Heizen in der Schweiz
Erschienen am 16.05.2022 im RP-Energie-Blog (als E-Mail-Newsletter erhältlich!)
Permanente Adresse: https://www.energie-lexikon.info/rp-energie-blog_2022_05_16.html
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics AG
Inhalt: Die Randbedingungen für die Beheizung von Gebäuden sind in der Schweiz vielfach etwas anders als beispielsweise in Deutschland. Während die Preissensitivität bei den fossilen Energieträgern geringer ist, ist die Bereitschaft, beispielsweise in langlebige Wärmepumpensysteme zu investieren, deutlich höher. Direkte Fördergelder vom Staat fließen relativ spärlich, jedoch gibt es für Gutverdiener interessante steuerliche Anreize für energetische Sanierungen.
Man mag erwarten, dass die für die Beheizung von Gebäuden in der Schweiz relevanten Aspekte mehr oder weniger dieselben sind wie beispielsweise in Deutschland, nachdem die klimatischen Verhältnisse sehr ähnlich sind und dieselben technischen Lösungen zur Verfügung stehen. Jedoch zeigt sich, dass es doch wesentliche Unterschiede gibt. Wegen unseres Umzugs in die Schweiz im Februar 2022 sehe ich dies nun noch deutlicher als zuvor. Eine Diskussion diverser Aspekte sollte nicht nur für Schweizer interessant sein, sondern auch für diejenigen, die aus Deutschland und Österreich darauf blicken, was in der Schweiz anders läuft – teils auch besser.
Die Gebäude
Das hohe Wohlstandsniveau in der Schweiz zeigt sich auch darin, dass die technische Qualität von Gebäuden und Haustechnik im Mittel ziemlich hoch ist. Dies trifft aber leider häufig auf die energetische Qualität nicht zu. Es gibt hier noch eine große Anzahl von älteren Gebäuden, die einen sehr hohen Wärmebedarf aufweisen.
Dass bei wohlhabenden schweizerischen Hausbesitzern mehr Geld als beispielsweise in Deutschland für energetische Gebäudesanierungen verfügbar ist, wird leider teils dadurch ausgeglichen, dass die Kosten sehr hoch liegen. Diese Problematik ist besonders schwerwiegend bei arbeitsintensiven Dingen wie Wärmedämmung, tendenziell dagegen etwas weniger, wo der Kostenanteil der eingekauften Technik höher ist, beispielsweise bei Wärmepumpen. Auf der anderen Seite ist Energie vergleichsweise billig, sodass der Druck von dieser Seite relativ gering ist.
Ein Resultat hiervon ist, dass ähnlich wie in Deutschland ein großer Teil des Altbaubestands einen problematisch hohen Heizwärmebedarf aufweist und die Sanierungsrate bedenklich niedrig ist. Eine deutliche Beschleunigung ist dringend nötig, aber konkrete Planungen sind genauso wie in Deutschland noch wenig weit fortgeschritten.
Energiepreise
Heizöl und Erdgas kaufen die Schweizer von denselben internationalen Märkten wie etwa die Deutschen, und die zusätzliche Belastung durch die Mineralölsteuer ist relativ gering. Dies mindert natürlich die Anreize für alle Arten von Energiesparbemühungen. Die absehbare Verfehlung von Klimazielen sollte allerdings die schweizerische Politik dazu zwingen, bisherige Widerstände demnächst zu überwinden und die steuerlichen Anreize zu erhöhen.
Auf der anderen Seite ist auch die elektrische Energie relativ kostengünstig, was die Einführung von Wärmepumpenheizungen deutlich erleichtert hat. Zwar ist nicht klar, in wieweit angesichts des stetig zunehmenden Defizits an Winterstrom in der Schweiz auch hier die Preise anziehen müssen. Jedoch ist zu vermuten, dass dieser Preisanstieg im Vergleich zu dem bei Heizöl und Erdgas sehr moderat bleiben wird. Zudem nutzen moderne Wärmepumpenheizungen den Strom sehr effizient, sodass eine geringe finanzielle Verwundbarkeit durch Strompreiserhöhungen besteht.
In Deutschland wurde dagegen der Strom bislang ziemlich stark mit staatlichen Abgaben belegt, was zusammen mit der meist größeren Knappheit von Investitionsmitteln die Einführung von Wärmepumpenheizungen maßgeblich behindert hat. Dieses Problem wird aber mittlerweile angegangen, etwa mit Abschaffung der EEG-Umlage. Es wurde erkannt, dass der notwendige Trend einer weiteren Elektrifizierung nicht behindert werden sollte. Finanzielle Anreize gegen Stromverschwendung bleiben zwar auch wichtig; jedoch sollte dieser Aspekt nicht zu stark gewichtet werden.
Förderung von Energiespar-Investitionen
Das Angebot staatlicher Fördergelder bei der energetischen Sanierung ist von Kanton zu Kanton unterschiedlich, und zusätzlich hängt die Situation von der jeweiligen Gemeinde ab, da es auch auf dieser Ebene teils eine Förderung gibt, beispielsweise für den Ersatz von Öl- und Gasheizungen durch klimafreundlichere Systeme.
Insgesamt gesehen ist diese Art der staatlichen Förderung gerade angesichts der hohen Kosten oft eher bescheiden. Jedoch gibt es noch eine andere Art der Förderung, die sehr wirksam sein kann. Generell gibt es in der Schweiz die Besteuerung des Eigenmietwerts, der aber die Möglichkeit der steuerlichen Absetzung von sogenannten werterhaltenden (also nicht wertvermehrenden) Investitionen gegenübersteht. Bei energetischen Investitionen wird das Attribut "werterhaltend" großzügig vergeben, weil solche Investitionen ja erwünscht sind. Dies ist nun zumindest für Gutverdiener eine sehr attraktive Möglichkeit: Wer einen entsprechend hohen Grenzsteuersatz hat, kann bei solchen Investitionen unter Umständen ein Drittel der Kosten allein über die Steuern zurückholen – zusätzlich zu einem Abschlag durch direkte staatliche Fördergelder. Leider sind diese Anreize für Hausbesitzer mit geringem Einkommen (etwa Rentner) erheblich geringer, was an sich keinen Sinn macht.
Falls in den nächsten Jahren die Besteuerung des Eigenmietwerts abgeschafft wird (was derzeit noch nicht klar ist), würde die genannte steuerliche Förderung energetischer Sanierungen damit wohl zunächst einmal entfallen – wobei die Politik dann vermutlich aber einen Ausgleich dafür schaffen wird, um die ohnehin schon viel zu niedrige Sanierungsrate nicht noch weiter zu reduzieren. Da auch dies aber nicht sicher ist, sollte man als Hausbesitzer sicherlich an die Gefahr denken, dass eine allzu sehr auf die lange Bank geschobene Sanierung am Ende womöglich keine Steuervorteile mehr ergeben wird. Selbst wenn man es nach einer konkreten Ankündigung politischer Beschlüsse noch rechtzeitig schafft, wird die erhöhte Nachfrage die Preise dann in die Höhe treiben.
Auch in Deutschland dürften mehr und mehr Hausbesitzer allmählich erkennen, dass es nicht klug war, die langfristig ohnehin unvermeidbare umfangreiche energetische Sanierung jahrelang nicht angepackt zu haben. Die Kosten dafür werden immer höher, und natürlich hat man auch den Nutzen dann erst entsprechend später. Selbst wenn die staatlichen Zuschüsse in den nächsten Jahren noch weiter verbessert werden, wird dies womöglich nicht einmal den Anstieg der Kosten ausgleichen können.
Weit verbreitete Wärmepumpen
Wärmepumpenheizungen sind in der Schweiz schon längst sehr verbreitet. Dies liegt wie bereits erwähnt teilweise einen relativ niedrigen Strompreisen, aber auch daran, dass das hohe Kostenniveau der Schweiz sich auf Wärmepumpen weniger auswirkt als auf arbeitsintensive Dinge wie Wärmedämmung. Zudem setzt man in der Schweiz vermehrt auf langfristig sinnvolle Investitionen, verlangt also weniger häufig eine schnelle Amortisation. Bei Altbauten ist die Situation häufig so, dass die Umstellung auf eine Wärmepumpenheizung zwar gewiss nicht billig, aber durchaus machbar ist; angesichts der hohen Immobilienpreise und des hohen Wohlstandsniveaus werden auch erhebliche Investitionen akzeptiert, die schließlich auch den Wert der Immobilie steigern (selbst wenn sie steuerlich als lediglich werterhaltend angesehen werden).
Oft werden auch nicht die höheren Investitionskosten für eine effiziente und solide Lösung mit Erdwärmesonde (statt der billigeren Lösung mit Luft/Wasser-Wärmepumpe) gescheut. Könnte man etwa Zürich von unten betrachten, würde man einen riesigen Wald von Erdsonden erkennen. Insgesamt gab es gemäß energieschweiz (Statistik der geothermischen Nutzung in der Schweiz) in 2020 bereits Wärmepumpenheizungen mit einer thermischen Gesamtleistung von 2389,5 MW. Zigtausende solcher Heizungen werden pro Jahr hinzugebaut, und zwar mit einer stark steigenden Tendenz, wodurch die Unternehmen zunehmend an Kapazitätsgrenzen stoßen. Gut ein Viertel der Käufe betreffen derzeit Erdwärmesondensysteme; pro Jahr werden bereits Erdwärmesonden mit einer Gesamtlänge von deutlich über 3500 km verlegt.. Dies geht in manchen städtischen Gebieten schon so weit, dass die sinkende Temperatur im Untergrund beginnt, die Leistungszahlen der Wärmepumpen zu reduzieren. Es wird deswegen vermehrt auch daran gedacht, die Sonden durch Versenken überschüssiger Wärme im Sommer wieder zu regenerieren. Ohnehin steigt der Bedarf für sommerliche Klimatisierung, und es ist sinnvoll, diesen soweit irgend möglich mit Sondenregeneration zu sättigen. Eine andere Möglichkeit besteht in der zunehmenden Verwendung besonders tiefer Sonden, etwa mit einer Bohrtiefe von 400 m, um benachbarten kürzeren Sonden auf diese Weise auszuweichen.
Ökologische Stromerzeugung – aber mit Defizit an Winterstrom
Die Stromerzeugung in der Schweiz geschieht weitestgehend CO2-frei; die größten Beiträge kommen von der Wasserkraft und von der Kernenergie, während es beispielsweise keinerlei Kohlekraftwerke und auch keine großen Gaskraftwerke in der Schweiz gibt. Allerdings besteht die Problematik, dass der Anteil des Winterstroms zu gering ist, teilweise weil das Wasser in den kältesten Monaten als Schnee und Eis untätig auf den Bergen liegt und erst zur Schneeschmelze im Frühjahr wieder verfügbar wird.
Das Defizit an Winterstrom wird allmählich größer und zunehmend problematisch. Es erfordert steigende Stromimporte im Winter, die naturgemäß zu einem vermehrten Einsatz von Kohle- und Gaskraftwerken im Ausland (z. B. Deutschland) führen; diese sind natürlich stark CO2-behaftet. Selbst wer von seinem schweizerischen Stromversorger zugesichert bekommt, dass er zu 100 % mit Wasserkraftstrom versorgt wird, darf nicht davon ausgehen, dass sein Stromverbrauch nicht zu den klimaschädlichen CO2-Emissionen beiträgt: Der von ihm verbrauchte Wasserkraftstrom führt vermutlich zu einer zusätzlichen Erzeugung von Strom aus Kohle und Gas anderswo. Schließlich geht es meistens um Strom aus längst gebauten Wasserkraftwerken und nicht etwa um Strom aus zusätzlich gebauten Anlagen – für die es nur noch sehr begrenzte Potenziale gibt.
Insofern sind Wärmepumpenheizungen auch in der Schweiz in der Regel nicht wirklich klimaneutral – wenn auch sicherlich wesentlich weniger klimaschädlich als Gas- und Ölheizungen. Deswegen ist es ökologisch gesehen keineswegs egal, wie es um die Energieeffizienz von Wärmepumpenanlagen steht und wie hoch der Heizwärmeverbrauch der damit beheizten Gebäude ist. Leider wird dies häufig übersehen oder verdrängt.
Keineswegs soll damit gesagt sein, man solle besser beispielsweise mit Holzpellets oder Scheitholz heizen. Schließlich handelt es sich auch hier um begrenzte Ressourcen, die schon längst weitgehend ausgenutzt werden. Vielmehr sollte man auch in der Schweiz sorgfältig mit Strom umgehen, indem man durchaus Elektrowärmepumpe nutzt, aber eben möglichst energieeffiziente Modelle (mit Erdwärmesonde und Leistungsregelung) in Gebäuden mit möglichst geringem Wärmeverbrauch. Außerdem ist es natürlich notwendig, die immer noch bestehenden Elektroheizungen schnellstmöglich durch Wärmepumpen zu ersetzen, da diese ja nur einen Bruchteil des Stromverbrauchs aufweisen.
Abschaltung von Gasnetzen
Noch immer werden viele Häuser in der Schweiz mit Erdgas beheizt. Mancherorts wird aber bereits begonnen, die Erdgasnetze stillzulegen – insbesondere im Stadtgebiet von Zürich. Dort soll die Gasversorgung bis ca. 2040 beendet werden – in Zürich Nord sogar schon bis 2024. Etliche Gasnetze sind bereits abgeschaltet worden, weitere kommen in den nächsten Jahren dazu. Der Ersatz kann teilweise Nahwärme sein, z. B. aus der Abfallverbrennung, aber oft sind es weitere Wärmepumpen. Selbst in den Stadtgebieten, für die noch kein Abschalttermin festgesetzt wurde, wird den Bewohnern zunehmend klar, dass das Heizen mit Erdgas keine Zukunft mehr hat.
Erheblich zögerlicher ist die konservativ dominierte Regierung des Kantons Zürich, die in 2021 noch ein klares Bekenntnis zu den Gasnetzen abgegeben hat – welches freilich durch die aktuellen Entwicklungen zunehmend unter Druck kommen wird. Die Abhängigkeit vom Ausland, besonders noch in einem speziellen Fall wie Russland, verträgt sich nicht gut mit dem schweizerischen Willen zur Unabhängigkeit und Eigenständigkeit.
Fazit
Trotz teilweise sehr ähnlicher Ausgangsbedingungen gibt es im Bereich der Heizungsanlagen wesentliche Unterschiede zwischen der Schweiz und Deutschland. Ins Auge fällt besonders die große Bedeutung von Wärmepumpen, deren Marktdurchdringung teils durch niedrige Strompreise, teils aber auch andere Effekte gefördert wurde, während diese Entwicklung in Deutschland erst stark verzögert kommt.
Tendenziell wird dagegen in der Schweiz weniger auf nachträglich verbesserte Wärmedämmung gesetzt, weil die Wärmepumpen-Strategie unter den gegebenen Verhältnissen oft deutlich kostengünstiger ist. Dies gilt zunächst für die Investitionskosten; die Kosten der Wärmeerzeugung werden durch die Kombination effizienter Technik (oft mit Erdwärmesonden und Fußbodenheizung) mit relativ günstigen Strompreisen so niedrig, dass eine Amortisation der teuren nachträglichen Wärmedämmung sehr schwierig wird. Allerdings gibt es auch hier mit Altbauten häufig das Problem, dass eine effiziente Wärmeerzeugung mit Wärmepumpen erst nach einer energetischen Sanierung möglich ist, weil die für die Heizkörper nötige Vorlauftemperatur sonst zu hoch wäre.
Gemeinsam haben beide Länder das Problem des großen Altbaubestands, welcher mit einer bislang viel zu niedrigen Rate saniert wird. Um die essenziell wichtigen Klimaziele zu erreichen, wird hier noch viel zu tun sein. Vielleicht werden hier die Schweizer einmal die Nase vorn haben, wenn sie sich einmal zum entschiedenen Handeln durchringen; schließlich haben sie die stärkeren finanziellen Ressourcen. Und der dort mangelnde Ausbau der Photovoltaik hat immerhin den Vorteil, dass die Notwendigkeit des Handelns nicht durch das Zeigen auf nicht vorhandene Photovoltaikanlagen (die das wichtigere Heizungsproblem ohnehin nicht lösen würden) bestritten werden kann. Hinderlich sind andererseits die geringere Preissensitivität bei den fossilen Energieträgern und die verbreitete abwartende Grundhaltung.
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