Warum brauchen stärkere Motoren mehr Kraftstoff?
Erschienen am 09.06.2018 im RP-Energie-Blog (als E-Mail-Newsletter erhältlich!)
Permanente Adresse: https://www.energie-lexikon.info/rp-energie-blog_2018_06_09.html
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics AG
Inhalt: Eigentlich könnte es überraschen, dass stärker motorisierte Fahrzeuge selbst bei gleicher Fahrweise meist mehr Kraftstoff verbrauchen, obwohl der stärkere Motor ja nicht mehr leisten muss. Hier werden die unterschiedlichen Gründe hierfür erklärt. Besonders wichtig ist das Problem der niedrigen Auslastung des Verbrennungsmotors bei kleinen Leistungsanforderungen, vor allem im Stadtverkehr.
In den meisten Fällen – wenn auch durchaus nicht immer – verbraucht ein Auto mehr Benzin oder Dieselkraftstoff, wenn es stärker motorisiert ist. Auf den ersten Blick erscheint dies völlig selbstverständlich – aber auf den zweiten Blick nicht mehr unbedingt. Hierzu gibt es einige interessante Dinge anzumerken.
Normverbrauch
Der Normverbrauch eines Fahrzeuges wird im Rahmen der Typengenehmigung mit einem standardisierten Messverfahren ermittelt. Hierbei wird unabhängig von der Motorisierung eine bestimmte Strecke mit einem vorgegebenen Geschwindigkeitsprofil gefahren. Ein stärkerer Motor leistet hierbei also nicht mehr als ein schwächerer: Er bewegt dasselbe Fahrzeug mit der gleichen Geschwindigkeit über die gleiche Strecke. Von daher ist es nicht so klar, warum ein stärkerer Motor hierfür meistens deutlich mehr Kraftstoff verbraucht. Im Folgenden werden die wichtigsten Gründe hierfür diskutiert.
Gewicht
Tendenziell sind stärkere Motoren schwerer, sodass das Fahrzeuggewicht entsprechend zunimmt. Hierdurch steigt einerseits der Rollwiderstand und andererseits der Energieaufwand beim Beschleunigen. Allerdings dürfte die stärkere Motorisierung das Gesamtgewicht des Fahrzeugs nicht mehr als um einige Prozent erhöhen.
Zusätzlich kann aber ein indirekter Effekt das Fahrzeuggewicht weiter erhöhen. Durch die Möglichkeit einer stärkeren Motorisierung entfällt für die Hersteller und Käufer die zwingende Notwendigkeit, zugunsten einer ausreichenden Beschleunigung des Fahrzeugs das Gewicht niedrig zu halten. Deswegen sehen wir auf den Straßen heute viele schwere SUVs mit entsprechend starken Motoren. Wäre beispielsweise die Motorleistung abhängig von der Anzahl der Sitzplätze gesetzlich begrenzt, würde wohl kaum jemand ein schweres SUV mit entsprechend miserablen Fahrleistungen wollen.
Niedrigere Auslastung
Bei einer gegebenen Leistungsanforderung ist ein stärkerer Motor entsprechend weniger ausgelastet. Dies hat nun wesentliche Auswirkungen auf seinen Wirkungsgrad, also auf seine Energieeffizienz:
- Bei sehr hoher Last, z. B. bei Überholvorgängen, kann es sogar vorteilhaft sein, wenn der Motor nicht an seine Grenzen gehen muss. Die Höchstleistung wird nämlich bei hohen Drehzahlen erreicht, wo der Wirkungsgrad deutlich abnimmt. (Die Reibungs- und Strömungsverluste werden dann groß.) Auch die häufige Verwendung einer Volllastanreicherung ist sehr schädlich – sowohl ökonomisch als auch ökologisch. In diesen Gründen ist es sogar möglich, dass ein stärker motorisiertes Fahrzeug etwas weniger verbraucht.
- Andererseits gibt es vor allem im Stadtverkehr sehr viele Situationen, wo keine oder nur eine geringe Antriebsleistung benötigt wird, der Motor aber trotzdem laufen muss (sofern man keinen Hybridantrieb hat). In diesem Bereich sind Verbrennungsmotoren leider sehr ineffizient. Natürlich fällt dieses häufig auftretende Problem bei größeren Motoren stärker ins Gewicht: Wenn beispielsweise ein 150-kW-Motor gerade mal 2 kW Antriebsleistung liefern soll, um das Fahrzeug bei 40 km/h auf der Ebene rollen zu lassen, tut er das erheblich ineffizienter als ein 50-kW-Motor. Zumindest wäre es ziemlich schwierig, diesen Nachteil durch verbesserte Technik auszugleichen.
Tatsächlich findet man in der Praxis, dass der Mehrverbrauch des stärkeren Modells auf der Autobahn nicht unbedingt auftritt, im Stadtverkehr (und dann meist auch im Durchschnitt) aber ziemlich deutlich.
Man denke hierbei auch einen häufigen Betrieb im Leerlauf, der wesentlich mehr Kraftstoff verschlingt, als viele denken. Nicht erstaunlich ist freilich, dass ein größerer Motor – womöglich sogar mit einer größeren Anzahl von Zylindern (was entsprechend mehr Reibungsverluste verursacht) hier schlechter abschneidet.
Warmlaufphase
Bekanntlich ist der Kraftstoffverbrauch in der Warmlaufphase erheblich erhöht. Für einen größeren Motor fällt dies stärker ins Gewicht, einfach weil eine größere Masse aufgewärmt werden muss, bis ein effizienterer Betrieb möglich ist. Dies ist besonders wichtig für Fahrzeuge, die häufig auf kurzen Strecken betrieben werden.
Schnellere Fahrweise
Hinzu kommt für den Praxisbetrieb, dass ein stärkerer Motor häufig zu einer "dynamischeren" (d. h. verschwenderischen) Fahrweise animiert. Man genießt die zügige Beschleunigung, auch wenn sie eigentlich gar nicht nötig wäre, und "verbremst" dann wieder entsprechend mehr Energie. Auf der Autobahn fährt man schneller, und in diesem Bereich steigen die Energieverluste durch den Luftwiderstand mit steigender Geschwindigkeit rasch an.
Hybridantrieb als technologische Lösung?
Mehrere der genannten Ursachen für den höheren Verbrauch stärker motorisierter Fahrzeuge sind auch mit verbesserter Motorentechnologie schwer zu beseitigen oder auszugleichen. Insbesondere gilt dies für das Hauptproblem, dass Verbrennungsmotoren bei niedriger Auslastung ineffizient werden.
Eine einigermaßen wirksame technische Maßnahme ist aber die Verwendung eines Hybridantriebs, der auf verschiedene Weisen helfen kann:
- Der Verbrennungsmotor kann kleiner ausfallen, wenn für Überholmanöver zusätzliche Leistung vom Elektromotor zur Verfügung steht.
- Da der Verbrennungsmotor weniger agil und leistungsfähig sein muss, kann man eher als bei anderen Fahrzeugen einen Atkinson-Motor einsetzen, der deutliche Effizienzvorteile aufweist.
- Bei geringer Auslastung kann der Verbrennungsmotor ganz abgestellt werden, und man zehrt in diesen Zeiten von der Batterie.
- Dazu kommt dann noch die Möglichkeit der Rekuperation, also der Rückgewinnung von Bremsenergie.
(Weitere Details enthält unser Artikel über den Hybridantrieb.)
Man glaube nun aber nicht, dass das Hybrid-Konzept das Spannungsverhältnis zwischen hoher maximale Leistung und gute Effizienz im Praxisbetrieb gänzlich auflösen könnte. Auch hier gilt beispielsweise, dass die Warmlaufphase mit einem größeren Verbrennungsmotor mehr Kraftstoff kostet. Außerdem sind der elektrischen Unterstützung aufgrund des Batteriegewichts Grenzen gesetzt; bei großem Motor gibt es immer noch einen nennenswerten Bereich von Antriebsleistungen, die einerseits für das Batteriesystem zu hoch sind, für einen guten Wirkungsgrad des Verbrennungsmotors aber immer noch zu niedrig liegen. Beispielsweise kann man einer Hybridbatterie mit einer Kapazität von wenigen Kilowattstunden nicht allzu lange eine Leistung von 5 kW entnehmen, und andererseits wird ein 80-kW-Motor diese 5 kW auch nicht effizient bereitstellen können. Deswegen könnten auch die gängigen heutigen Hybrid-Autos noch um einiges sparsamer sein, wenn man sie schwächer motorisierten würde.
Fazit
Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum höhere Motorleistungen zu einem höheren Kraftstoffverbrauch führen – selbst wenn gar nicht schneller gefahren wird. Deshalb werden vor allem diejenigen Autokäufer, die dies und die dringende Notwendigkeit des Klimaschutzes begriffen haben, beim nächsten Kauf in diesen Punkt zurückhaltender sein.
An dieser Stelle möchte ich betonen, dass wir gerade im Verkehrsbereich seit Jahren keine echte Trendwende schaffen, wie sie für den Klimaschutz aber unbedingt notwendig wäre. Der anhaltende Trend zu stärker motorisierten und schwereren Fahrzeugen ist hierbei eines der Kernprobleme. Es bleibt zu hoffen, dass Bevölkerung, Politik und Hersteller dies baldmöglichst einsehen und ihrer Verantwortung gerecht werden.
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