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Exergie betrachten – ein Schlüssel zum thermodynamisch optimierten Heizen

Erschienen am 16.05.2014 im RP-Energie-Blog (als E-Mail-Newsletter erhältlich!)

Permanente Adresse: https://www.energie-lexikon.info/rp-energie-blog_2014_05_16.html

Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics AG

Inhalt: Der Begriff Exergie ist bei Energie-Diskussionen wenig gebräuchlich, aber sehr nützlich. Mit ihm versteht man weitaus klarer, z. B. wo genau das Effizienzproblem von Elektroheizungen liegt und warum Wirkungsgrade als Maß für die Energieeffizienz sehr irreführend sein können.

Ref.: Lexikonartikel über Exergie und thermodynamisch optimiertes Heizen

Rüdiger Paschotta

Es mag ziemlich akademisch klingen, wenn man einen wohl nur unter Experten gehörten Begriff wie Exergie nennt. Jedoch gibt es Begriffe, die das Denken in nützliche Bahnen lenken, und das ist nun genau so ein Fall. Ich lege Ihnen deswegen ans Herz, den folgenden nicht trivialen, aber sehr nützlichen Gedanken zu folgen.

Ein häufig gemachter Fehler ist es, Energiemengen zu betrachten, die jeweilige "Qualität" der Energie aber außer Acht zu lassen. Beispielsweise vergleicht man oft einfach die Wirkungsgrade z. B. von Heizkesseln mit denen von Kraftwerken und mag darauf basierend den Eindruck bekommen, Kraftwerke würden viel Energie verschwenden, moderne Heizkessel dagegen kaum. Es mag nun überraschen, dass dies zwar auf eine Weise richtig ist, aber doch sehr irreführend:

  • Ein moderner Erdgas-Heizkessel, als Brennwertkessel ausgeführt, mag im Jahresmittel einen hohen Wirkungsgrad von 90 % bezogen auf den Brennwert des Erdgases erreichen. Das erweckt den Eindruck, da gäbe es allenfalls noch ein theoretisches Potenzial von 10 % für energetische Verbesserungen.
  • Ein modernes Erdgas-Kraftwerk, ausgeführt als Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk, erzielt einen Wirkungsgrad bis zu ca. 60 % – rechnen wir inkl. Verluste im Stromnetz auf dem Weg zum Endverbraucher aber mit 55 %. Eine mit diesem Strom betriebene Elektroheizung hat im Idealfall gar keine Wärmeverluste (z. B. in den Heizkeller), so dass der Gesamtwirkungsgrad 55 % wäre (in der Praxis vielleicht eher 50 %). Das ist viel schlechter als die 90 % beim Heizkessel. Schuld scheint nach dieser Betrachtung klar das Kraftwerk zu sein, nicht etwa die Elektroheizung.
  • Nun kann man bei der Verwendung des Kraftwerks bleiben, aber statt der Elektroheizung eine Elektrowärmepumpe verwenden. Wenn diese eine Jahresarbeitszahl von 4 erreicht, wird der Gesamtwirkungsgrad des Systems (vom Erdgas zur Heizwärme) 4 · 55 % = 220 %. Das ist offenkundig viel besser als beim Gasheizkessel – man braucht nur nicht einmal halb so viel Erdgas für die gleiche Menge Heizwärme!

Am Ende sieht man auch ohne Betrachtung der Exergie, dass das Inkaufnehmen erheblicher Energieverluste im Kraftwerk angezeigt sein kann, um am Ende doch besser zu fahren. Bei der Betrachtung von Exergie wird es jedoch noch klarer.

Zunächst: Was ist Exergie überhaupt? Es ist quasi der hochwertige Teil der Energie. Elektrische Energie ist genauso wie mechanische Energie reine Exergie. Heizwärme dagegen hat nur einen ziemlich geringen Exergie-Anteil (wenige Prozent), und die Wärme der Umgebungsluft ist reine Anergie – die gibt es kostenlos, aber sie allein ist auch nichts wert: Sein Haus kann man damit allein nicht heizen. Am Ende zahlen wir nur für Exergie, denn das ist, was man einerseits braucht, und andererseits nicht einfach so der Umgebung entnehmen kann.

Das Problem mit der Elektroheizung ist nun, dass sie zwar keine Energieverluste hat, aber reine Exergie in niederwertige Heizwärme umwandelt: Der Großteil der eingekauften Exergie geht hierbei verloren, ungeachtet der scheinbar hohen Energieeffizienz mit einem Wirkungsgrad von 100 %. Auch im Kraftwerk geht einiges von der Exergie des Brennstoffs verloren, aber bei Weitem nicht so viel – trotz des niedrigeren Wirkungsgrads – weil das Kraftwerk immerhin eben reine Exergie abgibt.

Also legt die Exergiebetrachtung nahe, das Erdgas eher im Kraftwerk als in Heizkesseln einzusetzen. Natürlich kommt es darauf an, dass man die elektrische Energie z. B. zum Heizen nun richtig einsetzt: mit einer Wärmepumpe, die zwar wiederum einiges an Exergie verliert (grob geschätzt die Hälfte), aber wieder bei Weitem nicht so viel wie andere Optionen. Am besten funktioniert dies, wenn die benötigte Heizwärmemenge auf einem niedrigen Temperaturniveau benötigt wird (weil eine Art von Niedertemperaturheizung verwendet wird). Dann entspricht nämlich der gegebene Heizwärmebedarf einem relativ geringen Bedarf an Exergie, und deswegen kann die Wärmepumpe dann mehr Wärme aus der gleichen Menge Strom machen.

Nun konnte man zwar auch ohne Kenntnisse von Exergie sehen, dass die Wärmepumpenheizung insgesamt wesentlich effizienter ist als die besten Heizkessel. Auf der Basis einer Exergie-Betrachtung versteht man jedoch wesentlich klarer, beispielsweise

  • warum es völlig angemessen ist, für Strom pro Kilowattstunde (kWh) wesentlich mehr zu zahlen als für Wärmelieferungen, v. a. auf niedrigem Temperaturniveau,
  • warum das eigentliche Problem der Elektroheizung tatsächlich in derselben liegt (Vernichtung von Exergie!), und nicht etwa bei den Kraftwerken,
  • warum es also beim Strom aus Wasserkraft, mit hohem Wirkungsgrad gewonnen, ebenso unsinnig ist, ihn in Elektroheizungen zu verbraten,
  • warum man nicht nur die Menge des Heizwärmebedarfs, sondern auch dessen Temperaturniveau minimieren sollte,
  • dass heutige Wärmepumpen, die rund die Hälfte der Exergie verlieren, immer noch ein erhebliches Verbesserungspotenzial aufweisen – anders als Heizkessel –, und
  • dass Wirkungsgrade als Maß für Energieeffizienz einen völlig in die Irre leiten können.

Das thermodynamisch optimierte Heizen resultiert aus solchen Betrachtungen. Hierbei achtet man darauf, möglichst wenig Heiz-Exergie zu verbrauchen (→ Wärmedämmung + Niedertemperaturheizung) und diese möglichst effizient bereitzustellen, also insbesondere Exergie-Vernichter wie z. B. Elektroheizstäbe zu vermeiden. Dies gilt übrigens auch für schlecht ausgeführte Wärmeübertrager, die zwar nicht unbedingt Wärme verlieren, aber eine höhere Temperatur der Wärmequelle als eigentlich nötig erzwingen, also ebenfalls Exergie vernichten.

Übrigens: Die Kombination von Wasserkraftwerk und Elektroheizung erscheint vom Gesamtwirkungsgrad her auch effizient zu sein. Wenn Sie nun Exergie verstehen, fallen Sie aber nicht mehr in diese Falle. Das Kernproblem der Elektroheizung ist die Exergie-Vernichtung.

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