Rundsteuertechnik
Definition: Technik zur Fernsteuerung von Stromverbrauchern und Mehrtarif-Stromzählern durch die Energieversorgungsunternehmen
Englisch: ripple control
Kategorien: elektrische Energie, Haustechnik
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Ursprüngliche Erstellung: 30.11.2012; letzte Änderung: 20.08.2023
URL: https://www.energie-lexikon.info/rundsteuertechnik.html
Die Rundsteuertechnik umfasst technische Einrichtungen, mit denen die Energieversorgungsunternehmen (EVU) Signale zu den Verbrauchern senden können. Der Zweck solcher Signale ist es meistens,
- im Rahmen des Lastmanagements gewisse "unterbrechbare Verbrauchseinrichtungen" (z. B. Elektrospeicherheizungen, Elektrowärmepumpen und die Straßenbeleuchtung) oder zuschaltbare Lasten an- und abzuschalten,
- die Mehrtarif-Stromzähler auf den jeweils gültigen Stromtarif (z. B. Hochtarif oder Niedertarif) einzustellen,
- die Einspeisung von Stromerzeugern (z. B. Windenergieanlagen) abzuregeln, wenn sonst durch einen Überschuss ein Einspeisung das Stromnetz instabil würde, oder
- die Erzeugung von Blindleistung zwecks Spannungshaltung fernzusteuern.
Die Informationsübertragung erfolgt nur vom EVU zu den Verbrauchern, nicht umgekehrt. Es ist damit also für die EVU nicht möglich, z. B. die jeweiligen bezogenen Leistungen zu ermitteln. Außerdem werden normalerweise nicht einzelne Verbraucher angesprochen, sondern ganze Verbrauchergruppen. Die übertragenen Datenmengen sind deswegen ziemlich gering; es genügt ein Kommunikationskanal mit geringer Bandbreite weit unterhalb z. B. derer für typische Internet-Verbindungen.
Technische Grundlagen
Die Steuersignale werden über die Stromnetze als Folgen von Spannungsimpulsen (Impulstelegramm) übertragen, deren Frequenzen deutlich oberhalb der Netzfrequenz liegen – z. B. zwischen 110 Hz und 2000 Hz. (Weil diese Frequenzen hörbaren Tönen entsprechen, spricht man auch von Tonfrequenz-Rundsteuerung.) Die Amplitude solcher Signale beträgt nur wenige Prozent der Nennspannung, so dass die Verbraucher hierdurch nicht gestört werden. Die Signale werden an gewissen zentralen Punkten des Netzes über eine Art von Transformatorspulen in alle drei Außenleiter eingekoppelt. Es gibt verschiedene Signalformate gemäß dem Impulsintervallverfahren und dem Impulsabstandsverfahren, wobei diverse Parameter je nach Hersteller variieren.
Bei den Verbrauchern filtern Rundsteuerempfänger die Impulsfolgen aus der Netzspannung. Natürlich müssen sie immer auf das jeweils benutzte Datenformat eingestellt sein. Ein Mikroprozessor im Rundsteuerempfänger wertet die Signale aus und veranlasst die entsprechenden Reaktionen, beispielsweise das Schalten gewisser Verbraucher. Moderne Rundsteuerempfänger können auch "intelligent" auf Empfangsstörungen reagieren, beispielsweise die üblichen Tarifumschaltungen notfalls selbsttätig durchführen.
Es gibt auch das modernere Verfahren der Funk-Rundsteuerung, wo die Steuerbefehle per Langwellen-Funk anstatt über die Stromleitungen gesendet werden. Dies erlaubt gewisse Vereinfachungen in den Netzanlagen; die Durchgängigkeit für die Signale muss nicht mehr sichergestellt werden. Es werden redundante Langwellensender eingesetzt, und die Empfänger verfügen jeweils über eine einfache Antenne. Man erwartet, dass dieses Verfahren sich weiter durchsetzt.
Besonders wichtig bei der Rundsteuerung ist die Zuverlässigkeit der verwendeten Anlagen, weil sonst die Versorgungssicherheit beeinträchtigt wäre. Deswegen käme es z. B. kaum in Frage, Rundsteuersignale per Internet zu übertragen. Man bevorzugt eine Technik, die robust und möglichst wenig von anderen Einrichtungen abhängig ist – während wie erwähnt keine hohe Leistungsfähigkeit in punkto Datenrate nötig ist.
Lastmanagement
Die bislang am weiten verbreitetste Anwendung der Rundsteuertechnik ist das Lastmanagement:
- Elektrospeicherheizungen und Elektrowärmepumpen können für begrenzte Zeiten (z. B. für maximal dreimal zwei Stunden pro Tag) abgeschaltet werden – mit festen oder variablen Sperrzeiten.
- Bei ernsten Störungen kann durch einen selektiven Lastabwurf nicht essenzieller Verbraucher die Gefahr von Stromausfällen reduziert werden.
Als Gegenleistung für die Flexibilität solcher Verbraucher (d. h. die Bereitschaft, eine gelegentliche Abschaltung zu tolerieren) sind beispielsweise in Deutschland um bis zu 80 % reduzierte Netznutzungsentgelte möglich; die Grundlagen sind im Energiewirtschaftsgesetz geregelt, aber die Details hängen vom jeweiligen Verteilungsnetzbetreiber ab.
Andere Anwendungen der Rundsteuertechnik
Die Straßenbeleuchtung kann via Rundsteuerung zu den gewünschten Zeiten aktiviert werden. Sie wird dann also direkt vom EVU gesteuert und nicht vom städtischen Betreiber der Beleuchtung.
Ganze Anlagen können vom EVU auch abgeschaltet werden, wenn die Stromrechnungen über längere Zeit nicht bezahlt wurden.
Auch Kleinkraftwerke können mittels Rundsteuertechnik beeinflusst werden. Beispielsweise kann die von Windenergieanlagen und größeren Photovoltaikanlagen eingespeiste Leistung stufenweise reduziert werden, wenn sonst zu hohe Einspeisungen bei geringem Verbrauch erfolgen würden. Dies ergänzt den alternativen Ansatz, dass Einspeiser ihre Leistung selbsttätig reduzieren oder abstellen, wenn die Netzfrequenz zu hoch wird. Damit wäre nämlich z. B. eine lokale Überlastung eines Stromnetzes nicht erkennbar.
Auch die Erzeugung von Blindleistung kann durch Rundsteuerung reguliert werden. Dies ist ein wichtiges Instrument für Netzbetreiber, um die Spannungshaltung zu gewährleisten.
Grenzen der Rundsteuertechnik
Die Rundsteuertechnik wurde vor vielen Jahrzehnten entwickelt. Ihre Grenzen werden spürbar beispielsweise im Zusammenhang mit modernen Überlegungen für intelligente Stromnetze:
- Für die EVU wäre eine automatische Ablesung der Stromzähler interessant, die dann ggf. auch wesentlich öfter als bisher erfolgen könnte. Die Rundsteuertechnik ermöglicht jedoch keine Datenübertragung in dieser Richtung.
- Es könnte nützlich sein, auch viele kleine Verbraucher wie z. B. Waschmaschinen, Kühl- und Gefriergeräte in das Lastmanagement mit einzubeziehen. Diese Geräte könnten bevorzugt dann laufen, wenn die Netzauslastung eher niedrig ist; jedoch sollen sie nicht definitiv zu gewissen Zeiten abgeschaltet werden, sondern quasi nur Wünsche vom EVU empfangen. Hierfür ist aber die Rundsteuertechnik kaum geeignet.
- Es wäre notwendig, den für die Netzauslastung optimierten Einsatz von Kleinverbrauchern mit entsprechenden tariflichen Vorteilen zu vergüten, da sonst bei den Verbrauchern kein finanzieller Anreiz hierfür besteht. Nun wäre es aber kaum praktikabel, z. B. einzelne Geräte je nach genauen Umständen über unterschiedliche Stromzähler zu betreiben. Vielmehr würden zeitlich variable Stromtarife eingeführt, die dann jeweils z. B. für alle Geräte im gesamten Haushalt gelten. Hierfür gäbe es keine festen Tarifzeiten, sondern Tarife je nach momentaner Auslastung des Netzes. Zwar könnte die Rundsteuertechnik im Prinzip solche Tarifinformationen verteilen. Dann wären aber Rundsteuerempfänger nicht nur beim Stromzähler, sondern auch bei den einzelnen Geräten notwendig. Mit dem Aufbau einer solchen Infrastruktur zögert man aber, solange nicht klar ist, welcher technische Ansatz sich letztendlich durchsetzen wird.
Siehe auch: Lastmanagement, unterbrechbare Verbrauchseinrichtung, zuschaltbare Last, Stromzähler, Energieversorgungsunternehmen, intelligentes Stromnetz
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