Wann endlich beginnen wir mit dem Klimaschutz?
Erschienen am 18.09.2018 im RP-Energie-Blog (als E-Mail-Newsletter erhältlich!)
Permanente Adresse: https://www.energie-lexikon.info/rp-energie-blog_2018_09_18.html
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics AG
Inhalt: Klimaschutz wäre dringend nötig, wird aber auch in unserem Land kaum betrieben. Die Politik wird von einer konservativen Koalition blockiert, und die Bevölkerung handelt größtenteils nicht anders. Wie soll man sich dazu stellen? Immerhin kann man schon einiges tun, um die Dinge in die richtige Richtung zu drücken.
Wir alle wissen längst, dass ein entschieden betriebener Klimaschutz dringend notwendig ist, weil uns Entwicklungen drohen, die letztendlich nicht mehr beherrschbar sind – auch nicht für uns Wohlstandsbürger in den gemäßigten Breiten. Man denke nur mal an die enormen Migrationsbewegungen, die durch die Zerstörung der Lebensgrundlagen vieler Völker ausgelöst werden. Wer meint, dies dann durch den Ausbau der "Festung Europa" in den Griff bekommen zu können, ist ein dummer Traumtänzer. (Bemerkenswert, dass gerade diejenigen, die sich besonders um die Probleme der Migration sorgen, oft ausgerechnet eine Partei wählen, die den Klimaschutz komplett ablehnt!) Und dies ist natürlich nur eines von vielen schweren Problemen. Ein weiteres ist die Landwirtschaft, die auch in unseren Breiten mehr und mehr leidet. Schlimmer noch als das dürfte der wirtschaftliche Zusammenbruch ganzer Länder sein, was gerade für Deutschland als Exportnation alarmierend ist. Es ist keineswegs übertrieben zu sagen, dass unsere ganze Zukunft auf dem Spiel steht. Und die Zeit läuft uns davon: Jedes verlorene Jahr wird uns die spätere Lösung dieser Probleme noch schwerer machen.
Wer mich für diese Äußerung als Schwarzmaler abstempeln möchte, möge doch bitte plausibel darlegen, warum diese Befürchtungen nicht fundiert seien. Aber nicht wenige halten sich ja auch für kompetenter als beispielsweise der Weltklimarat (IPCC), den sie meist bar jeder Fachkenntnisse als irrelevant abtun. Was nicht zur eigenen Meinung passt, wird einfach als "Fake News" abgetan.
In dieser Situation ist es jedenfalls mehr als nur ärgerlich, dass auch unsere Regierung seit Jahren nichts tut, um das Problem wirklich anzupacken; Deutschland hatte einmal eine Vorreiterrolle, hat diese jedoch längst verloren. Unsere Politik wird permanent blockiert durch eine konservative Koalition – konservativ wohlgemerkt nicht in dem Sinne, dass man sorgsam auf die Bewahrung unserer Lebensverhältnisse achten würde, sondern dass man mit aller Kraft gewisse Besitzstände verteidigt (etwa das Recht auf Geschäfte und Arbeitsplätze mit massiver Umweltschädigung), selbst wenn dies für unsere Gesellschaft als Ganzes bedrohliche Auswirkungen hat. Und dies gilt leider nicht nur für Parteien, die sich explizit konservativ nennen, sondern beispielsweise auch für die SPD, die ständig herumeiert zwischen der eigentlich vorhandenen Einsicht der Notwendigkeit des Klimaschutzes und der Meinung, man müsse doch auch die Kohlekumpels irgendwie zufrieden stellen und lieber mal nichts tun, solange einem dafür noch keine tolle Lösung eingefallen ist. Diese Parteien haben zu verantworten, dass Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten unzählige Milliarden an Subventionen erfolglos in die Bewahrung der ohnehin untergehenden Kohle-Industrie investiert hat, anstatt dass wir uns auf die Zukunft eingerichtet hätten.
Sicher werden einige auch wieder das "Argument" anbringen, auf Deutschland käme es beim Klimaschutz doch gar nicht an, da wir ja nur einen kleinen Teil (rund 1 %) der Weltbevölkerung darstellen. Darauf bin ich bereits in meinem Blog-Artikel vom 18.10.2017 ausführlich eingegangen. Es handelt sich um eines der unsinnigsten Argumente. In Wahrheit könnte gerade Deutschland einen weitaus überdurchschnittlichen Einfluss auf die Lösung der Klimaproblematik haben. Und immerhin haben wir bereits einen enorm wichtigen Beitrag geleistet, nämlich zu den gewaltigen Preissenkungen bei der Photovoltaik und Windenergie, die ohne unser Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit Einspeisevergütungen niemals so schnell möglich geworden wären. Dies ermöglicht nun vielen ärmeren Ländern erst, den Ausstieg aus den fossilen Energieträgern zu beginnen. Es ist aber nicht geeignet als Entschuldigung für das Nichtstun der derzeitigen Bundesregierung.
Bemerkenswert ist auch, wie man sich auf der politischen Bühne um vergleichsweise lächerlichen Kleinkram streitet, während man die großen Herausforderungen völlig außen vor lässt. Vielleicht ist das bewusst oder oft auch nur unbewusst gerade so gewollt – auch von den Adressaten. Wenn man sich beispielsweise immer wieder ganz fest einredet, die Migration sei die Mutter aller Probleme, und wir müssten zu deren Lösung nur hohe Zäune und Mauern bauen, wird von den wirklichen Herausforderungen vielleicht weniger geängstigt – jedenfalls so lange, bis einen die ungelösten Probleme überrollen. Und Politikern bleibt vorerst erspart, Lösungen für die wirklichen Probleme zu entwickeln – beispielsweise auch die Herausforderungen der Digitalisierung und der Globalisierung sowie die Frage, wie wir unter diesen sich zwangsläufig dramatisch ändernden Umständen unsere Gesellschaft noch zusammenhalten können. (Ein Tipp: Die Lösung könnte etwas mit Bildung zu tun haben!) Auf solche Dinge sollten wir uns schnellstmöglich konzentrieren.
Es gibt wahrlich Grund genug, auf die Politik zu schimpfen, aber man sollte die Bevölkerung als Ganzes dabei nicht aus den Augen verlieren. Ist es nicht so, dass die meisten von uns das Klimaproblem zwar sehr wohl zur Kenntnis genommen haben, in der Praxis aber überhaupt nicht danach handeln? Beispiele dafür sind der ungebrochene Trend hin zu schweren SUVs, übermotorisierten Fahrzeugen, Flugreisen und Kreuzfahrten. Immerhin nimmt der Fleischkonsum – ein sehr wichtiger Aspekt nicht nur für den Tierschutz, sondern auch für den Klimaschutz – in breiten Kreisen allmählich ab, aber viele bestehen immer noch auf ihrer täglichen Portion Billigfleisch, solange ihnen nicht gerade mal wieder ein Skandal den Appetit verdirbt.
Und natürlich hätten Politiker, die seit vielen Jahren den Klimaschutz blockieren, keine Chance, wenn die Wähler dies mehrheitlich nicht achselzuckend hinnehmen würden.
Wer diese Dinge erkannt hat, kann damit die Welt nicht retten, solange er damit zu einer Minderheit gehört. Viel besser als Resignation ist es dennoch, wenigstens das Mögliche zu tun. Dafür gibt es viele Gelegenheiten:
- Bei jedem Kauf eines Autos, eines Hauses oder einer Reise kann man sich überlegen, ob es nicht eine bessere Lösung gäbe – und man diese auch wählt, selbst wenn dies hier und da etwas Verzicht bedeutet. Überhaupt gibt es so viel überflüssigen Konsum. Ohne den Gedanken der Suffizienz werden wir sicher nicht durchkommen – umso weniger, je länger wir die Probleme ungelöst vor uns her schieben.
- Ihren persönlichen Kohleausstieg können Sie ziemlich einfach vornehmen, nämlich durch einen Stromanbieterwechsel. Ein genaues Verständnis der Problematik des echten und simulierten Ökostroms ist zwar durchaus nicht einfach zu erarbeiten. Jedoch gibt es einige glaubwürdige Ökostrom-Labels, mit denen man wohl nichts falsch macht.
- Noch wichtiger als das Auto ist allerdings meistens das Haus. Wer diesem eine gut durchdachte energetische Sanierung gönnt, selbst wenn deren Amortisierung etliche Jahre dauert, hat schon viel erreicht. Leider scheitert einiges davon an weit verbreitenden Schreckensmeldungen über Wärmedämmung (die vielleicht auch oft zur Gewissensberuhigung für unterlassenen Klimaschutz dienen).
- Unseren Politikern müssen wir deutlich machen, was wir wirklich wollen. Fragen Sie beispielsweise doch mal Ihren Bundestags- oder Landtagsabgeordneten, ob er bei bestimmten Abstimmungen dem Gebot des Klimaschutzes folgt oder eher der Besitzstandswahrung. Das kann auch bei denen nützlich sein, die hierfür noch kein offenes Ohr haben.
- Reden Sie auch sonst über Ihre Erkenntnisse. Lassen Sie andere spüren, ob Sie das Fahren von SUVs und anderen Spritfressern nobel finden oder eher rücksichtslos. Fahren Sie Dummschwätzern in die Parade, die z. B. den Klimaschutz in Deutschland als überflüssig erklären. Sagen Sie weiter, wo Sie nützliche Informationen gefunden haben – etwa in meinem Energie-Lexikon oder diesem Energie-Blog. Wenn Sie soziale Medien nutzen, gibt es gerade dort viele Gelegenheiten.
Ich selbst habe mir schon vor vielen Jahren das Ziel gesetzt, durch mein Wirken Verbesserungen zu bewirken, die die Umweltbelastung meines eigenen Konsums mehr als kompensieren. Das RP-Energie-Lexikon mit diversen Zusätzen, auch diesem Energie-Blog, ist mein wichtigstes Instrument hierfür geworden. Jeden Monat dient die Website Zigtausenden von Lesern, und vermutlich werden schon etliche Tausend davon praktische Hinweise mitnehmen, die ihnen diverse Verbesserungen ermöglichen (und frei von wirtschaftlichen Interessen sind). Im Wesentlichen gibt mir genau dies die Motivation für die massive Arbeit an diesen Dingen. Ich sage das vor allem deswegen, damit auch andere erkennen: Man kann sich immerhin wesentlich besser fühlen, wenn man gute Dinge bewirken kann, anstatt nur zu schimpfen und letztendlich zu resignieren.
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