Spannungsabfall
Definition: eine elektrische Spannung, die durch Stromfluss in einer Impedanz verursacht wird
Alternativer Begriff: Spannungsfall
Englisch: voltage drop, fall of voltage
Kategorie: elektrische Energie
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Ursprüngliche Erstellung: 22.08.2020; letzte Änderung: 20.10.2023
Zum Verständnis des Phänomens Spannungsabfall beginnt man sinnvollerweise nicht mit einer abstrakten Definition, sondern mit der Betrachtung typischer Beispiele:
- Ein über eine lange Stromleitung an eine Spannungsquelle angeschlossener elektrischer Verbraucher "sieht" im Betrieb eine etwas reduzierte Spannung an seinen Anschlüssen, weil es zu einem Spannungsabfall am elektrischen Widerstand der Stromleitung kommt – selbst wenn die Spannungsquelle am anderen Ende völlig stabil ist.
- Eine Batterie hat eine bestimmte Klemmenspannung (elektrische Spannung an ihren Anschlüssen), die bei Strombelastung jedoch mehr oder weniger absinkt, also geringer wird als die Leerlaufspannung (ohne Strombelastung). Dies kann als ein Spannungsabfall am Innenwiderstand der Batterie gedeutet werden, auch wenn dies eine etwas simplifizierte Betrachtungsweise ist; in Wirklichkeit spielen hier auch elektrochemische und Diffusionsprozesse in der Batterie eine Rolle.
Spannungsabfall an Widerständen
Grundsätzlich entsteht ein Spannungsabfall dadurch, dass ein Strom durch einen Leiter fließt, welcher einen gewissen elektrischen Widerstand hat (oder allgemeiner eine elektrische Impedanz, siehe unten). Wir betrachten zunächst die einfachere Situation mit Gleichstrom, wo nur Widerstände im engeren Sinne relevant sind, keine komplexen Impedanzen.
Ein konkretes Beispiel ist ein elektrischer Verbraucher, der über ein widerstandsbehaftetes Anschlusskabel mit einer stabilen Spannungsquelle (mit Klemmenspannung <$U_{\rm q}$>) verbunden wird und darüber einen Strom mit einer bestimmten Stromstärke bezieht. Der Stromfluss durch die beiden Leiter (Drähte) des Anschlusskabels führt zwangsläufig dazu, dass zwischen den Enden dieser Leiter eine gewisse Spannung anliegen muss, da der Strom ohne diesen "Antrieb" gar nicht fließen könnte. Nun führt aber die Spannung zwischen den Enden eines solchen Leiters zwangsläufig zu einer entsprechenden Reduktion der Spannung an den Anschlüssen des Verbrauchers. Dies liegt letztlich daran, dass jede durch den Stromkreis fließende Ladung der Menge <$Q$> von der antreibenden Spannungsquelle eine Energie <$E = U_{\rm q} \cdot Q$> mitbekommt, die sie nicht komplett an den Verbraucher abgeben kann, sondern die teilweise eben auch in den widerstandsbehafteten Leitern verloren geht. Die verfügbare Energie wird also aufgeteilt, und entsprechendes gilt auch für die auftretenden Spannungen. Der Energieverlust durch den Widerstand der Leiter führt zu einer gewissen Erwärmung derselben.
Zunächst einmal kann die Reduktion der Spannung an den Klemmen des Verbrauchers als ein Spannungsabfall im wörtlichen Sinne verstanden werden. Da der Betrag dieser Reduktion aber gerade der Summe der Spannungen an den Leitern des Anschlusskabels entspricht, bezeichnet man auch diese Spannungen selbst als Spannungsabfälle – sie sind eben assoziiert mit einer Spannungsreduktion an anderer Stelle. Häufig verwendet man den Begriff Spannungsabfall sogar auch in Zusammenhängen, wo eine solche Spannungsreduktion an einem anderen Ort gar nicht von Interesse ist.
Die Größe eines Spannungsabfalls kann bei einem einfachen "ohmschen" Widerstand einfach berechnet werden als das Produkt des Leitungswiderstands und der Stromstärke im Leiter: <$U_{a} = R_{\rm Leitung} \cdot I$>. Hierbei kann die Stromstärke ein Stück weit selbst von dem Spannungsabfall beeinflusst sein: Mit geringerer Spannung am Verbraucher wird dieser häufig (aber nicht immer) auch einen geringeren Strom beziehen. Bei einer Stromleitung mit zwei Adern (für Hin- und Rückstrom) ist natürlich die Summe der Spannungsabfälle in beiden Leitern relevant.
Häufig gibt man auch den relativen Spannungsabfall an, womit die prozentuale Verminderung der am Verbraucher zu Verfügung stehenden Spannung gemeint ist. Dieser relative Spannungsabfall darauf beispielsweise in Deutschland zwischen Hausanschlusskasten und Stromzähler nicht mehr als 0,5 % betragen; dazu kommen dann aber noch der Spannungsabfall an den Leitungen zwischen Stromzähler und Gerät, die verursacht werden von Widerständen der Kabel (fest verlegte und flexible Anschlusskabel) sowie von Kontaktwiderständen z. B. in Verteilerdosen. Zwischen Stromzähler und Steckdosen sollen gemäß DIN 18015 keine Spannungsabfälle von mehr als 3 % auftreten.
Spannungsabfall an komplexen Impedanzen
Bei Wechselstrom oder allgemeiner bei zeitlich veränderlichen Stromstärken spielen oft auch sogenannte komplexe Impedanzen eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Spannungsabfällen. Beispielsweise hat eine lange Stromleitung nicht nur einen ohmschen Widerstand, sondern auch eine Induktivität; beides zusammen kann als eine komplexe Impedanz beschrieben werden, die durch eine komplexe Zahl quantifiziert werden kann.
Im allgemeinen ist der Spannungsabfall eine Wechselspannung, die nicht die gleiche Phase wie die Stromstärke oder die Quellenspannung oder diejenige am Verbraucher hat, d. h. diese Spannung verläuft zeitlich gegenüber den anderen genannten Größen etwas verschoben. Dies hat zur Konsequenz, dass man solche Spannungen nicht mehr naiv addieren oder subtrahieren darf: Beispielsweise ist der Effektivwert der Spannung am Verbraucher im allgemeinen nicht die Differenz der Effektivwerte von Quellenspannung und Spannungsabfall auf der Leitung. In manchen Fällen ergibt sich am Verbraucher sogar eine höhere Effektivspannung als an der Spannungsquelle – etwa wenn ein Verbraucher mit kapazitiver Charakteristik über eine induktive Leitung angeschlossen wird, wobei die Induktivität der Leitung und die Kapazität des Verbrauchers einen Serienschwingkreis bilden, der womöglich bei der Netzfrequenz resonant ist. Am besten rechnet man hier mit komplexen Spannungs- und Stromamplituden, die die eigentliche Amplitude und die Phasenlage beinhalten; so sind tatsächlich Additionen oder Subtraktionen von Spannungen wieder möglich, aber eben mit Verwendung komplexer Zahlenwerte.
In der Elektrotechnik tauchen in diesem Zusammenhang häufig die Begriffe Längs- und Querspannungsabfall auf. Die gesamte Spannung, die zwischen den Enden der Leitung gemessen werden könnte, repräsentiert durch eine komplexe Spannungsamplitude, teilt man dabei auf in eine Längsspannung mit gleicher Phase wie die Spannung am Verbraucher und eine Querspannung mit um 90° verschobener Phasenlage. Vor allem im Zusammenhang mit vermaschten Hochspannungsnetzen sind die Effekte komplexer Impedanzen häufig sehr wichtig, insbesondere durch ihren Einfluss auf auftretende Blindströme und die Übertragung von Wirkleistung.
Nicht nur für sinusförmige Wechselspannungen sind komplexe Impedanzen oft wichtig, sondern beispielsweise auch in Fällen, wo eine Stromstärke sehr rapide ansteigt – etwa bei einem Blitzeinschlag. Hier können induktive Einflüsse, die beispielsweise durch Biegungen eines Blitzableiters verstärkt werden, die auftretenden Spannungsabfälle wesentlich verstärken.
Praktische Konsequenzen von Spannungsabfällen
Spannungsabfälle können diverse Konsequenzen haben:
- Die angeschlossenen Geräte werden effektiv mit einer reduzierten Spannung betrieben, was deren Leistung vermindern kann und in Extremfällen sogar ihre Funktion ernsthaft beeinträchtigt. Bei Wechselstrom kann es aber unter Umständen sogar zu einer Erhöhung der Verbraucherspannung kommen (Ferranti-Effekt), die unter Umständen sogar gefährlich sein kann.
- Die Energieverluste in den Leitungen, die mit den Spannungsabfällen assoziiert sind, vermindern effektiv die Energieeffizienz der Anlage, erhöhen letztendlich also den Energieverbrauch.
- Die Leitungen, in denen der Spannungsabfall erfolgt, werden erwärmt – was in Extremfällen sogar zu Bränden führen kann. Besonders gilt dies für unvorhergesehene Spannungsabfälle, z. B. bei mangelhaften elektrischen Kontakten in Verteilerdosen. (Gerade auch deswegen sollte, wenn ein ungewöhnlich starker Spannungsabfall beobachtet wird, dessen Ursache gesucht und ggf. behoben werden.)
- Spannungsabfälle führen auch zu Verschiebungen von elektrischen Potentialen. Beispielsweise verursacht der starke Stromfluss eines Blitzeinschlags durch ein Erdungssystem einen Spannungsabfall am Blitzableiter und in der Erdung, wodurch das elektrische Potential entlang des Blitzableiters erheblich vom Erdpotential abweichen kann.
Je nach Situation können die einen oder anderen Konsequenzen am wichtigsten sein. Im allgemeinen versucht man Spannungsabfälle zu minimieren, wobei aber ein Kompromiss zwischen bestmöglicher Minimierung und vertretbaren Kosten gefunden werden muss.
In manchen Fällen sind Spannungsabfälle auch erwünscht oder sogar essenziell für die Funktion eines Geräts:
- Beispielsweise kann eine Gasentladungslampe wegen ihres negativen differenziellen Widerstands meist nicht direkt an eine Spannungsquelle angeschlossen werden. Man schließt sie häufig über eine Drossel an, die die Stromstärke stabilisiert, wobei der Spannungsabfall an der Drossel von wesentlicher Bedeutung ist.
- Auch Spannungsabfälle an Stromleitungen können hilfreich sein, beispielsweise zur Begrenzung von Kurzschlussströmen.
- Für die Messung einer elektrischen Stromstärke verwendet man oft den Spannungsabfall an einem Widerstand in der jeweiligen Leitung. Man ermittelt also diesen Spannungsabfall als ein Maß für die Stromstärke.
Spannungshaltung in Stromnetzen
In Stromnetzen führen Spannungsabfälle an diversen Betriebsmitteln zum Problem der Spannungshaltung, also der Stabilisierung vor allem der den Verbrauchern zur Verfügung stehenden Spannungen. Gerade in Hochspannungsnetzen ist auch die komplexe Natur der auftretenden Impedanzen häufig von wesentlicher Bedeutung. Ein genaues Verständnis der Auswirkungen von Spannungsabfällen ist hier nicht einfach und erfordert häufig ausgefeilte Rechenmodelle als Basis von Computerprogrammen.
Siehe auch: elektrische Spannung, Spannungshaltung
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