Netzstabilitätsanlage
Definition: ein Reservekraftwerk, das nur der Gewährleistung der Netzstabilität unter besonderen Umständen dient und entsprechend selten betrieben wird
Allgemeiner Begriff: Kraftwerk
Englisch: grid stability system
Kategorie: elektrische Energie
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Ursprüngliche Erstellung: 23.07.2022; letzte Änderung: 20.08.2023
URL: https://www.energie-lexikon.info/netzstabilitaetsanlage.html
Eine Netzstabilitätsanlage ist eine technische Anlage, die spezifisch der Gewährleistung der Stabilität eines Stromnetzes (meist des öffentlichen Netzes) unter besonderen Umständen dient – beispielsweise wenn plötzlich ein anderes Kraftwerk ausfällt oder ein wichtiges Betriebsmittel wie ein Transformator oder eine Stromleitung. Ihre Kernfunktion ist, in einem solchen Notfall rasch eine wesentliche Menge elektrischer Energie zu erzeugen und in das Stromnetz einzuspeisen, um einen Stromausfall zu vermeiden, also die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Sie kann auch dazu beitragen, nach einem trotzdem erfolgten Stromausfall die Wiederinbetriebnahme des Netzes (den Schwarzstart) zu meistern; sie muss also in der Regel selbst schwarzstartfähig sein, d. h. ohne Strombezug von außen ihren Betrieb starten können. Die Erzeugung von Regelenergie oder gar Beiträge zur regulären Stromversorgung sind dagegen nicht Aufgaben von Netzstabilitätsanlagen.
Realisierung mit Gasturbine
In aller Regel wird man als Kernelement einer Netzstabilitätsanlage eine oder mehrere offene Gasturbinen verwenden, weil diese Technik die folgenden für die Anwendung wichtigen Merkmale aufweist:
- Eine Gasturbine kann rasch gestartet werden, z. B. innerhalb von weniger als 30 Minuten einsatzbereit sein, um hunderte von Megawatt bereitzustellen – wobei die gelieferte Leistung auch rasch änderbar ist (→ hohe Leistungsänderungsgeschwindigkeit), was im Notfall besonders wichtig ist.
- Sie weist relativ niedrige spezifische Investitionskosten (etwa in EUR/MW) und einen geringen Flächenbedarf auf.
- Sie kann mit Heizöl betrieben werden, welches sich am Standort gut lagern lässt, um von einer Versorgung von außen unabhängig zu sein. Der Betrieb mit Erdgas entweder mit einem eigenen Speicher (etwa einem unterirdischen Kavernenspeicher) oder auch ohne eigenen Speicher mit Gas aus dem Gasnetz ist auch möglich, aber dann wäre im letzteren Fall die Einsatzfähigkeit bei Ausfall des Gasnetzes nicht mehr gegeben.
- Die Schwarzstartfähigkeit ist relativ einfach zu erzielen, da wenig Leistung zum Start benötigt wird.
- Es werden keine großen Mengen von Kühlwasser oder ein Kühlturm benötigt.
Der Wirkungsgrad ist in der Regel mit ca. 30 % relativ gering – viel geringer als bei einem Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk, welches allerdings viel höhere Investitionskosten hätte und weniger schnell gestartet werden kann. Der dadurch wesentlich höhere Brennstoffverbrauch und die klimaschädlichen CO2-Emissionen sind weniger wichtig als bei einem regulären Kraftwerk, da der Einsatz nur relativ selten und kurzfristig vorgesehen ist. Ebenso sind andere Emissionen wie z. B. von Stickoxiden weniger kritisch zu sehen.
Theoretisch könnte auch ein Wasserkraftwerk (z. B. ein Pumpspeicherkraftwerk) als Netzstabilitätsanlage dienen, jedoch möchte man verfügbare erneuerbare Energie bzw. die Möglichkeit der Stromveredelung lieber regelmäßig nutzen und nicht nur im Notfall. Damit ein Pumpspeicherkraftwerk als Netzstabilitätsanlage dienen könnte, müsste es ein ständig genügend volles Wasserreservoir haben, könnte dieses also nicht für einen regulären Betrieb nutzen.
Anforderung durch Übertragungsnetzbetreiber
Netzstabilitätsanlagen im öffentlichen Stromnetz werden bei Bedarf auf Anforderung des jeweiligen Übertragungsnetzbetreibers gestartet. Ihre Produktion wird nicht über den regulären Strommarkt gehandelt und letztendlich über Netznutzungsentgelte finanziert.
Der Bedarf an Netzstabilitätsanlagen nimmt tendenziell durch den zunehmenden Einsatz von fluktuierenden erneuerbaren Energien zu, insbesondere wenn der Ausbau der Stromnetze schleppend voran kommt.
Siehe auch: Stromnetz, Versorgungssicherheit, Schwarzstart
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