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Strommarktdaten von der Bundesnetzagentur

Erschienen am 02.10.2022 im RP-Energie-Blog (als E-Mail-Newsletter erhältlich!)

Permanente Adresse: https://www.energie-lexikon.info/rp-energie-blog_2022_10_02.html

Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics AG

Inhalt: Die Bundesnetzagentur bietet auf ihre Portal SMARD.de eine Vielzahl interessanter Daten zum Strommarkt, etwa zur Erzeugung aus verschiedenen Quellen, dem Verbrauch und den Großhandelspreisen. Dies in schön aufbereiteter Form und frei verwendbar.

Rüdiger Paschotta

Für viele Überlegungen in der Energiepolitik sind solide Daten über den Strommarkt von großer Bedeutung – oder sollten es jedenfalls sein. Aber auch einfach bei der Entwicklung eines grundlegenden Verständnisses diverser Zusammenhänge sind Strommarktdaten sehr nützlich. Es ist deswegen erfreulich, dass die Bundesnetzagentur in dem von ihr betriebenen Web-Portal namens SMARD.de eine Vielzahl solcher Daten in hoher Qualität und sehr schön aufbereiteter Form zur Verfügung stellt.

Die Regeln für die Datennutzung sind übrigens großzügig: Man kann die Daten in numerischer oder grafischer Form herunterladen und frei verwenden, wobei lediglich die Quelle angegeben werden muss.

Praktisch ist es, die Marktdaten für die letzten Tage schön visualisiert zu bekommen – etwa betreffend die realisierte und/oder prognostizierte Stromerzeugung, die in den Diagrammen farblich unterschieden wird zwischen den verschiedenen Arten von Primärenergieträgern. Hier ein aktuelles Beispiel für die realisierte Erzeugung und den inländischen Stromverbrauch in den letzten Tagen:

Stromerzeugung und -verbrauch in Deutschland
Abbildung 1: Stromerzeugung und -verbrauch in Deutschland (stündlich aufgelöst) vom 22.09. bis 02.10.2022, sowie Stromverbrauch (rote Kurve) in dieser Zeit. Quelle: Bundesnetzagentur | SMARD.de

Man kann dieser Grafik schon ziemlich viel entnehmen, beispielsweise die folgenden Details:

  • Die insgesamt benötigte elektrische Leistung liegt in der Größenordnung von 50 bis 60 GW. (Die vertikale Achse zeigt Megawattstunden, bezogen auf die hier gewählte zeitliche Auflösung von einer Stunde, also effektiv Megawatt. Das ändert sich, wenn Sie eine viertelstündliche Auflösung einstellen!) Die Erzeugung folgt den Schwankungen des Verbrauchs in etwa – mit gewissen Abweichungen, die hauptsächlich durch Import oder Export ausgeglichen werden.
  • Im Folgenden beschreibe ich kurz die verschiedenfarbig illustrierten Beiträge der Erzeugung von unten nach oben. Wir beginnen mit den erneuerbaren Energien:
  • Die Erzeugung aus Biomasse (z. B. Biogas) ist der grüne, ziemlich konstante Sockel. Das wäre ein Paradebeispiel für Grundlast.
  • Im Prinzip wäre es nützlich, diese Erzeugung den Verbrauchsschwankungen anpassen zu können, aber dafür müssten beispielsweise Biogasanlagen mit Gasspeichern und stärkeren Stromerzeugungsaggregaten ausgerüstet werden.
  • Die Wasserkraft (hellgrau) liefert in Deutschland ebenfalls einen Grundlast-Sockel, weil das hauptsächlich Laufwasserkraftwerke sind und nicht etwa Wasser-Speicherkraftwerke. (In der Schweiz sähe das etwas anders aus.)
  • Wesentliche aber stark schwankende Beiträge (mit starken Effektn von Tiefausläufern) bringt die Windkraft, aufgeteilt nach Offshore (auf dem Meer, helleres Blau) und Onshore (an Land, dunkleres Blau). Seit Anfang Oktober sind es insgesamt mehrere Dutzend Gigawatt, entsprechend der Leistung von Dutzenden von Kernkraftwerken.
  • Leider bietet das Portal nicht die Daten auch noch für die anderen europäischen Länder – um beispielsweise prüfen zu können, inwieweit die Nicht-Gleichzeitigkeit der Windkraft-Erzeugung zu einer Verstetigung führt.
  • Die gelben Spitzen zeigen die Erzeugung mit Photovoltaik, die jeweils am Mittag maximal wird und nachts natürlich entfällt. An wetterbedingt guten Sonnentagen hat man bereits deutlich mehr zusätzliche Erzeugung, als den Schwankungen des Verbrauchs zwischen Tag und Nacht entspricht – an nicht so tollen Tagen etwas weniger. Soweit passen diese Schwankung der Erzeugung eigentlich recht ordentlich zum Verbrauch. Bei einer massiven Ausweitung der Photovoltaikkapazitäten wird aber ein entsprechender Ausbau von Energiespeichern immer nötiger.
  • Sonstige Erneuerbare wären in grün sichtbar, sind aber ganz marginal.
  • Nun kommen die nicht erneuerbaren Energien. Zunächst die Kernenergie in einem rötlichen Braun mit einem wiederum etwa konstanten Beitrag (Grundlast). Wegen des nahenden Atomausstiegs ist es nicht mehr viel.
  • Wesentliche Beiträge kommen dann von Kohlekraftwerken: hellbraun die Braunkohle, schwarz die Steinkohle. Vor allem die Erzeugung der Steinkohle geht stark zurück in Zeiten mit hohem Angebot von Windstrom. Bei der Braunkohle ist dieser Effekt schwächer, weil diese Kraftwerke schlecht regelbar sind; dies trägt dann zu Exportüberschüssen bei.
  • Der Beitrag der Gaskraftwerke (hellgrau) beträgt zu manchen Zeiten etliche Gigawatt, in Zeiten mit gutem Windstromangebot aber viel weniger. Man beachte, dass Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung in Zeiten ausreichenden Stromangebots nicht einfach abgeschaltet werden können, wenn deren Wärmeerzeugung benötigt wird. Sie laufen deswegen u. U. auch dann, wenn die Stromerzeugung völlig unrentabel ist. Immerhin können sie mit Beiträgen für die Netzstabilisierung (Frequenzregelung) noch ein wenig verdienen.
  • Dunkelgrau sieht man die Spitzenlast-Erzeugung der Pumpspeicherkraftwerke. Interessanterweise ist diese wegen der Photovoltaik nicht mehr um die Mittagszeit am größten, sondern in den frühen Abendstunden – wenn die Sonne kaum etwas bringt, der Stromverbrauch aber die typische Schulter zeigt, vor allem wegen des Kochens der Abendessen. (Es wäre nett, wenn Sie wenigstens die Geschirrspülmaschine erst am späten Abend anschalten würden…)
  • Der letzte Sektor namens "Sonstige Konventionelle" in etwas hellerem grau ist wenig bedeutend.

Interessant ist außerdem eine Grafik, die auch die Entwicklung des Großhandels-Strompreises als braune stufige Kurve zeigt:

Stromerzeugung und Strompreis in Deutschland
Abbildung 2: Stromerzeugung und Großhandels-Strompreis in Deutschland (stündlich aufgelöst) vom 22.09. bis 02.10.2022. Quelle: Bundesnetzagentur | SMARD.de

Auch hieraus kann man einiges lernen:

  • Häufig schwanken diese Preise zwischen 300 und 600 €/MWh, entsprechend 30 bis 60 Cent pro Kilowattstunde. Man vergleiche dies mit dem bisherigen Kleinverbraucherpreis von rund 30 ct/kWh: Das wird bei diesen Großhandelspreisen auf Dauer nicht annähernd so bleiben können. Industriekunden müssen schon jetzt massiv mehr zahlen – oft sogar viel mehr als Kleinverbraucher! Für die ist das jetzt ein großes Problem.
  • Allerdings sinken die Preise radikal in Zeiten, wo das Windstromangebot hoch ist. Natürlich hat auch die Photovoltaik-Erzeugung einen großen Einfluss: die höchsten Preise entstehen nie um die Mittagszeit, selbst an nicht so sonnenreichen Tagen, sondern davor oder danach, und insbesondere am frühen Abend. Somit hat die Photovoltaik zwar wenig Einfluss auf die maximalen Preise, jedoch einen sehr erheblichen Einfluss auf den durchschnittlichen Preis, der letztendlich auch relevanter ist.
  • Man sieht ebenfalls an der Größe der Schwankungen des Preises, dass es im Prinzip schon sehr wünschenswert wäre, mithilfe von Solarstromspeichern mehr von der solaren Erzeugung von der Mittagszeit in die frühen Abende verschieben zu können. Allerdings sollte man beachten, dass ein solcher Speicher pro Tag beispielsweise nur maximal 5 kWh auf diese Weise verschieben kann, was bei den gegebenen Schwankungen des Strompreises nur rund einen Euro wert wäre. Bis auf diese Weise die hohen Installationskosten amortisiert sind, kann viel Zeit vergehen, falls es überhaupt gelingt; ich bin da skeptisch.
  • Ganz rechts sieht man den Strompreis für die nahe Zukunft, wie er bereits durch den Day-Ahead-Handel festgelegt ist – bevor die realisierte Erzeugung schon bekannt ist. Diese lässt sich aber ziemlich gut abschätzen und ggf. mit etwas Regelenergie ergänzen.

Was die Grafik nicht zeigt, aber als Hintergrundinformation sehr wichtig ist: Die aktuell oft sehr hohen Preise haben längst nicht so viel mit dem aktuellen Konflikt mit Russland zu tun, wie viele denken. Zum größten Teil sind sie Folge davon, dass die französischen Atomkraftwerke über der Hälfte aus diversen Gründen nicht einsatzbereit sind – teils wegen erkannten schwerwiegenden Sicherheitsproblemen, die erst mal gelöst werden müssen. Eine spannende Frage wird sein, inwieweit es den Franzosen gelingen wird, diese Probleme bis zum Winter zu lösen.

Was man übrigen solchen Grafiken auch nicht entnehmen kann, ist die Häufigkeit und damit die Wichtigkeit bestimmter Konstellationen mit Engpässen, Überschüssen u. ä. Von daher sollte man keine vorschnellen Schlüsse ziehen. Auch wenn es allzu praktisch ist, dass jeder gerade die Zeitreihe präsentieren kann, die seine Thesen am besten stützen…

Erläuterungen zum Strommarkt

Auf der Seite "Erläuterungen zum Strommarkt" bietet SMARD.de ein paar Texte über diverse Aspekte, beispielsweise die nötige Ausgleichsenergie, Brutto- und Nettowerte, den grenzüberschreitenden Stromhandel usw. Diese sind auch für Laien einigermaßen verständlich formuliert und enthalten auch für Fortgeschrittene hier und da noch ein paar interessante Details. Um richtig in das Thema einzusteigen, brauch man aber eine umfassendere Darstellung. Wer mehr über den Strommarkt verstehen möchte, kann etwa gerne meinen Artikel darüber verwenden, sowie diverse andere Artikel über spezielle Aspekte wie die Frequenzregelung, Ausgleichsenergie, Regelenergie und Versorgungssicherheit.

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