Krankheit und Tod durch Dieselabgase – eine Folge von Korruption
Erschienen am 18.04.2017 im RP-Energie-Blog (als E-Mail-Newsletter erhältlich!)
Permanente Adresse: https://www.energie-lexikon.info/rp-energie-blog_2017_04_18.html
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics AG
Inhalt: Der Dieselabgas-Skandal zeigt ein systematisches Versagen nicht nur von Fahrzeugherstellern, sondern gerade auch von Politikern. Hier wird gezeigt, dass diese Verhältnisse nur als eine Folge von Korruption verstanden werden können: Es ist ein systematisches Versagen nicht aus Versehen oder Dummheit, sondern im Zusammenhang mit finanziellem Profit.
Über die Problematik von Dieselabgasen wurde schon viel geschrieben – auch in diesem Blog, angefangen mit dem Aufkommen des VW-Dieselskandals im September 2015, später zum Bauteilschutz als angebliche Rechtfertigung für Hersteller und zu ausgebauten oder zerstörten Dieselpartikelfiltern. Hier soll nun ein Überblick über die aktuelle Lage gegeben werden – mit leider schlechten Aussichten für eine baldige Besserung, weil unsere Politik zu korrupt ist. Wohlgemerkt verwende ich den Begriff der Korruption nicht leichtfertig; weiter unten begründe ich ihn detailliert.
Zu den wichtigsten Luftschadstoffen in Wohngebieten gehören die Stickoxide. Etliche große Quellen hierfür – insbesondere Kraftwerke – wurden in den letzten Jahrzehnten erfolgreich angegangen; die heutigen Entstickungsanlagen sind recht wirksam. Bei den Fahrzeugen gibt es auf dem Papier ebenfalls sehr große Fortschritte: Die Emissionsgrenzwerte für NOx waren zwar für Fahrzeuge mit Dieselmotor lange Zeit viel höher als für solche mit Benzinmotor, aber seit der Abgasnorm Euro 6 ist dies endlich Vergangenheit. Tatsächlich ist es inzwischen auch technisch problemlos möglich, diese Emissionen mithilfe von NOx-Speicherkatalysatoren massiv zu senken.
Hohe Emissionen von Fahrzeugen im Praxisbetrieb
Leider sind aber die NOx-Immissionen in den letzten Jahren viel weniger zurückgegangen, als man es erwartet hätte. Das war zunächst rätselhaft. Als wichtigster Grund hierfür hat sich erwiesen, dass gerade auch moderne Dieselfahrzeuge in der Praxis massenhaft NOx-Emissionen aufweisen, die um ein Mehrfaches höher liegen, als es aufgrund der angeblich eingehaltenen Abgasnormen sein dürfte. Zuerst wurde Volkswagen im September 2015 dabei erwischt, seit Jahren in vielen Fahrzeugen eine sogenannte illegale Abschalteinrichtung installiert zu haben, die die Wirksamkeit der Abgasreinigung auf dem Prüfstand sicherstellt, im Praxisbetrieb aber massiv reduziert. Inzwischen ist bekannt, dass der Großteil der anderen Hersteller von Dieselfahrzeugen ebenfalls Abschalteinrichtungen verwendet – häufig mit einem so sogenannten "Thermofenster": Die Abgasreinigung wird ernsthaft nur in einem mehr oder weniger engen Bereich von Umgebungstemperaturen betrieben und sonst mehr oder weniger abgeschaltet – was oft für den Großteil des Jahres eine kaum wirksame Abgasreinigung bedeutet.
Bauteilschutz: ein unsinniges Argument
Wie ich in meinem Artikel über den Bauteilschutz als angebliche Rechtfertigung für solche Praktiken erläutert habe, kann eigentlich kein Zweifel daran bestehen, dass solche Praktiken illegal sind. Die Hersteller haben den Überwachungsbehörden gegenüber solche Praktiken verschwiegen, weil sie natürlich wussten, dass sie die nötige Typgenehmigungen für ihre Fahrzeugmodelle sonst kaum erhalten würden. Es ist extrem ärgerlich, dass trotz allem nicht nur die Fahrzeughersteller, sondern auch Vertreter der deutschen Bundesregierung behaupten, hier liege kein illegales Handeln vor, weil die relevante EU-Verordnung nicht klar genug formuliert sei. Dabei sagt diese Verordnung ausdrücklich, dass die Abgasreinigungsanlage auch unter normalen Nutzungsbedingungen funktionieren muss; das schließt selbstverständlich Anlagen aus, die mindestens im gesamten Winter unwirksam sind. Auch EU-Behörden sehen das so. Der Bauteilschutz dürfte nur ausnahmsweise zu einer kurzzeitigen Abschaltung führen. Maßgebliche deutsche Politiker weigern sich aber, dies zuzugestehen und entsprechend zu handeln.
Straflosigkeit selbst bei nachgewiesenem und eingestandenem Betrug mit schweren Folgen
Es kommt noch übler: Nicht einmal für Volkswagen, wo der massenhafte Einsatz illegaler Abschalteinrichtungen nicht einmal vom Konzern selbst mehr bestritten wird, gibt es in Deutschland Strafen, da es die Bundesregierung unter Verletzung von EU-Recht versäumt hat, entsprechende Regelungen zu schaffen. (Es läuft deswegen zur Zeit ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland.) Auch eine angemessene Entschädigung der Autokäufer findet bei uns nicht statt – schon gar nicht eine Entschädigung der vielen Menschen, deren Gesundheit dadurch schwer geschädigt wird.
EU-Kontrolle der Zulassungsbehörden: nicht gewünscht
Insbesondere in Deutschland ist es ziemlich offensichtlich, dass die Zulassungsbehörden von der Politik daran gehindert werden, ihre Arbeit im Sinne von Verbrauchern und Umwelt zu machen, d. h. beispielsweise die Erfüllung EU-weiter Vorschriften sicherzustellen. Deswegen gibt es Bemühungen der EU-Kommission, eine gewisse Kontrolle auf EU-Ebene einzuführen – beispielsweise sollten EU-Behörden stichprobenartig prüfen dürfen, ob nationale Zulassungsbehörden ordentlich arbeiten. Bezeichnenderweise widersetzt sich aber gerade Deutschland solchen Plänen der EU-Kommission. Dies darf und muss man wohl so deuten, dass die deutsche Regierung weiterhin politisch entscheiden möchte, inwieweit EU-weite Vorschriften zugunsten von Verbrauchern und Umwelt beachtet werden, und dass sie sich dabei nicht auf die Finger schauen lassen möchte.
Lösungen für Altfahrzeuge?
Abschalteinrichtungen sind in der Regel mithilfe von Software in der Motorsteuerung realisiert worden. Deswegen können sie im Prinzip durch ein Software-Update im Rahmen einer Rückrufaktion entfernt werden. Leider wird auf diesem Wege das Problem kaum entschärft:
- Ein Grundproblem ist schon einmal, dass sich unsere Regierung weigert, die Rechtswidrigkeit massenhaft eingesetzter Abschalteinrichtungen zuzugeben. So können die meisten Autohersteller gar nicht erst zu Rückrufaktionen gezwungen werden. Immerhin haben ein paar Hersteller freiwillig Nachbesserungen angeboten.
- Selbst wo dies passiert, ist keineswegs garantiert, dass die Abgaswerte anschließend in Ordnung sind. Manche Messungen zeigten eine immerhin deutliche Verbesserung um ca. einen Drittel oder um die Hälfte – womit man aber oft noch weit vom Ziel entfernt liegt. Zudem besteht die Sorge, dass die Umrüstung unangenehme Nebenwirkungen zur Folge hat – etwa einen erhöhten Kraftstoffverbrauch, eine verminderte Leistung und womöglich auch eine verringerte Lebensdauer von Komponenten. Schließlich wurde die Abschalteinrichtung ja nicht zum Spaß eingesetzt, sondern aus konkreten Gründen – etwa um die Abgasreinigung mit billigen Komponenten vornehmen zu können, die bei konsequentem Einsatz nicht allzu lange leben würden. Volkswagen versichert, so etwas werde nicht passieren, verweigert aber bislang eine rechtlich verbindliche Garantie dafür. Die Autobesitzer müssen die Umrüstung trotz dieser Sorge vornehmen lassen, da ihnen sonst der Entzug der Zulassung des Fahrzeugs droht.
Es ist also leider nicht zu erwarten, dass die Emissionen der bereits im Einsatz befindlichen Fahrzeuge in den nächsten Jahren erheblich sinken werden. Dafür wäre nämlich Voraussetzung, dass die Bundesregierung ernsthaft gegen die Hersteller durchgreift. Da wäre einiges nötig:
- Die Hersteller könnten und müssten gezwungen werden, alle Abschalteinrichtungen zu beseitigen, die nicht nur ausnahmsweise aktiv werden, also die EU-Verordnung verletzen; nur so dürfte die Typgenehmigung als gültig anerkannt werden. (Mit illegalen Tricks erschlichene Typgenehmigungen müssten eigentlich als unwirksam gelten.)
- Zudem müsste streng überprüft werden, dass die Umrüstung auch effektiv ist, also die Abgaswerte tatsächlich auf das der Abgasnorm entsprechende Niveau senkt.
- Schließlich müsste es Entschädigungen für die Autobesitzer geben, falls als Folge der Umrüstung wesentliche Nachteile wie z. B. der vorzeitige Ausfall von Komponenten auftreten. Schließlich kann es nicht angehen, dass letztendlich durch den Betrug entstehende Nachteile auf die Kunden abgewälzt werden. Wer einen Schaden betrügerisch verursacht, hat ihn ohne Nachteile für andere zu beseitigen.
Von Professor Ferdinand Dudenhöffer wurde kürzlich vorgeschlagen, man solle die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen durch eine Erhöhung der Diesel-Kraftstoffsteuer (d. h. eine Abschaffung der steuerlichen Bevorzugung von Diesel) finanzieren. Damit wären locker die benötigten Milliarden Euro zu beschaffen. Allerdings ist es erstens ungerecht, dass die betrogenen Autokäufer die Nachrüstung finanzieren sollen, und zweitens dürfte eine wirklich wirksame Nachrüstung in vielen Fällen schwer realisierbar sein.
Wird es wenigstens bei neuen Autos besser?
Nachdem die Problematik seit Jahren bekannt ist – der Öffentlichkeit seit Herbst 2015 und den maßgeblichen Behörden übrigens schon viel länger (zumindest durch ernst zu nehmende Indizien) – sollte man meinen, dass wenigstens mit Neufahrzeugen dieser Betrug nicht weitergehen kann. Leider ist nicht einmal dies einigermaßen vollständig erreicht worden.
Es wurde zwar auf EU-Ebene beschlossen, dass ab dem September 2017 die Fahrzeuge ergänzend zu den Abgastests auf den Rollenprüfständen auch im realen Straßenverkehr getestet werden müssen – man misst also auch "real driving emissions" (RDE). Das Dumme ist nur, dass die Typgenehmigung vorläufig nur dann in Gefahr ist, wenn die RDE-Resultate ein Vielfaches höher liegen als die vom Prüfstand – nicht zuletzt wegen des Drucks von Seiten der deutschen Bundesregierung. Erst ab 2020 darf beim RDE-Test der Grenzwert der Abgasnorm "nur" noch um 50 Prozent überschritten werden.
Zudem wird man wohl die Fahrzeuge, die ihre Typgenehmigung noch mit dem alten, dem Schummeln alle Tore öffnenden Verfahren erlangt haben, nicht nachträglich diesen verbesserten Test unterwerfen, um ihnen ggf. die Typgenehmigung wieder zu entziehen. (Bislang werden die Genehmigungen ja nicht einmal dort entzogen, wo der Betrug bereits nachgewiesen ist!) Es werden also sogar weiterhin massenhaft Fahrzeuge verkauft werden, die illegale Abschalteinrichtungen enthalten und in der Praxis um ein Vielfaches höhere Emissionen verursachen, als sie es eigentlich dürften.
Fahrverbote für Dieselfahrzeuge
Manche Städte stehen unter massivem Druck, die Belastung der Atemluft mit diversen Luftschadstoffen zu senken – nicht nur im Dienst für ihre Bürger und im Bemühen, attraktiv für Wohnende und Gewerbe zu bleiben, sondern auch auf der rechtlichen Seite. Ein großes Problem besteht beispielsweise in Stuttgart bezüglich Stickoxiden und Feinstaub, aber in vielen anderen Städten ist es nicht grundlegend anders.
Leider haben die Städte nur sehr begrenzte Möglichkeiten. Ein großer Teil dieser Emissionen stammt aus dem Verkehr, aber die Städte können natürlich nicht die oben beschriebene Problematik angehen. Ihnen bleiben an sich nur Fahrverbote für besonders luftverschmutzende Fahrzeuge – anzuwenden zumindest in Zeiten mit besonders hohen Schadstoffkonzentrationen. Das würde immerhin die massiven, akut gesundheitsgefährdenden Spitzenwerte reduzieren, die die Opfer gehäuft in die Kliniken treiben.
Zunächst einmal bedeuten solche Fahrverbote leider einen massiven negativen Eingriff für viele betroffene Autobesitzer. Viele von diesen konnten nicht wissen, dass ihr Fahrzeug wirklich so schlecht ist und dass sie es deswegen nur eingeschränkt würden benutzen können. Für manche Pendler mag es echte Probleme geben, wenn der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel oder eine Fahrgemeinschaft schwierig ist und das Geld für die Anschaffung eines sauberen Fahrzeugs fehlt. Eigentlich sollte man erwarten, dass dieses Problem jeweils der Hersteller lösen muss, der es verursacht wird – etwa durch Umrüstung oder Ersatz des Fahrzeugs.
Zusätzlich gibt es aber ein anderes großes Problem. Fahrverbote machen an sich nur Sinn, wenn man die besonders luftverschmutzenden Fahrzeuge leicht identifizieren kann. Wo ein Blick in den Fahrzeugschein nötig ist, ist eine effektive Kontrolle von der Straße aus offensichtlich nicht möglich; schließlich kann man nicht alle in die Stadt fahrende Autos anhalten und sich den Schein vorzeigen lassen. Es müsste also eine Plakette her, die leicht von außen erkennbar ist. Genau dies verhindert aber der Bundesverkehrsminister Dobrindt. Er befürchtet natürlich, dass die Betroffenen Autofahrer über ihn und die Regierung noch viel mehr verärgert wären, wenn sich die Untätigkeit der Politik am Ende an den Autofahrern rächen würde. Indem man Fahrverbote verhindert, nimmt man stattdessen schwere gesundheitliche Nachteile für die gesamte Stadtbevölkerung in Kauf. Das hat politisch gesehen freilich den großen Vorteil, dass man nie die einzelne Erkrankung auf ein bestimmtes politisches oder behördliches Versagen zurückführen kann. Auch wenn Alexander Dobrindt durch seine Amtsausübung viele vermeidbare vorzeitige Todesfälle verursacht, wird kein Grabstein davon zeugen.
Allerdings wäre selbst beim besten Willen ein angemessenes Kriterium für Fahrverbote in der gegebenen Situation schwer zu finden. Da die Behörden nämlich jahrelang trotz klarer Indizien und Warnungen versäumt haben, die Messverfahren für Kraftstoffverbrauch und Abgaswerte gegen massenhaften Betrug zu schützen, ist nun auch die Einstufung in eine Abgasnorm nicht mehr wirklich aussagekräftig. Es kann nämlich durchaus sein, dass ein neues Fahrzeug nach Euro 6 in der Praxis überhaupt nicht weniger, sondern sogar emittiert als ein älteres nach Euro 5. Theoretisch könnte man diejenigen Dieselfahrzeuge von Fahrverboten ausnehmen, die die Werte nach Euro 6 nachweislich korrekt einhalten – also ohne massive Überschreitungen im Praxisbetrieb. Dann gäbe es derzeit freilich fast keine Dieselfahrzeuge, die verschont werden können. Und natürlich müsste man einen Bundesverkehrsminister haben, der entsprechende Messungen anordnet und eine solche Plakette überhaupt zulässt.
Somit bleibt für die Städte vorläufig nur die Möglichkeit praktikabel, Fahrverbote für alle Dieselfahrzeuge auszusprechen, wenn die Schadstoffkonzentrationen in der Atemluft einen festzulegenden Grenzwert überschreiten – auch wenn das ein paar Fahrzeuge trifft, die tatsächlich sauber sind. Vielleicht wird es mangels Alternative dazu in den nächsten Jahren mancherorts kommen müssen.
Auch bezüglich Dieselruß ist nicht alles in Butter
Seit etlichen Jahren gibt es für Dieselfahrzeuge Partikelgrenzwerte, deren Einhaltung nur noch mit einem Rußpartikelfilter möglich ist. An sich sind diese Partikelfilter recht effektiv und filtern (entgegen verbreiteten Meinungen) inzwischen nicht nur die an sich weniger kritischen gröberen Rußpartikel voraus, sondern auch den Feinstaub. Von daher sollte man meinen, dass wenigstens diese Problematik inzwischen gelöst wurde. Leider hat sich aber erwiesen, dass manche Fahrzeugbesitzer den Partikelfilter ausbauen oder zerstören lassen, z. B. um eine teure Reparatur zu vermeiden; siehe dazu meinen Artikel vom 11.03.2016. Das ist leider verheerend, zumal die Motorsteuerung bei solchen Fahrzeugen unter Umständen deutlich erhöhte Rohemissionen zulässt, um niedrigere Stickoxidwerte zu erreichen, da die entstehenden Partikel ohnehin herausgefiltert werden sollten.
Auch hier ist wieder die Arbeit "autofreundlicher" Politiker erkennbar: Zwar ist der Betrieb solcher Fahrzeuge verboten, aber die Werkstätten, die auf diese Weise zu einer enorm verschlimmerten Luftverschmutzung beitragen, können rechtlich nicht belangt werden.
Das Grundproblem: korrupte Politiker
Die Lage ist wirklich verfahren. Es gibt massive gesundheitliche Probleme aufgrund der chronischen Überbelastung vieler Menschen (v. a. Stadtbewohner) mit Luftschadstoffen; nach Berechnungen der Europäischen Umweltagentur wurden im Jahr 2012 über 10 000 vorzeitige Todesfälle in Deutschland allein von den Stickoxiden verursacht. Obwohl dies schon lange bekannt ist, können wir dagegen nicht wirklich wirksam vorgehen, weil die herrschenden Politiker dies verhindern:
- Sie lobbyieren in Brüssel gegen strengere Abgasgrenzwerte genauso wie gegen strengere Überprüfungen geltender Regelungen – um dann aber mit dem Finger nach Brüssel zu zeigen, wenn es nicht funktioniert.
- Sie erlassen keine Gesetze für Strafen auf massiven Betrug mit tödlichen Folgen, selbst wenn sie es nach EU-Recht müssten. Offenbar nehmen sie lieber Strafzahlungen unseres Steuergelds nach Brüssel in Kauf, als dass ihre Spender für Betrug haften müssten.
- Sie ignorieren jahrelang deutliche Hinweise auf Betrug und sorgen dafür, dass die zuständigen Behörden nicht aktiv werden. (Der Untersuchungsausschuss zur Abgasaffäre hat im Februar 2017 festgestellt, dass große Diskrepanzen zwischen Resultaten von Labortests und Realbetrieb bereits seit 2004 bekannt waren!)
- Sie bestreiten selbst offenkundig gewordenen Betrug wie Anwälte der Betrüger, um diese nicht zu Rückrufaktionen usw. zwingen zu müssen.
- Sie unternehmen nichts, um geschädigten Verbrauchern zu Entschädigungen zu verhelfen – etwa durch Einführung von Sammelklagen.
- Sie verhindern Maßnahmen zur Eindämmung der Folgen – etwa Fahrverbote.
Offensichtlich sind sie Handlanger von Lobbyisten, die ihre Parteien finanzieren, ihnen lukrative Aufsichtsratsposten geben etc. Wir haben hier ein massives Korruptionsproblem. Wohlgemerkt kann es für diesen Vorwurf nicht maßgeblich sein, dass für jede Fehlentscheidung zulasten der Allgemeinheit konkret dafür bezahlte Bestechungsgelder nachgewiesen werden. Wenn Politiker bekanntermaßen eng mit Lobbyisten kungeln, auch immer wieder von ihnen profitieren, gleichzeitig dann systematisch ihre Pflichten gegenüber der Allgemeinheit verletzen, so ist das Korruption. Und wenn dies genügend lange so praktiziert wurde, merken die Betroffenen oft schon gar nicht mehr, dass sie korrupt sind – sie finden das normal.
Manche sprechen hier auch von Staatsversagen – siehe den interessanten Artikel "Staatsversagen im Abgas-Fall" von Jochen Luhmann.
Theoretisch sollte man in einer Demokratie erwarten, dass Politiker, die die Interessen der Bevölkerung dermaßen grob verletzen, früher oder später abgewählt werden, sodass sich solche Praktiken politisch nicht lohnen. In der Praxis ist es aber offenbar anders. Dies liegt zunächst einmal daran, dass viele Bürger die Problematik immer noch nicht genügend ernst nehmen, beispielsweise gar nicht an die massiven gesundheitlichen Auswirkungen glauben, solange sie nicht selbst betroffen sind. (Wissenschaftliche Erkenntnisse werden bereitwillig durch eigene "Meinungen" beiseite gedrängt, genauso wie auch beim Klimaschutz.) Oft werden sie es Politikern sogar positiv anrechnen, wenn diese "wirtschaftsfreundlich" agieren – konkret im Sinne der Autoindustrie, von der ja auch viele Arbeitsplätze abhängen. Hierbei wird nicht nur übersehen, dass ein vielleicht etwas sicherer Arbeitsplatz kaum eine gute Kompensation für Kinder mit Asthma sein kann. Es wird auch verkannt, dass eine solche Politik nicht einmal wirklich wirtschaftsfreundlich ist. Schließlich wurde erst dadurch der enorme Skandal möglich, der der Autoindustrie und sogar der deutschen Industrie als Ganzes enorm schadet: Die EPA musste aufdecken, was unsere Behörden geflissentlich übersahen. Inzwischen dürfte eigentlich niemand mehr glauben, dass sich diese Betrügereien und Kungeleien trotz milliardenschwerer Schäden am Ende für unsere Industrie gelohnt hätten – selbst wenn man die Gesundheitskosten ignoriert.
Es ist schon seltsam: Ein Politiker, dessen Fehler einen Terroranschlag mit zehn Toten zur Folge hätte, wäre auf absehbare Zeit erledigt. Wer dagegen mit einer massenhaft betrügenden Industrie kungelt, die seine Partei finanziert, und so dazu beiträgt, dass jedes Jahr viele tausend Menschen zusätzlich an der Luftverschmutzung sterben, kommt ungeschoren davon oder wird gar noch als angeblich wirtschaftsfreundlich geschätzt. Wie viele Menschen müssen wohl noch leiden und sterben, bis sich dies ändert?
Wenn Ihnen diese Website gefällt, teilen Sie das doch auch Ihren Freunden und Kollegen mit – z. B. über Social Media durch einen Klick hier:
Diese Sharing-Buttons sind datenschutzfreundlich eingerichtet!