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Wärme steigt nach oben – tut sie das wirklich?

Erschienen am 20.01.2022 im RP-Energie-Blog (als E-Mail-Newsletter erhältlich!)

Permanente Adresse: https://www.energie-lexikon.info/rp-energie-blog_2022_01_20.html

Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics AG

Inhalt: Der Artikel erklärt, inwiefern und warum Wärme nach oben steigt und welche Konsequenzen dies in einigen typischen Situationen hat.

Rüdiger Paschotta

Es gilt vielen als selbstverständlich, dass Wärme nach oben steigt, aber den meisten Leuten ist nicht klar, was genau das bedeutet und was man davon ableiten kann. Diese Fragen möchte ich hier klären, auch mit einigen Beispielen aus der Praxis. Dies kann als eine Art Übung in Schulphysik dienen, aber auch so praktisch bedeutsamen Erkenntnissen führen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Energieverbrauch für die Beheizung von Gebäuden.

Was genau steigt nach oben?

Zunächst einmal steigt warme Luft nach oben – genauer gesagt, Luft, die wärmer ist als die umgebende Luft. Beispielsweise gilt dies für Luft in einem Wohnraum, die an einem Heizkörper erwärmt wird. Dies hängt damit zusammen, dass bei einem gegebenen Druck die Dichte der Luft abnimmt, wenn die Temperatur steigt. Das ist freilich noch keine richtige Erklärung:

Man sollte sich zunächst einmal überlegen, warum in einem Raum mit gleichmäßiger Temperatur ein bestimmtes gedachtes Luftvolumen (z. B. ein würfelförmiger Liter Luft irgendwo mitten im Raum) trotz der Schwerkraft nicht einfach zu Boden fällt. Dies kann man erklären durch den Auftrieb, den die umgebende Luft erzeugt, und zwar so: Es stellt sich ein Gleichgewicht ein, bei dem der Luftdruck nach unten allmählich zunimmt, sodass der Druck auf die Unterseite des gedachten Luftvolumens ein wenig größer ist als der auf der Oberseite. Dies bewirkt nämlich, dass die nach oben wirkende Kraft vom Druck auf der Unterseite ein wenig größer ist als die nach unten drückende Kraft von oben. Die Differenz dieser Kräfte gleicht (jedenfalls im Gleichgewichtszustand) die Gewichtskraft des Luftvolumens genau aus.

Wenn nun das gedachte Luftvolumen irgendwie erwärmt würde, würde bei konstantem Druck ihr Volumen etwas zunehmen, womit der Auftrieb zunimmt und danach ein wenig größer ist als die (unveränderte) Gewichtskraft. Es bleibt also netto eine nach oben gerichtete Kraft, die das Luftvolumen tatsächlich nach oben steigen lässt.

Dies führt übrigens auch zu einer Reduktion der gesamten potenziellen Energie: Wenn die dünnere warme Luft oben ist und die dichtere kältere Luft unten, sind die Luftmoleküle im Schnitt weiter unten und haben weniger potenzielle Energie. Die verloren gegangene potenzielle Energie wird übrigens durch Reibung in zusätzliche Wärme verwandelt, die allerdings zu einer nur ganz minimalen Erwärmung führt.

Wenn nun erwärmte Luft nach oben steigt, nimmt sie die enthaltene Wärme natürlich mit sich, und dies bedeutet dann effektiv, dass auch Wärme selbst nach oben steigt. In diesem Sinne stimmt es also, dass Wärme nach oben steigt – genauer gesagt wärmere Luft, und die trägt dann eben effektiv auch Wärme mit sich nach oben.

Ist das immer so?

Der oben erklärte Mechanismus wirkt in vielen Situationen so – nicht nur mit Luft, sondern auch mit anderen Gasen, und in der Regel auch mit Flüssigkeiten. Allerdings gibt es durchaus auch Ausnahmen – eine besonders prominente im Zusammenhang mit Wasser:

Wasser hat etliche physikalische Anomalien, und insbesondere eine betreffend seine Dichte (z. B. bei Normaldruck): Diese ist maximal nicht etwa bei 0 °C, also kurz vor dem Einfrieren, sondern bei ca. 4 °C. Dies hat zur Folge, dass zwar beispielsweise 30 °C warmes Wasser, welches von 20 °C warmem Wasser umgeben ist, nach oben steigt – dass aber 4 °C kaltes Wasser in einem Teich mit 2 °C rundherum absinkt, da es eben die höhere Dichte hat. Das hat auch für die Natur sehr wichtige Konsequenzen; beispielsweise kann ein Teich im Winter oben zufrieren, während man am Grund häufig noch eine Temperatur von rund 4 °C vorfindet. Hier steigt also Wärme keineswegs mehr nach oben.

Würde man das Wasser am Grund beispielsweise mit einer Wärmepumpe abkühlen, so würde das abgekühlte Wasser nach oben strömen und durch weniger kaltes ersetzt. Wenn man dagegen die Abkühlung an der Oberfläche vornehmen würde, würde das Wasser dort bald einfrieren, während das Wasser am Grund kaum abgekühlt würde.

Eine weitere Anomalie ist, dass die Dichte des Eises nochmals deutlich geringer ist als die des kalten Wassers. Die meisten anderen Stoffe sind dagegen im erstarrten Zustand dichter, weswegen erstarrtes Material in der Flüssigkeit nach unten sinken und nicht etwa wie Wassereis eine Schicht an der Oberfläche bilden würde.

Bei festen Stoffen ist ein Wärmetransport durch Materialtransport selbstredend nicht möglich. Dort gibt es nur das Phänomen der Wärmeleitung, und diese schert sich nicht um die Schwerkraft, d. h. sie funktioniert nach oben oder unten prinzipiell gleich gut.

Bei Gasen und Flüssigkeiten gibt es natürlich auch noch die Wärmeleitung, aber die bewirkt oft wesentlich weniger Wärmetransport als die Bewegung der Materie, insbesondere auch weniger als eine Konvektion, die von Temperaturunterschieden angetrieben wird.

Wärmedämmmaterialien beruhen in aller Regel darauf, dass man die sehr geringe Wärmeleitfähigkeit von Luft nutzt und gleichzeitig deren Bewegung mit feinen Strukturen weitestgehend unterbindet. Wenn die Luft höchstens noch innerhalb winziger Poren zirkulieren kann, hat man effektiv kein Aufsteigen von Wärme mehr.

Wärmeströme im Haus

Manche meinen, Wärmeverluste durch das Dach seien besonders hoch und die über den Keller eher gering, weil die Wärme ja nach oben steigt. Darin steckt etwas Wahrheit, aber nicht viel. In einem mit Heizkörpern erwärmten Raum ist die Luft unter der Decke schon eher etwas wärmer als die am Boden, was tendenziell zu etwas höheren Wärmeverlusten nach oben führt. Meistens sind die Temperaturunterschiede zwischen unten und oben aber nicht allzu hoch, da die Heizkörper eine Konvektion der Luft im ganzen Raum bewirken: Die erwärmte Luft steigt an den Heizkörpern auf zur Decke, wird aber an der gegenüberliegenden Wand auch wieder nach unten geschickt. Noch geringer sind die Temperaturunterschiede mit einer Fußbodenheizung, wo die Leistungsdichte der Wärmezufuhr ziemlich gering ist. Die Wärmeverluste nach unten sind eher größer, wenn es unter der Fußbodenheizung keine allzu effektive Wärmedämmung gibt.

Was aber jedenfalls nicht gut funktionieren kann, ist die effektive Beheizung des unteren Teils in einem besonders hohen Raum mit Heizkörpern, vor allem wenn die Decke nicht gut wärmegedämmt ist. Dann schickt man nämlich nur viel Wärme nach oben, wo sie verloren geht. Mit einer guten Wärmedämmung kann man allerdings diese Verluste minimieren, und wenn dann die aufsteigende Warmluft effektiv die Decke erwärmt, gibt diese wiederum Wärmestrahlung (Infrarotstrahlung) ab, die auch unten wieder zu einer spürbaren Erwärmung führt. In anderen Fällen installiert man gleich eine Deckenheizung, die keine Konvektion der Luft antreibt und die Personen und Gegenstände darunter nur durch Wärmestrahlung erwärmt. Auch das funktioniert recht gut.

Insgesamt gibt es also drei Mechanismen des Wärmetransports zu unterscheiden und beachten:

  • den Transport durch Konvektion erwärmter Luft, vorzugsweise nach oben
  • den Transport durch Wärmeleitung (sehr schwach z. B. in Luft, aber wichtig z. B. in Heizkörpern)
  • den Transport durch Wärmestrahlung

Alle drei sind im beheizten Raum von wesentlicher Bedeutung, und nur beim erstgenannten Mechanismus spielt oben und unten (das natürliche Aufsteigen von Wärme) eine Rolle.

Schornsteine

Das Prinzip des Schornsteins beruht auch auf dem Aufsteigen erwärmter Gase. So können warme Abgase z. B. von einem Kachelofen ohne Ventilator aus dem Haus geführt werden, und die für die Verbrennung notwendige Frischluft wird angesaugt (z. B. über Undichtigkeiten der Fassade). Leider führt dies unweigerlich zu wesentlichen Abgasverlusten, da die Konvektion nur dann ausreichend funktioniert, wenn die Abgase relativ heiß ausgestoßen werden. Die daraus resultierenden Energieverluste sind weit höher, als es der Energieaufwand für einen Ventilator wäre. Weitestgehend vermeiden lassen sich diese, wenn man (wie typischerweise bei einem Brennwertkessel) das Abgas viel stärker abkühlt und dann eben nicht durch natürliche Konvektion, sondern mit einem (nur wenig Strom benötigenden) Ventilator durch eine Abgasleitung nach außen befördert.

Bei einem nicht mehr genutzten Schornstein, v. a. bei großem Innendurchmesser, führt die Konvektion zu einem dauernden Wärmeverlust im Winter: Luft erwärmt sich am Mauerwerk, steigt dann nach oben und wird durch kalte Außenluft ersetzt. Man sollte einen solchen Schornstein deswegen (und auch wegen möglicher Probleme mit Feuchtigkeit mangels Trocknung durch heiße Abgase) ordentlich außer Betrieb setzen, u. U. auch ganz entfernen.

Kühltürme

Großkraftwerke entsorgen üblicherweise sehr große Mengen von Abwärme wie die Atmosphäre mithilfe von Kühltürmen. Auch hier nutzt man den Effekt, dass die im Kühlturm erwärmte Luft natürlicherweise nach oben entweicht (schon ohne die Verwendung von Ventilatoren), sodass ständig kühlere Luft unten nachströmt. Allerdings gibt es hierzu noch mehr zu sagen:

  • Die meisten Kühltürme sind Nasskühltürme, in denen große Mengen von Wasser verdampft werden. Man nutzt auch den Umstand, dass die Verdunstung große Mengen von Verdampfungswärme verbraucht, also die Temperatur niedriger hält, was die Kühlung wesentlich effektiver macht.
  • Die entstehenden Dampffahnen können recht weit aufsteigen, was meistens deutlich günstiger sein dürfte als die Bildung großer Mengen von bodennahem Nebel. Hilfreich ist hierbei der Effekt, dass die Abkühlung der Luft beim Aufsteigen erheblich dadurch reduziert wird, dass mehr und mehr vom enthaltenen Wasserdampf kondensiert. Dies erhält den Auftrieb länger aufrecht, erlaubt also ein deutlich höheres Aufsteigen.
  • Es gibt auch kompakte Trockenkühltürme, bei denen man große Ventilatoren einsetzt, um mit einer deutlich geringeren Bauhöhe auszukommen.

Wärme am Meer, Kälte in den Bergen

Ziemlich irritieren könnte einen die Erfahrung, dass man in tiefen Lagen (etwa am Meer) meist viel höhere Lufttemperaturen vorfindet als in hohen Lagen (in den Bergen). Sollte man nicht eigentlich das Umgekehrte erwarten, wenn Wärme doch nach oben steigt?

Nun, dies liegt hauptsächlich an einem weiteren wichtigen Effekt. Der Luftdruck nimmt mit zunehmender Höhe ab, weil dort immer weniger andere Luft darüber lastet. Diese Druckabnahme nach oben hin hat aber nicht nur den Auftrieb zur Folge, sondern auch eine Abkühlung, was sich wie folgt verstehen lässt:

Betrachten wir wieder ein gedachtes Luftvolumen von z. B. einem Liter, welches beispielsweise durch einen Wind nach oben geschoben wird, beispielsweise einem Berghang entlang. Wegen des abnehmenden Luftdrucks wird es sich ausdehnen. Dabei leistet es Arbeit am Rest der Atmosphäre, ähnlich wie in einem Verbrennungsmotor das sich ausdehnende Gas Arbeit am Kolben leistet. Die geleistete Arbeit geht ab von der sogenannten inneren Energie, und dies wiederum führt zu einer Reduktion der Temperatur. Mikroskopisch gesehen ist dies eine Reduktion der mittleren Bewegungsenergie der Gasmoleküle.

Wenn also beispielsweise zunächst eine Luftmenge am sonnenbeschienenen Boden erwärmt, dann aber durch einen Wind einen Berghang hochgeschoben wird, wird sie wegen des abnehmenden Luftdrucks abgekühlt werden – selbst wenn sie mit dem kalten Berg gar nicht in Berührung kommt und auch mit der umgebenden Luft kaum Wärme austauscht. (Man erinnere sich, dass die Wärmeleitfähigkeit der Luft ja sehr gering ist.) Umgekehrt wird Luft, die durch einen Wind vom Berg ins Tal getrieben wird, durch den zunehmenden Luftdruck komprimiert und dabei erwärmt. Deswegen findet man natürlicherweise in großer Höhe geringere Lufttemperaturen vor als in niedrigen Lagen. Dass erwärmte Luft natürlicherweise aufsteigt, kann dies nicht ändern.

Manchmal nimmt aber ausnahmsweise doch die Temperatur nach oben zu; da das nicht die "normale" Situation ist, spricht man von einer Inversionswetterlage – also einer mit umgekehrter Temperaturschichtung, die dann besonders stabil ist. Dies reduziert übrigens den Luftaustausch, also auch den Abtransport von bodennah emittierten Abgasen, sodass Probleme mit Luftschadstoffen zunehmen.

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