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Schimmel durch neue luftdichte Fenster

Erschienen am 17.04.2015 im RP-Energie-Blog (als E-Mail-Newsletter erhältlich!)

Permanente Adresse: https://www.energie-lexikon.info/rp-energie-blog_2015_04_17.html

Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics AG

Inhalt: Der Einbau neuer dichter Fenster kann Schimmelprobleme in Wohnungen auslösen, wenn dadurch das ursprüngliche Lüftungskonzept - basierend auf einer reinen Abluftanlage - ausgehebelt wird. Der Artikel räumt hierzu diverse schwere Missverständnisse aus, die leider sehr verbreitet sind.

Rüdiger Paschotta

Gelegentlich wird berichtet, dass Schimmelprobleme in Wohnungen vermehrt auftreten, nachdem die alten Fenster durch moderne dichte Fenster ersetzt worden sind. Die Erklärungen hierfür sind oft nicht stichhaltig, und vor allem werden daraus oft vollkommen unangebrachte Schlussfolgerungen gezogen – etwa dass Wärmedämmung grundsätzlich den Schimmel begünstige und deswegen des Teufels sei. In Wirklichkeit ist Wärmedämmung ja oft gerade ein unverzichtbares Mittel zur Vermeidung von Schimmel.

Nun gibt es aber tatsächlich Situationen, in denen sich neue dichte Fenster so auswirken können. Konkret meine ich Wohnungen (oft in großen Mehrfamilienhäusern), die mit einer Lüftungsanlage in Form einer reinen Abluftanlage ausgestattet sind. Hierbei meine ich nicht einen nur kurzzeitig laufenden Abluftventilator im Badezimmer, sondern eine Anlage für die permanente Absaugung verbrauchter Luft in Badezimmern und Küchen. In diesem Fall muss die Frischluft in die anderen Räume irgendwo eindringen können – über extra angebrachte Zuluftöffnungen oder notfalls auch über Undichtigkeiten an Fenstern. Beseitigt man nun alle Undichtigkeiten, so funktioniert das Absaugen nicht mehr, da kaum mehr Frischluft nachströmen kann, sich also ein leichter Unterdruck in der Wohnung bildet. Das ursprüngliche Lüftungskonzept funktioniert dann nicht mehr, und womöglich kommt es dadurch zur Schimmelbildung.

In diesem speziellen Fall ist es in der Tat notwendig, beispielsweise Zuluftöffnungen in den Fensterrahmen vorzusehen (oder beizubehalten), damit die Belüftung aufrechterhalten bleibt. Unter diesen Umständen hat man damit immer noch eine einigermaßen kontrollierte Belüftung und muß nicht auf Fensterlüftung zurückgreifen. Durch die Lüftungsöffnungen strömt nämlich immer systematisch Frischluft ein und nie Luft nach außen, weil die Abluftanlage für einen stetigen gerichteten Luftstrom sorgt. Solange die Zuluftöffnungen richtig auf die Räume verteilt sind, sodass die Frischluftverteilung einigermaßen dem Lüftungsbedarf der Räume entspricht, und auch die gesamte Luftmenge angemessen eingestellt ist, lüftet man so deutlich effektiver und effizienter als ohne jede Lüftungsanlage und nur mit Fensterlüftung. Man vermeidet nämlich, dass ein Teil der Frischluft in den Raum eindringt, dort erwärmt wird und dann gleich wieder den Raum verlässt, ohne vorher "genutzt" worden zu sein.

Nachteilig ist in diesem Fall natürlich, dass es keine Wärmerückgewinnung gibt und die Frischluft kalt in die Räume kommt. Dies verursacht einerseits erhebliche Wärmeverluste und andererseits oft auch Einschränkungen des Komforts durch Zuglufteffekte und Temperaturunterschiede innerhalb der Wohnung. Immerhin ist es aber besser als ganz ohne Lüftungsanlage, wo dann die regelmäßige Fensterlüftung unabdingbar ist.

Übrigens: In Altbauten ohne Lüftungsanlage macht es für den Lüftungsbedarf kaum einen Unterschied, ob die Fenster besonders dicht sind oder nicht; in jedem Falle ist es unabdingbar, die Fensterlüftung konsequent zu praktizieren.

Mit Wärmerückgewinnung geht es noch besser

Wesentlich besser ist es freilich, eine kombinierte Zu- und Abluftanlage zu verwenden, bei der eine Wärmerückgewinnung möglich ist. Hier wird die Frischluft in einem Wärmeübertrager mithilfe der Wärme der Abluft vorgewärmt und wird dann über Leitungen in die Räume gezielt eingebracht. Die Vorwärmung ist nicht nur energetisch günstig, sondern vermindert auch sehr stark mögliche Zugerscheinungen. Außerdem erlaubt die gezielte Einbringung der Frischluft eine genauer dem Bedarf entsprechende Dosierung für die einzelnen Räume.

Leider ist es nicht so einfach, so etwas nachträglich einzubauen; das geht allenfalls im Zusammenhang mit einer umfassenden energetischen Sanierung. Beispielsweise können die nötigen Luftleitungen dann oft in einer Wärmedämmschicht untergebracht werden.

Sind neue Fenster sinnlos?

Falsch wäre die Meinung, der Einbau neuer Fenster bringe in den beschriebenen Fällen nichts, weil die verbesserte Dichtigkeit angesichts der nötigen Zuluftöffnungen ja gar nicht zur Wirkung kommt. Man übersieht dabei nämlich, dass es in erster Linie darum geht, die Wärmeverluste durch Wärmeleitung zu vermindern. Dieser Effekt, der durch den sehr viel besseren (niedrigeren) U-Wert dieser Fenster ausgedrückt wird, kommt in jedem Fall voll zum Tragen.

Ausgeräumte Missverständnisse

Ich hoffe, damit einige verbreitete Missverständnisse wirkungsvoll ausgeräumt zu haben:

  • Wenn das Eindringen von Frischluft z. B. über Einlassöffnungen an Fenstern zum Lüftungskonzept gehört (bei Verwendung einer Abluft-Lüftungsanlage), sollte dies beim Einbau neuer Fenster beibehalten werden. Die Dichtigkeit der neuen Fenster trägt dann nicht zur Energieeinsparung bei, ihre verminderten Transmissionswärmeverluste jedoch sehr wohl.
  • Wenn keine Lüftungsanlage vorhanden ist, sollten aber keine Lüftungsöffnungen (passiv, ohne Ventilatoren) an Fenstern eingebaut werden, und die Fenster sollten dicht sein. Man muss dann eine konsequente Fensterlüftung praktizieren. Diese durch den Effekt von Undichtigkeiten zu ersetzen, wäre nicht praktikabel; eine ausreichende Belüftung würde nämlich so grobe Undichtigkeiten voraussetzen, dass man bei windigem Wetter stets unter unangenehmen Zugerscheinungen leiden würde.
  • Wenn eine Zu-und-Abluft-Lüftungsanlage (idealerweise mit Wärmerückgewinnung) vorhanden ist, sollen Fenster und andere Bauteile ohnehin dicht sein.
  • Mit einer Wärmedämmung der Hausfassade hat all dies nichts zu tun, weil eine wesentliche Belüftung durch die Wände ohnehin nicht stattfinden kann. (Die Vorstellung, "atmende Wände" würden nennenswert zur Belüftung beitragen, ist vollkommen irrig.) Man beachte aber, dass eine äußere Wärmedämmung die Schimmelgefahr an Außenwänden generell vermindert, weil dadurch die Wände wärmer werden.

Abschließend möchte ich noch anmerken, dass die oft bauphysikalisch begründete Regel, der U-Wert der Fenster dürfe nicht niedriger sein als der der Wände, nicht überzeugend ist. Dies habe ich in meinem Artikel über Fenster erklärt.

Fragen und Kommentare von Lesern

14.07.2020

Wir bewohnen ein Haus (Bj 1957) it immens hohen Heizkosten. Wir haben uns von einem Architekten beraten lassen in Bezug auf den Austausch der Fensterscheiben. Der jetzige U-Wert der Scheiben ist ca. 3, möglich wären Scheiben mit einem U-Wert von 1,1. Der Architekt, der ein Energieberater der Verbraucherzentrale ist, riet uns dies nicht ohne gleichzeitige Fassadendämmung zu tun, weil damit die Fensterflächen besser isoliert wären als die Wände (er schätzte einen U-Wert der Außenwände von 1,5). Er argumentierte, dass bauphysikalisch die Feuchtigkeit sich dann an den Wänden niederschlagen würde, und wir mit Schimmelbefall zu rechnen hätten.

Nachdem wir nun ihren Artikel gelesen haben, sind wir verunsichert, was wir mit unseren Fenstern tun sollen. Bislang haben wir keine Probleme mit Schimmel. Können Sie uns etwas raten?

Antwort vom Autor:

Die Regel, dass der U-Wert der Fenster nicht besser sein darf als der der Wände, halte ich nicht für überzeugend. Wird bei Ihnen etwa die Luft entfeuchtet dadurch, dass Kondenswasser an den Fenstern entsteht, welches Sie dann auffangen und entsorgen? Vermutlich nicht. Also würden neue Fenster an der Luftfeuchtigkeit nichts ändern und deswegen keinen Schimmel verursachen können. Lediglich verlieren Sie damit eine Warnfunktion: Feuchte Scheiben zeigen Ihnen dann nicht mehr, dass Sie lüften sollten. Die scheint mir aber entbehrlich zu sein – ein Hygrometer ist besser, oder gar ein automatischer Warner (z. B. mit Piepston).

Andererseits müssen Sie sich fragen, ob dieses Haus nicht ohnehin früher oder später die Fassadendämmung braucht – vermutlich ja, außer es wird ohnehin in nicht zu ferner Zukunft abgerissen. Und dann macht es voraussichtlich viel mehr Sinn, den Fenstertausch mit der Dämmung zu verbinden – u. U. mit gleichzeitiger Verlegung der Fenster nach außen (bündig mit der jetzigen Fassade). (So haben wir es auch gemacht – nicht billig, aber eine sehr gute und dauerhafte Lösung.)

Klar: Die Fassadendämmung kostet meist wesentlich mehr als der Fenstertausch, aber sie bringt auch mehr. Einigermaßen klimaverträgliches Heizen ist ohne das meist nicht möglich.

26.09.2020

Mein Istzustand: Mehrfamilienhaus Bauj. 1973, Aussenwände nicht gedämmt (z. Zt. auch nicht vorgesehen), alte Holzfenster mit Isolierglas, evtl. minimale Undichtigkeit (Originalzustand), in ursprünglich gutem dichtungsfreiem Zustand.

Zur Zeit setzt sich die Raumfeuchtigkeit an den Fensterscheiben – dem z. Zt. kältestem Bauteil – ab.

Sollzustand (Forderung meiner Mieter): Einbau neue Fenster mit heute üblichem U-Wert.

Wo setzt sich dann die Raumfeuchtigkeit ab?

Zitat: Der U-Wert der Fenster darf nicht besser sein als der der Wände.

Antwort vom Autor:

Fragen wir doch erst mal, wohin die Feuchtigkeit geht, die jetzt an den Fensterscheiben sichtbar ist. Ich gehe davon aus, dass diese nicht irgendwo verschwindet. Die energetisch schlechten Fenster lösen also das Problem zu hoher Luftfeuchtigkeit keineswegs, sondern zeigen es bestenfalls deutlicher an.

Also: das Problem der Luftfeuchtigkeit ist durch Belüftung zu lösen und ist kein taugliches Argument gegen energetisch bessere Fenster.

Ausführlicher habe ich dies in meinem Artikel über Fenster erläutert.

29.09.2020

(Nachtrag zur letzten Frage und Antwort)

Ihr Fazit: Neue Fenster ´rein! Damit sich jetzt kein Schimmel an der Wand bildet: lüften, lüften, lüften! Tagsüber sind meine Mieter nicht zu Hause. Soll ich von meinen Mietern verlangen, ein Lüftungsbuch zu führen?

Feuchtigkeit am Fenster kann ich wegwischen, an der Wand nicht.

Antwort vom Autor:

Wie gesagt können die Fenster die Luft ohnehin nicht trocknen; abwesende Mieter können das Kondenswasser an den Fenster nicht abwischen und entfernen. Das Problem ist also bei alten und neuen Fenstern ziemlich genau gleich groß.

Wenn das Problem so groß ist, dass es schon Schimmel gibt, hilft nur nochmals verstärktes Lüften. Wie der Artikel über die Belüftung von Gebäuden erläutert, gibt es außer der Fensterlüftung andere Möglichkeiten, insbesondere eine Lüftungsanlage für die kontrollierte Belüftung – unabhängig von nötigen Aktivitäten der Bewohner. Die zirkulierende Meinung, so etwas sei nur für Neubauten überhaupt nötig oder sinnvoll, halte ich für völlig falsch: Im (ungedämmten) Altbau ist es oft viel nötiger, weil an den dort kalten Außenwänden viel leichter Schimmel entsteht. Nur ist der nachträgliche Einbau eben oft schwierig oder zumindest teuer.

Eine Alternative wäre unter Umständen die Wärmedämmung der Fassade, weil dann die Oberflächentemperatur der Außenwände wesentlich ansteigt und somit eine höhere Luftfeuchtigkeit tolerierbar wird. In unserem Haus haben wir beides miteinander kombiniert – mit Verlegung der Lüftungsleitungen auf dem Mauerwerk, mit späterer Überdeckung durch die neue Dämmung. Das war nicht billig, funktioniert aber bestens: nie wieder Feuchtigkeitsprobleme, ein stark verbesserter Wohnkomfort und natürlich viel weniger Gasverbrauch. Das war der Kernpunkt, unser Haus für viele weitere Jahrzehnte zukunftsfähig zu machen.

Hier können Sie Fragen und Kommentare zur Veröffentlichung und Beantwortung vorschlagen. Über die Annahme wird der Autor des RP-Energie-Lexikons nach gewissen Kriterien entscheiden. Im Kern geht es darum, dass die Sache von breitem Interesse ist.

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