Mehr Spielraum durch Elektromobilität
(Dieser Artikel ist in ähnlicher Form erschienen in Energie & Umwelt 3/2008, dem Magazin der Schweizerischen Energiestiftung.)
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Die Elektrifizierung des Individualverkehrs könnte ein Weg sein, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen wie auch die Klimabelastung zu reduzieren. Jedoch dürfte es kaum möglich sein, die entstandenen Mobilitätsansprüche in vollem Umfang auf nachhaltige Weise zu befriedigen.
Der Individualverkehr hat -– ermöglicht durch auf Erdöl basierende Kraftstoffe für Verbrennungsmotoren –- in den letzten Jahrzehnten eine gewaltige Expansion erfahren. Da nun aber massive Probleme durch die Erschöpfung der Erdölvorräte und die Klimaerwärmung durch CO2-Emissionen entstehen, ist die Suche nach möglichen Alternativen im Gange. Die Elektrifizierung auch im Bereich des Individualverkehrs scheint die einzige echte Perspektive zu bieten. Dies besonders, seitdem klar ist, dass der Ersatz von Erdöl durch Agro-Kraftstoffe aufgrund der zu wenig effizienten Flächennutzung nur sehr beschränkt möglich ist.
Vergleich von Verbrennungs- und Elektromotor
Das Hauptproblem des Verbrennungsmotors ist der miserable Wirkungsgrad: Insbesondere im Teillastbetrieb, wie er vor allem im Stadtverkehr auftritt, liegt er oft unter 10 %. Hinzu kommt, dass alle für die Mitführung idealen flüssigen Kraftstoffe Kohlenstoff enthalten, so dass CO2 emittiert wird. Eher technisch lösbar sind Probleme mit Emissionen von giftigen Abgasen und Lärm.
Der Elektromotor dagegen kann in einem weiten Leistungsbereich sehr effizient sein, dazu noch sauber, leise, kompakt und langlebig. Zudem kann er beim Bremsen wieder elektrische Energie zurückgewinnen (Rekuperation). Moderne Magnetwerkstoffe und Leistungselektronik haben diese Vorteile nochmals verstärkt. Das Problem ist aber die Energiespeicherung. Aufladbare Batterien haben eine Energiedichte, die derjenigen etwa von Benzin sehr weit unterlegen ist. Den Energiegehalt eines 50-Liter-Benzintanks in Batterien zu speichern, ist aus Gründen des Gewichts und der Kosten kaum möglich.
Das Hybridkonzept
Eine naheliegender Ansatz ist es deswegen, die Vorteile von elektrischem und Benzinantrieb zu verbinden, also einen Hybridantrieb einzusetzen. Die Speicherung von Energie erfolgt weitgehend im Benzin, jedoch übernimmt der Elektromotor Phasen mit kleinem Leistungsbedarf und liefert Bremsenergie an die (nicht allzu große) Batterie zurück. Hiermit lässt sich der Benzinverbrauch je nach Fahrbedingungen immerhin um ca. 10 bis 50 % reduzieren, ohne Kompromisse bei Fahrzeuggröße und Fahrleistungen einzugehen. Jedoch wird das Fahrzeug teurer, ohne dass die genannten Probleme komplett gelöst würden.
Ein scheinbar kleiner Schritt wäre es, das Hybridfahrzeug zum Plug-in-Hybrid zu machen, indem man es mit einem Anschluss ans Stromnetz versieht, um die Batterie zu Hause nachladen zu können und so wenigstens Kurzstrecken rein elektrisch zu fahren. Jedoch sollte die elektrische Reichweite dann wenigstens 50 km sein. Dies erfordert eine Batterie, die nach heutigem Stand nur für sehr kleine Wagen halbwegs bezahlbar wäre. An besseren Batterien mit höherer Energiedichte und Leistungsdichte, langer Lebensdauer und vertretbarem Preis wird inzwischen heftig geforscht; in wieweit oder wann dies Erfolg haben wird, ist noch nicht klar.
Weiter mit Brennstoffzellen?
Die Brennstoffzelle ist gewissermaßen eine modifizierte Batterie, bei der der chemische Energieträger während des Betriebs von außen zugeführt und beim Auftanken als solcher ersetzt wird. Denkbar ist damit ein Tank mit hoher Energiedichte, verbunden mit einer kompakten Brennstoffzelle, die effizient, sauber und geräuschlos elektrische Energie bereitstellen kann. Jedoch sind Brennstoffzellen bisher sehr teuer und funktionieren am besten mit Wasserstoff, der jedoch nur in schweren und teuren Tanks sicher mitgeführt werden kann.
Sollten diese Probleme technisch gelöst werden, könnte Wasserstoff zum Beispiel durch Elektrolyse aus Windstrom gewonnen werden. Jedoch wären die Umwandlungsverluste viel höher als bei der Verwendung von Batterien. Auch könnte erst ein aus heutiger Sicht utopisches Angebot von massenhaft kostengünstig regenerativ erzeugtem Ökostrom (der ja auch noch Kohle-, Gas- und Atomstrom verdrängen sollte!) nennenswerte Mengen von Erdöltreibstoffen ersetzen. Zudem würde für eine solche Wasserstoffwirtschaft eine teure Wasserstoff-Infrastruktur benötigt.
Attraktiver erschienen von daher Brennstoffzellen, die mit flüssigen Stoffen wie zum Beispiel Methanol aus Biogas arbeiten. Solche Brennstoffzellen sind jedoch weniger effizient und noch teurer. Zudem besteht die Gefahr, dass ein massenhafter Einsatz wieder nur mit Erdöl- oder Erdgas-basierten Treibstoffen möglich wäre, da Biokraftstoffe nur in begrenztem Mengen zur Verfügung stehen werden. Also brächte dieser Ansatz keine vollständige Lösung des Ressourcen- und Klimaproblems.
Anspruch und Realität
Das Grundproblem unserer Mobilität besteht an sich darin, dass in Zeiten billigen Erdöls und ignorierter Klimagefahren enorme Ansprüche gewachsen sind, die sich auf absehbare Zeit nicht in ökonomisch und ökologisch verträglicher Weise befriedigen lassen. Der Wohlstandsbürger erwartet heute, ein Auto einigermaßen günstig kaufen und jährlich über zigtausende von Kilometern bewegen zu können. Zudem muss das Auto gute Fahrleistungen bieten, auch viel Platz und Komfort sowie Sicherheit selbst bei hohen Geschwindigkeiten. Wenn in den nächsten Jahren nicht ungeahnte technische Fortschritte gemacht werden, dürfte bald breiteren Schichten bewusst werden, dass ihre Mobilitätsansprüche auf nachhaltige Weise schlicht nicht erfüllbar sind, während der Versuch, weiter auf nicht nachhaltige Weise zu leben, immer größere Schäden und Risiken bringen wird.
Zumindest werden erhebliche Kompromisse unumgänglich werden, um Spielraum zu bekommen. Im Nahbereich werden wohl viele Bedürfnisse mit vergleichsweise kleinen und langsamen Elektroautos gedeckt werden können, während die (längst elektrifizierte) Bahn den Fernverkehr übernehmen kann und muss. So werden etwa häufige Urlaube in weit entfernten Ländern weder mit Autos noch mit Flugzeugen möglich sein. Für mittlere Strecken können Hybridantriebe dienen, aber auch hier erfordert die drastische Reduktion des Treibstoffverbrauchs gleichzeitig Kompromisse im Bereich Fahrzeuggewicht und Fahrleistungen. Es wird klar, dass eine zumindest teilweise Elektrifizierung auch des Individualverkehrs den Spielraum wesentlich vergrößern, jedoch nicht die Lösung aller Probleme versprechen kann.
Siehe auch: Elektromotor, Verbrennungsmotor, Hybridantrieb
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