Energieverbrauch – gibt es so etwas überhaupt?
Erschienen am 08.02.2017 im RP-Energie-Blog (als E-Mail-Newsletter erhältlich!)
Permanente Adresse: https://www.energie-lexikon.info/rp-energie-blog_2017_02_08.html
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics AG
Inhalt: Der Begriff des Energieverbrauchs stößt manchmal auf Kritik. Bei genauer Betrachtung erweist sich diese nicht nur als pedantisch und spitzfindig, sondern auch als sachlich ziemlich angreifbar.
Kürzlich hat mich ein werter Leser des Energielexikons angerufen, um mir seinen Feedback in seiner so direkt und emotional authentisch wie möglichen Art vorzutragen. Er höhnte, meine Verwendung des Begriffs Energieverbrauch zeige, dass ich es offenbar nötig hätte, mich einmal ernsthaft mit den physikalischen Grundlagen zu beschäftigen. Kurz gesagt, da schließlich der Energieerhaltungssatz gelte, sei es ganz und gar unmöglich, dass Energie überhaupt verbraucht wird.
Ich versuchte diesem Mann nahezubringen, dass einerseits seine Position in der Sache fragwürdig ist und andererseits sein Tonfall nicht geeignet ist, mich für längere Zeit zum Gespräch mit ihm zu motivieren. Leider scheint mir das nur beim zweiten genannten Aspekt gelungen zu sein, indem ich nach wenigen Minuten den Telefonhörer vorzeitig auflegte. Im Versuch, das Beste daraus zu machen, verwende ich diese Kritik nun als ein hoffentlich für viele Leser interessantes Thema meines Newsletters.
Offenbar hatte mein Gesprächspartner die Vorstellung, dass eine Sache, die beim Gebrauch nicht spurlos verschwindet, nicht als verbraucht betrachtet werden darf. Genau dieser Glaube ist allerdings nicht gerechtfertigt. Man betrachte beispielsweise, was mit einem Nahrungsmittel beim Verzehr geschieht. Am Ende liegt die betreffende Materie immer noch vor, jedoch eindeutig in einer Form, die sie für den nochmaligen Verzehr ungeeignet macht. Deswegen sollte man einem, der verzehrte Nahrungsmittel als verbraucht betrachtet, nicht vorhalten, die Materie könne schließlich nicht wirklich verschwinden. Das wäre nämlich nicht nur pedantisch und spitzfindig, sondern auch in der Sache unangebracht.
Im Falle von Energie gibt es freilich noch einen anderen Aspekt: nämlich, dass der Begriff häufig etwas ungenau statt Energieträger verwendet wird. Man kann durchaus argumentieren, dass jemand, der etwa vom Energieverbrauch seiner Heizungsanlage spricht, damit in Wirklichkeit das verbrauchte Erdgas meint. Oft spricht man tatsächlich sogar ausdrücklich vom Gasverbrauch, was sicherlich nicht angreifbar ist. Selbst im anderen Fall erschiene es mir als allzu pedantisch, diese Person dann zum Gebrauch des modifizierten (und unüblichen) Begriff Energieträgerverbrauch zu nötigen – zumal wie gezeigt ja auch die Energie in einem substanziellen Sinne verbraucht wird.
Ich bin durchaus ein Freund der präzisen und sorgfältigen Verwendung der Sprache. Bei einem Wissenschaftler sollte es auch nicht anders sein, da Wissenschaft nach meinem Verständnis im Kern bedeutet, dass man Erkenntnisse auf möglichst sorgfältige, Fehler vermeidende Arten gewinnt. (Dass viele Wissenschaftler nach meiner Erfahrung in der Praxis mit der Sprache extrem schlampig umgehen, ist deswegen sehr bedauerlich, zumal sie nicht selten auch die Kommunikation beeinträchtigt.) Deswegen bin ich durchaus offen für Kritik an meiner Verwendung der Sprache beispielsweise im RP-Energie-Lexikon – genauso wie für jede andere Kritik, wenn sie die Chance bietet, Dinge besser zu verstehen und/oder klarer darzustellen. In diesem Sinne habe ich dafür gesorgt, dass am Ende jedes Artikels (auch auf dieser Seite) zwei Kästen stehen, die der einfachen Übermittlung von Anmerkungen an mich dienen – im einen Fall für nur an mich gerichtete Dinge, im anderen Fall führt zur Veröffentlichung vorgeschlagene Kommentare. Es hat sich herausgestellt, dass auch viele in der Sache durchaus angreifbare Kommentare zusammen mit meiner Antwort darauf für andere Leser durchaus nützlich sein können.
Nachtrag vom 09.02.2017: Die Thematik lädt dazu ein, im Folgenden einen wichtigen Aspekt weiter zu vertiefen. Es wäre völlig falsch, aus dem Energieerhaltungssatz zu schließen, dass es im Zusammenhang mit Energieverbrauch kein Problem geben könne, da er lediglich eine Energieform in eine andere umgewandelt wird. Entscheidend ist der Aspekt, dass wir eine hochwertige (z. B. sehr gezielt einsetzbare) Energieform verbrauchen und diese am Ende zu Wärme wird, die sich zwangsläufig früher oder später in der Umwelt verflüchtigt, folglich nicht mehr nutzbar ist. Es liegt hier also unzweifelhaft eine Verbrauchsproblematik vor.
In der Physik gibt es den wichtigen Begriff der Exergie, der zum Teil damit zusammenhängt. Es wäre deswegen an sich genauer, von Exergieverbrauch zu sprechen – obwohl auch der Begriff Energieverbrauch wie gezeigt durchaus nicht unsinnig ist.
Nachtrag vom 05.11.2023: Mehr Bedenken habe ich gegen den Begriff "CO2-Verbrauch". Siehe dazu den Artikel "Wider den CO2-Verbrauch: Unklare Begriffe fördern unklares Denken!"
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