Inselnetz
Definition: ein Stromnetz, welches nur ein kleines Gebiet unabhängig von anderen Stromnetzen versorgt
Allgemeiner Begriff: Stromnetz
Gegenbegriff: Verbundnetz
Englisch: island network
Kategorie: elektrische Energie
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Ursprüngliche Erstellung: 16.12.2012; letzte Änderung: 20.08.2023
Ein Inselnetz (autonomes Netz) ist ein kleines Stromnetz, welches nur ein kleines Gebiet versorgt und in der Regel keinen Anschluss an andere Stromnetze besitzt, also autonom arbeiten kann. Dies steht im Gegensatz zu einem Verbundnetz, bei dem mehrere kleinere Netze miteinander verbunden (und synchronisiert) sind. Bei schweren Betriebsstörungen kann jedoch ein Verbundnetz wieder in Inselnetze zerfallen, die dann für einige Zeit unsynchronisiert betrieben werden.
Inselnetze werden oft in geographisch isolierten Gebieten betrieben, z. B. auf Inseln, die weit vom Festland entfernt sind (etwa Island, Malta und Zypern), in Dörfern in sehr abgelegenen Regionen, oder an Bord von Schiffen und Flugzeugen. Es kann jedoch auch Gründe geben, eine autarke Stromversorgung durch ein isoliertes Inselnetz selbst in der Nähe eines großen Verbundnetzes zu betreiben, wo technisch gesehen ein Anschluss an das Verbundnetz durchaus möglich wäre. Beispielsweise hatte West-Berlin zur Zeit der deutschen Teilung aus politischen Gründen ein Inselnetz; eine Abhängigkeit des Betriebs von der DDR wäre nicht akzeptabel gewesen. Ebenfalls kann ein Inselnetz nötig sein, wenn beispielsweise für ein Krankenhaus, eine sensible Produktionsanlage oder für eine militärische Anlage eine höhere Versorgungssicherheit oder Versorgungsqualität (siehe unten) benötigt wird, als sie das öffentliche Netz bietet.
Ein kleines Inselnetz kann im Prinzip mit Gleichstrom arbeiten. Jedoch arbeiten die meisten Inselnetze genauso wie Verbundnetze mit Wechselstrom bzw. Drehstrom, allein schon weil die Beschaffung gleichstromtauglicher Verbraucher aufwendig wäre.
Kraftwerke für Inselnetze
Kleine Inselnetze benötigen in der Regel mehrere Kleinkraftwerke, selbst wenn ein Kraftwerk allein im Prinzip die benötigte Jahreshöchstlast bereitstellen könnte, weil sonst die Ausfallsicherheit zu gering wäre. Es ergibt sich also meist eine Art von dezentraler Stromerzeugung. Wegen der kleinen Anzahl von Kraftwerken ist eine hohe Zuverlässigkeit der einzelnen Kraftwerke besonders wünschenswert. Trotzdem können auch erneuerbare Energien aus Windenergieanlagen und Photovoltaikanlagen genutzt werden, wenn sie durch geeignete steuerbare Stromerzeuger (z. B. Blockheizkraftwerke, Dieselmotoraggregate ohne Wärmenutzung, Brennstoffzellen oder Akkumulatoren) ergänzt werden. Sehr hilfreich können Wasser-Speicherkraftwerke sein. Unterstützend kann ein konsequentes Lastmanagement erfolgen.
Energiespeicher können in Inselnetzen eine besonders wichtige Rolle spielen, um Schwankungen des Verbrauchs und auch gewisser Beiträge der Erzeugung auszugleichen. Wasser-Speicherkraftwerke bieten besonders hohe Speicherkapazitäten auf meist kostengünstige Weise. Sonst kommen Akkumulatoren (aufladbare Batterien) in Verbindung mit geeigneten Wechselrichtern in Frage.
Ein gut ausgearbeitetes Systemkonzept ist entscheidend für das Funktionieren eines Inselnetzes. Hierzu gehört eine geeignete Zusammenstellung von Kraftwerken genauso wie ein zentrales Energiemanagementsystem für den möglichst wirtschaftlichen und sicheren Betrieb des Netzes.
Inselnetze mit Anschluss an ein Verbundnetz
Manche Inselnetze sind nachträglich an ein Verbundnetz angeschlossen werden. Sie werden weiterhin oft als Inselnetze bezeichnet, vor allem wenn der autarke Inselbetrieb weiterhin möglich bleibt und/oder wenn keine Synchronisation mit dem umliegenden Netz erfolgt, sondern nur ein Energieaustausch z. B. durch Hochspannungs-Gleichstromübertragung.
Auch manche Bahnstromnetze werden ohne Synchronisation mit dem übrigen Netz oder gar mit einer anderen Netzfrequenz betrieben und sind dann nur über Umformer oder Umrichter mit dem öffentlichen Stromnetz verbunden. Sie sind allerdings nicht auf ein kleines geographisches Gebiet beschränkt und werden kaum als Inselnetze bezeichnet.
Versorgungsqualität in Inselnetzen
Die Gewährleistung einer hohen Versorgungsqualität – insbesondere einer hohen Versorgungssicherheit und geringen Schwankungen der Netzspannung und Netzfrequenz – ist in einem kleinen Inselnetz technisch wesentlich aufwendiger als in einem großen Verbundnetz, obwohl das System weniger komplex ist. Die geringe Anzahl an beteiligten Kraftwerken und Stromverbrauchern bewirkt, dass z. B. der Ausfall eines Kraftwerks oder das Ein- und Ausschalten eines größeren Verbrauchers die Verhältnisse im Netz stark betrifft.
Aus diesen Gründen kommt es in vielen Inselnetzen häufiger zu Stromausfällen und zu stärkeren Schwankungen von Netzspannung und Netzfrequenz, da sonst unverhältnismäßig teure zusätzliche Anlagen benötigt würden. Allerdings ist es technisch mit entsprechendem Aufwand durchaus möglich, ein Inselnetz mit besonders hoher Versorgungsqualität zu bauen, welche z. B. für die Versorgung besonders sensibler Verbraucher benötigt wird.
Auch die Betriebskosten können bei Inselnetzen durch verminderte Energieeffizienz erhöht sein, wenn beispielsweise ein verstärkter Teillastbetrieb von Gasturbinen nötig ist, um ausreichend Regelenergie zur Verfügung zu stellen.
Siehe auch: Energieautarkie, Stromnetz, Verbundnetz, Versorgungssicherheit, dezentrale Energieerzeugung
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