Residuallast
Definition: die Differenz zwischen benötigter Leistung und von nicht steuerbaren Kraftwerken erbrachter Leistung in einem Stromnetz
Englisch: residual load
Kategorien: elektrische Energie, Grundbegriffe
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Einheit: Watt (W)
Ursprüngliche Erstellung: 09.03.2013; letzte Änderung: 20.08.2023
In einem Stromnetz muss in jedem Moment ziemlich genau so viel elektrische Leistung von Kraftwerken geliefert werden, wie nachgefragt wird, wobei noch ein Zuschlag für Energieverluste im Stromnetz notwendig ist.
Ein Teil der Kraftwerke ist nun nicht steuerbar; genauer gesagt sollen diese Kraftwerke im Normalfall nicht gesteuert werden, sondern so viel produzieren wie möglich. Dies trifft insbesondere (aber nicht ausschließlich) für einige Arten von Kraftwerken zu, die erneuerbare Energie liefern. Beispielsweise sollen Windenergieanlagen und Photovoltaikanlagen nach Möglichkeit immer das gesamte Angebot an Leistung in das Stromnetz einspeisen können, weil bei einer Abregelung sonst Energie verloren ginge. In anderen Fällen wird Kraft-Wärme-Kopplung praktiziert, und elektrische Leistung kann wegen der benötigten Wärmeleistung nicht beliebig geregelt werden.
Eine wichtige Größe ist die Residuallast: Sie ist die Differenz zwischen der benötigten Leistung und der Leistung, die die nicht regelbaren Kraftwerke erbringen. Sie weist mehr oder weniger starke zeitliche Schwankungen auf, einerseits weil die Nachfrage für elektrische Energie schwankend ist (z. B. zur Mittagszeit meist höher als am Nachmittag) und andererseits weil die Einspeisung erneuerbarer Energie zum größeren Teil entsprechend den Wetterbedingungen schwankt. Die schwankende Residuallast muss in der Hauptsache durch regelbare Kraftwerke gedeckt werden, insbesondere durch diverse Arten von Wärmekraftwerken (die allerdings in sehr unterschiedlichem Ausmaß regelbar sind) und durch Wasser-Speicherkraftwerke (einschließlich Pumpspeicherkraftwerken). Auch manche erneuerbare Quellen können dazu verwendet werden, z. B. Anlagen mit Verstromung von Biogas, und natürlich die bereits genannte Wasserkraft. Außerdem können (im begrenztem Umfang) Stromimporte oder -exporte verwendet werden, um die Residuallast zu decken.
Aktuelle Daten über Stromerzeugung und -verbrauch und damit auch die Residuallast können für Deutschland z. B. über Ref. [???] eingesehen werden.
Verstärkte Schwankungen der Residuallast
Durch die Energiewende in Deutschland haben die Fluktuationen der Residuallast erheblich zugenommen. Die minimale Residuallast ist erheblich kleiner als früher, da zu manchen Zeiten Wind- und Solarstrom einen großen Teil des Bedarfs decken. Die maximale Residuallast dagegen ist viel weniger stark reduziert worden, da bei ungünstigen Wetterbedingungen wenig Wind- und Solarstrom zur Verfügung steht.
Als Folge hiervon kann verglichen mit früheren Zeiten nur noch ein kleinerer Teil der Residuallast durch Grundlastkraftwerke gedeckt werden. Dagegen hat der Bedarf an Spitzenlastkraftwerken eher zugenommen. Dies erhöht die durchschnittlichen Kosten der Stromerzeugung. Allerdings gibt es ohnehin das Bestreben, Kernkraftwerke in den nächsten Jahren auszumustern (→ Atomausstieg) und mittelfristig ebenso Braunkohlekraftwerke (wegen des Klimaschutzes); beide zusammen decken bisher den größten Teil der Grundlast.
Ein Problem besteht auch darin, dass die für die Deckung der Residuallast nötigen Kraftwerke ihre Leistung nicht beliebig weit herunterfahren können; es gibt aus verschiedenen Gründen eine gewisse Mindesterzeugung.
Die stärkeren Schwankungen der Residuallast machen jedenfalls Anpassungen notwendig. Hierfür gibt es ganz unterschiedliche Möglichkeiten:
- Eine Möglichkeit besteht darin, flexibler regelbare konventionelle Kraftwerke einzusetzen, insbesondere Gaskraftwerke. Solche Kraftwerke erlauben eine höhere Leistungsänderungsgeschwindigkeit und/oder eine geringere minimale eingespeiste Leistung.
- Erzeuger für erneuerbare Energie können einem Einspeisemanagement unterworfen werden, z. B. um zumindest in Situationen mit nicht nutzbaren Überschüssen die Einspeiseleistung zu reduzieren.
- Auch Speicher für elektrische Energie können die Deckung einer schwankenden Residuallast erleichtern und tun dies längst in Form von Pumpspeicherkraftwerken. Zusätzliche Speicher wären hilfreich, jedoch sind nicht alle Speichertechnologien auf wirtschaftlich vertretbare Weise einsetzbar.
- Ein geeignetes Lastmanagement kann bewirken, dass die Schwankungen der Nachfrage denen des Angebots aus fluktuierenden Quellen besser entsprechen.
- Schließlich können die Schwankungen auch durch den Stromaustausch innerhalb größerer Regionen vermindert werden – in Zukunft vielleicht durch ein europäisches Supergrid.
Die Schwankungen der Residuallast haben nicht direkt mit dem Bedarf an Regelenergie zu tun. Regelenergie wird nämlich nur für unvorhergesehene Abweichungen benötigt, während die Schwankungen der Residuallast zum größten Teil vorhersehbar sind. Tendenziell steigt allerdings der Bedarf an Regelenergie, wenn die Schwankungen stark sind.
Literatur
[1] | Agorameter für die Anzeige der aktuellen Photovoltaik-Einspeisung, https://www.agora-energiewende.de/service/agorameter/ |
Siehe auch: Last, Stromnetz, Kraftwerk, Grundlast, Mittellast, Spitzenlast, Mindesterzeugung, Speicher für elektrische Energie, erneuerbare Energie, Supergrid, Regelenergie, Einspeisemanagement
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