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Regelenergie

Definition: elektrische Energie oder Leistung, die in einer Regelzone zum Ausgleich von unvorhergesehenen Schwankungen von Angebot und Nachfrage benötigt wird

Englisch: balancing energy, control reserve

Kategorie: elektrische Energie

Autor:

Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen

Ursprüngliche Erstellung: 19.03.2010; letzte Änderung: 20.08.2023

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In Stromnetzen zur Versorgung mit elektrischer Energie muss die insgesamt erzeugte elektrische Leistung jederzeit an den momentanen Verbrauch (ergänzt durch gewisse Leitungsverluste) angepasst werden. Der Bedarf an Leistung kann rasch schwanken, z. B. wenn in Industriebetrieben schwere Maschinen ein- oder ausgeschaltet werden. Auf der Erzeugungsseite entstehen Schwankungen des Angebots, insbesondere von Windenergieanlagen und Photovoltaikanlagen wegen der Abhängigkeit von Wind- und Sonnenverhältnissen. In einem großen Versorgungsnetz mitteln sich solche Schwankungen von vielen kleinen Ursachen zwar zum guten Teil aus, da z. B. manche Verbraucher zufällig weniger Leistung beziehen, wenn andere gerade mehr benötigen. Jedoch verbleiben gewisse Schwankungen auch nach dieser Mittelung.

Die Schwankungen des Leistungsbedarfs sind teilweise vorhersehbar (z. B. höherer Verbrauch bei kaltem Wetter oder geringerer Verbrauch an Wochenenden), teilweise aber auch unvorhergesehen. Diese Anteile der Schwankungen werden unterschiedlich behandelt:

  • Auf die prognostizierbaren Werte stellt sich das Stromversorgungssystem ein, indem diese Bedarfsdeckung über die Strombörse geregelt wird. Die erwarteten benötigten Erzeugungskapazitäten werden dort gehandelt. Zum Zuge kommen die am billigsten verfügbaren Kraftwerke, für die die gehandelten Strommengen in den Lastplan aufgenommen werden.
  • Es verbleiben die unvorhergesehenen Schwankungen des Verbrauchs und auch bei der Erzeugung, für deren Ausgleich die Übertragungsnetzbetreiber sogenannte Regelenergie benötigen. Diese wird an einem separaten Regelenergie-Markt gehandelt, also nicht an der regulären Strombörse. Hier werden also nicht tatsächliche Energielieferungen gehandelt, sondern Verpflichtungen zur Lieferung zusätzlicher Energie im Bedarfsfall (positive Regelenergie) oder auch zur Entnahme bzw. Verminderung der Einspeisung (negative Regelenergie).

Als Regelenergie gilt also nur Energie, die zum Ausgleich unvorhergesehener Schwankungen gebraucht wird. Dies wird jeweils für sogenannte Regelzonen so gehandhabt, von denen es z. B. in Deutschland zur Zeit vier gibt. Jede Regelzone enthält z. B. 100 bis 200 Bilanzkreise, deren Ausgleichsbedarf als Ausgleichsenergie bezeichnet wird. Da sich die positiven und negativen Ausgleichsenergien der Bilanzkreise teilweise gegeneinander aufheben, ist der Bedarf an Regelenergie in einer Regelzone meist viel kleiner als die Summe der Ausgleichsenergien.

Ökonomische Aspekte

Bei der Bezahlung von Regelenergie unterscheidet man zwei verschiedene Komponenten:

  • Ein Leistungspreis wird allein schon für die Bereitschaft gezahlt, in der vereinbarten Zeit zu liefern, falls ein entsprechender Bedarf auftritt. Er bemisst sich nach der vereinbarten maximalen Leistung. Es handelt sich um eine Bereitschaftsvergütung.
  • Falls tatsächlich Regelenergie abgerufen wird, wird auf die übertragene Energiemenge zusätzlich ein Arbeitspreis berechnet.

Durch Ausschreibungen am Markt für Regelenergie wird sichergestellt, dass die jeweils am günstigsten angebotene Regelenergie eingesetzt wird. Für die Primär- und Sekundärregelung wird dies zur Zeit wöchentlich getan, für die Tertiärregelung täglich.

Verknappungen von Regelenergie führen zu erhöhten Preisen, die wiederum Anreize zur Schaffung zusätzlicher Kapazitäten und auch zur Reduktion des Bedarfs an Regelenergie schaffen.

Unterschiedliche Kategorien für Regelenergie

Auf dem Markt für Regelenergie unterscheidet man z. B. in Deutschland die folgenden Kategorien:

  • Ein Anbieter von Primärregelleistung muss die vereinbarte Leistung innerhalb von 30 Sekunden garantiert bereitstellen können, und zwar für maximal 15 Minuten ab Beginn des Regelungsvorgangs. Die Bereitstellung erfolgt automatisch anhand der mit dem Übertragungsnetzbetreiber vereinbarten Reglerkennlinie. Die Primärregelleistung stammt zum größten Teil aus Großkraftwerken verschiedener Arten.
  • Für Sekundärregelleistung gilt dasselbe, außer dass die Bereitstellung maximal 5 Minuten dauern darf, und dass hierfür zum größten Teil Wärmekraftwerke und Wasserkraftwerke als Regelblöcke (oder Regelmaschinen) verwendet werden. Der Abruf erfolgt vom Übertragungsnetzbetreiber automatisch durch Fernsteuerung. Kernkraftwerke sind für die Sekundärregelung wenig geeignet; sie werden aus wirtschaftlichen Gründen meist konstant mit Volllast betrieben.
  • Die Minutenreserve muss innerhalb von 15 Minuten abrufbar sein. Sie kann also eingesetzt werden, um die Primär- und Sekundärregelung abzulösen. Da hier mehr Zeit zur Verfügung steht, kann die Minutenreserve auch telefonisch angefordert werden.

(Der Artikel über die Frequenzregelung im Stromnetz enthält weitere Details hierzu.)

Da die technischen Anforderungen insbesondere für die Bereitstellung von Primär- und Sekundärregelleistung recht hoch sind, gibt es hierfür z. B. in Deutschland nur eine Handvoll Anbieter; bei der Minutenreserve dagegen sind es immerhin einige Dutzend. Es ist denkbar, dass in Zukunft wesentlich mehr Anbieter an diesem Markt teilnehmen werden.

Eine große Erzeugungslücke tritt auf, wenn ein Großkraftwerk ausfällt, etwa durch einen technischen Defekt; dann kann u. U. ohne jede Vorwarnung plötzlich eine Leistung der Größenordnung von 1 GW fehlen. Ähnliche Probleme können bei plötzlichem Ausfall von großen Übertragungsleitungen entstehen. Solche Ausfälle werden direkt nach ihrem Auftreten im Rahmen von Regelenergie behandelt, später aber über die Strombörse.

Regelenergie kostet pro Kilowattstunde häufig erheblich mehr als Bandenergie (Grundlast). Die Endverbraucher bezahlen für die Vorhaltung der Regelleistung normalerweise nicht direkt, sondern indirekt über Übertragungsnetzentgelte.

Quellen von Regelenergie

Regelenergie kann von ganz unterschiedlichen Quellen bereitgestellt werden:

  • Speicher- und Pumpspeicherkraftwerke können gespeichertes Wasser in einem hoch gelegenen Reservoir bei Bedarf in Turbinen nutzen. Leistungsstarke Pumpen von Pumpspeicherkraftwerke können viel negative Regelenergie erzeugen und damit das Potenzial für spätere Lieferungen positiver Regelenergie erzeugen. Ähnliches gilt für andere Speicher für elektrische Energie wie z. B. Druckluftspeicherkraftwerke und Batteriespeicher.
  • Gasturbinen können bei Bedarf innerhalb weniger Minuten eingeschaltet werden, um eine hohe Spitzenlast zu erbringen. Ihre Leistung lässt sich auch schnell anpassen, um positive oder negative Regelenergie zu erzeugen.
  • Auch große thermische Kraftwerke (z. B. Kohlekraftwerke) bieten insbesondere Primärregelleistung an, also kurzfristige Regelleistung. Dies geschieht schon allein dadurch, dass ein Absinken der Netzfrequenz bei einem Engpass der trägen Masse der Generatoren und Turbinen Energie entzieht. Auch längerfristige Regelleistung (z. B. im Bereich der Minutenreserve) ist möglich durch Anpassen der Feuerungsleistung – wobei positive Regelleistung natürlich nur möglich ist, wenn das Kraftwerk nicht ohnehin schon mit Volllast betrieben wird.
  • Blockheizkraftwerke könnten zumindest zeitweilig stromgeführt betrieben werden, wenn sie oder die angeschlossenen Wärmeabnehmer über einen Wärmespeicher verfügen oder wenn für die Erzeugung positiver Regelenergie auf die Nutzung der zusätzlichen Wärme notfalls verzichtet wird. Diese Möglichkeit wird allerdings bisher kaum genutzt, da die technischen und organisatorischen Anforderungen hoch sind. Ähnliches gilt für Notstromaggregate z. B. mit Dieselmotoren. Sie mögen primär für die Überbrückung von Netzausfällen gedacht sein, könnten aber im Prinzip auch Regelenergie in liefern, zumindest in der Minutenreserve.
  • Grundsätzlich können auch Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung z. B. negative Regelenergie erzeugen, indem sie mit geeigneten technischen Maßnahmen den elektrischen Wirkungsgrad vermindern. Allerdings dürfte es in der Regel effizienter sein, Regelenergie vorwiegend mit solchen Kraftwerken zu erzeugen, die nur Strom erzeugen.
  • In Zukunft könnten die Batterien von Elektroautos auch zur Erzeugung von Regelenergie herangezogen werden. Wenn einmal mehrere Millionen von Elektroautos für viele Stunden am Tag am Stromnetz angeschlossen sind, könnten diese genauso viel Regelleistung bereitstellen wie mehrere Pumpspeicherkraftwerke. Allerdings ist der Energiegehalt der Akkus wesentlich geringer, so dass die Regelleistung nur kurzfristig verfügbar wäre. Der technische und administrative Aufwand würde im Übrigen die Wirtschaftlichkeit dieses Ansatzes in Frage stellen [2].
  • Windenergieanlagen und Photovoltaikanlagen sind für positive Regelenergie grundsätzlich ungeeignet; man möchte schließlich ihr volles Leistungsangebot ausnutzen und nicht einen Teil ihrer Leistung als Reserve zurückstellen, d. h. meist ungenutzt lassen. Eher wäre negative Regelenergie möglich, also eine ggf. verminderte Einspeisung. Dies wäre allerdings erst dann interessant, wenn z. B. alle Möglichkeiten mit Pumpspeicherkraftwerken und thermischen Kraftwerken bereits ausgeschöpft sind.
  • Bei Stromverbrauchern ist teilweise ein Lastmanagement (eine Laststeuerung) möglich und sinnvoll: Dem Energieversorgungsunternehmen kann z. B. ermöglicht werden, gewisse Maschinen bei Engpässen abzuschalten (Lastabwurf). Dies kann dem Verbraucher z. B. mit niedrigeren Stromtarifen vergolten werden. Das Lastmanagement über steuerbare Lasten bietet sich z. B. für gewisse industrielle Großverbraucher (etwa Aluminium-Schmelzen, Elektrolysebetriebe, etc.) besonders an, aber auch kleinere Verbraucher wie Elektrospeicherheizungen und Elektrowärmepumpen können über Rundsteueranlagen genutzt werden. Zukünftig dürfte diese Quelle von Regelenergie stärker genutzt werden.

Regelenergie und erneuerbare Energien

Windenergieanlagen und Photovoltaikanlagen erzeugen einen zusätzlichen Bedarf an Regelenergie. Wie groß dieser ist, hängt mit der Güte der Erzeugungsprognosen zusammen, die sich wiederum auf Wetterprognosen stützen. (Man beachte, dass nur Abweichungen von den prognostizierten Erzeugungsleistungen den Einsatz von Regelenergie notwendig machen.) Es gibt auch einen Einfluss der Standorte; beispielsweise profitieren Offshore-Windkraftwerke von gleichmäßigeren Winden, was den Bedarf an Regelenergie vermindert.

Andere erneuerbare Energien können nennenswerte Mengen von Regelenergie liefern – insbesondere die Wasserkraft aus Speicherkraftwerken (siehe oben). Auch Biogas kann hierfür ähnlich wie Erdgas genutzt werden. Jedoch ist die Teilnahme am Regelenergiemarkt für kleine (dezentrale) Kraftwerke bisher wenig praktikabel. Eine mögliche Lösung für dieses Problem ist die Bündelung von Kleinkraftwerken zu einem virtuellen Kraftwerk.

Insgesamt müsste der Bedarf an Regelenergie im Prinzip zunehmen, wenn Windkraft und Photovoltaik stark ausgebaut werden. Jedoch ist eine solche Entwicklung bisher in Deutschland nicht beobachtbar, weil Kostensenkungen durch eine verstärkte Zusammenarbeit der Regelzonen realisiert wurden. Immerhin für Deutschland existiert bereits ein sogenannter Netzregelverbund, in dem die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber zusammenarbeiten. Sie versuchen beispielsweise, gegenläufige Aktivierungen von Regelleistung zu vermeiden: Wenn in einer Regelzone ein Überschuss an Leistung besteht, in einer anderen dagegen ein Mangel, versucht man dies über die Übertragungsnetze auszugleichen, soweit dafür ausreichende Übertragungskapazitäten verfügbar sind. Außerdem wurden durch diese Zusammenarbeit die insgesamt nötigen Kapazitäten für Regelenergie vermindert, was sich insbesondere darin äußert, dass der Umfang der Ausschreibungen für Sekundärregelleistung in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist. Zusätzlich werden die Kosten für die Beschaffung von Regelenergie minimiert, indem Regelleistung über die Regelzonen hinweg ausgetauscht wird, also jeweils zum günstigsten möglichen Preis beschafft werden kann. Hinzu kommt noch, dass das Angebot von Regelenergie in manchen Sektoren deutlich zugenommen hat, was durch den Wettbewerbsdruck die Preise dämpft. Solche Fortschritte sind die Ursache dafür, dass die Kosten für Regelenergie in Deutschland in den letzten Jahren trotz rasant zugenommener fluktuierender Einspeisungen nicht zugenommen haben.

Es gibt bereits Ansätze, eine solche nützliche Zusammenarbeit auch international zu realisieren. Das Potenzial für dadurch mögliche Kosteneinsparungen wird umso größer, je stärker die Stromnetze inklusive der Kupplungsstellen zwischen den Ländern ausgebaut werden. Vor allem wenn einst ein europäisches Supergrid realisiert wird, wird dies einen starken senkenden Einfluss auf die Kosten für Regelenergie haben.

Regelenergie und Regelleistung

Für quantitative Angaben sollte sauber zwischen Regelenergie und Regelleistung unterschieden werden, entsprechend dem Unterschied zwischen Energiemengen und Leistungen. (Eine Leistung bedeutet eine Energiemenge pro Zeiteinheit.) Wenn eine gewisse Regelleistung für eine gewisse Zeit benötigt wird, ergibt sich daraus eine Energiemenge.

Reduktion des Bedarfs an Regelenergie

Der Bedarf an (oft teurer) Regelenergie und von Reservekapazitäten lässt sich mit verschiedenen Methoden reduzieren:

  • Im Prinzip könnte der Einsatz von (womöglich plötzlich ausfallenden) Großkraftwerken sowie von Wind- und Solarkraftwerken begrenzt oder reduziert werden, was jedoch aus verschiedenen Gründen nur begrenzt wünschenswert ist – beispielsweise wenn andere Kraftwerke höhere Erzeugungskosten oder ungünstigere ökologische Eigenschaften haben.
  • Verbesserte Erzeugungsprognosen (auf der Basis von Wetterprognosen) für Solar- und Windstrom vermindern die unvorhergesehenen Schwankungen.
  • Mit großen Verbundnetzen, die starke Übertragungsleitungen enthalten, lassen sich Schwankungen von Angebot und Nachfrage über größere Gebiete mitteln. Beispielsweise schwankt das Windstrom-Angebot für einen überregionalen Verbund weitaus weniger als das von einer einzelnen Anlage, und auch größere Kraftwerksausfälle lassen sich leicht bewältigen, wenn Leistung auch aus entfernten Regionen angefordert werden kann. Beispielsweise führt der Betrieb des europäischen Verbundnetzes zu enormen Einsparungen an Kosten für Regelenergie, und ein zukünftiges Supergrid könnte diesbezüglich nochmals viel wirksamer sein. Dagegen benötigen kleine Inselnetze (etwa in abgelegenen Regionen) verhältnismäßig viel Regelenergie.
  • Es gibt heute einen Intraday-Stromhandel z. B. an der EPEX in Paris, der auch dem Ausgleich unvorhergesehener Schwankungen dient. Physikalisch bedeutet dies natürlich wiederum den Ausgleich durch die Übertragungsnetze.

Literatur

[1]regelleistung.net, eine Internetplatform zur Vergabe von Regelleistung
[2]H. Hermann, R. Harthan und C. Loreck, Studie Ökonomische Betrachtungen von Speichermedien, http://www.oeko.de/oekodoc/1339/2011-452-de.pdf (2011)

Siehe auch: Stromnetz, Netzfrequenz, Frequenzregelung im Stromnetz, Ausgleichsenergie, elektrische Energie, Spitzenlast, Lastmanagement, Stromausfall, virtuelles Kraftwerk, Strommarkt

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