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Kritik der Solarstromspeicherstudie der HTW Berlin

Erschienen am 12.06.2015 im RP-Energie-Blog (als E-Mail-Newsletter erhältlich!)

Permanente Adresse: https://www.energie-lexikon.info/rp-energie-blog_2015_06_12.html

Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics AG

Inhalt: Eine neue Studie versuchte die Wirtschaftlichkeit von Solarstromspeichern nachzuweisen. Dies erweist sich allerdings nur als Resultat einer ziemlich merkwürdigen Argumentation.

Ref.: J. Weniger, J. Bergner, T. Tjaden und V. Quaschning, "Dezentrale Solarstromspeicher für die Energiewende", HTW Berlin, Juni 2015, Wirtschaftlichkeit von Solarstromspeichern; ausführliche Kritik: R. Paschotta, Solarstromspeicher – bedingt wirtschaftlich? Siehe auch: "Am Bedarf vorbei geleitet", erschienen in neue energie 12/2014, S. 42-45, https://www.volker-quaschning.de/artikel/2014-12-Am-Bedarf-vorbeigeleitet/index.php

Rüdiger Paschotta

(Anmerkung: Ein aktuellerer Blog-Artikel von 2018 mit dem Titel "Solarstromspeicher – inzwischen wirtschaftlich?" kommt trotz inzwischen deutlich geänderter Zahlenwerte zum gleichen Resultat.)

Kürzlich hat die Gruppe von Prof. Volker Quaschning an der HTW Berlin eine Studie mit dem Titel "Dezentrale Solarstromspeicher für die Energiewende" publiziert. Das ist insofern interessant, dass hier nun überprüft werden konnte, auf welcher Basis die von dort immer wieder verbreitete Behauptung steht, Solarstromspeicher auf der Basis von Batterien könnten durchaus wirtschaftlich eingesetzt werden. Dies war mir lange schleierhaft.

Die Resultate sind nun wie erwartet ernüchternd. Zwar kommen die Autoren wiederum zum Resultat, PV-Speichersysteme könnten schon heute wirtschaftlich eingesetzt werden, vorausgesetzt dass die nutzbare Speicherkapazität nicht zu hoch gewählt wird. Dies basiert aber auf einer schrägen Argumentation, die im Kern eine Quersubventionierung von klar unrentablen Speichern voraussetzt, und zwar mithilfe von Überschüssen, die eine reine PV-Anlage unter günstigen Umständen abwirft (wie lange noch?). Hierbei wird die Bezeichnung "PV-Speichersystem" in irreführender Weise für das Gesamtsystem verwendet und nicht etwa für das Speichersystem selbst. Das Resultat wird also so dargestellt, dass viele Leser den klar falschen Eindruck haben werden, es lohne sich tatsächlich, einer PV-Anlage einen solchen Speicher hinzuzufügen. Solche Taktiken ist man gewohnt von Firmen, die unbedingt gewisse Dinge verkaufen wollen und es dabei nötig haben, die potenziellen Käufer irrezuführen; bei Forschern an einer Hochschule überrascht es aber schon.

Eine detailliertere Kritik der Studie habe ich auf einer separaten Seite veröffentlicht.

Einige Fans dieser Speicher geben immerhin zu, dass derzeit ein wirtschaftlicher Betrieb nicht möglich ist; sie setzen aber oft auf zukünftige starke Kostensenkungen, wie wir sie bei der Photovoltaik erlebt haben. Diese Hoffnung dürfte sich freilich als illusorisch erweisen, wie ich bereits früher gezeigt habe. Erstens weisen bereits seit Jahrzehnten großtechnisch genutzte Technologien wie Batterien und Elektronik viel geringere Verbesserungspotenziale auf als die Photovoltaik in der Form, wie sie vor einigen Jahrzehnten genutzt wurde. Zweitens können Skaleneffekte nur aus großen Stückzahlen resultieren, und diese sind natürlich nicht möglich, solange der Betrieb solcher Speicher klar unwirtschaftlich ist. Während bei der Photovoltaik die Einspeisevergütung von Anfang an einen mindestens kostendeckenden Betrieb ermöglichte, genügt die massive staatliche Förderung der Speicher dafür bei Weitem nicht. Deswegen ist eine ähnliche Entwicklung wie bei der Photovoltaik nicht zu erwarten; die Verhältnisse sind hier eben völlig anders. Zusätzlich muss man sich bewusst sein, dass die Wirtschaftlichkeit von Solarstromspeicher nur durch extreme Kostensenkungen (oder eine massive Ausweitung der Subventionierung) hergestellt werden könnte; ein Faktor 3 reicht noch nicht. Da sollte man zu einer indianischen Weisheit greifen: Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reitest, dann steig ab!

Besonders ärgerlich finde ich, wenn auf der Basis solcher Argumentationen die Meinung verbreitet wird, ein Ausbau der Stromnetze sei gar nicht nötig, weil es ja so gute Alternativen dafür gebe.

Es ist schon eine verrückte Situation. Bekanntlich setzt eine massive Ausweitung des Anteils erneuerbarer Energien an der Stromversorgung erhebliche Speicherkapazitäten voraus, da diese Energien eben leider nicht dem Bedarf entsprechend anfallen. Nun gibt es bereits riesige Speicherkapazitäten in Nordeuropa, insbesondere die norwegischen Pumpspeicherkraftwerke und Wasser-Speicherkraftwerke mit einer Kapazität von weit über 100 TWh. Für die deutsche Energiewende würde es genügen, einen kleinen Teil hiervon durch die Verstärkung von Stromnetzen zu erschließen – wobei diese Netze einerseits zwischen Norwegen und Deutschland benötigt werden, andererseits aber vor allem auch innerhalb von Deutschland. Die Finanzierung dieses Projekts wäre angesichts des guten Kosten-Nutzen-Verhältnisses überhaupt kein Problem. Stattdessen träumen unsere Forscher aber vom Aufbau neuer Speicherkapazitäten auf der Basis von Batterien im Umfang von bis zu 0,384 TWh (gemäß der kritisierten Studie), und dies mit einem Aufwand von hunderten Milliarden von Euro, oder zumindest vielen Dutzenden von Milliarden, falls doch massive Kostensenkungen möglich werden. Wohlgemerkt würde selbst dies das Speicherproblem nur zum Teil lösen. Solche Pläne spielen natürlich Politikern in die Hände, die es noch so gerne sehen, wenn Protagonisten der Energiewende Vorschläge bringen, die geeignet wären, die ganze Sache mit Schwung an die Wand zu fahren.

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