Methanpyrolyse
Definition: die Zerlegung von Methan in Wasserstoff und Kohlenstoff
Alternativer Begriff: Methancracken
Allgemeiner Begriff: Pyrolyse
Englisch: methane pyrolysis
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Ursprüngliche Erstellung: 20.06.2020; letzte Änderung: 20.08.2023
Die Methanpyrolyse (auch Methancracken genannt) ist eine neu erwogene Methode zur Gewinnung von Wasserstoff aus Erdgas. Das Grundprinzip ist hierbei die Zerlegung von Methan (CH4, Hauptbestandteil von Erdgas) in elementaren Kohlenstoff (C) und Wasserstoffgas (H2):
$chem: CH4 → C + 2 H2
Dies ist eine endotherme Reaktion, d. h. sie benötigt die Zufuhr von Energie in Form von Hochtemperaturwärme, und zwar 74,6 kJ/mol.
Eine mögliche Anwendung der Methanpyrolyse ist vor allem die relativ klimaschonende Erzeugung von Wasserstoff, der dann auch als "türkiser Wasserstoff" bezeichnet wird. Man spricht auch von einer Dekarbonisierung des Erdgases. Dafür müsste entweder der erhaltene Kohlenstoff dauerhaft abgelagert werden, oder sonst wie dafür gesorgt werden, dass er nie verbrannt wird. Im Prinzip könnte man zwar auch den Kohlenstoff verbrennen und das entstehende CO2 dauerhaft unterirdisch lagern, aber dann könnte man besser auf die Pyrolyse verzichten und direkt das Methan verbrennen.
Die am ehesten genutzte Quelle von Methan ist Erdgas, aber im Prinzip kann genauso beispielsweise Biogas genutzt werden.
Energiegehalte der Substanzen
Ein wesentlicher Aspekt ist der Energiegehalt der erhaltenen Stoffe im Vergleich zu dem des verbrauchten Methans. Gehen wir aus von 1 kg Methan, so erhalten wir daraus ca. 0,75 kg Kohlenstoff und 0,25 kg Wasserstoff. Die Heizwerte sind:
- 1 kg Methan: 50 MJ
- 0,75 kg Kohlenstoff (als Graphit): 0,75 · 32,8 MJ = 24,6 MJ
- 0,25 kg Wasserstoff: 0,25 · 120 MJ = 30 MJ
Wenn man also sowohl den erhaltenen Wasserstoff als auch den Kohlenstoff verbrennen würde, hielt man insgesamt 52,6 MJ, also ein wenig mehr als durch die direkte Verbrennung des Methans – entsprechend der bei der Pyrolyse investierten Energie. Verzichtet man dagegen auf die Verbrennung des Kohlenstoffs, beispielsweise um die Bildung des klimaschädlichen CO2 zu vermeiden, hat man nur noch 60 % des Heizwerts des eingesetzten Methans – und dies trotz des zusätzlichen Energieaufwands für die Pyrolyse. Man bräuchte also wesentlich mehr Erdgas, um die gleiche Energiemenge daraus auf eine klimaverträgliche Weise zu gewinnen. Insofern wäre eine Verbrennung des Erdgases mit anschließender Abtrennung und Ablagerung des CO2 energetisch deutlich ergiebiger als die Verwendung der Methanpyrolyse.
Technische Details
Wie bereits erwähnt benötigt die Zerlegung von Methan in Wasserstoff und Kohlenstoff die Zufuhr von Energie in Form von Hochtemperaturwärme. Technisch kann dies beispielsweise so geschehen, dass Methangas (bzw. gereinigtes Erdgas) in Form von Blasen von unten nach oben durch geschmolzenes Zinn geleitet wird, dem beispielsweise Elektrowärme zugeführt wird. Oben entweicht dann größtenteils Wasserstoff, und der Kohlenstoff wird in das Zinn abgegeben, von wo er am oberen Ende als eine Art Schlacke abgeschieden werden kann. Der Kohlenstoff wird in Form von relativ reinem Graphit gewonnen und kann für diverse industrielle Herstellungsverfahren genutzt werden – etwa für Stahl, Carbonfaserwerkstoffe oder Elektroden. Eine andere Idee der Verwendung wäre in der Landwirtschaft als Humusbildner; es hat sich gezeigt, dass in den Boden eingebrachter Kohlenstoff nicht etwa bald zu CO2 oxidiert wird, sondern zur Bodenverbesserung mit Bildung von Humus beiträgt.
Derzeit werden diverse Pilotanlagen für die Methanpyrolyse untersucht und optimiert.
Eine relativ alte Methode ist das Kværner-Verfahren. Hier erfolgt die Zerlegung von Methan nicht in flüssigem Metall, sondern in einem elektrisch erzeugten Plasma. Damit verglichen könnten neuere Verfahren wie oben beschrieben vielleicht effizienter arbeiten. Ein anderer möglicher Vorteil wäre die Nutzung von Hochtemperaturwärme aus allen Quellen – beispielsweise konzentrierte Solarenergie – anstelle von elektrischer Energie. Unterschiede könnten sich auch ergeben bezüglich der nutzbaren Arten von Kohlenwasserstoffen. Ein abschließender Vergleich ist derzeit aber noch nicht möglich.
Klimaeffekte
Theoretisch kann die Herstellung von Wasserstoff durch Methanpyrolyse ohne jegliche klimaschädliche Emissionen erfolgen. Hierfür müssten die folgenden Bedingungen erfüllt werden:
- Das Methan müsste ohne solche Emissionen gewonnen werden. Leider ist das bei der Erdgasgewinnung jedoch schwer möglich. Vor allem neuere Methoden, z. B. mithilfe von Fracking, führen oft zu erheblichen Emissionen des besonders klimaschädlichen Methans, und diese werden zunehmend genutzt, wenn umweltfreundlicher nutzbare konventionelle Vorkommen erschöpft werden und die Nachfrage nach Erdgas groß bleibt.
- Emissionen von Methan bei der Pyrolyse selbst müssen vermieden werden. Dies sollte allerdings gut möglich sein.
- Die verwendete Energie (voraussichtlich elektrische Energie) muss klimaneutral gewonnen werden – was annähernd möglich ist beispielsweise durch Verwendung von Windenergie oder Sonnenenergie, oder alternativ mit Kernenergie. (Eventuell könnten zukünftig neue Hochtemperaturreaktoren Prozesswärme für solche Verfahren liefern.)
Das Problem liegt also vor allem bei der Erdgasgewinnung. Es würde auch nicht dadurch gelöst, dass man "sauber" förderbares Erdgas für diesen Zweck reserviert und dafür entsprechend mehr "dreckiges" Gas für andere Zwecke nutzt.
Immerhin könnte die Methanpyrolyse im Vergleich mit manchen anderen Arten der Wasserstoffherstellung – insbesondere Dampfreformierung (siehe unten) deutlich weniger klimaschädlich sein.
Vergleich mit anderen Verfahren
Dampfreformierung
Wasserstoff wird bereits in großen Mengen (z. B. für die Chemieindustrie) aus Erdgas hergestellt, bisher aber mithilfe der Dampfreformierung. Hierbei könnte die Ausbeute an Wasserstoff in Bezug auf die genutzte Menge von Erdgas deutlich höher sein, wenn eine externe Wärmequelle (etwa elektrische Energie oder Wärme aus konzentrierter Solarenergie) genutzt wird; wenn dagegen (wie bislang üblich) ein Teil des Erdgases verbrannt wird, um die nötige Wärme zu erzeugen, kann die Ausbeute geringer ausfallen. Im Idealfall wäre der Verbrauch von Erdgas (mit zusätzlicher Wärmezufuhr aus anderen Quellen) nur halb so groß wie der für die Methanpyrolyse; man erreicht effektiv
$chem: CH4 + 2 H2O → CO2 + 4 H2
und damit die Erzeugung von 4 H2 statt nur 2 H2 pro Methanmolekül bei der Pyrolyse.
Ein wesentlicher Nachteil der Dampfreformierung ist jedoch, dass dabei Kohlendioxid (CO2) entsteht, welches üblicherweise in die Atmosphäre entlassen wird, weil es in großen Mengen schwer nutzbar ist. Vor allem dadurch ist diese Art der Wasserstoffgewinnung klimaschädlich – außer wenn man den Aufwand für die Abtrennung und Ablagerung des CO2 auf sich nimmt.
Diesbezüglich ist die Methanpyrolyse günstiger: Der erhaltene Kohlenstoff kann leicht abgetrennt und abgelagert oder aber ohne die Entstehung von Kohlendioxid genutzt werden. Natürlich darf der Kohlenstoff dafür nicht verbrannt (also energetisch genutzt) werden.
Elektrolyse
Wasserstoff kann auch aus elektrischer Energie durch Elektrolyse gewonnen werden. Man benötigt dann einerseits keine Zufuhr einer energiereichen Substanz wie Erdgas, sondern nur Wasser, andererseits aber rund vier- bis fünfmal mehr elektrische Energie.
Die Methanpyrolyse hat gegenüber der Elektrolyse also den Vorteil, dass sich mit begrenzten Mengen erneuerbarer Energie viel mehr Wasserstoff gewinnen ließe.
Mögliche Rolle der Methanpyrolyse in Chemie und Energieversorgung
Besonders interessant würden Verfahren der Methanpyrolyse, wenn zukünftig eine Wasserstoffwirtschaft aufgebaut wird, also große Mengen von Wasserstoff benötigt werden. Hier würde eine immerhin deutlich klimaschonendere Art der Wasserstoffherstellung helfen, einen entscheidenden Vorteil der Wasserstoffwirtschaft – einen Beitrag zum Klimaschutz – zu realisieren. Selbst wenn die Methanpyrolyse wegen der Erdgasgewinnung nicht völlig klimaneutral wäre, könnte sie als relativ schnell realisierbare Übergangslösung den Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft erleichtern.
Auch ohne eine ausgedehnte Wasserstoffwirtschaft gibt es vor allem in der Chemieindustrie bereits einen erheblichen Bedarf an Wasserstoff, der bislang weitgehend durch Dampfreformierung gedeckt wird. Hier könnte die Methanpyrolyse die klimaschädlichen Emissionen deutlich reduzieren.
Denkbar wäre auch ein Einsatz im Rahmen der Sektorkopplung, etwa der Einsatz von Windenergie und der Betrieb der Kværner-Anlagen vorzugsweise in Zeiten mit gutem Windstromangebot (bzw. generell in Zeiten mit Stromüberschüssen und entsprechend niedrigen Strompreisen).
Literatur
[1] | Presseinformation des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) über ein Projekt zur Entwicklung der Methanpyrolyse, https://www.kit.edu/kit/pi2019_wasserstoff-aus-erdgas-ohne-co2-emissionen.php |
Siehe auch: Wasserstoff, Erdgas, Klimaschutz, Methanschlupf
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