Fehlende Wärmedämmung schützt nicht vor sommerlicher Überhitzung
Erschienen am 24.06.2014 im RP-Energie-Blog (als E-Mail-Newsletter erhältlich!)
Permanente Adresse: https://www.energie-lexikon.info/rp-energie-blog_2014_06_24.html
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics AG
Inhalt: Es ist ein Irrglaube, dass Wärmedämmung das Problem der sommerlichen Überhitzung von Wohnräumen verschärfen würde. Der Artikel erklärt, wie man dieses Problem effektiv angehen kann.
An heißen Sommertagen leiden viele Menschen unter unangenehm hohen Temperaturen in Wohnräumen. Vereinzelt wird geglaubt, in Häusern mit guter Wärmedämmung wäre das noch schlimmer, da die von Sonneneinstrahlung, Geräten und Menschen eingebrachte Wärme damit noch schwerer entweichen könne. Dies ist allerdings eine ziemlich falsche Vorstellung:
- Wenn die Außentemperatur z. B. bei 30 °C liegt, müsste es in den Räumen noch heißer als das sein, damit überhaupt Wärme via Wärmeleitung durch die Wände entweichen könnte. Solange es innen z. B. noch 28 °C hat, fließt im Gegenteil Wärme von außen nach innen, was die Räume noch ein wenig mehr aufheizt. Viel schlimmer wirkt ein ungedämmtes Dach: Hier heizen sich die Dachziegel bei voller Sonneneinstrahlung u. U. auf mehr als 70 °C auf, so dass die ungewünschte Heizwirkung selbst bei über 40 °C in Räumen unter dem Dach noch kräftig weiter wirkt. Man hat dann an sonnigen Tagen eine "Deckenheizung", die sich nicht abschalten lässt.
- Selbst wenn man außen nur 25 °C hat und die Wohnung durch Sonneneinstrahlung auf 30 °C aufgeheizt wurde, kann die Wärmeleitung durch Wände die Wohnung nur marginal abkühlen. Da nämlich die Temperaturdifferenz dann nur 5 Kelvin beträgt, fließt 5 mal weniger Wärme ab, als es im Winter bei −5 °C außen und 20 °C innen (also mit 25 K Differenz) der Fall wäre. Noch 2,5 Grad mehr außen, und der Wärmeabfluss wird nochmals halbiert.
- Allenfalls erreicht man ohne Wärmedämmung in den kühleren Nächten eine gewisse Abkühlung – wobei hier offene Fenster freilich wirksamer sind. Hilfreich ist auch eine Lüftungsanlage, bei der ggf. die Wärmerückgewinnung an heißen Tagen automatisch deaktiviert wird. Dann kann man nachts kühlen, ohne Lärm, Insekten und Einbrecher hereinzulassen.
Grundlegend kommt es für den sommerlichen Hitzeschutz weniger auf die Wärmeleitung an, sondern vor allem darauf, den Wärmeeintrag in das Gebäude zu minimieren. Dafür braucht man vor allem einen äußeren Sonnenschutz (also z. B. Jalousien außerhalb der Glasscheiben) und sollte zusätzlich innere Wärmequellen (z. B. unnötig laufende ineffiziente Elektrogeräte) vermeiden. Die Belüftung sollte vorwiegend in den Zeiten mit niedrigeren Außentemperaturen (nachts und morgens) erfolgen. Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung in einem Wärmeübertrager minimiert den Wärmeeintrag auch an heißen Tagen, weil im Wärmeübertrager dann die Frischluft ausnahmsweise mit Hilfe kühlerer Abluft gekühlt anstatt vorgewärmt wird. Wunder darf man davon freilich nicht erwarten: Ist das Haus einmal heiß, hilft das Lüften auch damit nur noch in der Nacht.
Ein manchmal übersehener Faktor ist die Wärmekapazität der Baumaterialien. Wenn ein Raum im Dachgeschoss bestens wärmegedämmt ist, aber vorwiegend aus leichten Baumaterialien mit wenig Wärmespeicherfähigkeit gemacht ist, führt bereits ein geringer Wärmeeintrag z. B. durch nicht perfekten Sonnenschutz zu einer zunehmenden Aufwärmung im Laufe des Tages. Eine Klimaanlage könnte dieses Problem mit relativ geringem Energieaufwand lösen, da ja nur wenig Wärme entfernt werden muss. Eine elegantere Lösung sind freilich zusätzliche Wärmespeicherelemente, z. B. aus Wand- oder Deckenplatten mit eingebautem Latentwärmespeichermaterial.
Bewohner können viel falsch machen. Häufig denkt man z. B. nicht an das Betätigen des Sonnenschutzes, bevor die Räume zu warm werden. (Ein Ventilator könnte eine kühlende Luftbewegung besser besorgen.) Oder man reißt die Fenster gerade dann auf, wenn es draußen schon sehr heiß ist. Dann betreibt man womöglich im Esszimmer noch den Elektrogrill, anstatt Salate zu essen.
Jedenfalls zeigt die Erfahrung ganz klar, dass das sommerliche Schwitzen nicht speziell ein Problem von gut wärmegedämmten Neubauten ist, sondern in Altbauten genauso oft vorkommt. Wie gesagt hat die Wärmedämmung ja ohnehin nur beim Dach einen starken Einfluss auf die sommerlichen Temperaturen innen – und zwar einen positiven (senkenden). Wichtige andere Faktoren wie Sonnenschutz haben mit der Wärmedämmung gar nichts zu tun. Allenfalls hat die bei Altbauten oft bessere Wärmespeicherkapazität (dicke Steinwände) einen wesentlichen positiven Effekt, der vor allem leichten Fertighäusern und Holzhäusern oft fehlt.
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