Ihr Solarstrom von fremden Dächern – macht das Sinn?
Erschienen am 26.08.2021 im RP-Energie-Blog (als E-Mail-Newsletter erhältlich!)
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Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics AG
Inhalt: Photovoltaik-Strom muss nicht unbedingt vom eigenen Dach kommen; da gibt es verschiedene andere Möglichkeiten. Nicht immer ganz trivial ist allerdings deren Bewertung, insbesondere betreffend die Frage, wo der ökologische Mehrwert verbucht werden darf.
Es kommt häufig vor, dass sich jemand aus ökologischen Gründen mit Solarstrom (elektrische Energie aus Photovoltaikanlagen) versorgen möchte, dies jedoch nicht auf dem eigenen Dach realisieren kann:
- Die Ausrichtung des Daches kann so ungünstig sein, dass der Ertrag zu gering wäre.
- Noch schlimmer ist eine wesentliche Verschattung, beispielsweise durch andere Gebäude oder durch Bäume, die sich nicht vermeiden lässt.
- Manchmal fehlt es schlicht an einer ausreichend großen Fläche.
- Bei manchen Gebäuden würden die Solarmodule die Optik empfindlich stören, oder eine ästhetisch genügende ansprechende Lösung wäre zu teuer. Beispielsweise gibt es auf modernen Gebäuden gut aussehende dachintegrierte Lösungen, die jedoch meist erheblich teurer sind.
- Wenn ein Dach in zehn Jahren gründlich saniert werden muss und man diese Sanierung nicht vorziehen kann, wäre es ungünstig, vorher noch eine PV-Anlage zu installieren, die für die Sanierung ja wieder entfernt werden müsste.
In solchen Fällen kommt oft die Frage auf, ob es nicht möglich wäre, den Solarstrom anderswo zu erzeugen, etwa auf einem oder mehreren fremden Dächern. Dafür gibt es in der Tat diverse Möglichkeiten, von denen ein paar typische Varianten hier diskutiert werden sollen. Unter Umständen ist dies sogar auch wesentlich billiger als mit der eigenen Anlage.
Es wird sich zeigen, dass teils nicht ganz triviale Überlegungen nötig sind betreffend die wichtige Frage, wem der ökologische Mehrwert gehört.
Meine PV-Anlage auf einem Dach des Nachbarn
Wenn der Nachbar ein für PV geeignetes Dach hat und es selbst nicht dafür nutzen möchte, kann man unter Umständen vereinbaren, dass er einem das Dach für die eigene PV-Anlage gegen ein Entgelt zur Verfügung stellt und der Strom durch eine Leitung von dort transportiert wird. Das ist natürlich nicht ganz einfach, nachdem es eine Vereinbarung für einen relativ langen Zeitraum (evtl. mehr als 20 Jahre) sein müsste. Deswegen dürfte diese Lösung eher selten praktikabel sein.
Immerhin sind die Verhältnisse bezüglich des ökologischen Nutzens hier ziemlich klar. Diesen Nutzen erwirbt derjenige, der die Anlage errichtet (bzw. errichten lässt) und betreibt; der Nachbar, der nur das Dach zur Verfügung stellt, sollte deswegen natürlich nicht denken, sein Strombedarf würde nun mit Solarenergie gedeckt. Er bezahlt diesen ja auch nach wie vor an seinen Stromversorger.
Ansonsten wäre aber alles Wesentliche wie für eine PV-Anlage auf dem eigenen Dach. In aller Regel bleibt man selbst dann weiterhin an das öffentliche Stromnetz angeschlossen, wenn die eigene Anlage mehr Strom erzeugt, als man selbst verbraucht. Die von der Sonneneinstrahlung abhängige Leistung der Anlage entspricht schließlich selten dem eigenen Verbrauch: Mal braucht man zusätzliche Leistung aus dem Netz, mal ist es umgekehrt, und man speist seinen Überschuss ein. Finanziell relevant sind am Ende nicht einfach nur die über das Jahr erzielte solare Stromproduktion und der Verbrauch in dieser Zeit, da es auch darauf ankommt, inwieweit man einen Direktverbrauch realisieren kann. Leider ist nämlich die erzielte Einspeisevergütung in der Regel viel niedriger als der Stromtarif für den Bezug aus dem Netz zu anderen Zeiten.
Es ist möglich, den Anteil des Direktverbrauchs zu optimieren, beispielsweise indem man einen Solarstromspeicher einsetzt (was sich leider finanziell in der Regel nicht lohnt) oder aber seinen Verbrauch dem PV-Angebot etwas besser anpasst. Beispielsweise kann man eine Wärmepumpenheizung so betreiben, dass sie das Haus immer dann, wenn überschüssiger PV-Strom zur Verfügung steht, ein wenig stärker beheizt, um zu anderen Zeiten (insbesondere am Abend, mit hoher Stromnachfrage im Netz) die Heizleistung zurückfahren zu können. Aber natürlich verbleibt trotzdem das Problem mangelnder Produktion trüben Wintertagen, und andererseits gibt es die schlecht vergoltenen (und eben auch energiewirtschaftlich weniger wertvollen) sommerlichen Überschüsse.
PV-Strom gegen Aufpreis vom Stromversorger
Viele Stromversorger bieten mittlerweile Stromprodukte an, die einen gewissen garantierten Anteil (u. U. 100 %) von Solarstrom enthalten (wieder bezogen auf die jährlichen Energiemengen). Dieser Solarstrom muss natürlich von entsprechend zertifizierten Anlagen stammen, d. h. der Anbieter muss für diesen Anteil des Stroms Herkunftsnachweise präsentieren können. Im einfachsten Fall baut und betreibt der Stromversorger solche Anlagen selbst, und für die dort gemessene Menge der Erzeugung werden dann solche Zertifikate erstellt. Als Stromkunde zahlt man typischerweise einen kleinen Aufschlag auf seinen Stromtarif dafür, dass einem der jeweilige ökologische Mehrwert zugeschrieben wird.
Dies mag wie eine Operation nur auf dem Papier erscheinen, macht aber durchaus Sinn. Schließlich werden solche Photovoltaikanlagen gerade in dem Umfang gebaut, der durch solche Stromkunden finanziert werden kann, die mit diesem Aufschlag auf den Strompreis einverstanden sind. Dass man im Einzelfall nicht mehr die konkrete Anlage oder gar einen Teil derselben identifizieren kann, von dem der eigene Strom kommt, ist ökologisch gesehen letztendlich irrelevant.
In diesem Fall funktioniert die oben beschriebene Optimierung des Direktverbrauchs übrigens nicht – es gibt sozusagen keinen Direktverbrauch mehr, und der gesamte bezogene Strom kommt eben aus dem Netz. Voraussichtlich werden wir zunehmend Stromtarife bekommen, wo man finanzielle Vergünstigungen dafür bekommt, dass man seinen Stromverbrauch ein Stück weit der Situation im Stromnetz anpasst, aber bislang geht da noch nicht viel.
Die Kosten können unter dem Strich trotzdem niedriger sein als mit einer eigenen Anlage. Dies hauptsächlich deswegen, weil die verwendeten Solaranlagen relativ billig gebaut werden können – etwa auf den Dächern großer Fabrikhallen oder auch als Freiflächenanlagen. Zusatzkosten etwa für eine dachintegrierte Version entfallen, da die Anforderungen an die Optik geringer sind als bei manchem Wohnhaus. Zwar entstehen zusätzliche Verwaltungskosten, aber diese können auf relativ große Strommengen umgelegt werden.
Beteiligung an Solaranlagen
Beteiligung ohne Solarstromlieferung
Es gibt auch die Möglichkeit, sich als (womöglich auch ganz kleiner) Investor an Solaranlagen zu beteiligen. Beispielsweise gibt es Bürgerenergiegenossenschaften, die kleine Geldbeträge von Bürgern einsammeln, damit Solaranlagen betreiben und die finanziellen Erträge an die Investoren ausschütten.
Auch so kann man den Ausbau der Sonnenenergienutzung aktiv vorantreiben. Jedoch sollte man sich im klaren darüber sein, dass der mit diesen Anlagen geschaffene ökologische Mehrwert an Dritte verkauft wird. Mit anderen Worten wird der eigene Stromverbrauch damit kein bisschen ökologischer! Schließlich bezahlt man ja auch nach wie vor seinen Stromversorger für was auch immer dieser liefert – besten Ökostrom, Dreckstrom oder häufig irgendein Gemisch. Seinen persönlichen ökologischen Fußabdruck kann man so also nicht nachvollziehbar verbessern; er kann man eine solche Beteiligung eher als eine mehr oder weniger vernünftige Geldanlage betrachten.
Beteiligung mit Solarstromlieferung
Es gibt aber auch andere Arten der Beteiligung, bei dem der Investor mit der entsprechenden Menge Solarstrom beliefert wird, die der von ihm finanzierte Teil einer Solaranlage produziert. Hiermit ist keine physikalische Stromlieferung gemeint, sondern wieder die Verrechnung inklusive der Zuschreibung des entsprechenden ökologischen Mehrwerts.
Es geht auch noch etwas komplizierter. Als Beispiel beschreibe ich das Angebot SolarInvest von Thurplus, einem Wasser- und Energieversorger aus dem Thurgau. Hier kann man sich als Stromkunde mit 300 Franken pro Quadratmeter Solaranlage beteiligen, also beispielsweise mit 9000 Fr. für 30 m2. Dem wird eine geschätzte Stromproduktion von 3000 kWh (nämlich 100 kWh pro m2) zugeschrieben, für die man über die Laufzeit von 20 Jahren eine Vergütung von 30 · 16,50 Fr. = 495 Fr. jährlich erhält. Das sind über die Laufzeit insgesamt 9900 Fr., also 10 % mehr als das ursprünglich eingezahlte Kapital. Rein finanziell ist dies kein tolles, aber auch kein miserables Geschäft: Die Verzinsung ist gering, das Risiko aber auch.
Soweit ein klare Sache. Wie sieht es aber nun mit dem ökologischen Mehrwert aus? Das ist etwas komplizierter gemäß der geltenden AGB:
- Zunächst gilt mit der genannten Vergütung des Kunden der ökologische Mehrwert des produzierten und in das Netz eingespeisten Solarstroms als abgegolten. Mit anderen Worten, dieser Mehrwert liegt nicht mehr beim Kunden!
- Andererseits liefert Thurplus dem Kunden aber während der Vertragsdauer die gleiche Menge von regional erzeugtem Solarstrom, und dies wird auf den Rechnungen mit einer entsprechenden Stromkennzeichnung auch ausgewiesen.
Beim Lesen des ersten Punkts mag man zunächst an ein unseriöses Geschäft denken, aber der zweite Punkt korrigiert diesen Eindruck. Man kann sich die Sache so vorstellen, dass man eben nicht unbedingt den ökologischen Mehrwert genau "seines" Teils einer der gebauten Solaranlagen bekommt, sondern den von irgendwelchen (womöglich auch anderen) Solaranlagen aus der Region. Das spielt aber ökologisch auch keine Rolle. Schließlich bleibt bei diesem System gewährleistet, dass der effektiv erzeugte ökologische Zusatznutzen beim investierenden Kunden bleibt. Dieser darf also zu Recht davon ausgehen, dass der entsprechende Teil seines Stromverbrauchs nun durch zusätzlich erzeugte Solarenergie gedeckt wird – ganz anders als bei der Beteiligung über eine Bürgerenergiegenossenschaft. Dafür ist auch die Rendite typischerweise geringer.
Letztlich erreicht man ökologisch etwa denselben Nutzen wie mit (echtem) Ökostrom gegen einen kleinen Preisaufschlag. Der Unterschied ist im Wesentlichen, dass man beim einen Modell anfangs ein Kapital investiert, beim anderen dagegen Monat für Monat etwas zahlt.
Bewertung
Die beschriebenen alternativen Ansätze, auch mit Angeboten von Stromanbietern, können also durchaus sinnvoll sein, wenn das eigene Dach aus irgendwelchen Gründen nicht für PV nutzbar ist. Gleichzeitig ist die Sache natürlich auch administrativ weitaus einfacher als mit einer eigenen Anlage, die geplant, gebaut, betrieben und verwaltet werden muss, inklusive der Abrechnung von Vergütung, Vorderbeiträgen und steuerlichen Details.
Grundsätzlich sollte man das Konzept eines Anbieters aber immer sorgfältig überdenken, da es durchaus auch unseriöse Angebote gibt, bei denen beispielsweise der ökologische Mehrwert quasi doppelt verkauft oder das zumindest so empfunden wird. Beispielsweise erhalten manche Betreiber eigener PV-Anlagen eine zusätzliche Vergütung, mit denen ihnen der ökologische Mehrwert abgekauft wird – wobei sie aber womöglich trotzdem das (falsche) Gefühl haben, mit ihrer Anlage einen echten Beitrag zur Energiewende geleistet zu haben (und dann etwa das Energiesparen vernachlässigen). Tendenziell ist die Gefahr solcher zumindest psychologisch doppelter Anrechnung umso größer, je komplizierter das gewählte System ist. Trotzdem plädiere ich nicht für eine puristische Haltung – etwa grundsätzlich nur für eigene Solaranlagen zu argumentieren –, weil man damit etliche durchaus sinnvolle Lösungen vergäbe. Ich hoffe mit diesem Artikel einen hilfreichen Beitrag zu einer angemessenen Bewertung verschiedener Ansätze gebracht zu haben.
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