Schieflast
Definition: eine asymmetrische Belastung der Phasen eines Drehstromnetzes
Englisch: unbalanced load
Kategorie: elektrische Energie
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Ursprüngliche Erstellung: 22.07.2020; letzte Änderung: 20.10.2024
Eine Schieflast in einem Drehstromnetz bedeutet eine asymmetrische (ungleiche) Strombelastung der verschiedenen Phasen (Außenleiter). Im Idealfall ohne jede Schieflast sind die Stromstärken und transportierten elektrischen Leistungen in allen Phasen identisch. Dies ist beispielsweise annähernd der Fall, wenn nur ein Drehstrommotor an das Netz angeschlossen wird, oder wenn jede Phase die gleiche Art und Anzahl von Verbrauchern (z. B. Elektroheizstäbe) versorgt.
Solange keine Schieflast besteht und außerdem keine Oberwellen in den Strömen auftreten, wird der Neutralleiter gar nicht mehr mit Strom belastet, da sich die Ströme in den drei Phasen in jedem Augenblick zu Null addieren. Dies ändert sich natürlich mit Schieflasten. Im einfachsten Fall fließt Strom nur über eine der Phasen, und dieser Strom muss dann natürlich in voller Höhe über den Neutralleiter zurückfließen.
In der Praxis treten häufig gewisse Schieflasten auf. Beispielsweise werden in Haushalten hauptsächlich einphasige Verbraucher verwendet. (Alle, die über eine normale Haushaltssteckdose versorgt werden, gehören dazu.) Zwar werden beispielsweise die Steckdosen in einem Haus in etwa gleichmäßig auf die verschiedenen Phasen verteilt, um möglichst Schieflasten von mehr als 20 A zu vermeiden. Jedoch ist es immer möglich, dass ein leistungsstarkes Gerät eine Phase stark belastet, während von den anderen erheblich niedrigere Leistungen bezogen werden. (Eine andere Möglichkeit wäre, dass eine Photovoltaikanlage mehrere Kilowatt über eine einzige Phase einspeist.) Deswegen ist die Schieflast bezogen auf einen einzelnen Haushalt häufig relativ gesehen ziemlich hoch. Jedoch mitteln sich solche Effekte durch die Vielzahl von Haushalten in einem Verteilungsnetz zum größten Teil aus; es ist nämlich unwahrscheinlich, dass eine Vielzahl von Haushalten immer dieselbe Phase stärker belastet als die anderen.
Weniger gut funktioniert die erwähnte Mittelung in Ländern, bei denen Haushalte nur mit jeweils einer Phase versorgt werden. Ungünstig ist es außerdem, wenn ein Netz nur relativ wenige, aber starke einphasige Verbraucher speist.
Auch durch einphasige Einspeisungen können Schieflasten entstehen. Deswegen wird beispielsweise für Photovoltaikanlagen (außer solchen mit sehr geringer Leistung) gefordert, dass der Wechselrichter dreiphasig einspeist, also die Leistung gleichmäßig auf alle drei Phasen verteilt.
Größere Schieflasten sind möglich bei Betrieb leistungsfähiger Verbraucher, die nur eine Phase nutzen können. Beispielsweise werden praktisch alle Elektrolokomotiven mit einphasigem Wechselstrom betrieben, da sonst das System der Oberleitungen und Stromabnehmer zu kompliziert würde. Wenn nun eine Bahnstrecke einfach an eine der Phasen eines Drehstromnetzes angeschlossen wird, führt dies im Betrieb zu einer erheblichen Schieflast. Selbst wenn die anderen Phasen für andere Bahnstrecken benutzt würden, wären deren Belastungen nicht zu allen Zeiten gleich, da Züge beim Anfahren oder bei hoher Geschwindigkeit besonders viel Strom brauchen, beim Bremsen dagegen meist sogar Energie einspeisen (Rekuperation), und verschiedene Züge dies im Allgemeinen natürlich nicht gleichzeitig tun.
Extreme Schieflasten im Hochspannungsnetz können kurzfristig durch Kurzschlüsse entstehen – wenn etwa bei Unwettern Strommasten umfallen – oder wenn Leiterseile bei Unfällen reißen. In solchen Fällen wird eine Leitung meistens schnell abgeschaltet.
Probleme durch Schieflasten
Eines der Probleme mit Schieflasten ist, dass die vorhandenen Leitungskapazitäten nicht gut genutzt werden: Bei einer gegebenen Gesamtleistung führen sie zu erhöhten Energieverlusten.
Ungünstig, potenziell sogar gefährlich ist auch die Entstehung einer Sternpunktverschiebung, wo dies nicht durch eine Erdung verhindert wird. Darunter versteht man die Entstehung einer Spannung gegen Erde für den Sternpunkt des Wechselstromsystems. Eine Folge hiervon ist das Auftreten einer Überspannung zwischen mindestens einer der Phasen und Erde. Dies kann unter Umständen zur Zerstörung von Betriebsmitteln führen.
Darüber hinaus kann eine wesentliche Schieflast in Generatoren der Kraftwerke zu massiv erhöhten Energieverlusten führen, die mit einer ungewöhnlichen Aufheizung des Läufers einhergehen und zur Zerstörung führen könnten, wenn ein solcher Generator nicht rechtzeitig entlastet wird. Auch für Transformatoren sind Schieflasten ungünstig.
Gegenmaßnahmen
Am günstigsten ist es in der Regel, Schieflasten von vornherein durch eine geeignete Auslegung der Systeme zu minimieren. Hierbei ist natürlich die Versorgung größerer Verbraucher von entsprechend größerer Bedeutung. Beispielsweise ist es wünschenswert, dass Batterien von Elektroautos nicht über einfache Haushaltssteckdosen geladen werden (die auch nur wenig Leistung bringen können), sondern über mit Drehstrom versorgte Ladegeräte. Ebenso sollten Photovoltaikanlagen symmetrisch in alle Phasen einspeisen. Dagegen lohnt sich für Kleingeräte kein zusätzlicher Aufwand.
Es gibt auch technische Maßnahmen zur Kompensation von entstandenen Schieflasten. Beispielsweise gibt es dafür Drehstromtransformatoren mit zusätzlichen Ausgleichswicklungen oder anderen Erweiterungen. Die moderne Leistungselektronik bietet diverse weitere Möglichkeiten. Grundsätzlich erhöhen solche Einrichtungen aber die Errichtungskosten.
Bei Niederspannungstransformatoren in Transformatorenstationen verwendet man manchmal auch mit moderatem Zusatzaufwand eine sogenannte Zickzackschaltung mit zwei Sekundärwicklungen pro Niederspannungs-Phase, wodurch die Leistung selbst bei recht unsymmetrischer Belastung auf der Sekundärseite ziemlich gleichmäßig auf die drei Primär-Phasen verteilt wird. Eine im Niederspannungsnetz bestehende Schieflast wirkt sich dann also nicht auf die Mittel- bzw. Hochspannungsseite aus. Allerdings führt dieser Ansatz nicht nur zu etwas höheren Baukosten, sondern auch zu höheren Energieverlusten im Transformator. Deswegen verwendet man Niederspannungstransformatoren mit Zickzackschaltung nur in besonderen Fällen, etwa zur Versorgung größerer Endverbraucher (z. B. Bauernhöfe).
Quantifizierung von Schieflasten
Der Begriff Schieflast wird in den meisten Fällen als ein Begriff für ein Phänomen verwendet und nicht als eine quantitative Angabe. Jedoch findet man in der Literatur auch quantitative Angaben, die jedoch nicht einmal in den Einheiten übereinstimmen. Manche Angaben sind in Ampere (A) angegeben und beziehen sich auf eine Differenz zwischen Stromstärken in den verschiedenen Phasenleitern – am sinnvollsten auf die Differenz zwischen maximaler und minimaler Stromstärke. In anderen Fällen beziehen sich die Angaben auf Differenzen von Leistungen bzw. konkreter Scheinleistungen in Einheiten von VA (Voltampere).
Interessanterweise wird die Wirklichkeit mit solchen Angaben nicht vollständig erfasst, da man im Prinzip z. B. auch eine Situation haben könnte, in der die Stromstärken auf allen Phasenleitungen gleich sind, insofern also keine Schieflast auftritt, und trotzdem die Stromstärke im Neutralleiter nicht verschwindet, weil die Phasenwinkel zwischen Spannung und Strom unterschiedlich sind. Man hätte also immer noch eine unerwünschte Strombelastung des Neutralleiters. Im Prinzip könnte auch diese Stromstärke als Maß für eine Schieflast betrachtet werden.
Siehe auch: Drehstrom, Transformator, Phase, Neutralleiter
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