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Stickoxidemissionen von modernen Dieselfahrzeugen – deutlich höher als gedacht

Erschienen am 23.02.2015 im RP-Energie-Blog (als E-Mail-Newsletter erhältlich!)

Permanente Adresse: https://www.energie-lexikon.info/rp-energie-blog_2015_02_23.html

Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics AG

Inhalt: Obwohl moderne diese Fahrzeuge inzwischen strenge Abgasgrenzwerte erfüllen müssen, haben sich die Stickoxidemissionen im Praxisbetrieb als weitaus höher erwiesen als unter den heute geltenden Testbedingungen. Der Weg zum wirklich sauberen Dieselantrieb ist also noch länger als bisher erwartet.

Ref.: V. Franco et al., "Real-world exhaust emissions from modern diesel cars", International Council of Clean Transportation, https://theicct.org/publication/real-world-exhaust-emissions-from-modern-diesel-cars/

Rüdiger Paschotta

Die Abgasemissionen von Fahrzeugen mit Dieselmotor sind seit vielen Jahren immer wieder ein Anlass für Kontroversen. Oft geht es dabei um Partikelemissionen (Ruß, Feinstaub), aber dieser Artikel befasst sich mit den Stickoxiden. Diese sind ebenfalls wichtig, nachdem in vielen Städten die aus gesundheitlichen Gründen gesetzten Immissionsgrenzwerte immer noch regelmäßig überschritten werden und der Verkehr dabei eine besonders wichtige Rolle spielt. Leider erweist sich der Weg zum sauberen Dieselantrieb als wesentlich länger als gedacht.

Für viele Jahre erlaubten die in der EU geltenden Abgasgrenzwerte für Dieselfahrzeuge weitaus höhere Stickoxidemissionen als für Benziner. Erst die neueste Abgasnorm (Euro 6, gültig seit dem September 2014) setzt eine Obergrenze von 60 mg pro Kilometer, gleich wie für Benziner. Somit glaubte man bis vor kurzem davon ausgehen zu dürfen, dass die Stickoxidproblematik der Dieselmotoren immerhin für die neuesten Fahrzeuge endlich gelöst ist. Inzwischen weiß man aber, dass dies leider keinesfalls so ist:

Eine sorgfältige Metastudie des International Council of Clean Transportation (Referenz siehe oben) befasste sich mit den Emissionen von 15 modernen Dieselfahrzeugen gemäß Messungen im tatsächlichen Einsatz auf der Straße anstatt auf einem Rollenprüfstand. Hierbei ergab sich, dass die Stickoxidemissionen im Durchschnitt ein Mehrfaches der Emissionen betrugen, die nach den jeweils geltenden Abgasnormen (meist Euro 5 oder Euro 6) maximal erlaubt wären. Wohlgemerkt handelt es sich nicht um einzelne Ausreißer; das Problem wurde bei der großen Mehrheit der untersuchten Fahrzeuge gefunden.

Es scheint, dass die bislang vorgeschriebenen Messungen auf dem Rollenprüfstand unter nicht ausreichend realistischen Bedingungen durchgeführt werden. Offenbar kann eine Vielzahl von Faktoren in der Praxis zu höheren Emissionen führen:

  • Wenn ein Fahrzeug kräftig beschleunigt oder auf der Autobahn schnell bewegt wird, steigen die Verbrennungstemperaturen an, was die Bildung von Stickoxiden fördert.
  • In der Warmlaufphase ist die Abgasreinigung oft wenig effizient – manchmal auch im Stadtverkehr bei sehr kleiner Motorbelastung und entsprechend niedrigen Abgastemperaturen.
  • Auch schnelle Gaswechsel können problematisch sein, indem sie die Motorsteuerung überfordern.
  • Ein so genannter SCR-Katalysator kann im Prinzip Stickoxide effektiv abbauen, aber nur bei genauer Dosierung von Harnstoff. Dies ist kritisch, weil eine Überdosierung zu ebenfalls unerwünschten Ammoniakemissionen führt.
  • Ein weiterer Faktor ist die gelegentlich nötige Regeneration des Partikelfilters, die ebenfalls kurzzeitig zu hohen Emissionen führen kann.

Es wurde auch der Verdacht geäußert, dass manche Hersteller ihre Fahrzeuge speziell auf die vorgesehenen Testsituationen hin optimieren, den Praxisbetrieb dagegen weitgehend außer Acht lassen.

Es ist somit nun klar, dass die schon vielfach kritisierten Testbedingungen im offiziellen Messverfahren dringend realistischer gestaltet werden müssen. Dies würde dann voraussichtlich zeigen, dass ein Großteil selbst der heute verkauften Dieselfahrzeuge weitaus mehr Stickoxide emittiert, als man es bisher erwartet hätte. Die Hersteller müssten dann die Technik entsprechend verbessern, um akzeptable Emissionswerte auch im neuen Testverfahren und somit auch in der Realität zu erzielen.

Unklar ist soweit, wie groß der für die Hersteller entstehende Aufwand sein wird. Da einzelne Fahrzeuge in den Praxistests bereits gut abgeschnitten haben, scheint es kein prinzipielles Problem zu geben. Jedoch könnte es nötig sein, die Technik im Detail wesentlich sorgfältiger zu optimieren – beispielsweise auch für den Fall schneller Gaswechsel, aber auch generell für höhere Motorleistung. Denkbar ist, dass sich manche der bislang gewählten technischen Verfahren der Abgasreinigung als nicht ausreichend effektiv erweisen werden. Die bisher verfügbaren Messdaten reichen noch nicht aus, um solche Fragen abschließend zu klären.

Sollte sich die weitere Stickoxidreduktion als doch wesentlich aufwendiger als gedacht erweisen, wären zumindest weiter erhöhte Herstellungskosten der Fahrzeuge zu befürchten. Wenn dies zu einem geringeren Anteil von Dieselfahrzeugen führen würde, wäre dies auch ein Rückschlag für den Klimaschutz im Verkehrsbereich, da diese Motoren bekanntlich etwas energieeffizienter sind als Benzinmotoren. Womöglich würden dann wieder einmal Abstriche beim Klimaschutz oder aber beim Gesundheitsschutz durch Luftreinhaltung gemacht, um die Autohersteller nicht allzu sehr zu belasten.

Für Autokäufer, die auf niedrige Schadstoffemissionen Wert legen, ist es momentan schwierig, jedenfalls bei Dieselfahrzeugen. Man wird normalerweise kaum herausfinden können, ob ein bestimmtes Modell tatsächlich sauber ist. Deswegen wird man im Zweifelsfall vor allem für den Einsatz in städtischen Regionen eher ein Fahrzeug mit Benzin- oder Erdgasantrieb wählen, wenn nicht gar ein Elektroauto infrage kommt

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