RP-Energie-Lexikon
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Nachhaltigkeit

Definition: das Grundprinzip, so zu wirtschaften, dass die Grundlagen dafür dauerhaft erhalten bleiben

Gegenbegriff: Raubbau

Englisch: sustainability

Kategorie: Ökologie und Umwelttechnik

Autor:

Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen

Ursprüngliche Erstellung: 21.12.2013; letzte Änderung: 20.08.2023

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Der Begriff der Nachhaltigkeit ist zwar im Prinzip recht alt, wird aber in der heutigen Bedeutung erst seit den 1980er Jahren ausgiebig verwendet, beginnend mit dem "Brundtland-Bericht" der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (WCED, 1987) [1]. (Grundlagen hierfür wurden schon früher entwickelt, beispielsweise in der Studie "Grenzen des Wachstums" des Club of Rome von 1972.) Eine Art zu wirtschaften und dabei Ressourcen zu nutzen wird als nachhaltig bezeichnet, wenn sie so erfolgt, dass ihre Grundlagen bewahrt werden, so dass dieses Wirtschaften über lange Zeit in einer stabilen Umgebung erfolgreich praktiziert werden kann. Der englische Begriff sustainability ist diesbezüglich noch etwas klarer; es geht darum, ein dauerhaft funktionierendes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge einzurichten.

Die Forderung nach Nachhaltigkeit ist eine Ermahnung zum langfristigen Denken: Es soll vermieden werden, dass essenzielle Lebensgrundlagen durch ein kurzfristig orientiertes Handeln unwiederbringlich zerstört werden. Hierzu gehört das Bewusstsein, dass ein nicht nachhaltiges Wirtschaften unter anderem auch die Grundlage derselben Wirtschaft zerstört, also auch ökonomisch nicht durchhaltbar ist. (Beispielsweise würde eine Klimakatastrophe die Errungenschaften einer blühenden Wirtschaft zunichte oder irrelevant machen.) Die Generationengerechtigkeit erfordert offenkundig Nachhaltigkeit in diesem Sinne. (Statt nachhaltig spricht man inzwischen manchmal auch von enkelgerecht, um diesen Aspekt zu betonen.) Der Brundtland-Bericht hat dies sinngemäß so formuliert, dass wir eine Entwicklung brauchen, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.

Eine umfassende Nachhaltigkeit des Wirtschaftens liegt offenkundig im vitalen Interesse der Menschheit als Ganzes. Für Einzelne kann es aber durchaus vorteilhafter sein, nicht nachhaltig zu wirtschaften, solange die daraus resultierenden Schäden vorwiegend andere treffen – Menschen in anderen Regionen sowie später lebende Menschen. Dies ist wohl der Hauptgrund dafür, dass nach wie vor trotz aller verfügbaren Einsichten Methoden des Raubbaus weiter praktiziert werden. Jedoch geht die moralische Evolution der Menschheit erkennbar in die Richtung, dass die Interessen anderer (nicht nur der einem konkret bekannten Menschen, und nicht nur Lebewesen der eigenen Spezies) zunehmend berücksichtigt werden.

Leider wird der Begriff der Nachhaltigkeit oft als Wortblase mit diffuser Bedeutung missbraucht, wozu auch gewisse durchaus gut gemeinte Deutungen und Erweiterungen des Begriffs beitragen. Wenn jedoch nicht vergessen wird, dass ein verantwortungsvolles Wirtschaften mit Blick auf das langfristige Wohl der Menschheit der Kern der Nachhaltigkeit ist, bleibt das Wort sinnvoll und nützlich.

Fehlende Nachhaltigkeit bei der Nutzung fossiler Energieträger

Das heute weltweit übliche Wirtschaften insbesondere im Energiebereich ist weit von der Nachhaltigkeit entfernt. Dies zeigt sich besonders stark im ausufernden Verbrauch fossiler Energieträger, der sich zu einem rücksichtslosen Raubbau entwickelt hat. Wenige Generationen erlauben sich, im Laufe vieler Millionen Jahre entstandene Energieträger auszubeuten und zu verbrennen, so dass einerseits diese Energieträger für zukünftige Generationen viel schlechter verfügbar sein werden (was vor allem für Erdöl gilt) und andererseits durch die sich deutlich ändernde Zusammensetzung der Erdatmosphäre massive Klimagefahren entstehen. Letzteres ist das Hauptproblem.

Die Energiewirtschaft kann also nur durch den weitgehenden Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger nachhaltig werden. Dies gilt vor allem für Kohle und Erdöl, aber auch für Erdgas, wobei der Kohleausstieg sinnvollerweise zuerst angegangen wird, weil Kohle der klimaschädlichste Energieträger ist. (Erdgas kann allerdings noch schlimmer sein, wenn wesentliche Mengen des Erdgases unverbrannt in die Atmosophäre gelangen, z. B. durch Lecks bei Förderung und Transport.) Zwar gibt es diverse Technologien wie z. B. die CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS), die gewisse negative Auswirkungen fossiler Energieträger deutlich vermindern, jedoch ist damit keine eigentliche Nachhaltigkeit erzielbar. Beispielsweise ist CCS höchstens für einzelne große Emittenten praktikabel, nicht z. B. für Verbrennungsmotoren im Verkehrsbereich; zudem reichen verfügbare CO2-Senken bei Weitem nicht aus, um die riesigen Mengen aufzunehmen.

Könnte Kernenergie nachhaltig genutzt werden?

Eine nachhaltige Nutzung der Kernenergie wäre eher vorstellbar, da diese theoretisch (bei äußerst sorgfältigem Vorgehen) ohne wesentliche negative Umweltauswirkungen möglich wäre, und da eine baldige Erschöpfung der dafür benötigten Ressourcen zumindest mit bestimmten Kernreaktoren, nämlich mit schellen Brutreaktoren, auch bei intensiver Nutzung vermieden werden könnte. Jedoch gelingt dies kaum:

  • In der Praxis werden immer Kompromisse zwischen der Sicherheit und der (ohnehin prekären) Wirtschaftlichkeit gemacht; gegenteilige Beteuerungen sind angesichts riesiger finanzieller Summen, die dabei tangiert werden, nicht glaubwürdig. Hinzu kommt, dass übersehene Risiken und menschliches Fehlverhalten grundsätzlich nicht sicher vermieden werden können. Deswegen können selbst in hoch technisierten Ländern Nuklearunfälle mit katastrophalen Folgen nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Zwar resultiert daraus keine globale Bedrohung des Lebens, zumindest solange ein großer Atomkrieg vermieden werden kann, aber doch eine existenzielle Bedrohung für einzelne betroffene Länder. (Japan wäre durch das Fukushima-Unglück noch viel drastischer getroffen worden, wenn Winde die radioaktiven Wolken in den Großraum Tokyo verfrachtet hätten und nicht vorwiegend in den Pazifik.)
  • Ein Risikopotenzial entsteht auch durch möglichen militärischen Missbrauch durch Staaten oder Terroristen; manche Bemühungen zur Eindämmung solcher Risiken fördern wiederum sozial bedenkliche Entwicklungen z. B. hin zu einem undemokratischen Überwachungsstaat. Grundsätzlich vergrößert auch die Weiterverbreitung ziviler Atomtechnologie die Gefahr zukünftiger nuklearer Kriege (etwa als Deckmantel für die Beschaffung kritischer Materialien und den Bau von leicht zu missbrauchenden Reaktoren), was im Sinne der Nachhaltigkeit nicht akzeptabel ist.
  • Es werden praktisch ausschließlich Reaktortypen eingesetzt, die die Ressourcen sehr ineffizient nutzen, so dass spaltbares Uran in den nächsten Jahrzehnten knapp werden wird – obwohl weltweit nur wenige Prozent der Primärenergie aus Kernenergie gewonnen werden.
  • Dieselben Reaktortypen produzieren außerdem extrem langlebige und gefährliche radioaktive Abfälle, was ebenfalls der Nachhaltigkeit widerspricht.

Es gibt durchaus technische Ansätze (z. B. neuartige Typen von Kernreaktoren), um manche dieser Probleme wirksam zu mindern, wobei allerdings oft andere Probleme dadurch größer werden und meist die Wirtschaftlichkeit stark leiden würde. Beispielsweise würden schnelle Brutreaktoren zwar die Erschöpfung von Ressourcen stark vermindern und (bei geeigneter Gestaltung des Gesamtsystems) das Endlagerproblem massiv reduzieren; der Atommüll bliebe im Idealfall "nur" noch für etliche Jahrhunderte sehr gefährlich. Gleichzeitig würden aber die Gefahren von Reaktorunfällen und die der Proliferation waffenfähiger Materialien wohl zunehmen; hinzu kommen hohe Kosten und technische Probleme. Der Atommüll der vorherrschenden Leichtwasserreaktoren könnte zwar theoretisch durch Transmutation kurzlebiger gemacht werden, jedoch sind hierfür praktikable Methoden bislang nicht entwickelt worden. Ein Gesamtkonzept für eine nachhaltige Kernenergienutzung scheint jedenfalls nach etlichen Jahrzehnten der Entwicklung dieser Technologie nicht zu existieren.

Ein technisch völlig anderer Ansatz wäre die Nutzung der Kernfusion in entsprechenden Fusionsreaktoren. Hier wäre die Reichweite der Ressourcen extrem groß und das Problem radioaktiver Abfälle relativ klein. Allerdings ist die Entwicklung von Kernfusionsreaktoren technisch extrem schwierig; selbst wenn sie in Jahrzehnten einst gelingen wird, dann voraussichtlich nicht zu tragbaren Kosten, da die benötigte Maschinerie extrem aufwendig wäre. Es ist also sehr fraglich, ob eine nachhaltige Kernfusionswirtschaft machbar ist.

Erneuerbare Energie

Erneuerbare Energien, etwa in Form von Windenergie, Sonnenenergie, Bioenergie und Geothermie, besitzen ein großes Potenzial für eine nachhaltige Nutzung. Sie basieren im Wesentlichen nicht auf zur Neige gehenden Rohstoffen, ihre Umweltauswirkungen lassen sich recht begrenzt halten, und die Gefahr katastrophaler Unfälle oder Kriege ist nicht erkennbar. Im Gegenteil eröffnen sie sogar Perspektiven für eine stabile wirtschaftliche Zusammenarbeit beispielsweise zwischen Nordafrika und Europa, die auch zur politischen Stabilisierung beitragen könnte.

Allerdings ist erneuerbare Energie nicht per se nachhaltig; manche Nutzungsarten können durchaus das Prinzip der Nachhaltigkeit verletzen. Insbesondere trifft dies auf Biokraftstoffe zu, wenn diese aus nicht nachhaltig angebauten Pflanzen hergestellt werden. In diesem Bereich gibt es eine Vielzahl von Problemen. Beispiele hierfür sind der Einsatz fossiler Energieträger für Landmaschinen und Düngemittel, die Abholzung von Regenwäldern für Palmölplantagen und die Ausweitung nicht nachhaltiger Landwirtschaft auch als indirekte Folge der Umnutzung landwirtschaftlicher Flächen. Eine Verletzung des Nachhaltigkeitsprinzips droht am meisten dann, wenn versucht wird, das Potenzial erneuerbarer Energien sehr stark auszuweiten.

Die begrenzten Mengen nachhaltig nutzbarer erneuerbarer Energie bedingen, dass eine hohe Energieeffizienz und wohl auch Suffizienz ergänzend unbedingt notwendig sind. Eine nachhaltige Wirtschaft wird also nicht allein dadurch zu erreichen sein, dass man gewisse Energieträger durch andere ersetzt (substituiert); ein umfassenderer Ansatz ist nötig.

Energiewende und ökologische Steuerreform

Die deutsche Energiewende ist im Kern der Versuch, das erkannte Problem der fehlenden Nachhaltigkeit im Energiesektor zu lösen. Es gehört dazu der allmähliche Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger genauso wie der Atomausstieg. Neue Nachhaltigkeitsprobleme zeichnen sich dabei allerdings ab, insbesondere im Bereich der energetisch genutzten Biomasse (Biokraftstoffe und Biogas); hier sind Korrekturen notwendig. Ebenfalls liegt der Energiepolitik noch kein schlüssiges Konzept zugrunde, wie das Fernziel einer weitgehend erneuerbaren Energieversorgung in den Sektoren elektrische Energie, Wärme und Verkehr erreicht werden soll. Die Energiewende wird also aktiv weiter gestaltet werden müssen, um das Ziel der Nachhaltigkeit zu erreichen. Es zeichnet sich ab, dass eine intensivierte Sektorkopplung und Elektrifizierung dabei eine große Rolle spielen müssen.

Ein bislang ungelöstes Grundproblem besteht darin, dass die Kosten von Energie die tatsächlichen ökologischen und gesellschaftlichen Kosten nur sehr unvollständig reflektieren. Beispielsweise konnte Strom aus Kohlekraftwerken für viele Jahre billig verkauft werden, wobei die verursachten Klimagefahren durch ein nicht richtig funktionierendes europäisches Emissionshandelssystem kaum berücksichtigt wurden, genauso wenig wie massive Auswirkungen der verursachten Luftverschmutzung auf die menschliche Gesundheit und die Landwirtschaft. Solche externe Kosten müssten unbedingt internalisiert, also in interne Kosten umgewandelt werden, insbesondere durch eine angemessene CO2-Bepreisung, die inzwischen allmählich am Kommen ist. Ebenfalls müssten die Staaten einen größeren Teil ihrer Einnahmen durch die Besteuerung des Verbrauchs von Energie und Rohstoffen decken anstatt durch Lohnsteuern. Eine ökologische Steuerreform würde, wie schon lange gezeigt, die Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit auf effiziente Weise deutlich stärken können. Die notwendigen Energie- und Ressourcenstrategien würden dann auch stärker von der Wirtschaft selbst entwickelt.

Ist Wirtschaftswachstum mit Nachhaltigkeit verträglich?

Wirtschaftswachstum ist normalerweise nicht nur mit einer Ausweitung der Mengen produzierter Güter und Dienstleistungen verbunden, sondern auch mit der Zunahme des Verbrauchs von Rohstoffen und Energie. Solches Wachstum stößt dann früher oder später unweigerlich an die Grenzen der natürlichen Ressourcen und ist mit Nachhaltigkeit nicht vereinbar. Andererseits ist unser Wirtschaftssystem so aufgebaut, dass es ohne Wachstum nicht funktioniert; beispielsweise ist eine ständig zunehmende Staatsverschuldung nur tragbar, solange die Wirtschaft ähnlich stark wächst.

Dieses Dilemma kann im Prinzip aufgelöst werden durch eine Entkopplung der Produktion vom Rohstoff- und Energieverbrauch. Wenn beispielsweise die Energieeffizienz schneller zunimmt als die Produktion, kann der Energiebedarf sinken. Allerdings geschieht es erfahrungsgemäß häufiger, dass Wachstum die Erfolge verbesserter Energieeffizienz größtenteils zunichte macht oder gar überkompensiert (→ Rebound-Effekt). Beispielsweise ist die Technik der Beleuchtung in den letzten 100 Jahren enorm viel effizienter geworden, aber trotzdem hat der Energiebedarf dafür stark zugenommen. Eine riesige Herausforderung besteht insbesondere darin, ein dauerhaftes Wachstum durch Fortschritte der Energieproduktivität zu kompensieren. So ist beispielsweise eine echt nachhaltige Entwicklung des Luftverkehrs in Verbindung mit starkem Wachstum schwer vorstellbar, zumal praktikable Technologien für annähernd klimaneutrales Fliegen (v. a. im Langstreckenbereich) bis auf weiteres nicht verfügbar sind.

Aus solchen Gründen ist es umstritten, ob Wirtschaftswachstum dauerhaft mit Nachhaltigkeit vereinbart werden kann (also ob ein grünes Wachstum dauerhaft möglich ist), oder ob Nachhaltigkeit nicht etwa voraussetzt, dass wir die globale Wirtschaft in einen stationären Zustand überführen, in dem insgesamt kein Wachstum der Produktion mehr erfolgt. Freilich haben aufstrebende Länder, deren Ökonomie sich von einem niedrigen Niveau aus in starkem Wachstum befindet, eine andere Perspektive darauf; sie werden zumindest das anzustrebende Plateau für sich auf einem wesentlich höheren Niveau sehen. Im Sinne einer globalen Gerechtigkeit wird man den insgesamt noch tragbaren Rohstoff- und Energieverbrauch weltweit irgendwie aufteilen müssen, was eine starke Reduktion des Energieverbrauchs in den heute besonders viel verbrauchenden Ländern bedeuten würde.

Der Emissionshandel z. B. für CO2 (oder eine andere Methode der CO2-Bepreisung) könnte als ein Instrument dienen, um dem nicht nachhaltigen Energieverbrauch Grenzen zu setzen, ohne dirigistisch in die Wirtschaft eingreifen zu müssen. Wenn sich die staatlich gesetzten Emissionsobergrenzen (Caps) an den Notwendigkeiten des Klimaschutzes orientieren würden anstatt an dem, was kurz- und mittelfristig als ökonomisch und politisch akzeptabel empfunden wird, könnte die Wirtschaft selbst zeigen, in wieweit sie zu einem nachhaltigen Wachstum befähigt ist.

Verhältnis von Bedürfnissen und Nachhaltigkeit

Einerseits zielt Nachhaltigkeit darauf, menschliche Bedürfnisse zu befriedigen, und zwar dauerhaft. Andererseits gibt es Bedürfnisse, die auf nachhaltige Weise nicht befriedigt werden können – beispielsweise das nach einem unbeschränkten Wachstum des Flugverkehrs. Es liegt hier also ein Konflikt vor, und zwar nicht eigentlich zwischen Ökologie und menschlichen Bedürfnissen, sondern im Kern zwischen gewissen Bedürfnissen von heute in wohlhabenden Ländern lebenden Menschen und Bedürfnissen von Menschen späterer Generationen, und teils auch von heute in ärmeren Ländern lebenden Menschen. Nachhaltigkeit ist also für, nicht gegen menschliche Bedürfnisse gerichtet; sie kann aber erfordern, dass Prioritäten gesetzt werden. So ist ein gewisses Maß an Suffizienz notwendig, um grundlegende Bedürfnisse zu decken und dies nicht der Befriedigung von nicht essenziellen Bedürfnissen wohlhabender Minderheiten zu opfern.

Drei-Säulen-Modell der nachhaltigen Entwicklung

Es wird heute weithin anerkannt, dass Nachhaltigkeit im vollen Sinne nicht allein ökologische Kriterien erfüllen muss. Es sind nämlich Strategien vorstellbar, die zwar ökologisch gesehen akzeptabel erscheinen, aber ökonomische Grundlagen des menschlichen Lebens zerstören oder negative soziale Folgen haben, beispielsweise soziale Konflikte schüren und damit die Stabilität von Gesellschaften gefährden. Dauerhaft praktizierbar (sustainable) ist ein Wirtschaften aber immer nur, wenn es keine seiner Grundlagen zerstört.

Aus diesen Überlegungen entstand in den 1990er Jahren das Drei-Säulen-Modell der nachhaltigen Entwicklung, wie es die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages formuliert hat. Demnach sollen ökologische, ökonomische und soziale Ziele als grundsätzlich gleichwertige Aspekte in einer "dreidimensionalen Perspektive" behandelt werden – bildlich dargestellt als drei gleichwertige Säulen, auf denen das menschliche Wohl ruht. Dies wirft freilich neue Fragen auf, beispielsweise die folgenden:

  • Was genau soll bei Zielkonflikten geschehen? Soll beispielsweise der Ausstieg aus der Kohlenutzung in Deutschland und in China konsequent durchgeführt werden, auch wenn dies kurzfristig zu ökonomischen und sozialen Problemen führt? Wie soll man ökonomische Vorteile mit ökologischen Schäden vergleichen, um sinnvoll abwägen zu können?
  • Wie sind generell langfristige und kurzfristige Ziele gegeneinander abzuwägen, also auch die Interessen der jetzigen und der späteren Generationen? Ist es überhaupt akzeptabel, dass über den ökonomischen und sozialen Aspekt auch kurzfristige Interessen wieder einfließen, – und zwar ausgerechnet in die Nachhaltigkeitsforderungen, die ursprünglich doch gerade das langfristige Denken betrafen? Oder sind die drei Säulen so zu verstehen, dass sie sich alle auf einen langen Zeithorizont beziehen?
  • Welche Rolle soll das Ziel der globalen Gerechtigkeit im Verhältnis zur Generationengerechtigkeit spielen?
  • Soll eine Maßnahme, solange sie nicht alle Ziele bestens abdeckt, zugunsten des Status quo zurückgestellt werden – selbst wenn dieser klar weniger nachhaltig ist? Oder muss der Status quo (das bisherige Wirtschaften) genauso streng an allen Maßstäben gemessen werden wie neue Strategien?

Da das Drei-Säulen-Modell offenkundig zentrale Fragen unbeantwortet lässt und zudem ein Missbrauchspotenzial aufweist (beispielsweise für Blockaden zugunsten gewisser kurzfristiger Partikularinteressen), wird es nicht allgemein anerkannt, und andere Ansätze werden diskutiert. Beispielsweise kann man die ökologische Nachhaltigkeit nicht als eine von drei Säulen, sondern als ein unverzichtbares Ziel betrachten, da ökologische Zerstörungen kaum durch ökonomische oder soziale Fortschritte kompensiert werden können. Demnach müsste die Notwendigkeit der ökologischen Nachhaltigkeit als Grundforderung in die Aktivitäten für ökonomische und soziale Entwicklung integriert werden. Bildlich dargestellt wäre dann die ökologische Nachhaltigkeit die Basis z. B. der drei Säulen Ökonomie, Kultur und Soziales. Da aber auch eine intakte Ökonomie eine notwendige Voraussetzung für das Soziale ist, umgekehrt aber auch stabile soziale Bedingungen eine Voraussetzung für ökonomischen Erfolg, wäre auch ein solches Bild mit parallelen Säulen nicht ganz angemessen: Es könnte suggerieren, dass das Versagen einer der Säulen das Gebäude nicht notwendig zum Einsturz bringt.

Starke und schwache Nachhaltigkeit

Ein Drei-Säulen-Modell kann suggerieren, dass eine Säule auch etwas schwächer sein darf, wenn die anderen dafür tragfähiger sind. Nach der Vorstellung der "schwachen Nachhaltigkeit" können in der Tat Defizite bei der ökologischen Nachhaltigkeit ausgeglichen werden durch Fortschritte in anderen Sektoren. Beispielsweise kann sich ein ökonomisch starkes Land eher durch Dammbauten gegen die Folgen eines steigenden Meeresspiegels schützen. "Starke Nachhaltigkeit" dagegen fordert, dass die ökologische Nachhaltigkeit unbedingt gegeben sein muss, weil ausgleichende Effekte wie oben genannt schnell an ihre Grenzen stoßen. Dies unterstützt ein integratives Modell mit ökologischer Nachhaltigkeit als Grundbedingung für jeden Erfolg.

Wohlgemerkt bedeutet die Forderung der "starken Nachhaltigkeit" nicht die Priorität der Ökologie über alle Bereiche. Kompromisse z. B. zugunsten kurzfristiger sozialer Interessen mögen hier und da nötig sein. Dann mag es aber ehrlicher sein, dies als eine Verletzung der Nachhaltigkeit (wenn auch vielleicht mit guten Gründen) zu betrachten, anstatt es mit einer Säulentheorie als nachhaltiges Handeln zu interpretieren.

Schritte in Richtung zur Nachhaltigkeit

Unser nicht nachhaltiges Wirtschaftssystem kann nur schrittweise in ein nachhaltiges umgewandelt werden. Die Politik kann hierfür auf diverse Instrumente zurückgreifen, die teils schon oben erwähnt wurden:

  • Sie muss dafür sorgen, dass externe Kosten von Energie- und Rohstoffverbrauch internalisiert werden.
  • Eine ökologische Steuerreform würde enorme kreative Energien freisetzen und ohne dirigistische Eingriffe den effizienten Umbau der Wirtschaft anstoßen.
  • Nicht nachhaltige Sektoren der Wirtschaft wie z. B. die Kohlewirtschaft dürften nicht mehr subventioniert werden. Generell ist der Abbau von Energie-Subventionen sinnvoller als die Einführung neuer Subventionen für erneuerbare Energien.
  • Der Emissionshandel für CO2 muss engagierten Klimaschutzzielen entsprechen und darf nicht mehr durch Einblasen "heißer Luft" unwirksam gemacht werden.
  • In einzelnen Sektoren können gezielte zusätzliche Eingriffe wie z. B. das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz Fortschritte beschleunigen. Hilfreich wären auch verstärkte Bemühungen für die energetische Sanierung von Gebäuden sowie ein Einsatz für strengere CO2-Emissionsgrenzwerte für Kraftfahrzeuge.

Bekenntnisse von Politikern zur Nachhaltigkeit können daran gemessen werden, ob solche Maßnahmen unterstützt werden. Im Kern geht es meist darum, dass für Individuen und Unternehmen keine falschen Anreize gesetzt werden, die die Zielerreichung unterminieren.

Unternehmen, die Nachhaltigkeit anstreben wollen, haben ebenfalls diverse Möglichkeiten:

  • Sie können ihre Prozesse und Einkäufe systematisch auf Umweltbelastungen überprüfen, um vermeidbare Belastungen Schritt für Schritt zu eliminieren. Insbesondere können sie ihren Energieverbrauch untersuchen und prüfen, wie sich dieser durch verbesserte Energieeffizienz oder auch Substitution mit erneuerbaren Energien beeinflussen lässt.
  • Sie können ihre Fortschritte in dieser Richtung wie auch die verbleibenden Probleme regelmäßig umfassend untersuchen und in einem Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen.
  • Vor allem große Unternehmen können, wenn sie selbst vorbildlich handeln, den Druck auf andere Unternehmen und den Staat hin zu beschleunigten Maßnahmen vergrößern, indem sie geeignet kommunizieren.
  • Unternehmen können auch bei ihren Kunden und ihren Lieferanten das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines nachhaltigen Wirtschaftens schärfen.

Konkurrierender Ansatz: technikoptimistische Visionen

Obwohl das Grundprinzip der Nachhaltigkeit heute theoretisch weithin akzeptiert wird, gibt es durchaus auch andere Ansätze. Insbesondere gibt es technikoptimistische Denker, die darauf vertrauen, dass die Menschheit zukünftig wirksame Lösungen für Probleme finden wird, die nicht nachhaltiges Wirtschaften heute verursacht. Einige Beispiele hierfür:

  • Man sieht zwar, dass Erdöl zur Neige gehen wird, geht aber davon aus, dass irgendeine Art von Ersatz rechtzeitig gefunden wird, auch wenn bislang nicht absehbar ist, wie das konkret gehen soll.
  • Man erkennt, dass die heutigen globalen CO2-Emissionen durchaus in eine Klimakatastrophe münden könnten, hofft aber, diese rechtzeitig durch irgendeine Form von Geoengineering abwenden zu können.
  • Ebenfalls hofft man, das Problem langlebiger radioaktiver Abfälle entweder durch Transmutation oder durch ein sicheres Lagerkonzept zukünftig lösen zu können und die Kernfusion als eine quasi unerschöpfliche Energiequelle nutzbar machen zu können.

Solche Hoffnungen gründen vorwiegend darauf, dass die Menschheit gerade in den letzten 200 Jahren enorme technische Fortschritte erzielt hat, die viele einst drohende Probleme entschärft haben. Allerdings sind bei Weitem nicht alle technischen Hoffnungen in Erfüllung gegangen; beispielsweise ist ein praktikabler (kommerziell nutzbarer) Kernfusionsreaktor nach jahrzehntelanger Forschung ungefähr gleich weit entfernt wie zuvor (mindestens etliche Jahrzehnte). Vor allem aber sind die zukünftig zu lösenden Probleme ebenfalls massiv gewachsen; beispielsweise gab es etwas mit einer Klimakatastrophe Vergleichbares bisher noch nicht. Es ist also sehr riskant, auf Nachhaltigkeit in der Hoffnung auf zukünftige Lösungen zu verzichten, zumal ein Scheitern katastrophale Folgen haben könnte und es für andere Ansätze dann zu spät wäre.

Typische Hemmnisse auf dem Weg zur Nachhaltigkeit

Häufig wird die Entwicklung hin zur Nachhaltigkeit durch die folgenden Probleme gehemmt:

  • Teils fehlt es schlicht an Wissen z. B. über negative Wirkungen des eigenen Handelns und über bessere Möglichkeiten.
  • Die Übersicht wird auch erschwert dadurch, dass ganz unterschiedliche Dimensionen zu berücksichtigen sind: nicht nur die technologische und ökonomische, sondern auch die institutionelle und kulturelle. Dies erschwert es z. B. rein technologisch denkenden Menschen, wirklich funktionierende Lösungen zu finden.
  • Manche kurzfristigen Interessen müssten zugunsten langfristiger Notwendigkeiten zurückgestellt werden, und dies fällt oft schwer – ganz besonders in Notsituationen.
  • Für Einzelne können Methoden des Raubbaus auch über längere Zeit vorteilhafter sein als ein nachhaltiges Wirtschaften, da die Schäden häufig weitgehend auf andere abgewälzt werden können. Es müssen deswegen Regeln gefunden und durchgesetzt werden (teils auch international), um solches Trittbrettfahren im Interesse der Allgemeinheit zurückzudrängen. Dies erfordert eine umfassende Kooperation auch über Landesgrenzen und Machtblöcke hinweg. Die Bemühungen, dies stärker zu etablieren, treffen zudem vielfach auf starke Widerstände; auf der Basis von Raubbau errungener Wohlstand wird oft mit allen Mitteln verteidigt.
  • Das global vorherrschende Wirtschaftssystem basiert auf einer Konkurrenz vieler Akteure, die einen starken Druck dahingehend ausübt, alle vermeidbaren Kosten zu vermeiden und alle Chancen zu nutzen – auch wenn dies auf Kosten anderer geht. Dies ist insbesondere durch falsche Anreize sehr problematisch – etwa bei einer fehlenden CO2-Bepreisung. Wenn allerdings falsche Anreize weitestgehend entfernt würden (allgemein durch eine weitgehende Internalisierung bislang externer Kosten), könnte das System der Konkurrenz durchaus auch sehr effektiv zur Problemlösung beitragen. Das Kernproblem auf diesem Weg dürfte sein, dass die derzeitigen Profiteure des Raubbaus den notwendigen Umbau des Systems bekämpfen.

Literatur

[1]Brundtland Report (englisch), http://en.wikisource.org/wiki/Brundtland_Report (1987)
[2]Abschlussbericht der Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt – Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung", Deutscher Bundestag: Drucksache 13/11200 vom 26. Juni 1998, S. 218, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/13/112/1311200.pdf
[3]Deutscher Rat für Nachhaltige Entwicklung, http://www.nachhaltigkeitsrat.de/
[4]Deutscher Nachhaltigkeitskodex, http://www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de/
[5]"Nachhaltige Entwicklung in Europa für eine bessere Welt: Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung" (Vorschlag der EU-Kommission für den Europäischen Rat in Göteborg), http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2001:0264:FIN:DE:PDF
[6]Lexikon der Nachhaltigkeit, http://www.nachhaltigkeit.info/

Siehe auch: saubere Energie, fossile Energieträger, Klimagefahren, Energiepolitik, Kernenergie, Kernfusion, erneuerbare Energie, Suffizienz

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