Luftwiderstand
Definition: die Reibung, die bei Bewegung eines Körpers durch die Luft entsteht
Englisch: air drag
Kategorien: Fahrzeuge, Grundbegriffe, physikalische Grundlagen
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Ursprüngliche Erstellung: 26.09.2014; letzte Änderung: 20.08.2023
Wenn ein Körper, beispielsweise ein Fahrzeug, durch die Luft bewegt wird, führt dies zu Reibung. Die Luft wird nämlich vom Fahrzeug teilweise mitgerissen und in Bewegung versetzt, wobei bei höheren Geschwindigkeiten auch turbulente Strömungen entstehen. Dies hat einen Energieverlust zur Folge, der im Zusammenhang mit der entstehenden Reibungskraft steht. (Der Energieverlust entspricht der Reibungskraft multipliziert mit der Strecke, über die der Körper bewegt wird.) Diese Art von Reibung wird als Luftwiderstand (oder allgemeiner als Strömungswiderstand) bezeichnet. Bei einem bewegten Fahrzeug muss durch diese aerodynamischen Kräfte entsprechend mehr Antriebsleistung aufgebracht werden, um die Geschwindigkeit zu halten.
Bei Autos und anderen Kraftfahrzeugen ist der Luftwiderstand der dominierende Teil der Reibungskräfte (und meist ein wesentlicher Teil des gesamten Fahrwiderstands), solange die Fahrgeschwindigkeit nicht sehr tief liegt (z. B. unter 30 km/h). Bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten dominiert dagegen der Rollwiderstand.
Stärke der Luftwiderstandskraft
Die Stärke der Luftwiderstandskraft ist im Falle einer turbulenten Strömung (also bei nicht sehr kleinen Geschwindigkeiten) durch die folgende Formel gegeben:
$$F = c_\textrm{W} A \frac{\rho v^2}{2}$$
Sie hängt also von mehreren Faktoren ab:
- vom Luftwiderstandsbeiwert ($c_\textrm{W}$-Wert) des Körpers
- von der Querschnittsfläche (Stirnfläche) <$A$> des bewegten Körpers in Fahrtrichtung
- von der Dichte <$\rho$> der Luft (die in großen Höhen, zum Beispiel der Flughöhe eines Flugzeugs, deutlich abnimmt)
- vom Quadrat der Geschwindigkeit <$v$> (genauer der Relativgeschwindigkeit zwischen Körper und Umgebungsluft)
Die Luftwiderstandskraft ist also proportional zur genannten Querschnittsfläche und ebenfalls zum Luftwiderstandsbeiwert (cW-Wert), der von der geometrischen Form des Körpers abhängt. Dies bedeutet, dass eine strömungsgünstige Form z. B. eines Fahrzeugs bei gegebener Querschnittsfläche den Luftwiderstand reduziert. Wird jedoch bei festem cW-Wert die Querschnittsfläche erhöht (z. B. um den Innenraum zu vergrößern), wird der Luftwiderstand auch wieder stärker.
Wenn das Fahrzeug gegen einen von vorne kommenden Wind (Gegenwind) bewegt wird, erhöht sich die relevante Relativgeschwindigkeit um die Windgeschwindigkeit. Die vom Wind verursachte zusätzliche Reibungskraft fällt wegen der quadratischen Abhängigkeit von der Relativgeschwindigkeit umso mehr ins Gewicht, je schneller sich das Fahrzeug bewegt.
Die Optimierung der Form eines Fahrzeugs für einen möglichst niedrigen cW-Wert ist eine sehr schwierige Aufgabe. Rechnerisch lässt sich der cW-Wert nur für sehr einfache Formen relativ einfach berechnen; für Fahrzeuge braucht man höchst komplizierte näherungsweise Berechnungen mit leistungsfähigen Computern oder auch experimentelle Messungen im Windkanal. Die Wirkung von Veränderungen der Form, beispielsweise durch das Anbringen von Spoilern, lässt sich ohne solchen Aufwand höchstens ganz grob abschätzen.
Bei den typischen Geschwindigkeiten von Fahrzeugen entstehen turbulente Luftströmungen, für die die obige Formel gilt und die Luftwiderstandskraft proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit ist. Dies bedeutet, dass bei doppelter Geschwindigkeit die vierfache Reibungskraft entsteht, sodass die nötige Antriebsleistung (soweit sie auf den Luftwiderstand entfällt) achtmal höher wird. (Die Antriebsleistung ergibt sich als Produkt von Kraft und Geschwindigkeit.) Dies erklärt, warum schwach motorisierte Fahrzeuge bei Weitem nicht so viel niedrigere Höchstgeschwindigkeiten aufweisen, wie man erwarten könnte, während selbst Extrem-Sportwagen mit 1000 PS nur rund doppelt so schnell werden wie ein gewöhnliches Auto. Der Aufwand an Antriebsenergie pro Kilometer gefahrener Strecke (soweit er durch den Luftwiderstand verursacht wird) wächst bei verdoppelter Geschwindigkeit auf das Vierfache. Da der Wirkungsgrad des Verbrennungsmotors eines Autos bei niedrigen Geschwindigkeiten abnimmt und der Rollwiderstand bei hohen Geschwindigkeiten nicht zunimmt, ist die Abhängigkeit des Kraftstoffverbrauchs von der Fahrgeschwindigkeit etwas weniger stark, als nach dem obigen zu erwarten wäre.
Wenn ein Auto mit offenen Fenstern gefahren wird, führt dies zu einem erheblich höheren Luftwiderstand. Dies bedeutet, dass der Betrieb einer Klimaanlage in der Regel energetisch günstiger ist als das Fahren mit offenen Fenstern, außer bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten.
Bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten treten laminare (nicht turbulente) Strömungen auf, wobei die Reibungskraft proportional zur Geschwindigkeit ist. Dieses Regime ist bei Fahrzeugen aber nicht relevant, da in diesem Geschwindigkeitsbereich der annähernd von der Geschwindigkeit unabhängige Rollwiderstand dominiert.
Zahlenbeispiel: VW Golf
Als Zahlenbeispiel betrachte man einen VW Golf VII mit einer Stirnfläche von 2,19 m2 und einem cW-Wert von 0,27. Abbildung 1 zeigt die Luftwiderstandskraft als Funktion der Geschwindigkeit.
Bei 100 km/h ergibt sich eine Kraft von 274 N (Newton). Multipliziert mit der Fahrgeschwindigkeit von 100 km/h = 27,8 m/s ergibt dies eine Antriebsleistung von 7,6 kW. Der Verbrauch an Antriebsenergie (nur für die Überwindung des Luftwiderstands) beträgt dann 7,6 kWh pro 100 km. Wenn das Antriebssystem (Motor, Getriebe usw.) diese Antriebsenergie mit einem Wirkungsgrad von 25 % (grob geschätzt) erbringt, braucht man auf 100 km Primärenergie im Umfang von 30,4 kWh, was ca. 3,6 Liter Benzin entspricht. Bei 150 km/h wären es bereits 8,1 l. Man erkennt, dass ein Kraftstoffverbrauch von wenigen Litern auf 100 Kilometer bei 100 km/h mit einem effizienten Antrieb technisch problemlos erreichbar ist, bei schnellem Autobahntempo jedoch praktisch unmöglich wird.
Optimierung der cW-Werte von Autos
In der 1950er Jahren waren cW-Werte in der Gegend von 0,5 normal. Damals war die Form der Karosserie bei den meisten Autos nicht auf einen niedrigen Luftwiderstand hin optimiert, sondern eher durch modische, praktische oder auch herstellungstechnische Aspekte bestimmt. Inzwischen liegen die cW-Werte der meisten Neufahrzeuge in der Gegend von 0,25 bis 0,35. Die erkennbar sehr wesentliche Verbesserung wurde durch eine Vielzahl von Maßnahmen erreicht, insbesondere durch eine insgesamt "windschlüpfigere" Form der Karosserie, aber auch durch sorgfältig optimierte Bauteile wie Heckdiffusoren, einen relativ glatt verkleideten Unterboden und optimierte Anbauten (z. B. Rückspiegel).
Weitere Verbesserungen wären durchaus möglich, würden häufig aber in Konflikt mit anderen Zielen der Gestaltung geraten. Beispielsweise kann die Rundumsicht durch weniger hohe und recht flach montierte Scheiben beeinträchtigt werden, und die Kühlung des Motors wird reduziert, wenn der Luftstrom durch den Motorraum reduziert wird. (Der letztere Faktor ist natürlich bei besonders leistungsfähigen und ineffizienten Motoren wichtiger.) Wegen solcher Kompromisse ist nicht damit zu rechnen, dass die cW-Werte von Autos zukünftig deutlich unterhalb von 0,25 liegen werden. Dies bedeutet, dass eine weitere Reduktion der Energieverluste durch den Luftwiderstand nur noch mit zwei Maßnahmen möglich ist: mit einer Verringerung der Querschnittsfläche und vor allem mit einer Reduktion der Fahrgeschwindigkeiten (besonders auf Autobahnen).
Parasitärer und induzierter Widerstand bei Flugzeugen
Auf den ersten Blick würde man für Flugzeuge genauso wie für Landfahrzeuge erwartet, dass die Luftwiderstandskraft mit zunehmender Geschwindigkeit (hier: Geschwindigkeit gegen die umgebende Luft) schnell zunimmt. Dies gilt jedoch nur für den sogenannten parasitären Widerstand, der ähnlich wie bei einem typischen Landfahrzeug zustande kommt. Zusätzlich spielt hier ein anderer Aspekt eine wichtige Rolle, nämlich dass vor allem die Tragflächen einen dynamischen Auftrieb erzeugen müssen, um das Flugzeug in der Luft zu halten. Die Erzeugung dieses notwendigen Auftriebs geht damit einher, dass ein zusätzlicher Luftwiderstand (der sogenannte induzierte Widerstand) entsteht. Dessen Stärke nimmt mit zunehmender Geschwindigkeit nicht etwa zu, sondern sogar stark ab.
Wenn man den Luftwiderstand als Funktion der Fluggeschwindigkeit betrachtet, wird man sinnvollerweise bei jeder Geschwindigkeit den geraden Flug in konstanter Höhe annehmen. Also muss unabhängig von der Geschwindigkeit immer der gleiche dynamische Auftrieb zur Verfügung stehen. Bei niedrigen Geschwindigkeiten muss dies durch eine entsprechende Konfiguration des Flugzeugs gewährleistet werden, beispielsweise durch einen erhöhten Anstellwinkel des gesamten Flugzeugs (Nase stärker nach oben) und/oder durch eine Modifikation der Form der Tragflächen, etwa durch Ausfahren von Landeklappen. Dies erhöht dann den induzierten Widerstand.
Der gesamte Luftwiderstand ergibt sich nun als die Summe von parasitärem Widerstand und induziertem Widerstand. Es stellt sich heraus, dass er bei einer bestimmten Geschwindigkeit minimal wird, bei der beide Beiträge in etwa gleich groß werden. Bei höheren Geschwindigkeiten überwiegt der parasitäre Widerstand, bei geringeren der induzierte Widerstand. Bei extremem Langsamflug (z. B. bei Start und Landung) kann die benötigte Antriebsleistung sogar erheblich höher sein als bei einer höheren Fluggeschwindigkeit.
Wenn der Wirkungsgrad des Antriebs (z. B. eines Strahltriebwerks) von der Geschwindigkeit unabhängig wäre, wäre die genannte Geschwindigkeit minimalen Luftwiderstands optimal bezüglich des Treibstoffverbrauchs pro Kilometer. Da dies allerdings vor allem für Strahltriebwerke meist nicht der Fall ist, liegt die optimale Fluggeschwindigkeit deutlich höher – typischerweise in der Gegend von 0,8 Mach, was in den normalen Reiseflughöhen rund 860 km/h entspricht. Die tatsächlich gewählte Reisefluggeschwindigkeit liegt oft noch etwas höher, denn sie ergibt sich als ein Kompromiss zwischen Wirtschaftlichkeit und Flugdauer.
Tendenziell nimmt der Luftwiderstand mit zunehmender Flughöhe ab, und die Geschwindigkeit minimalen Luftwiderstands nimmt zu. Dies liegt im Wesentlichen an der abnehmenden Dichte der Luft.
Luftwiderstand bei Überschallgeschwindigkeit
Bei Flügen mit Überschallgeschwindigkeit wird die Abhängigkeit des Luftwiderstands von der Geschwindigkeit nochmals modifiziert, weil dann zusätzliche komplizierte Aspekte der Aerodynamik (Bildung intensiver Druckwellen, veränderte Luftwirbel usw.) relevant werden. Bei Erreichen oder leichter Überschreitung der Schallgeschwindigkeit gibt es einen scharfen Anstieg des Luftwiderstands, bei deutlich stärkerer Überschreitung dagegen wieder einen Abfall, bis ein erneuter Anstieg einsetzt. Das lokale Optimum im Überschallbereich ist allerdings immer noch deutlich ungünstiger als eine Geschwindigkeit etwas unterhalb der Schallgeschwindigkeit. Überschallflug dürfte also praktisch immer zu einem deutlich erhöhten Energieverbrauch führen.
Siehe auch: Reibung, Kraft, Energieverlust, Kraftstoff sparen, Rollwiderstand, Fahrwiderstand
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