.

Bedauerlicherweise gilt aber selbst ärgste Ignoranz zu solchen Grundlagen vielerorts nicht als bedenklich und peinlich. Leider überschätzen viele Menschen auch ihre diesbezügliche Bildung völlig; insbesondere übersehen sie völlig die Lücken in ihrem Verständnis von grundsätzlichen Aspekten der Wissenschaft. Manche fühlen sich sogar geadelt durch ihre „alternative“ Weltsicht, die auf vermeintlich höheren Einsichten beruht, und betrachten konventionelles wissenschaftliches Denken (basierend auf Evidenz, Logik und diversen Mechanismen der Überprüfung) als etwas für den geistig beschränkten Mainstream, was für sie nicht maßgeblich sein könne.

Ideologische Scheuklappen

Extreme Unvernunft kann nicht nur aus mangelndem Wissen entstehen, sondern insbesondere auch durch ideologische Verblendung. Solche führt leicht dazu, dass gar nicht erst nach bestmöglichem Wissen gesucht wird, sondern nur nach Möglichkeiten der Bestätigung längst gefasster Meinungen und Glaubenssätze wie auch der Widerlegung „feindlicher“ Meinungen. Je stärker die psychische Notwendigkeit des Erreichens solcher Ziele ist, desto geringer werden die Anforderungen an die Evidenz und an die Stringenz von Überlegungen. In diversen Zirkeln wurde und wird die Fähigkeit, dabei störende Einflüsse (etwa nicht ins Bild passende Fakten) so effektiv wie möglich auszublenden, immer wieder trainiert, auch mit Anleitung durch die Führer entsprechender Gruppen.

Das konsequente Operieren mit „alternativen Fakten“ wurde keineswegs erst von Donald Trump und seiner Entourage erfunden, sondern ist schon seit langer Zeit eine vielerorts übliche Methode, etwa in esoterischen Zirkeln, bei Anthroposophen und natürlich in religiösen Gruppen. Teils werden sogar erhebliche Spannungen mit offenkundigen Tatsachen oder mit Grundsätzen der Logik hingenommen, etwa wenn der soziale Preis für die Ablehnung unhaltbarer Positionen zu hoch wäre. Ein solcher Preis kann entstehen durch den Gruppendruck, aber auch dadurch, dass man sich mit eigenen Meinungen schon so weit aus dem Fenster gelehnt hat, dass man sie nicht mehr ohne ein Eingeständnis massiver eigener Fehler revidieren könnte. Eine große Hilfe bei der Stabilisierung seltsamer Ansichten sind natürlich die Filterblasen des Internets.

Mangelndes kritisches Denken

Zu den Grundsätzen der Wissenschaft gehört ein kritisches Denken, welches aber gerade die Gegner der Wissenschaft immer wieder fest für sich reklamieren. Sie verstehen darunter oft die Freiheit, noch so klar präsentierte Evidenz beiseite wischen zu können und ihrem eigenen Bauchgefühl den unbedingten Vorrang zu geben. Sie fallen damit geistig weit hinter den Stand zurück, der schon von Denkern der Antike längst erreicht war. In Wirklichkeit praktizieren sie genau das Gegenteil von kritischem Denken: Sie legen ein extremes Maß an Voreingenommenheit an den Tag, greifen begierig alle ihre vorgefasste Meinung scheinbar bestätigenden Berichte und Einschätzungen auf und wehren alles, was die eigene Meinung infrage stellen könnte, ungeprüft ab. Wenn aber kritisches Denken nur zur Suche nach Fehlern bei anderen dient und die eigene Position davon ausgenommen ist, ist es schlicht pervertiert. Bezeichnungen wie „Kritiker“ oder „Skeptiker“ sollten Personen, die so operieren, verwehrt bleiben.

Stress macht unvernünftig

In Zeiten mit schwierigen Herausforderungen für die Gesellschaft wäre es natürlich besonders wichtig, die Vernunft erfolgreich gegen ideologische Einflüsse zu verteidigen. Leider scheint aber die Neigung vieler, sich gegen als bedrohlich empfundene Einsichten zu wehren, gerade in solchen Zeiten sogar erheblich zuzunehmen. Dies ist natürlich beunruhigend, gerade auch mit Blick auf voraussehbare Herausforderung etwa im Zusammenhang mit Auswirkungen des Klimawandels (Naturkatastrophen, wirtschaftliche Schäden, Flüchtlingsströme etc.) und mit internationalen Spannungen. Häufig zu beobachten ist, dass eine als bedrohlich empfundene Komplexität von Sachverhalten einfach dadurch reduziert wird, dass eigentlich wichtige Teile davon komplett ignoriert werden. Funktionierende Lösungen zu finden, wird so freilich nicht leichter.

Konflikte werden geschürt

Falsche Vorstellungen entstehen nicht nur durch Ignoranz und Dummheit. Konflikte werden gezielt geschürt von manipulierenden Akteuren, die sich davon Vorteile versprechen. So haben sich einige Politiker nach dem Vorbild von Donald Trump darauf verlegt, Teile der Bevölkerung gegen die Corona-Maßnahmen aufzuhetzen, um damit eine treue Gefolgschaft zu bilden. Diese übt dabei geflissentlich die geistige Abschottung ein, die für die Verteidigung ihrer Positionen gegen Fakten und Vernunft nötig ist, und wird damit für weitere Manipulationen bestens vorbereitet. Letztendlich ermöglicht dies dann die Unterstützung einer Politik, die den eigenen vitalen Interessen vielfach massiv zuwiderläuft. Auch eine wirtschaftliche Schädigung der Irregeleitenden dürfte eher sogar vorteilhaft sein für die Anführer, da die Manipulation umso besser funktioniert, je mehr sich die Menschen bedroht fühlen. Zudem gibt es klare Anzeichen, dass z. B. von der russischen Regierung gesteuerte Gruppen gezielt vor allem in den sozialen Medien Desinformationskapagnen zu verschiedenen Themenbereichen durchführen, die unsere Gesellschaften destabilisieren. Leider sind solche Aktivitäten schwer zu bekämpfen bei gleichzeitiger Verteidigung essenzieller Werte unserer demokratischen Gesellschaft. Mit viel kreativer Denkarbeit sollte trotzdem einiges möglich sein.

Eine Epidemie der Irrationalität

In der Coronaviren-Pandemie ist sehr klar auch eine Epidemie der Irrationalität und Unvernunft klar zu beobachten. Im Folgenden werden einige typische Beispiele erläutert.

Masken: hilfreiches Mittel oder Gefahr?

Von Anfang an gab es einen Streit darum, ob diverse Maßnahmen zur Eindämmung von Ansteckungen wirksam und sinnvoll seien. Dass durch das konsequente Tragen von medizinischen und FFP2-Masken das Ansteckungsrisiko erheblich gesenkt wird, hat sich schnell erwiesen, wird aber von bestimmten Gruppen immer noch vehement abgelehnt. Hilfsweise wird zusätzlich noch die völlig unbegründete Behauptung eingesetzt, das Maskentragen selbst sei gesundheitlich bedenklich. Das ideologisch bedingte Beharren auf alternativen Fakten ist hier sehr augenfällig.

Exponentielles Wachstum

Häufig zu beobachten ist ein mangelndes Verständnis für die Dynamik exponentiellen Wachstums. Zwar wurde vielfach erklärt, dass es entscheidend wichtig ist, ob der sogenannte R-Wert durch entsprechende Maßnahmen unter 1 gedrückt werden kann oder doch oberhalb von 1 bleibt. Im letzteren Falle resultiert unausweichlich ein exponentielles Wachstum der Infektionszahlen, welches zwar für die nächsten zwei Wochen noch beherrschbar bleiben mag, innerhalb der weiteren Wochen jedoch unausweichlich in eine Katastrophe führen würde, vor allem in den dann völlig überlasteten Intensivstationen. Die Krankenhauskapazitäten können offenkundig nicht exponentiell ausgeweitet werden, um mit einem exponentiellen Anstieg der Infektionen mitzuhalten, und selbst stark ausgeweitete Kapazitäten würden von einer exponentiell ansteigenden Belastung nur wenig später erschöpft. So erzwingen die üblen Konsequenzen unzureichender Maßnahmen unweigerlich Verschärfungen.

Die Folgen der anfänglichen Unvernunft werden noch massiv gesteigert durch den Umstand, dass die Wirkung der Maßnahmen z. B. auf die Belegung der Intensivstationen leider immer erst verzögert einsetzt. Zur Vermeidung inakzeptabler Schäden müsste deswegen die Einsicht als Voraussetzung für wirksame Gegenmaßnahmen bereits vorhanden sein, deutlich bevor die Folgen mit aller Härte zuschlagen. Leider sind wir in Deutschland trotz der bereits im Winter 2020/21 gemachten Erfahrungen immer noch nicht so weit. Und aus im Ausland gemachten Erfahrungen kann man offenbar auch nicht lernen; man muss den Schaden immer erst in unmittelbarer Nähe beobachten.

Infektionswellen: wie weit dürfen sie wachsen?

Ärgerlich ist auch, dass die Belegung der Intensivstationen immer wieder zum zentralen Maßstab gemacht wird und andere Aspekte völlig ausgeblendet werden: nicht nur die sehr hohen Behandlungskosten, sondern auch die zu befürchtenden Langzeitfolgen für die vielen Erkrankten (Stichwort Long Covid). Daraus resultieren auch enorme finanzielle Risiken für die Gesellschaft, wenn etwa Tausende dauerhaft arbeitsunfähig werden sollten. Dazu kommen dann noch die üblen Folgen für viele mangelhaft versorgte Patienten mit anderen Erkrankungen.

Erstaunlicherweise nehmen viele mit einem Achselzucken hin, dass in Deutschland zeitweise mehrere hundert Menschen täglich (!) an Corona-Infektionen qualvoll sterben. Normalerweise würde man erwarten, dass so etwas als ein unbedingt zu vermeidender Horror wahrgenommen würde. (Man stelle sich vor, Terroristen würden täglich drei Geiseln erschießen – wie viele Monate bräuchten wir, bis wir fänden, jetzt sei es genug, auch wenn eine signifikante Übersterblichkeit fehlt?)

Jedoch scheinen sich gerade unter den sonst eher sensiblen Anhängern der Alternativmedizin viele recht leicht damit abzufinden. Anscheinend hängt dies damit zusammen, dass man diese Todesfälle als „natürlich“ einstufen kann, während die extrem viel weniger schwerwiegenden Impfschäden als das Werk von sinistren Verbrechern (die Gentechnik verwenden!) und somit als völlig inakzeptabel empfunden werden. Gewiss wäre anders, wenn das Virus ein Produkt der Gentechnologie wäre, der Impfstoff dagegen homöopathisch, also harmlos, wenn auch leider wirkungslos.

Kosten und Nebenwirkungen von Maßnahmen

Selbstverständlich müssen die Kosten und negativen Nebenwirkungen von Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie immer in eine vernünftige Abwägung einbezogen werden. Gerade hier zeigt sich immer wieder eine erschreckende Inkompetenz, und dies in ganz unterschiedlichen Spielarten. Besonders offensichtlich ist der Fehler, ausreichende Gegenmaßnahmen ohne konstruktiven Gegenvorschlag als zu teuer und damit unzumutbar abzulehnen, obwohl die Folgen einer unzureichend eingedämmten Pandemie gesundheitlich wie wirtschaftlich verheerend wären.

Große unnötige Schäden entstehen aber auch durch die Unfähigkeit zu erkennen, dass die notwendige Eindämmung aus mehreren Gründen wesentlich schwieriger und kostenträchtiger wird, wenn man einen starken Anstieg der Infektionszahlen für einige Zeit hinnimmt. Anstatt erst dann den R-Wert wieder auf deutlich unter 1 zu drücken, um die Infektionszahlen wieder zu senken, könnte man mit insgesamt weniger Aufwand und weitaus geringeren Schäden den R-Wert von Anfang an auf einen Wert etwas unterhalb von 1 stabilisieren. Wohlgemerkt sind z. B. die für ein ausreichendes R = 0,95 erforderlichen Maßnahmen kaum einschneidender als die für R = 1,05 oder 1,1. Man beachte auch, dass der R-Wert ganz ohne Gegenmaßnahmen (die Basisreproduktionszahl R0) für die aktuell bedrohliche Virusvariante Delta weitaus höher wäre – vermutlich 6 oder noch mehr. (Für Omikron wissen wir es noch nicht.)

Es ist also richtiggehend dumm, eine tödliche und teure Pandemiewelle über uns ergehen zu lassen, anstatt sie von vornherein mit kaum einschneidenderen Maßnahmen weitestgehend zu unterdrücken. Aber man versteht offenbar nicht, dass relativ geringfügige Änderungen der Maßnahmen darüber entscheiden, ob eine massive Welle auftritt oder nicht, oder rafft sich trotzdem nicht zum Handeln auf.

Übrigens hätte die erfolgreiche Unterdrückung einer Infektionswelle zur Folge, dass die meisten Geimpften am Ende dem Virus gar nicht mehr ausgesetzt würden. Daraus würden manche dann gerne schließen, die Impfungen seien ja gar nicht nötig. Das ist aber nur unter der Annahme korrekt, dass man ein einzelnes Individuum in einer weitgehenden geimpften Gesellschaft betrachtet. Einzelne Trittbrettfahrer kämen tatsächlich risikoarm durch, aber eben nicht eine Gesellschaft mit Millionen von Trittbrettfahrern. Ähnlich könnte man beim Klimaschutz denken, es genüge doch, wenn es alle Länder täten außer eben unserem, wo wir es leider unpraktisch finden, auf Billigflüge, SUVs und Raserei ohne Tempolimit zu verzichten. Das stimmt schon, außer dass man so eben niemals zur Problemlösung kommt.

Natürlich mag man sich im Einzelfall darüber streiten, welche Maßnahme genau wie effektiv und angemessen ist. Leider sind wir aber von einem optimalen Mix von Maßnahmen vor allem an einer Stelle weit entfernt: Gewisse Kreise ignorieren zeitweilig komplett alle Notwendigkeiten (etwa bei Fußballspielen oder Familienfeiern) oder lehnen sich gar öffentlich gegen Schutzmaßnahmen auf, wobei sie dicht gedrängt auf den Straßen stehen und jede Menge von Infektionen unnötig zulassen. Unter solchen Umständen kann eine Infektionswelle nur durch zusätzliche einschneidende Maßnahmen an anderer Stelle wieder zum Abklingen gebracht werden. Oft regen sich dann ausgerechnet diese Kreise über die wirtschaftlichen Schäden auf, die sie zuallererst zu verantworten haben. Und wenn man diese ja nicht von der Hand zu weisende Verantwortung benennt, kracht es erneut.

Impfungen

Besonders konfliktreich ist derzeit der Streit um die Impfungen. Aus wissenschaftlicher Sicht kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die Impfungen zwar nicht perfekt wirken, aber jedenfalls einen sehr großen Beitrag zur Problemlösung bringen. Wenn alle geimpft wären (mit Auffrischungen ca. alle sechs Monate), bei denen kein triftiger Grund dagegen spricht, könnte der R-Wert mit moderaten und kostengünstigen Zusatzmaßnahmen zuverlässig unter 1 gehalten werden. Das öffentliche Leben und die Wirtschaft kämen damit gut zurecht. Das Risiko von Nebenwirkungen der Impfungen liegt für den Einzelnen mit hoher Wahrscheinlichkeit weit unter dem, welches eine Pandemiewelle mit massenhaften Infektionen verursacht. Zwar sind im Prinzip schwere Langzeitwirkungen der Impfungen denkbar, aber auch sehr unwahrscheinlich. Gleichzeitig gibt es für schwerwiegende Langzeitwirkungen der Infektionen bereits eine erhebliche Evidenz: Eine große Zahl von Menschen leidet seit Monaten unter Long Covid, und ob diese Erkrankungen entweder mit der Zeit doch von selbst abklingen oder durch neuartige Behandlungen (ohne Nebenwirkungen?) geheilt werden können, ist völlig ungewiss – außer für Anhänger der Alternativmedizin, die auch ohne jede Evidenz auf deren segensreiche Wirkungen vertrauen.

Übrigens beinhaltet auch die Intensivbehandlung bei schweren Infektionen notwendigerweise schwere Eingriffe, bei denen mit erheblichen Nebenwirkungen zu rechnen ist; dieses Risiko wird von vielen aber völlig ignoriert, obwohl es viel größer ist als das der Impfungen. Aus den genannten Gründen ist es in hohem Maße irrational, die Impfungen auf der Basis gefürchteter Nebenwirkungen abzulehnen – außer in ganz seltenen Fällen mit speziellen medizinischen Umständen.

Man bedenke auch, wie katastrophal unsere Lage ohne Impfungen wäre: Man müsste dann entweder mit viel einschneidenderen Maßnahmen den R-Wert trotzdem unter 1 halten oder aber voll von einer unkontrolliert sich entwickelnden Infektionswelle überrollen lassen, inklusive Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Die Impfgegner an Kants kategorischen Imperativ zu erinnern, treibt sie so in die Enge, dass sie gewöhnlich mit alternativen Fakten kontern. Viel anderes bleibt ihnen ja auch nicht, wenn ihre Position eben bedingungslos verteidigt werden muss, egal was Fakten und Logik sagen.

Die Sinnhaftigkeit einer Impfpflicht ergibt sich natürlich nicht einfach aus diesen Erkenntnissen. Neben praktischen Erwägungen wie der Verfügbarkeit von Impfstoffen sind hierfür auch weitere Aspekte eingehend zu prüfen, etwa betreffend denkbare andere (hinreichend wirksame?) Methoden sowie Abwägungen zwischen Freiheit und dem Schutz von Gesundheit und Leben (mit zu Ende zu denkenden Konsequenzen). Ebenso können pragmatische Überlegungen über antizipierte Reaktionen eine Rolle spielen: Würde damit Vertrauen zerstört und eine Spaltung vertieft? Oder hat die Spaltung ganz andere Ursachen (etwa Desinformationskampagnen) und eine Impfpflicht womöglich sogar entspannende Wirkungen, etwa indem sie Impfungen ohne Gesichtsverlust erlaubt (d. h. ohne offizielle Aufgabe von verirrten Positionen)? Das sind gewiss schwierige Fragen.

Weltfremde Überlegungen

Manche Meinungen sind immerhin nicht absurd im Sinne von logisch unsinnig, aber doch weltfremd:

  • Beispielsweise kann man nicht auf ein „natürliches“ Abebben einer Infektionswelle hoffen, wenn dies zwangsläufig bedeuten würde, dass viele Millionen infiziert und unzählige Tausende getötet werden – und all dies so schnell, dass es zum Zusammenbruch des Gesundheitssystems oder noch mehr führt.
  • Ebenso zum Scheitern verurteilt wäre eine Strategie, nur die besonders Gefährdeten zu schützen und die Infektionen im größeren Teil der Bevölkerung sich frei entwickeln zu lassen: erstens weil viele besonders Gefährdete gar nicht als solche identifiziert sind (also erst im Rahmen einer dramatisch verlaufenen Infektion als solche erkannt würden), und zweitens weil es nicht ersichtlich ist, wie z. B. pflegebedürftige Alte im Falle ausufernder Infektionen beim Pflegepersonal geschützt werden könnten.

Festhalten an alternativen Fakten

Der Druck der immer zahlreicher bekannt werdenden Fakten zur Pandemie ist natürlich ein großes Problem für diejenigen, die ihre „alternativen Fakten“, Deutungen und Maßnahmen um jeden Preis aufrechterhalten wollen. So ist beispielsweise längst widerlegt, dass SARS-CoV-2 keine größeren Probleme verursache als eine normale Grippe und dass die Erkrankungen mit diversen obskuren Mitteln etwa zur Stärkung des Immunsystems zuverlässig gut zu durchstehen seien. Jedoch haben etliche Menschen eine so große Resistenz gegen Tatsachen und Logik entwickelt, dass ihre Meinungen völlig unkorrigierbar geworden sind. Was nicht in ihre Vorstellung passt, wird einfach geleugnet. Etwa wird die zunehmende Überlastung vieler Intensivstationen mit diversen schwerwiegenden gesundheitlichen und finanziellen Folgen vom eigenen Sofa aus vermeintlich als Täuschung entlarvt, und die Einflüsse von Maßnahmen auf die Entwicklung der Infektionszahlen geleugnet; im Extremfall wird gar noch die Existenz der Pandemie bestritten. Verschwörungstheorien sind dann in der Regel der letzte Trumpf bei der Verteidigung irrer Ansichten, und wohl deswegen sind hier die Anforderungen an Evidenz, logische Konsistenz und Plausibilität erstaunlich gering. Man hält sich etwa gar nicht auf mit der Frage, wie denn zigtausende Wissenschaftler und Ärzte weltweit (in verschiedensten Ländern, mit unterschiedlichsten politischen Einstellungen usw.) dermaßen effektiv gleichgeschaltet werden könnten. Gedanken, die die Korrektur der eigenen Meinung erzwingen könnten, sind tabu.

Die Freiheit der schwer Erkrankten: extrem eingeschränkt

Aber auch unter denjenigen, die nicht grundsätzlich Wissenschaft und Vernunft infrage stellen, ist hier und da eine Regression des Denkens zu beobachten. So etwa haben einige das Gefühl, einen ihrer edlen Grundsätze, etwa die Betonung der menschlichen Freiheit, einfach über die Notwendigkeiten in einer Pandemie stellen zu können. Dies führt zu absurden Konsequenzen, beispielsweise zur Hinnahme eines dramatischen Verlusts von Freiheit von Tausenden von Menschen, die eine Intensivbehandlung inklusive künstlicher Beatmung über sich ergehen lassen müssen; selbst Strafgefangene erleiden wohl kaum je einen solch dramatischen Verlust an Freiheit. Somit erfordert die Bewahrung von Freiheit (ebenso wie die des Wohlstands) in Wirklichkeit zuallererst eines: die Vermeidung unkontrollierter Infektionswellen, auch wenn hierfür gewisse Einschränkungen der Freiheit wie Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen hinzunehmen sind.

Das Recht auf körperliche Unversehrtheit

Etwas schwerer zu durchschauen sind Denkfehler, wenn nur einzelne Gedanken präsentiert, die daraus abgeleiteten Folgerungen aber nicht explizit dargelegt werden. Beispielsweise werden bestimmte Maßnahmen kategorisch abgelehnt, ohne sorgfältig geprüft zu haben, ob die Konsequenzen der Ablehnung nicht schlimmer sind als das, was man vermeiden möchte. Wenn beispielsweise mit dem Hinweis auf das Recht auf körperliche Unversehrtheit eine Impfpflicht abgelehnt wird, ohne dass man ein zuverlässiges Mittel gegen die weitaus größere Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit durch massenhafte Infektionen hätte, ist dies kein Zeichen für eine besondere moralische Sensitivität, sondern eher für mangelnde Übersicht. Ein Handeln, welches für den größten Teil der Bevölkerung zu massiven gesundheitlichen Bedrohungen führt, ist ethisch nicht zu rechtfertigen. Dieses Nicht-zu-Ende-Denken der Konsequenzen kommt aber leider auch bei Ethikern gelegentlich vor.

Mit den Viren leben lernen

Gelegentlich begegnet man dem Pseudo-Argument gegen Maßnahmen, wir müssten ja irgendwie mit den Viren leben lernen, was soweit natürlich völlig richtig ist – aber was konkret soll daraus folgen? Etwa, dass man Infektionswellen unkontrolliert über das Land laufen lässt und die Folgen fatalistisch hinnimmt? Oder nicht viel eher, dass man die Gefahren und die zur Verfügung stehenden Optionen sorgfältig prüft und diejenigen aussucht, die den Schaden wahrscheinlich minimieren?

Was könnte helfen?

Offenkundig leidet die deutsche Gesellschaft (ähnlich wie die z. B. der Schweiz, von Österreich oder Großbritannien) erheblich unter einer Epidemie der Irrationalität und Unvernunft. Die Folgen davon sind massenhaft Todesfälle und schwere gesundheitliche Schäden, die mit vernünftigem Handeln vermeidbar gewesen wären. Die negativen Nebenwirkungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie – z. B. soziale und wirtschaftliche – fallen ebenfalls unnötig groß aus, da versäumte effektive Maßnahmen (etwa die Einschränkung nicht notwendiger Kontakte) durch schädlichere Eingriffe anderswo kompensiert werden müssen. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass politische Rattenfänger die Situation mit einigem Erfolg dazu nutzen, die Gesellschaft zu spalten und die Grundlagen unserer Demokratie anzugreifen. Es gibt also mehr als genug Gründe, um diese Problematik genau zu beobachten und möglichst wirksam anzugehen, zumal die Coronaviren-Pandemie wohl kaum die letzte oder auch größte Herausforderung dieser Art bleiben wird.

Wegen der Vielschichtigkeit der Lage – alleine schon wegen der großen Vielfalt von Ursachen für unvernünftiges Verhalten – kann es kein einfaches Patentrezept geben. Vielmehr wird man einen vielfältigen Strauß von Maßnahmen brauchen, die teils kurzfristig helfen könnten, teils aber auch nur langfristig bei beharrlichem Einsatz. Die folgenden Gedanken hierfür mögen als Anregung zur Entwicklung fundierter Konzepte dienen.

Bildung

Eklatante Bildungslücken, die keineswegs nur auf eine besonders bildungsferne Schicht begrenzt sind, sind gerade in der Pandemie evident geworden. Zentrale Elemente dieser Bildung, etwa betreffend die Funktionsweise der Wissenschaft oder allgemeiner die Schwierigkeiten der Erkenntnisgewinnung, sind von entscheidender Bedeutung für die Fähigkeit einer Gesellschaft, Herausforderungen erfolgreich zu meistern. Als ersten Schritt für eine Stärkung dieser Fähigkeit müsste die große Bedeutung dieser Problematik für unsere Zukunft klarer erkannt werden, damit in der Folge genügend ernsthaft (auch mit ausreichenden Ressourcen) daran gearbeitet werden kann. Die stiefmütterliche Behandlung des Bildungswesens, die gerade in der Pandemie wieder sehr augenfällig geworden ist, muss unbedingt einer sorgsamen Unterstützung weichen. Hierbei ist zunächst an die Schulen zu denken, aber auch an die Erwachsenenbildung und an die Möglichkeiten der Medien, etwa mit mehr Gewicht auf hochwertige Radio- und Fernsehsendungen im Vergleich zu seichter oder gar verdummender Unterhaltung. Die Freiheit für Kommerz und Manipulation kann nicht ernsthaft höher gewertet werden als die Grundlagen für unsere Zukunft.

Kommunikation durch Politik und die Fachwelt

Es gibt durchaus ermutigende Beispiele von politischer Kommunikation, die nicht auf kurzfristigen Stimmenfang oder auf die Bekämpfung von Konkurrenten zielt, sondern auf echte Lösungen. Viele Möglichkeiten blieben aber jahrelang weitgehend ungenutzt. Insbesondere könnte es sehr hilfreich sein, wenn von wichtigen Schlüsselpersonen etwa aus Politik, Fachwelt, Verbänden und Wirtschaft vermehrt und sehr ernsthaft daran gearbeitet würde, die Sachlage und Strategien für eine möglichst erfolgreiche Bewältigung der Öffentlichkeit gut zu erläutern.

Dies ist keineswegs einfach; es erfordert eine ganze Palette von Fähigkeiten: ein ausreichend fundiertes Wissen, eine genügend tiefe gedankliche Durchdringung der Probleme und Analyse der Handlungsoptionen (im Dialog mit anderen), sprachliche Fähigkeiten sowie emotionale Überzeugungskraft. Nicht jede in der Öffentlichkeit stehende Person mag hier rundum begabt sein, aber solche Fähigkeiten können und müssen entwickelt werden; schließlich gehören sie zu den Kernkompetenzen für Führungskräfte. Erstaunlich, dass beispielsweise Spitzenpolitiker sie oft vermissen lassen.

Vertrauen stärken und bewahren

Ein mangelndes Vertrauen in Wissenschaft und Politik liegt vielen Problemen zugrunde. Dieses hat auch Ursachen, die angegangen werden könnten. Beispielsweise sollten sich Politiker bewusster werden, dass viele ihrer undurchdachten Schnellschüsse bald von der Wirklichkeit eingeholt werden – mit der Folge, dass die Glaubwürdigkeit der Person und der ganzen Zunft leidet. Vor allem aber sollten sie Geschäftemacherei von Abgeordneten (z. B. Maskendeals und lukrative Aufsichtsratposten) und Lobbyistentum (auch im Zusammenhang mit der Parteienfinanzierung) wirksam zurückdrängen. Dies schafft nämlich nicht nur volkswirtschaftliche Schäden, sondern vor allem bedroht es die Grundlagen der Demokratie.

Natürlich ist Vertrauen in Politiker teils auch schädlich; so manches Problem entfiele, wenn politische Rattenfänger von allen als solche erkannt würden. Jedoch basiert deren Erfolg wohl weniger auf deren scheinbarer Glaubwürdigkeit als auf ihrer Fähigkeit, das Vertrauen in andere zu zerstören. Von ihren Anhängern werden sie oft eher als die letzte Chance auf Rettung begriffen, nicht etwa als die Inkarnation des Guten.

Politiker sind dem Dilemma ausgesetzt, dass mit fiesen Tricks, Schmutzkampagnen und billiger Propaganda in der breiten Masse oft mehr auszurichten ist als mit seriöser Arbeit für die Allgemeinheit – jedenfalls kurzfristig. Jedoch wird langfristiger Erfolg so ohnehin kaum zu erreichen sein, und um den sollte es einem ja gehen.

Auch die Kommunikation der Wissenschaft beschädigt Vertrauen, etwa wo Exponenten der Wissenschaft die Grenzen ihrer Kompetenzen nicht erkennen und respektieren, wo sie dürftig abgesicherte Meinungen als gesicherte Weisheiten verkaufen (häufig beispielsweise in den Bereichen Medizin und Ernährung), womöglich gar Interessenpolitik betreiben. Es gilt, mehr und sorgfältiger zu kommunizieren, vor allem aber Lobbyismus zu unterbinden, der die Grundlagen des Vertrauens angreift.

Diskussion heikler Konflikte

Die gesellschaftliche Diskussion macht oft dem Frieden zuliebe einen weiten Bogen um gewisse Probleme, die eigentlich dringend angegangen werden müssten. Insbesondere wäre ein breiterer Konsens nötig, dass Tatsachen und Vernunft unbedingt die Grundlage für öffentliche Entscheidungen sein müssen und nicht etwa hier und da durch andere Dinge wie etwa esoterischen Glauben ersetzt werden können.

Im Bereich der Medizin werden esoterische Ansätze oft toleriert, weil man sie gewöhnlich dem Bereich der privaten Entscheidungen zuordnet; jedoch bleiben in einer Pandemie die Auswirkungen medizinischer Entscheidungen nicht mehr auf diesen Bereich begrenzt. Man mag bei einer Krebserkrankung eigenverantwortlich entscheiden, die Behandlung durch einen Schamanen einer Chemotherapie vorzuziehen, aber bei Infektionskrankheiten bringt das Verhalten vieler Einzelner dramatische Gefahren für die Allgemeinheit mit sich. Die Pandemie zwingt uns deswegen, den Primat von sachkundig ermittelten Fakten und Vernunft auch bei medizinischen Entscheidungen durchzusetzen. Der Konflikt mit im weitesten Sinn esoterischen Denkweisen muss hier also ausgetragen werden.

Auch in anderen Bereichen sollten „alternative Fakten“, widersprüchliche Denksysteme und offenkundige Voreingenommenheit argumentativ angegriffen werden – und dies nicht erst dann, wenn sie für die Öffentlichkeit bereits massiven Schaden anrichten. Wenn man nicht will, dass Esoteriker, politische Verführer und religiöse Anführer einen unangemessen großen Einfluss erringen, muss man ihre Denkweisen beizeiten einer rationalen Kritik aussetzen.

Die Furcht vor einer Spaltung der Gesellschaft scheint hier und da zu bewirken, dass Konflikte zögerlich ausgetragen werden. Dabei resultiert die tatsächlich schon eingetretene Spaltung sicherlich nicht auf übertriebener Anwendung guter Sachargumente, sondern vielmehr auf der Einrichtung fakten- und logikresistenter Filterblasen. Die Lösung kann nicht darin bestehen, einfach die „richtige“ Intensität der Austragung zu finden, sondern muss auf eine möglichst effektive Behandlung zielen. Beispielsweise muss eben der Unsinn, der in diversen öffentlichen Äußerungen zum Ausdruck kommt, möglichst effektiv entlarvt werden: klar verständlich und überzeugend, zweifellos auf faire Weise (z. B. ohne unberechtigte Unterstellungen, die die Diskussion wieder von der Sache ablenken können) und mit der Zielrichtung der Zerstörung falscher Vorstellungen und nicht etwa der Zerstörung einer Person. Auch dies will natürlich erst einmal gelernt sein.

Ebenfalls gilt es, die Strategie politischer Manipulatoren geschickt zu durchkreuzen, die mit einem Kulturkampf davon abzulenken versuchen, dass ihre Politik die eigentlichen Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerung schädigt. Das gezielte Aufdecken solcher Interessenskonflikte und die Entlarvung der hinterlistigen Täuschungen dürfte mehr bewirken als ein emotionales Engagement auf den von Rattenfängern errichteten Kulturkampf-Bühnen. Der erste Schritt dorthin ist eine klare Analyse der Strategien, Ziele und Urheber von Manipulation.

Gesellschaftlichen Stress abbauen

Wie oben ausgeführt, scheint gesellschaftlicher Stress die Fähigkeit zu vernünftigem Denken wie auch zur konstruktiven Zusammenarbeit zu beeinträchtigen. Da dieses die Ursachen des Problems oft noch verschlimmert oder jedenfalls nicht reduziert, kann eine Gesellschaft dadurch in einen Teufelskreis geraten, der katastrophal enden kann. Wenn wie derzeit die Entwicklung in diese Richtung zu gehen scheint, sollte wo immer möglich Stress reduziert werden. Hierzu kann wiederum eine geeignete politische Kommunikation dienen. Wenn beispielsweise der Eindruck entsteht, dass die Regierenden die Kernprobleme sachgerecht analysieren und vernünftige Maßnahmen anstreben, also nicht einfach der Verantwortung entfliehen und nur an ihrer eigenen Karriere basteln, dürfte dies deutlich zur Beruhigung beitragen. Eine faire Verteilung von Lasten ist außerdem unabdingbar, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt einigermaßen zu bewahren.

Soziale Medien

Eine der schwierigsten Aufgaben der nächsten Jahre dürfte sein, das Phänomen der sozialen Medien zu bewältigen, welches häufig allzu unsoziale Auswirkungen hat. Gefährlich sind insbesondere die dort geschaffenen Filterblasen sowie die versteckte Nutzung durch professionelle und von gewissen Staaten bestellte Propagandisten. Man wird also Wege finden müssen, um den skrupellosen Missbrauch für Aufhetzung, Verwirrung und Manipulation effektiver zu entdecken und unterbinden, auch wo dies finanzielle Einbußen für die Betreiber bedeutet.

Die Bekämpfung von Fake News muss verbessert werden, was leider oft eine Gratwanderung bedeutet, da die Meinungsfreiheit bewahrt werden muss. Die Geschlossenheit der Filterblasen könnte reduziert werden, etwa durch weniger stark personalisierte Angebote der Systeme (etwa durch verstärkte Durchsetzung von Datenschutz), und vor allem muss die Medienkompetenz der Bevölkerung (einschließlich der Jugendlichen) gestärkt werden.

Es bleibt zu hoffen, dass diese Probleme wirksam eingedämmt werden können, wenn dafür ein Teil der Intelligenz eingesetzt wird, der bisher der Schaffung dieser digitalen Welten diente. Und das ließe sich erzwingen, wenn den Betreibern klargemacht würde, dass ihre wirtschaftliche Existenz davon abhängt.

Geistige Entwicklung als Grundlage für Zukunftsfähigkeit

Eine verbesserte Problemlösungskompetenz unserer Gesellschaft und Politik wird entscheidend sein dafür, die Pandemie-Krise bestmöglich zu bewältigen. Es gibt auch andere Herausforderungen wie z. B. die Energie- und Klimaproblematik, bei denen wir ähnliche Probleme haben: Die dringende Notwendigkeit einer Transformation unserer gesamten Art des Wirtschaftens vom Raubbau zur Nachhaltigkeit wird selten angemessen behandelt, und teils wird gar noch der Klimawandel bestritten.

Gewaltige Ressourcen bleiben immer noch für Dinge reserviert, die aufgegeben oder verändert werden müssen. Es werden Grabenkämpfe geführt, anstatt dass tragfähige Konzepte ausgearbeitet und umgesetzt werden. Um gute Aussichten für die Zukunft zu haben, mit Bewahrung der ökologischen Lebensgrundlagen als Voraussetzung für die Bewahrung von Wohlstand, müssen wir als Gesellschaft zuallererst auf der geistigen Ebene erheblich weiterkommen – etwa den Primat von objektiven Fakten und Vernunft bei für die Öffentlichkeit relevanten Entscheidungen durchsetzen, ein Mindest-Niveau an Bildung flächendeckend erreichen und die Möglichkeiten der Manipulation einschränken.

Fortschritte in solchen Bereichen sind für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft entscheidend; ohne sie mag man beispielsweise recht wirksame und gleichzeitig sehr sichere Impfstoffe entwickeln, aber trotzdem eine Pandemie nicht erfolgreich bewältigen können. Ähnlich helfen auch moderne Technologien für die Gewinnung erneuerbarer Energien nur begrenzt, solange wir klare Strategien für die notwendige Transformation mangels geistiger Entwicklung unserer Gesellschaft nicht ausarbeiten und vor allem gut koordiniert und ausbalanciert umsetzen können.

Leider wird die nötige Entwicklung dadurch noch zusätzlich erschwert, dass sie von Kräften torpediert wird, die ihre Partikularinteressen so besser gegen die Interessen der Allgemeinheit durchsetzen können. Zu hoffen bleibt, dass in den Krisen unserer Zeit mehr und mehr die Einsicht wächst, dass eine scheiternde Gesellschaft letztendlich fast nur Verlierer produziert – oder positiv ausgedrückt, dass wir mittel- und langfristig alle sehr darauf angewiesen sind, unsere Gesellschaft auf einen einigermaßen erfolgreichen Weg zu bringen.

Fragen und Kommentare von Lesern

Hier können Sie Fragen und Kommentare zur Veröffentlichung und Beantwortung vorschlagen. Über die Annahme wird der Autor des RP-Energie-Lexikons nach gewissen Kriterien entscheiden. Im Kern geht es darum, dass die Sache von breitem Interesse ist.

Wegen starker Arbeitsbelastung bitten wir um Verständnis dafür, dass nicht gut passende Kommentare und Fragen nicht bearbeitet werden können, und dass die Bearbeitung oft einige Wochen benötigt.

Wenn Ihnen hier geholfen wird, möchten Sie sich vielleicht mit einer Spende revanchieren, mit der Sie die weitere Entwicklung des Energielexikons unterstützen.

Datenschutz: Bitte geben Sie hier keine personenbezogenen Daten ein. Wir würden solche allerdings ohnehin nicht veröffentlichen und bei uns bald löschen. Siehe auch unsere Datenschutzerklärung.

Wenn Sie eine persönliche Rückmeldung oder eine Beratung vom Autor wünschen, schreiben Sie ihm bitte per E-Mail.

Ihre Frage oder Ihr Kommentar:

Ihr Hintergrund (freiwillige Angabe, z. B. "Handwerker", "Journalist" oder "Schüler"):

Spam-Prüfung:

  (Bitte die Summe von fünf und zwölf hier als Ziffern eintragen!)

Mit dem Abschicken geben Sie Ihre Einwilligung, Ihre Eingaben gemäß unseren Regeln hier zu veröffentlichen.

preview

Wenn Ihnen diese Website gefällt, teilen Sie das doch auch Ihren Freunden und Kollegen mit – z. B. über Social Media durch einen Klick hier:

Diese Sharing-Buttons sind datenschutzfreundlich eingerichtet!

Code für Links auf anderen Webseiten

Wenn Sie einen Link auf diesen Artikel anderswo platzieren möchten (z. B. auf Ihrer Website, Social Media, Diskussionsforen oder in der Wikipedia), finden Sie hier den benötigten Code. Solche Links können z. B. für Worterklärungen sehr nützlich sein.

HTML-Link auf diesen Artikel:

<a href="https://www.energie-lexikon.info/geistige_blockaden.html">
Artikel über Deutschland in der Pandemie-Krise: Wie überwinden wir die geistigen Blockaden?</a>
im <a href="https://www.energie-lexikon.info/">RP-Energie-Lexikon</a>

Mit Vorschaubild (siehe den Kasten direkt über diesem):

<a href="https://www.energie-lexikon.info/geistige_blockaden.html">
<img src="https://www.energie-lexikon.info/previews/geistige_blockaden.png"
alt="Artikel" style="width:400px"></a>

Falls Sie es für angemessen halten, einen Link in der Wikipedia zu setzen, z. B. unter "==Weblinks==":

* [https://www.energie-lexikon.info/geistige_blockaden.html
Artikel über 'Deutschland in der Pandemie-Krise: Wie überwinden wir die geistigen Blockaden?' im RP-Energie-Lexikon]