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Gesicherte Kraftwerksleistung

Definition: die Kraftwerksleistung in einem Kraftwerkspark, die mit hoher Sicherheit ständig zur Verfügung steht

Englisch: secured generation capacity

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Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen

Ursprüngliche Erstellung: 14.11.2012; letzte Änderung: 20.08.2023

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Im Zusammenhang mit der Versorgungssicherheit für elektrische Energie ist der Begriff der gesicherten Kraftwerksleistung (oder auch gesicherten Erzeugungsleistung) eines bestimmten Kraftwerksparks von großer Bedeutung. Dies ist die Leistung, die mit hoher (aber nicht totaler) Sicherheit ständig mindestens verfügbar ist; es wird z. B. eine Wahrscheinlichkeit von 99 % oder 97 % für die Verfügbarkeit verlangt. Sie lässt sich nur für ein Gesamtsystem aus mehreren Kraftwerken angeben, nicht jedoch für einzelne Kraftwerke.

Die gesicherte Leistung eines Kraftwerksparks ist aus verschiedenen Gründen geringer als die Summe der Maximalleistungen aller Kraftwerke. Einzelne Kraftwerke können sich zeitweise in Revision befinden. Auch durch ungeplante technische Defekte oder aus anderen Gründen können sie ausfallen und dann keine Energie liefern. Jedoch ist es bei einem normalen Kraftwerkspark normalerweise sehr unwahrscheinlich, dass ein großer Teil der Kraftwerke gleichzeitig ausfällt; es besteht also eine gesicherte Kraftwerksleistung, die immerhin einen erheblichen Teil der Gesamtleistung beträgt.

Besondere Situationen werden mit solchen Überlegungen allerdings nicht unbedingt zuverlässig erfasst. Wenn beispielsweise die Versorgung mit Erdgas durch eine unvorhergesehene politische Krise für längere Zeit unterbrochen wird, kann die Verfügbarkeit der Gaskraftwerke plötzlich viel geringer sein als angenommen. Deswegen sollten die zugrunde liegenden Annahmen berücksichtigt werden, um die ermittelte gesicherte Kraftwerksleistungen korrekt zu interpretieren.

Beiträge einzelner Kraftwerke zur gesicherten Leistung; Leistungskredit

Obwohl ein einzelnes Kraftwerk in aller Regel nicht in 99 % der Zeit verfügbar sein kann, in diesem Sinne also keine gesicherte Leistung bietet, kann es durchaus zur gesicherten Leistung des Gesamtsystems von Kraftwerken beitragen. Dies liegt daran, dass zwar jedes einzelne Kraftwerk durchaus mit nennenswerter Wahrscheinlichkeit ausfallen kann, ein gleichzeitiger Ausfall mehrerer Kraftwerke jedoch viel weniger wahrscheinlich ist. Für geplante Ausfälle z. B. für Revisionsarbeiten gilt dies natürlich in besonders hohem Maße, da man die Revisionen natürlich gestaffelt durchführt und nicht zu Zeiten besonders hohen Strombedarfs. Aber auch ungeplante Ausfälle geschehen kaum alle gleichzeitig.

Der Beitrag eines einzelnen Kraftwerks zur gesicherten Leistung wird als der Leistungskredit bezeichnet. Dieser hängt interessanterweise nicht nur vom Kraftwerk selbst ab, sondern auch von seiner Einsatzart und sogar von den übrigen Kraftwerken. Seine Berechnung (genauso wie die der gesamten gesicherten Leistung) ist nur mit relativ aufwendigen wahrschein­lichkeits­theoretischen Methoden (rekursive Faltung) möglich, wobei viele Faktoren zu berücksichtigen sind – beispielsweise die Größen der einzelnen Kraftwerksblöcke –, also bei Weitem mehr als nur die Verfügbarkeit. Hierfür muss in der Regel spezielle Computersoftware eingesetzt werden, da die Rechnungen recht komplex werden können. Zur gesicherten Leistung in einer Region tragen auch weiter entfernte Kraftwerke bei, solange die Stromnetze hierfür ausreichende Kapazitäten haben.

Aus den genannten Gründen sind grundsätzlich nur ganz ungefähre allgemeine Aussagen über die Leistungskredite für verschiedene Kraftwerkstypen möglich. Einige Beispiele hierfür, geltend für den Einsatz der Kraftwerke innerhalb eines heute typischen Kraftwerksparks:

  • Für Kohlekraftwerke und Kernkraftwerke insbesondere im Grundlastbetrieb ist der Leistungskredit typischerweise rund 90 % der Maximalleistung oder sogar noch mehr; Ausfälle sind relativ selten.
  • Gaskraftwerke basierend auf offenen Gasturbinen für Spitzenlastbetrieb zeigen häufig sogenannte "Startversager", bei denen sich die Gasturbine nicht sofort zünden lässt. Deswegen liegt ihr Leistungskredit deutlich niedriger (aber stark von der jeweiligen Technik abhängig). Für Grundlast- oder Mittellast-Gaskraftwerke in Form von Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke ergeben sich hohe Werte von z. B. 85 % – trotz der komplexeren Technologie. Eine gesicherte Brennstoffversorgung wird hierbei vorausgesetzt.
  • Speicherkraftwerken (auch Pumpspeicherkraftwerken) wird ein Leistungskredit von 100 % ihrer Maximalleistung zugeschrieben – wobei allerdings nicht berücksichtigt ist, dass sie diese Leistung nur für begrenzte Zeit liefern können (siehe unten).
  • Windenergieanlagen stehen sehr häufig mangels ausreichender Windgeschwindigkeit nicht zur Verfügung oder produzieren nur mit geringere Leistung. Zudem schwankt die verfügbare Leistung verschiedener Windenergieanlagen in derselben Region mit starker Korrelation, d. h. wenn bestimmte Anlagen nichts liefern, liefern die anderen vermutlich auch wenig oder nichts, da sie ja vom gleichen Wind abhängig sind. Der Leistungskredit von Windkraftwerken ist deswegen gering – nur z. B. 6 % der Maximalleistung – und würde bei einem sehr hohen Anteil von Windkraftwerken im gesamten Kraftwerkspark noch weiter abnehmen. Andererseits ist zu beachten, dass der Leistungskredit z. B. in Deutschland im Winter erheblich höher ist als im Sommer. Da die Jahreshöchstlast im Winter erreicht wird, ist eigentlich nur der Leistungskredit für den Winter relevant für die Versorgungssicherheit.
  • Photovoltaikanlagen bringen keinen oder fast keinen Leistungskredit – was aber nicht bedeutet, dass sie keinerlei Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten (siehe unten).

Übrigens gibt es ganz ähnliche Aspekte im Zusammenhang mit der Frage, in wieweit ein Stromverbraucher zur Jahreshöchstlast beiträgt. Auch dies hängt nicht nur seiner maximalen Leistung ab. Ist es ein dauerhaft (oder zumindest an kalten Tagen immer) laufender Verbraucher, trägt er voll zur Jahreshöchstlast bei. Wenn er nur sporadisch betrieben wird (z. B. ein Durchlauferhitzer), ist der Beitrag wesentlich geringer.

Gesicherte Kraftwerksleistung und Versorgungssicherheit

Für eine hohe Versorgungssicherheit in einem Stromnetz muss die gesicherte Kraftwerksleistung ein Stück höher sein als die Jahreshöchstlast. Die Differenz dient als eine Sicherheitsreserve. Wenn eine solche Reserve nicht gegeben ist, treten Stromausfälle oder Engpässe anderer Art nicht zwangsläufig auf, da die zu einem Zeitpunkt tatsächlich verfügbare Leistung meist deutlich höher ist als die gesicherte Leistung, und da die benötigte Leistung häufig tiefer ist als deren vorsichtige Schätzung. Jedoch besteht eine erhöhte Gefahr von Engpässen, wenn die Sicherheitsreserve gering ist.

Das genannte Kriterium (gesicherte Leistung oberhalb der Jahreshöchstlast) wird häufig als das einzig entscheidende angesehen. Es kann jedoch Situationen geben, in denen nicht die Kraftwerksleistung, sondern die innerhalb eines gewissen Zeitraums (z. B. einiger kalter Winterwochen) insgesamt verfügbare Energie begrenzt ist. Beispielsweise kann ein Speicherkraftwerk zwar kurzzeitig eine sehr hohe Leistung mit sehr hoher Sicherheit zur Verfügung stellen, jedoch ist das gespeicherte Wasser in der Menge begrenzt. Dies bedeutet, dass jede zusätzliche Stromerzeugung innerhalb der kritischen Wochen – egal wann genau sie auftritt – hilft, den Speichervorrat zu schonen und somit die Versorgungssicherheit zu erhöhen. In dieser Situation tragen auch Windenergieanlagen und Photovoltaik erheblich zur Versorgungssicherheit bei, obwohl sie zur momentan gesicherten Leistung kaum beitragen. Eine Betrachtung allein der gesicherten Leistung erfasst diese Problematik offenkundig nicht.

Ein anderes Problem können Engpässe in der Erdgasversorgung sein, wie sie z. B. im Februar 2012 in Süddeutschland durch die Kombination sehr kalter Tage (mit hohem Strombedarf z. B. durch Elektroheizungen) mit Einschränkungen der Lieferungen von Russland zustande kamen. In der Folge konnten nicht mehr alle Gaskraftwerke betrieben werden. In dieser Situation hätten zusätzliche Gaskraftwerke die Versorgungssicherheit nicht erhöht, weil für ihren Betrieb ja kein Gas vorhanden gewesen wäre. Dies trotz des Umstands, dass die gesicherte Leistung eines Gaskraftwerks im Prinzip einem Großteil seiner maximalen Leistung entspricht. Dagegen haben Windenergie und Photovoltaik wesentlich zum Meistern der Engpässe beigetragen, obwohl ihr Beitrag zur gesicherten Leistung relativ gering ist.

Diese Beispiele zeigen, dass die gesicherte Leistung, die ein Kraftwerk anbietet, dessen Beitrag zur Versorgungssicherheit nicht eindeutig anzeigt: Der Beitrag kann sowohl unterschätzt als auch überschätzt werden. Für eine umfassende Beurteilung müssen wie oben gezeigt diverse andere Aspekte berücksichtigt werden.

Wirtschaftliche Aspekte

Wie oben erläutert, muss die gesicherte Kraftwerksleistung oberhalb der Jahreshöchstlast liegen, weil sonst die Versorgungssicherheit gefährdet ist. Investitionen in zusätzliche Kraftwerke werden gegebenenfalls notwendig. Soweit es sich um Kraftwerke mit geringem Leistungskredit handelt, muss deren Leistung zur Erreichung des genannten Ziels wesentlich höher ausgelegt werden. Die hierfür anfallenden Kosten sind dann entsprechend höher – wobei diese natürlich auch von den spezifischen Investitionskosten (in Euro pro Kilowatt) abhängen.

Beispielsweise haben Windenergieanlagen einerseits einen geringen Leistungskredit (in Deutschland z. Zt. rund 6 %), weisen andererseits aber relativ geringe spezifische Investitionskosten von unter 1000 €/kW auf. Für neue Kernkraftwerke dagegen wäre der Leistungskredit oberhalb von 90 %, aber es müsste auch mit Investitionskosten in der Größenordnung von 5000 €/kW gerechnet werden. Besonders günstig sind Gaskraftwerke; beispielsweise kann ein Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk rund 85 % Leistungskredit bieten und nur 500 bis 600 €/kW kosten. Deswegen sind GuD-Kraftwerke wirtschaftlich besonders interessant für die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit – selbst wenn sie nicht unbedingt eine hohe Zahl von Jahres Betriebsstunden erreichen.

Für alte (bereits abgeschriebene) Kraftwerke entfallen natürlich die Investitionskosten, so dass sie besonders billig gesicherte Kraftwerksleistung bereitstellen können – auch wenn sie die meiste Zeit gar nicht mehr betrieben werden.

Siehe auch: Kraftwerk, Versorgungssicherheit, Stromlücke, Jahreshöchstlast, Stromnetz

Fragen und Kommentare von Lesern

30.12.2018

"Photovoltaik-Anlagen bringen keinen oder fast keinen Leistungskredit".

Kann es sein, dass Definition und Begriffs-Schöpfung "Leistungskredit" dem Umfeld der konservativ konventionellen Energie-Wirtschaft entstammen, geschaffen um regenerative Wind- und Solar-Energie manipulativ zu diskreditieren?

Photovoltaik leistet recht zuverlässig selbst an trüben Wintertagen noch mit wenigstens 0,5 Volllast-Stunden – zwar nur knapp 10 % ihres Spitzen-Ertrages, aber immerhin 20 % ihrer durchschnittlich zu erwartenden Tagesleistung von ca. 2,5 h Volllast-Stunden im Jahresmittel. Man sollte ihr also tagsüber zur relevanten Mittags-Spitze einen Leistungskredit von mindestens 10 % wenn nicht eigentlich sogar 20 % zubilligen.

Wenn interessierte Kreise aber einfach die (ohnehin lastschwache) Nachtzeit einbeziehen, muss Photovoltaik definitionsgemäß – aber keineswegs sachgerecht – zwangsweise auf Leistungskredit 0 kommen: Unfair ? – Honi soit qui mal y pense!

Antwort vom Autor:

Da ist durchaus etwas dran. Für die Gesamtheit z. B. der deutschen PV-Anlagen dürfte sich ein erheblicher Leistungskredit von einigen Gigawatt ergeben. Allerdings ist dieser naturgemäß gering im Vergleich zur installierten Leistung (selbst wenn es tatsächlich 20 % wären). Ich versuche dies angemessen zu bewerten:

  • Die Kritiker der Solarenergie haben natürlich Recht mit der Anmerkung, dass ein Kilowatt Solarleistung für die Versorgungssicherheit des Landes weit weniger bringt als z. B. ein Kilowatt aus einem Großkraftwerk gleich welcher Art. Deswegen wäre es eine Dummheit, z. B. ein Gigawatt Solarleistung als Ersatz für ein Gigawatt-Großkraftwerk anzusehen.
  • Andererseits kann man fragen, ob man unbedingt die installierte Leistung heranziehen muss und nicht z. B. die durchschnittliche Jahresproduktion. (Bei der Betrachtung der Rentabilität betrachtet man ja auch die letztere Größe.) So betrachtet schneidet die Solarenergie bzgl. Versorgungssicherheit viel besser ab – zwar immer noch viel schlechter als konventionelle Kraftwerke, aber nicht mehr so viel schlechter.

Ohnehin gilt, wie im Artikel erläutert, dass die Versorgungssicherheit viel weniger eng mit der gesicherten Kraftwerksleistung zusammenhängt, als oft angenommen wird.

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