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Verbreitete Missverständnisse zu Isolation

Erschienen am 14.07.2015 im RP-Energie-Blog (als E-Mail-Newsletter erhältlich!)

Permanente Adresse: https://www.energie-lexikon.info/rp-energie-blog_2015_07_14.html

Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics AG

Inhalt: Dieser Artikel räumt einige verbreitete Missverständnisse im Zusammenhang mit Wärmedämmung und Luftdichtigkeit von Gebäuden aus. Er erklärt die beiden wichtigsten Verlustpfade - Wärmeleitung und Luftströmungen - und die geeigneten Maßnahmen dagegen. Damit wird klar, dass die Zusammenhänge zwischen Wärmedämmung und der Luftdichtheit der Gebäudehülle völlig anders sind, als viele Laien und Journalisten es sich vorstellen. Die Erkenntnisse haben auch Auswirkungen auf das Verständnis von Schimmelproblemen in Wohnräumen.

Rüdiger Paschotta

In diesem Artikel soll versucht werden, einige sehr verbreitete Missverständnisse im Zusammenhang mit der Wärmedämmung von Gebäuden durch fundierte Sachinformation auszuräumen.

Wärmeverluste eines beheizten Gebäudes können hauptsächlich auf die folgenden zwei Weisen entstehen:

  • Wärmeleitung: Wärme fließt innerhalb der festen Bauteile z. B. einer Fassade von innen (wo es wärmer ist) nach außen. Dies ist meist der wichtigste Verlustpfad.
  • Außerdem erfolgt ein Wärmetransport durch Luftströmungen. Beispielsweise kann der Wind kalte Luft durch undichte Stellen in ein Haus drücken, und anderswo entweicht warme Luft ins Freie. Entsprechend der Wärmekapazität von Luft wird dabei auch Wärme abtransportiert.

Die Verringerung solcher Wärmeverluste erfordert nun die folgenden Maßnahmen:

  • Die erstrangige Aufgabe einer Wärmedämmung ist es, Wärmeverluste durch Wärmeleitung möglichst stark zu verringern. Diese Funktion wird beispielsweise durch verminderte U-Werte quantitativ beschrieben.
  • Außerdem sollte ein unkontrollierter Luftaustausch weitestgehend vermieden werden. Dies ist freilich nicht die Funktion beispielsweise eines Wärmedämmverbundsystems (WDVS); Mauerwände sind auch ohne ein solches annähernd luftdicht. Eine viel größere Bedeutung haben diesbezüglich luftdicht eingebaute Fenster und Türen, teils auch Schornsteine.

Uninformierte Laien (darunter auch Journalisten) scheinen jedoch oft zu meinen, der zentrale Aspekt von Wärmedämmung sei die "Isolation" im Sinne einer umfassenden Abdichtung. In diesem Zusammenhang besteht häufig die Sorge, das moderne Häuser aufgrund übertriebener Wärmedämmung einen zu geringen Luftaustausch hätten. Übersehen wird hierbei zunächst einmal, dass eine annähernd luftdichte Gebäudehülle heute von grundlegenden Baunormen gefordert wird – übrigens mit sehr guten Gründen – und nicht etwa erst durch eine Wärmedämmung entsteht. Der zweite Fehler ist, dass die Rolle von Undichtigkeiten für die Belüftung vollkommen falsch eingeschätzt wird. Hierzu ist Folgendes zu sagen:

  • Richtig ist zunächst, dass ein gewisser Luftaustausch für ein bewohntes Gebäude unabdingbar ist. Beispielsweise muss dadurch die Luftfeuchtigkeit ausreichend niedrig gehalten werden, von den Bewohnern aus geatmetes Kohlendioxid (CO2) muss abgeführt werden, und dasselbe gilt für diverse schädliche oder geruchlich störende Stoffe.
  • Im Prinzip können Undichtigkeiten zwar ein Stück weit zur Belüftung beitragen, aber erstens nicht auf effektive bzw. effiziente Weise (eben weil die Luft damit ganz unkontrolliert herumströmt, abhängig vom Wetter und nicht vom Bedarf) und zweitens mit unangenehmen Nebenwirkungen (z. B. Zugerscheinungen). Deswegen soll der Luftaustausch durch eine gezielte Belüftung erfolgen, und zwar auf eine möglichst kontrollierte Weise und nicht quasi zufällig und wetterabhängig durch Undichtigkeiten.
  • Die einfachste Methode ist die Fensterlüftung in Form der Stoßlüftung, also mit jeweils für wenige Minuten ganz geöffneten Fenstern. Leider funktioniert dies in der Praxis alles andere als ideal; beispielsweise wird damit meist zu wenig gelüftet, vor allem nachts oder bei Abwesenheit der Bewohner, oder man weicht wegen dieses Problems auf das Dauerlüften mit gekippten Fenstern aus, was energetisch sehr ungünstig ist.
  • Eine wirklich kontrollierte und zielgerichtete Luftzufuhr (kontrollierte Lüftung) ist durch eine Lüftungsanlage möglich, idealerweise mit Wärmerückgewinnung aus der Abluft.
  • Es ist keineswegs so, dass man durch die Belüftung energetisch gesehen das wieder kaputt macht, was man durch die Wärmedämmung gewonnen hat. Zunächst einmal vermindert die Wärmedämmung ja die meist dominierenden Wärmeverluste durch Wärmeleitung – ganz unabhängig von Aspekten des Luftaustauschs. Im Übrigen verursacht zwar jede Form der Belüftung Wärmeverluste, jedoch ist das Verhältnis von Nutzeffekt (Steigerung der Luftqualität) und Wärmeverlusten umso günstiger, je kontrollierter die Art der Belüftung ist. Diesbezüglich schneidet die Belüftung durch Undichtigkeiten, die meist ohnehin vollkommen unzureichend ist, am schlechtesten ab. Aus diesem und noch anderen, hier nicht genannten guten Gründen fordern moderne Baunormen (a) die Luftdichtheit der Gebäudehülle und (b) eine ausreichende Belüftung auf anderen Wegen.

Völlig irrig ist übrigens die Meinung, die Probleme mangelnder Belüftung seien typisch für moderne Gebäude. In Wirklichkeit treten beispielsweise Schimmelprobleme hauptsächlich bei alten Häusern auf. Eine Lüftungsanlage gibt es dort nicht, die Fensterlüftung wird sehr häufig nicht in ausreichendem Umfang betrieben, und selbst erhebliche Undichtigkeiten reichen zumindest bei windstillem Wetter nicht aus, um eine ordnungsgemäße Belüftung zu ersetzen. Hinzu kommt die Problematik, dass nicht wärmegedämmte Außenwände auf der Innenseite kalt werden, was die Bildung von Kondenswasser und damit von Schimmel begünstigt.

In gewissen Ausnahmefällen können jedoch unsachgemäß eingesetzte energetische Maßnahmen die Bildung von Schimmel begünstigen, insbesondere wenn sie das Lüftungskonzept (z. B. mit einer Abluftanlage) unwirksam machen (siehe den Blog-Artikel vom 17.04.2015 über Schimmel durch neue luftdichte Fenster).

Weitere Details enthalten die Lexikon Artikel über die Belüftung von Gebäuden, Luftfeuchtigkeit, Schimmel in Wohnräumen, Lüftungsanlagen, Fensterlüftung und Wärmedämmung.

Fragen und Kommentare von Lesern

03.11.2016

Sehr geehrter Autor, nach meiner Erfahrung haben Sie einen nicht unwesentlichen Teil des Schimmelbildungspotentiales ausgelassen: die Taupunktverschiebung. Gerade in Altbauten dienen die einfachverglaste Fenster als Lufttrockner, da dort zwangsweise kondensiert wird. Werden diese Fenster (U= 5 W / (K m2)) nur ersetzt durch mehrfachverglaste Fenster, dann liegen die U-Werte meist um 1,1 oder noch kleiner. Dies hat jedoch zur Folge, dass die Fenster nicht mehr der kältestes Punkt im Raum sind, sondern die Wände. Dies kann insbesondere bei Wohnungen über unbeheizten Kellerräumen dazu führen, dass das Mauerwerk im Fußbodenbereich deutlich kälter ist und somit an dieser Stelle das Kondensat anfällt. Wird an dieser Stelle nun, vorzugsweise im Winter, gelüftet. Fällt die kalte Außenluft in den Raum und verstärkt das Problem noch.

Antwort vom Autor:

Die Lufttrocknung durch kalte Fensterflächen ist alles andere als ideal: Wenn man das Tauwasser nicht regelmäßig entfernt, läuft es irgendwo hin und führt dort womöglich zu Feuchteproblemen. Man beachte auch die bedeutenden Wassermengen von womöglich mehreren Litern pro Tag und Wohnung, die an den Fenstern bei unzureichender Belüftung anfallen würden! Fazit: Feuchtigkeit muss durch Belüftung entfernt werden; Kondensation an kalten Fensterscheiben ist dafür kein praktikabler Ersatz. Höchstens könnten feuchte Scheiben als Warnung dienen, dass man mehr lüften sollte.

Ein ausreichender Luftwechsel ist so oder so nötig, allein schon hygienischen Gründen. Zu erreichen ist dieser entweder durch konsequente Fensterlüftung oder (viel zuverlässiger) mit einer Lüftungsanlage. Es ist aber jedenfalls möglich, dass Wände nach dem Fenstertausch feucht werden, wenn die Belüftung unzureichend bleibt. Nur sind wie gesagt kalte Fensterflächen dafür keine geeignete Lösung.

Hier können Sie Fragen und Kommentare zur Veröffentlichung und Beantwortung vorschlagen. Über die Annahme wird der Autor des RP-Energie-Lexikons nach gewissen Kriterien entscheiden. Im Kern geht es darum, dass die Sache von breitem Interesse ist.

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